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Channel: Gitarrenverstärker – GITARRE & BASS
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Magnetmaterialien und ihre Auswirkungen auf den Klang

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Für mich hatte ein Magnet schon immer etwas Magisches: Da schwebt so ein schwerer Metallklotz in der Luft, durch nichts gehalten. Nur sein Gegenstück am Boden lässt die unsichtbaren und faszinierenden Kräfte erahnen, die ihn in der Luft halten.

Magnete in Gitarrentonabnehmern bestehen meist aus AlNiCo-Legierungen oder Keramiken. Den Begriff AlNiCo hat vermutlich jeder Gitarrist schon gehört und weiß, dass es verschiedene AlNiCo-Legierungen gibt und dass der Name eine Abkürzung ist, die aus den jeweils ersten beiden Buchstaben seiner Bestandteile zusammengesetzt ist: Aluminium-Nickel-Cobalt (dass der Magnet auch zu gut 50% aus Eisen besteht, bleibt im Namen allerdings unberücksichtigt). Die im Gitarrenbau wichtigsten AlNiCo-Legierungen sind AlNiCo II, AlNiCo III und AlNiCo V. Die sogenannten Keramik-Magnete (Ferrite) bestehen aus einem Eisenoxid plus anderen Metalloxiden.

Vintage-korrekte Materialien
Vintage-korrekte Materialien°

Keramik-Magnete sind stärker als AlNiCo-Magnete und innerhalb der AlNiCo-Legierungen sind die Abstufungen wie folgt: AlNiCo V ist stärker als AlNiCo II und dieses wiederum minimal kräftiger als AlNiCo III (in dem sogenannten AlNiCo III ist übrigens kein Cobalt enthalten, das Material wird deshalb auch als AlNi-Magnet bezeichnet).

Zwei Punkte sollte man bedenken, bevor man ins Schwärmen für einen Magnet-Typen kommt, der den Sound der Gitarre nachhaltig verbessern soll: Erstens liegen die Herstellungstoleranzen für AlNiCo-Magnete heute im zweistelligen Prozentbereich (und das war vor 60 Jahren ganz sicher nicht besser) und zweitens ist nicht AlNiCo V gleich AlNiCo V, denn es hat schon immer verschiedene Rezepturen für jede AlNiCo-Gruppe gegeben!

Das Magnetmaterial beeinflusst den Klang tatsächlich auf vielfältige Weise. Wegen der Geometrie des Tonabnehmers ist das bei einem Singlecoil mit Stabmagneten ausgeprägter als beim klassischen Humbucker. Relativ leicht wahrnehmbar ist die Veränderung der Lautstärke, wenn ein schwacher AlNiCo II gegen einen starken AlNiCo V oder Keramik-Magnet getauscht wird; und das fühlt sich subjektiv ja auch besser an, wenn der neue Austausch-Pickup lauter ist als sein Vorgänger.

Die etwas anderen Humbucker: Lace Alumitone Pickups
Die etwas anderen Humbucker: Lace Alumitone Pickups°

Aber Vorsicht: das kann auch böse Folgen haben! Denn wenn die Strat oder die Tele unsauber intonieren, die Gitarre nicht richtig zu stimmen und das Saitenschnarren nicht in den Griff zu bekommen ist, dann diagnostiziert der Gitarrendoktor oft „Stratitis“ – und die wird von zu starker Magnetkraft, die auf die schwingenden Saiten wirkt, ausgelöst.

Für einen starken Magneten spricht, dass er die Vorstufe des Verstärkers kräftiger ansteuert; gleichzeitig bremst er aber die Saitenschwingung und verhindert die Möglichkeit, den Verstärker dynamisch mehr zu fordern und die Regler weiter Richtung rechts zu drehen. Ich ziehe es vor, mit einem moderaten Eingangssignal zu arbeiten und dafür den Amp lauter zu drehen.

Die Stärke der jeweiligen Magnet-Legierung übt noch auf eine weitere Art Einfluss auf den Klang aus: Das sogenannte Magnetfeldfenster (die Apertur), also der effektive Bereich, mit dem das Magnetfeld des Pickups die Schwingungen der Saite abtastet, ist bei schwächeren Magneten größer und führt zu einer Bedämpfung der hohen Frequenzen.

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Starke Railhammer Pickups°

Neben den Lautstärke- gibt es auch Charakter-Unterschiede zwischen den einzelnen Magnet-Typen, die rein materialspezifisch sind. Sie sind zwar klein, aber durchaus wahrnehmbar. Keramik-Magnete sind nicht nur lauter als AlNiCo-Magnete, sondern sie bringen auch mehr Höhen, die den Ton härter, gläserner oder schneidender machen. Dass die Höhenwiedergabe des Keramik-Magneten im Vergleich zu seinen AlNiCo-Pendants stärker ist, liegt daran, dass der Keramik-Magnet aus nicht leitendem Material besteht und somit in seinem Inneren keine sogenannten Wirbelströme auftreten, die hohe Frequenzen bedämpfen.

Anders bei AlNiCo-Magneten: Sie sind Stromleiter, in denen Wirbelstromverluste auftreten, wodurch hohe Frequenzen bedämpft werden. Deshalb wird der Klang von AlNiCo-bestückten Tonabnehmern auch als „weich“ bezeichnet oder das Obertonverhalten als „glockig“ charakterisiert – hier wird dem Klang etwas von seiner Schärfe genommen. Das fällt bei AlNiCo V übrigens deutlicher aus als bei AlNiCo II, denn die AlNiCo-V-Legierung hat eine ca. 40% größere elektrische Leitfähigkeit als AlNiCo II.

Der Magnet hat auch Einfluss auf die Resonanzfrequenz und damit auf den Klangcharakter. Ein Wechsel von einem Keramik- zu einem AlNiCo-Magneten erhöht die Permeabilität des Magneten (das ist die magnetische Leitfähigkeit). Eine Veränderung der Permeabilität hat Einfluss auf die Spuleninduktivität und erhöht sie in diesem Fall, was eine Absenkung der Resonanzfrequenz zur Folge hat und somit einen weniger brillanten Klang für den AlNiCo-Magneten ergibt.

Magneten unter zwei Spulen
Aufbau eines klassischen Humbuckers, mit einem zentralen Magneten unter zwei Spulen Polysol

Bezüglich Höhenwiedergabe hat also eindeutig der Keramik-Magnet die Nase vorn und das hört man im A/B-Vergleich auch heraus. Aber die Unterschiede zwischen den verschiedenen AlNiCo-Typen muss man eher an den Lautstärke-Unterschieden fest machen, denn der aufmerksame Leser hat vielleicht schon gemerkt, dass der Vorteil des AlNiCo II gegen- über dem AlNiCo V in Bezug auf weniger Höhenverlust (weil weniger Wirbelströme) schnell dahin ist, wenn man den Einfluss auf die Resonanzfrequenz gegenrechnet, weil hier der AlNiCo V besser abschneidet.

Die Klangunterschiede treten also in der praktischen Anwendung nicht so deutlich zu Tage, wie das erscheint, wenn man die Phänomene mit Worten beschreibt. Bleibt zu resümieren, dass die theoretisch vorhandenen Klangunterschiede zwischen den einzelnen Magnet-Legierungen sehr klein, und tatsächlich nicht in jeder Vergleichssituation wahrnehmbar sind.

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Historisch korrekt stehen die Magnete für die A-Saite weit heraus.°

Wer sich tiefgründiger mit dieser Materie beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Artikel von Manfred Zollner von der Technischen Hochschule Regensburg.

Mehr Basics rund um deine Gitarre findest du in unserem Gitarren ABC!


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