Die Firma Omega aus Michigan fing vor einigen Jahren damit an, Custom-Gitarrenboxen zu bauen. Die geschmackvollen Designs, exzellente Qualität und vor allem der gute Sound sorgten dafür, dass sich die Manufaktur bei Gitarristen in moderneren Metal-Sphären schnell einen Namen machen konnte.
Auf der NAMM 2017 stellten die jungen Männer mit dem Obsidian ihr erstes Vollröhren-Topteil vor – ein 2,5-Kanaler mit Gain-Reserven bis zum abwinken. Ich konnte den Amp vor Ort anspielen und was soll ich sagen? Ich war vollends überzeugt! Mit knapp $ 3000,- bewegte sich das gute Stück allerdings etwas oberhalb meines Budgets, und so fragte ich, ob es bei Omega auch Pläne für einen Einkanaler gäbe. Meine Frage wurde damals mit einem Zwinkern beantwortet. Mitte 2018 war es dann soweit: Der Iridium wurde angekündigt und ich sicherte mir eines der ersten drei Exemplare – passend zu meiner zuvor erstandenen Omega 2×12 Alpha Box.
Es ist angerichtet.
HINGUCKER
Omega bietet eine Vielzahl von Custom-Optionen und Finishes an. Ihr wollt eine blau gebeizte Blende aus geflammtem Ahorn? Kein Problem. Auch die Gehäuseoberfläche kann anstelle von Tolex mit gebeiztem Holz geordert werden – oder alternativ mit der gleichen Beschichtung besprüht werden, die man oft in der Ladefläche von Pickup-Trucks findet. Letztere ist natürlich nahezu unverwüstlich und somit sehr Tour-tauglich.
Das Auge isst mit: Schicke Holzfront mit Omega-Logo
Mein Iridium und die dazugehörige Box sind aber ausschließlich für den Studiobetrieb gedacht, was mir die Freiheit gab, ein paar rein ästhetische Entscheidungen zu treffen, die ich für Tour-Equipment vielleicht so nicht in Erwägung gezogen hätte. Wie schon bei meiner 2x12er-Gitarrenbox, entschied ich mich auch bei der Frontblende des Iridiums für Walnuss. Das Gehäuse ist im Gegensatz zur Box aber nicht aus weiß gebeiztem Holz, sondern mit schwarzem Tolex bezogen. Der Verstärker ist hochwertig verarbeitet und verdrahtet, alles sitzt bombenfest, die Spaltmaße sind gleichmäßig, die Potis laufen alle sahnig – hier lässt Omega nichts anbrennen!
FLEXIBLES GERÄT
Auf den ersten Blick wird klar, dass der Iridium für einen Einkanaler einiges an Tone-Shaping-Optionen bietet. Direkt neben dem Input findet sich der Gain-Regler mit dazugehörigem High- und Low-Gain-Switch, die im Zusammenspiel ein weites Spektrum von bluesigem Crunch bis Tiefton-kompatiblem High-Gain abdecken sollen. Weiter geht es mit einem Drei-Band-EQ und Level Regler. Zwischen diesem und dem Master-Poti befindet sich ein Voice-Switch, bei dem man den Klangfokus des Mittenspektrums von den Hoch- in die Tiefmitten verschieben kann. Zu guter Letzt gibt es mit den Depth- und Detail-Potis nochmal zusätzliche Möglichkeiten, das Low- und High-End zu formen.
Gain-Schalter auf High, Gain-Regler aufdrehen: Rock’n’Roll
Auf der Rückseite findet man neben den üblichen Speaker-Ausgängen, einem Impedanz-Wahlschalter (4/8/16 Ohm) und FX Loop noch Dual-Bias-Regler. Der Iridium kann nämlich z. B. mit zwei EL34 und zwei 6L6 simultan betrieben werden – ein Feature, das für zusätzliche Flexibilität sorgt und Röhrenfans aufhorchen lassen dürfte. In meinem Fall ist die Entscheidung auf vier 6L6 Röhren gefallen, da ich aus dem Amp eher moderne und „amerikanische“ Charakterzüge herauskitzeln wollte. Aber Schluss jetzt mit dem Gelaber: Schalter umlegen, Amp vorglühen lassen und ab dafür!
Hat einen deutlichen Einfluss auf den Mitten-Charakter: Der Voice-Schalter
HEAVY METAL CHAMÄLEON
Es ist verlockend, direkt in die Vollen zu gehen, den Gain-Schalter auf „high“ zu stellen und das Gain-Poti weit aufzureißen. Aber ich übe mich heute mal in Zurückhaltung und arbeite mich von zart nach hart.
Wirklich clean ist der Iridium in keinem der zwei anwählbaren Gain-Level. Wenn man den Kippschalter auf Low stellt und das zugehörige Poti langsam aufdreht, kippt das Signal von völliger Stille ganz schnell in einen leicht knarzigen Ton, der geradezu danach bettelt noch ein bisschen mehr Sättigung zu bekommen. Auf 9 Uhr angekommen klingt das Ganze bluesig-crunchy – und wenn man dann noch mit dem EQ großzügig im Bass und den Mitten aushilft, wird es schön warm und fett. Der Iridium klingt in diesen Gefilden auffällig britisch und mit ein bisschen mehr Gain lassen sich ihm auch direkt authentisch-klassische Hard-Rock-Klänge entlocken.
Hier beginnt der Amp für mich so richtig Spaß zu machen. Laut Tubescreamer o. ä. vorzuschalten, also hänge ich meinen Rodenberg Flux Capacitor vor den Iridium und schaue mal, was sich da so tut. Und tatsächlich – das Mehr an Sättigung vom Boost verträgt sich ausgezeichnet mit der Gain-Struktur dieses Modus‘. Mittlerweile bin ich mit dem Gain-Poti bei 12 Uhr angekommen und schalte den Kippschalter auf High. Zusammen mit dem Boost ist an dieser Stelle mit einem recht neutralen EQ schon ein wirklich beeindruckender Sweet Spot erreicht, von dem aus man mithilfe des EQs noch sehr kreativ sein kann. Mit Bass und Mitten auf 1 Uhr und den Höhen auf 3 Uhr kommen wir schon erstaunlich nah an einen für mich perfekten, dynamischen High-Gain-Sound heran.
Wirklich gravierend wirkt sich auch die Position des Voice-Schalters aus, der in der unteren Stellung den Mitten-Fokus in die Hochmitten verschiebt und somit das gesamte Klangbild des Iridiums spürbar aufklart. In der oberen Stellung klingen die Mitten etwas fetter, wovon vor allem Single-Note-Riffs profitieren. Mit den Depth- und Detail-Reglern lassen sich Tiefen und Höhen aber auch nochmal erheblich finetunen. Dreht man das Gain-Poti noch weiter auf, wird der Boost vor dem Amp mehr oder weniger überflüssig. Ab 3-Uhr-Position ist wirklich Gain im Überfluss abrufbar und meiner Ansicht nach empfiehlt es sich an dieser Stelle, entweder auf einen zusätzlichen Boost vor dem Amp zu verzichten, oder den Gain wieder etwas zurückzudrehen.
Charakterlich gefällt mir der Iridium aber auch mit so viel Zerre wirklich gut. Der Amp klingt von Haus aus eher trocken und ist dadurch sowieso schon wirklich tight. Es ist schwer, den Charakter des Iridiums anhand von anderen, populären High-Gain-Amps zu beschreiben, da er auf der einen Seite die Gain-Sättigung von Amps wie dem Peavey 5150 liefert, gleichzeitig aber immer einen latent britischen Unterton mitschwingen lässt.
Ein klar strukturiertes und sehr schön designtes Top-Teil
FAZIT
Als Metal-Amp ist der Omega Iridium ein Rundumschlag. Klar, die Marschrichtung ist bei einem Einkanaler relativ eindeutig: Sound finden, aufreißen, Gas geben! Aber eben dieser Sound kann dank der super flexiblen Tone-Shaping-Möglichkeiten von Grund auf ganz verschiedene Wege gehen. Von Classic-Rock-Crunch bis hin zum Extrem-Metal-High-Gain lässt sich dieser Verstärker über eine große Bandbreite souverän einpegeln. Wer in dieser Schnittmenge ganz genau weiß wie er sich seinen Sound vorstellt, wird diesen mit dem Omega Iridium finden. Aber am Ende des Tages ist er ein Amp für Puristen.
Mit Mick Thompson von Slipknot hat sich übrigens kürzlich ein wahrlich prominenter Gitarrist dazu hinreißen lassen, künftig live und im Studio nur noch Omega Amps und Cabs zu spielen. Dabei greift er wohl auf ein Duo aus Omega Iridium und Omega Obsidian zurück.
REVIEW
Strigoi – Abandon All Faith
STRIGOI:ABANDON ALL FAITH
Es ist aufgefallen, dass sich bei Greg Mackintosh in den letzten Jahren zunehmend der Härtegrad nach oben geschraubt hat. Die letzten zwei Paradise-Lost-Platten waren deutlich krasser als die Vorgänger, mit Vallenfyre gründete er ein reines Death-Metal-Nebenprojekt und veröffentlichte damit drei wirklich starke Platten und jetzt steht er schon mit der nächsten Band in den Startlöchern: Strigoi. Und wie schon bei Vallenfyre handelt es sich auch bei dieser Band um ein Death-Metal-Bollwerk, nur eben mit einem leicht anderen Flavor.
‚Abandon All Faith‘ scheppert oft punkiger daher und treibt gnadenloser voran. Strigoi sollten mit ihrem Sound tatsächlich auch für Crust-Punks attraktiv sein, da ihr Groove immer in latenter D-Beat-Manier nach vorne marschiert. Gleichzeitig umschwebt das Ganze aber ein noch finsterer Vibe. Das Artwork spricht auch eher eine Black-Metal-Sprache und diese Ästhetik, schleicht sich auch etwas in die Musik ein. Wie man es dreht und wendet: Greg Mackintosh kann es noch… und zwar besser denn je. ‚Abandon All Faith‘ beweist das mal wieder eindrucksvoll.
Für unser aktuelles Thema ist kaum ein Ort im Magazin besser geeignet als die Parts-Lounge-Kolumne. Denn der Austausch der Röhren gehört nach wie vor zur häufigsten Maßnahme bei Verstärkerdefekten. Gleichzeitig scheint auch kaum ein Thema die Anwender ähnlich stark zu fordern. Kurzum: Es fehlt das angemessene Bewusstsein zu unseren Glaskolben.
In unseren Autos meldet sich längst die Öl-Anzeige im Display, wenn der Motor mal wieder durstig nach Schmiermitteln ist. Und selbst die Funkmaus meines Computers zeigt mir rechtzeitig an, wann ein Batteriewechsel ansteht. Bei Röhrenverstärkern ist das ganz anders: Solange was rauskommt, scheint doch alles gut… Tatsächlich ist der Verschleiß schleichend, zieht sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte hin. Und keine Anzeige verrät, wann es Zeit wird für einen Wechsel.
Frisches TAD-Röhrenset in einem Fender Tweed Twin
Am Telefon beklagen viele meiner Kunden, der Verstärker mache von Zeit zu Zeit komische Geräusche: da knackst, bruzzelt, zischt und wummert es. Aber kaum jemand scheint darauf zu kommen, dass die Röhren im Spiel sein könnten. Röhren verhalten sich im Grunde wie Glühbirnen. Manche halten scheinbar ewig, andere versagen schon nach wenigen Tagen oder sogar Stunden. Selbst die Vertriebe, die ihre Glaskolben aus China oder dem Ostblock beziehen, sind einen enormen Ausschuss bei Neuware gewohnt. Teils müssen schon beim Zwischenhändler bis zu 50 Prozent der Ware aussortiert werden − Nachhaltigkeit sieht anders aus!
Wir müssen mit diesen Ungereimtheiten leben. Weltweit tourende Profis stellen daher auch ihre klanglichen Vorlieben gegenüber der Zuverlässigkeit eines Röhrenfabrikats hinten an. Röhren sind hier nicht viel mehr als Gitarrensaiten oder die Batterie im Fußtreter. Schon nach ein, zwei Konzerten kann da Schluss sein mit der geforderten Dynamik, Rauscharmut oder Bassstabilität. Und schnell und routiniert wechselt dann der Gitarrentechniker für seinen Arbeitgeber sämtliche Glaskolben gegen einen frischen Satz. Sicher ist sicher! Nur fehlt den Meisten diese Routine im Umgang mit den fragilen und oft glühheißen Glasflaschen. Und Strom ist doch hier auch im Spiel. Also lieber die Finger davon lassen?
Keineswegs, und dazu möchte ich hier aufrufen! Ich bekomme zahllose Verstärker in die Werkstatt gebracht, die gar nicht hier sein müssten, wenn die Besitzer zwei Voraussetzungen mitbringen würden: Einmal sollte wirklich jeder Besitzer eines Röhrenverstärkers einen Reserve-Satz parat haben. Und zweitens sollte man wissen, wie ein Röhren-Wechsel vonstattengeht. Und genau das werde ich hier noch einmal erklären.
Links eine defekte EL84 mit weiß verfärbtem Schriftzug
Die Röhren sind die wohl empfindlichste Baugruppe eines Verstärkers. In ihnen befindet sich eine kleine und daher äußerst fragile Miniatur-Mechanik, die alle möglichen Fehlerquellen parat hält. Es erfordert schon bei der Fertigung hohe Handwerkskunst, um diese Elektronik genau so in den kleinen Kolben zu bauen, dass sie auch einwandfrei funktioniert. Schon hierbei machen auch die erfahrensten Handwerker Fehler. Und so wird schon ab Werk jede Menge Ausschuss produziert, der dann nicht mal an den Vertrieb weiter versendet wird, sondern gleich vor Ort entsorgt wird.
Denn die Röhre muss nicht nur einwandfrei funktionieren, sondern das auch möglichst streng nach ihren elektronischen Kenndaten. Schließlich sollte sie mit einer bestimmten Funktion in der Verstärkerschaltung auch immer wieder die gleichen (klanglichen) Eigenschaften gewährleisten. Allein das ist eine große Herausforderung für die Hersteller.
EL84 Röhre
In der Blütezeit der Röhren-Herstellung − etwa zwischen den Dreißiger- und Sechzigerjahren − arbeiteten in den zuständigen Fabriken oft perfekt ausgebildete Techniker, die logischerweise zuverlässiger ihr Werk verrichteten als ein schnell angelernter Tagelöhner in einer Massenproduktion. Doch ganz ohne diese Handwerkskunst geht es nun auch nicht, denn sonst würde der Ausschuss während der Produktion einfach zu groß. Ich habe selbst schon Röhrenwerke besichtigt und währenddessen nicht schlecht über die Gewissenhaftigkeit und die eigenen Ansprüche der Mitarbeiter gestaunt.
Zugegeben, diese Zunft stirbt aus, denn die kleinen Kolben werden nur noch für Gitarren- oder bestimmte Hifi-Produkte benötigt. Und das ist ein schrumpfender Markt. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Siegeszug der Transistor-Technik, was den Bedarf an Verstärkerröhren sehr stark senkte. Und dennoch glühen sie immer noch Tag für Tag in unseren Amps und sind vorläufig auch trotz der Verbreitung von Amp-Modeling noch nicht wegzudenken.
Nur alt und verschmutzt oder schon defekt?
Während die Glühmittel in unserer Hausbeleuchtung bei einem Defekt gar keinen Zweifel daran zulassen, dass sie schlicht kaputt sind, kann man das bei Verstärkerröhren oft gar nicht so leicht feststellen. Auch einem Techniker wie mir bleibt oft nichts anderes übrig, als nach dem Ausschlussverfahren vorzugehen, wenn ich einen Röhrenschaden vermute. Denn bevor eine Röhre ganz ausfällt (was etwa bei Vorstufenröhren nur ganz selten der Fall ist), schleichen sich Fehlfunktionen ein, deren Herkunft oft nur schwer zu lokalisieren ist.
Vorstufenröhre 12AX7 ECC83
Auch das kann für den Laien zu Hause eine große Hilfe für einen grundsätzlichen Funktionstest sein. Und den sollte man (wie den TÜV beim Auto) regelmäßig durchführen. Und das ist einfacher als man oft denkt. Die meisten Verstärker ermöglichen den Zugriff auf die Glaskolben, in dem man eine der Rückwände (falls vorhanden) abschraubt. Das ist selbst für den Nichtheimwerker meist keine große Herausforderung. Bevor man das tut: Unbedingt den Netzstecker ziehen! Das gilt übrigens für alle Arbeiten am Amp.
Möchte man ganz sicher gehen, schaltet man den Verstärker vorher ein (Netz und Standby) und schaltet dann nur den Netzschalter wieder aus. Der Standby bleibt eingeschaltet. das garantiert in den meisten Fällen, dass die Netzteil-Elkos sich entladen können. Diese speichern andernfalls teils über lange Zeit ihre Betriebsspannung (bis 500 Volt oder mehr).
Ist die Rückwand entfernt und Sicht und Zugang zu den Röhren hergestellt, steckt man den Netzschalter wieder ein und schaltet den Amp wieder ein. Nach etwa zwei Minuten ist er betriebsbereit. Dann kann man, falls man sich das zutraut, die Röhren nacheinander mit einem isolierten Gegenstand (ich verwende dazu stets ein chinesisches Ess-Stäbchen aus Holz) vorsichtig abklopfen. Tauchen dabei Geräusche auf, hat man den Übeltäter meist entlarvt − man hat eine defekte oder stark mikrofonische Röhre gefunden. Mikrofonisch heißt in diesem Fall, dass die Röhre auf Klopfen oder leichte Erschütterungen mit einem deutlich hörbaren „Pling“ oder „Wumm“ reagiert.
Solche Röhren sind teils so empfindlich, dass man die Geräusche auch schon vernimmt, wenn man eine benachbarte Röhre berührt oder nur vorsichtig an das Gehäuse tippt.
Eine schlechte Vorstufenröhre gibt zu ihrem technischen Zustand leider keinen optischen Hinweis, es sei denn, der Heizglühfaden bleibt völlig dunkel. Bei Endstufenröhren lässt sich ein Komplettausfall oft an einem weißen Niederschlag (siehe Foto) erkennen. Der Glaskolben, der innerlich vakuumiert wurde, hat dann Luft gezogen, und da Sauerstoff sich bekanntlich bei Hitze entzündet, hinterlässt dieser Vorgang entsprechende Brandspuren.
Rechts eine defekte Endröhre mit weißem Belag
Wer sich diese Prozedur nicht zutraut, kann die Röhren (Netzstecker ziehen zwischendurch nicht vergessen) einfach nacheinander austauschen, bis der Geräuschverursacher entdeckt wird. Das setzt natürlich voraus, dass man Ersatzröhren parat hat und genau weiß, was man hier tut (Mehr dazu in der nächsten Folge). Teilweise befinden sich im Verstärker verschiedene Röhrentypen, die man stets nur durch gleiche Typen ersetzen sollte. Die genaue Bezeichnung, etwa „12AX7“ oder „6L6“ steht meist gut lesbar auf dem Glaskolben. Ist das nicht der Fall, kann man sich beim Hersteller oder heutzutage einfach mal im Netz erkundigen, mit welchen Röhren der Verstärker bestückt ist. Im Zweifelsfall ruft man eben einen erfahrenen Techniker an und fragt mal nach (solche Auskünfte erteile ich beinahe täglich, und das auch immer ganz umsonst).
Das Ausstatten mit einem Ersatzröhren-Sortiment ist eigentlich für jeden Röhrenverstärker-Besitzer Pflicht. So lernt man mit der Zeit, den Tausch auch wirklich stressfrei zu bewältigen und spart sich bisweilen den Besuch beim Techniker.
In der nächsten Ausgabe beschäftigen wir uns mit den Tücken eines Wechsels, denn auch hier kann man einiges falsch oder richtig machen…
Nur wenige wissen es: Lange bevor sich erste Fender- oder Marshall-Verstärker datieren lassen, war Gibson bereits mit Amps auf dem Markt vertreten. In den Goldenen 50er und 60er Jahren zählte man sogar zu den ganz Großen im Verstärkergeschäft und produzierte insgesamt über die Jahre ca. 70 verschiedene Röhren-Amps.
Trotz der großen Beliebtheit der Gibson-Gitarren sind die Verstärker dieses Herstellers besonders in Europa so etwas wie ein Geheimtipp geblieben. Man weiß vielleicht vom Hörensagen, dass Grössen wie Ry Cooder (GA-20), George Harrison (GA-40) und Jim Hall (GA-50) zum einen oder anderen Zeitpunkt Gibson-Amps benutzt haben, aber ihre relativ weite Verbreitung in den USA ist hier recht unbekannt. In den 30er Jahren etablierten sich mit den ersten elektrischen Gitarren – Hawaii- oder Lapsteel-Modelle – auch die elektrischen Gitarrenverstärker.
Die ersten serienmäßigen Amps produzierte Gibson Mitte der 30er Jahre. Sie waren simpel konstruiert, besaßen kleine 8″- oder 10″-Lautsprecher, einen Volumen-Regler, eine Tonblende und produzierten eine Leistung von fünf bis zehn Watt aus einer einzigen Endröhre in Class-A-Schaltung. Vor aller klanglichen Wertschätzung darf man sie heute vor allem als nett anzuschauende Museumsstücke ansehen. Sie besaßen geringe Lautstärkereserven und der Ton eine eher muffige Qualität und frühe Verzerrung, was wenig Begeisterung hervorrief. Damals in der Musikindustrie schon gang und gäbe, wurde nicht unbedingt alles im eigenen Werk gefertigt, sondern Fremdhersteller mit Teilen der Produktion beauftragt.
Gibson z. B. betraute die Firma Lyon & Healy mit der Herstellung der Verstärker – eine Vorgehensweise, die später bei der Neuauflage der Goldtone-Amps ebenfalls praktiziert wurde. Jazz-Pionier Charlie Christian, der seine Gibson ES-150 als gleichwertiges Soloinstrument neben den Bläsern einsetzte, initiierte die Weiterentwicklung des Verstärkerbaus. Gefragt war nun ein lauterer, durchdringender Ton mit mehr Leistung. Zur Zeit des 2. Weltkriegs herrschten jedoch drastische Produktions-Beschränkungen, zeitweise durften Güter mit einem Metallanteil von mehr als 10 % nicht mehr gefertigt werden. Unter diesen Voraussetzungen kam die Produktion der Verstärker komplett zum Erliegen.
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
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1947 nahm Gibson die Fertigung wieder auf und stellte drei Amp-Modelle vor, den BR-1, -2 und -3. Diese Verstärker wurden von der Firma Barnes & Reinecke aus Chicago entwickelt, Gibson fertigte die Chassis. Die Verkaufszahlen von etwa 1000 bis 2000 Exemplaren hielten sich in Grenzen. Richtig Schwung kam erst in die Sache, als Ted McCarty 1948 von der Firma Wurlitzer zu Gibson wechselte. Bereits 1950 zog die Gibson-Amp-Division in eine neue Fabrikationshalle, worauf sich die Produktionskapazität auf 10.000 Verstärker im Jahr steigerte. Damit waren Gibson und Fender für eine kurze Zeit gemeinsame Marktführer in diesem Segment.
Die Verstärker, die unter den Markennamen Gibson, Maestro, Epiphone und Kalamazoo angeboten wurden, hatten durchaus einiges zu bieten. Nachdem Gitarrenverstärker in den Anfangsjahren entweder wie Vollholzmöbel oder wie mit braunem Leder bezogenes Reisegepäck aussahen – nie wird einem der Ursprung des Begriffes „Kofferverstärker“ klarer als beim Anblick eines ‘52er GA- 30 – brachte Gibson in der Zeit von Mitte der fünfziger bis Anfang der sechziger Jahre die nach ihren charakteristischen Bespannstoffen benannten Two-Tone- und Tweed-Amps auf den Markt. Dies waren meist schlichte und robuste Verstärker mit handverdrahteten Class-A-Schaltungen, die etwa 8 bis 16 Watt aus zwei 6V6-Endröhren produzierten und dabei enorm warm und dicht klangen.
Wer heutzutage solch einen Amp anspielt, staunt in der Regel zunächst über das geringe Gewicht und dann über die erstaunliche Leichtigkeit, mit der sich reiche Schattierungen von rauchig-sanfter, cremigkomprimierender bis fast brachialer Endstufenverzerrung bei verträglicher Lautstärke erzielen lassen. Das alles ist sehr direkt mit der Spieltechnik und dem Volumen-Poti der Gitarre steuerbar – gerade auch der magische Bereich, in dem ein „noch-nicht-verzerrtes“ Arpeggio zu einem „nicht-mehr-cleanen“ Akkord wird. Aber die Firma Gibson, die zu diesem Zeitpunkt ja auch recht brauchbare Gitarren gebaut hat, baute auch leistungsstärkere Amps.
Manche hatten ein wunderbares „Swamp Thing“-Tremolo an Bord, und parallel wurde mit Stereo-Amps, den sonst eher in Europa beliebten EL84-Endröhren und ungewöhnlichen Lautsprecher-Kombinationen experimentiert. Eine Vielzahl von Amp-Modellen wurde aufgelegt: diverse Les-Paul-Signature-Amps, Vanguard, Apollo, Saturn, Ranger … Der GA-83S z. B. war ein 35 Watt starker Stereo-Gitarren-Amp, der mit einem 12″- und vier 8″-Lautsprechern arbeitete, die in verschiedene Richtungen abstrahlten. Die Modellbezeichnungen entsprechen dabei nicht den Wattzahlen der Verstärker. Das bekannte „Les Paul Model“ GA-40 z. B., das die oben beschriebenen Klangeigenschaften (mit einem blauen Jensen-P12PLautsprecher in einem für einen 15″-Lautsprecher dimensionierten Gehäuse) fast im Übermaß erfüllt, bringt nicht etwa 40, sondern 16 Watt auf die Bretter.
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
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Trotzdem sollte man die heutigen Maßstäbe, nach denen ein „richtiger“ Gitarren-Amp eigentlich erst ab 40 Watt anfängt, getrost einmal in Frage stellen. Die plötzliche Verwendung kleinerer Amps in phonstarken Ensembles soll da schon die tollsten gruppendynamische Prozesse in puncto Dynamik und Zusammenspiel in Gang gebracht haben … Auch die von Gibson anfangs ausschließlich verwendeten legendären Jensen-Alnico-Lautsprecher sind nicht gerade muskelbepackte Kraftpakete. Ted Weber von der Fa. Weber VST Lautsprecher gibt die Wattzahlen der alten Alnico-Concert-Serie an mit: P10R = 10 W, P10Q = 12 W, P12R = 12 W, P12Q = 14 W, P12P = 16 W, P12N = 18 W („on a good day …“).
Dabei erklärt sich die aus heutiger Sicht etwas fahrlässige Praxis, Verstärker gelegentlich mit „untermotorisierten“ Lautsprechern auszustatten, schlicht aus der Tatsache, dass damals laut Hersteller Verzerrungen und hohe Lautstärken natürlich strikt vermieden werden sollten! Dennoch: Der breite Sound-Geschmack orientierte sich anderweitig. Gibson-Amps klangen ausgesprochen weich und (zu) sauber. Führt man sich vor Augen, welch unterschiedliche Klientel beide Hersteller bedienten, versteht man vielleicht beide Seiten. Fender produzierte mit der Tele- und Stratocaster Gitarren für Country- und Rock-‘n‘- Roll-Gitarristen.
Gibson orientierte sich mit den L-5-, ES-335- und Les-Paul-Modellen an Jazz-Musikern – und lieferte die entsprechenden Amps dazu, die halt eher mellow und soft klangen. Mitte der 60er war der Sound der Gibson-Amps endgültig aus der Mode. Rock ’n‘ Roll und Surf-Musik mit schnittigen, drahtigen Fender-Gitarren und -Amp-Sounds traten ihren Siegeszug durch die Hitparaden an. Anfang der 60er wurden die Gibsons dann auch mit Hall ausgestattet und gingen klanglich in eine nicht uncharmante, aber dezentere, fast Hifi-artige Richtung, mit der vielleicht verstärkt eine Surf- oder Countryorientierte Klientel angesprochen und Fender Konkurrenz gemacht werden sollte. Optisch brach sich diese Richtungsänderung in braunem Tolex mit merkwürdig kantigen, mattierten Chromfronten Bahn, auf denen kleine schwarz-rote Krönchen prangten.
Die Versuche mit der Transistortechnik ab Mitte der Sechziger landeten wie auch bei einigen anderen führenden Herstellern in der Katastrophe und führten bei Gibson letztlich zur Einstellung der Produktion. Gitarren waren jetzt wichtiger. In den späten 70ern war man dann an der Entwicklung der transistorisierten LAB-Series-mps beteiligt. In Zusammenarbeit mit dem Synthesizerhersteller Moog entstanden relativ große Amps mit Electro-Voice-Lautsprechern, die als „Über-Polytone“ besonders bei Jazzern recht beliebt waren. Die ebenfalls mit Transistoren arbeitenden Gibson-Goldtone-Amps aus den 90er Jahren standen klanglich etwa in dieser Tradition, blieben aber ohne große Resonanz – bis findige Köpfe von Englands renommiertem Bassverstärker-Hersteller Trace Elliot eine Idee hatten.
Joining Forces
Trace Elliot besaß in der Kleinstadt Maldon – etwas über eine Autostunde von London entfernt – eine riesige Produktions- und Lagerhalle. Dies war ein Relikt aus der Zeit, als man mit dem mächtigen U.S.-Konzern Kaman zusammen arbeitete und teilweise den englischen Vertrieb für dessen Produkte (Ovation, Hamer, Gibraltar u. a. ) organisierte. Neben bekannten Bass- und AkustikGitarren-Amps gab’s außerdem nichts mehr, was man nicht produzierte. Bis hin zu PA-Systemen war Trace Elliot mit eigenen Produkten in nahezu jeder Nische der Audio- und Instrumenten-Verstärkung vertreten, was der Firma nicht besonders gut tat und zum Kollaps und der Trennung von Kaman führte. Übrig blieb die riesige Fabrikhalle und die Erkenntnis, dass man zwar alles herstellen konnte, aber manches besser gelassen hätte.
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
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Outsourcing war bei Gibson schon in den 30er Jahren praktiziert worden – und dies sollte sich nun wiederholen. So schlug Colin Davies, einer der damaligen Geschäftsführer von Trace Elliot, 1998 Gibson-Boss Henry Juskiewiczs vor, Gibson-Gitarrenverstärker zu bauen. Nichts ungewöhnliches also – allerdings sollte man wissen, dass Gibson im gleichen Jahr Trace Elliot aufgekauft hatte und so berechtigtes Interesse hatte, die Produktionskapazitäten seiner neuen englischen Tochterfirma auszulasten. Dennoch ist die Geschichte dieser amerikanisch-englischen Amp-Kooperation erzählenswert. Trace Elliot baute bereits seit einigen Jahren mit eher durchwachsenem Erfolg den Velocette, einen kleinen Combo, der einem Gibson Gibsonette-Amp von 1949 nachempfunden war. Der Amp hat richtig gut geklungen und war durchaus preiswert, aber die Gitarristen wollten doch lieber nicht einen Gitarren-Amp von einer „Bass-Firma“ kaufen.
Colin Davies nahm also den Trace Elliot Velocette und verwandelte ihn in einen Gibson Gibsonette zurück. D. h., er ließ braunes Kunstleder aufziehen, das Chassis in der alten Gibson-Farbe lackieren, scannte (!) das Gibson-Logo aus einer Anzeige, ließ es nachfertigen und auf den Amp schrauben. Jetzt nur noch die Lautsprechergitter vergolden – und fertig war der Gibson GA-15! Der neue, alte Gibson/Trace/Gibson-Combo gefiel den Verantwortlichen in den USA so gut, dass Gibson später bei der Serienproduktion sogar darauf bestand, die versehentlich auf dem Prototyp noch vorhandene britische Flagge auf der Rückseite einfach draufzulassen. In Amerika und Japan verkaufen sich diese Amps trotz des nun erhöhten Preises sehr gut.
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
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Mit der Gibson-Kopie eines Trace-Elliot-Verstärkers, der eine Kopie eines Gibson-Amps gewesen war, hatte der englische Hersteller und sein amerikanischer Mutter-Konzern gleich ein interessantes gemeinsames Produkt. Gibson ermöglichte Trace Elliot neue, bessere Vertriebswege in den USA, Trace Elliot hatte in den Bereichen, in denen Gibson bisher noch keine Produkte herstellte – also Bass- und Gitarrenverstärker – erfolgreiche Serien zu bieten und zudem weitere Produktionskapazitäten für andere Gibson-Produkte frei. Dass diese dann letztendlich doch nicht optimal genutzt wurden und Gibson im letzten Jahr die ruhmreiche TraceElliot-Fabrik schließen ließ, steht auf einem anderen Blatt. Für die Gibson-Amps, die nun nicht mehr aus dem Gibson-Programm wegzudenken sind, bedeutete dies, dass ihre Produktion in heimische amerikanische Gefilde nach Elgin verlegt wurden.
Golden Tone
Die Gibson Goldtone-Combos aus den 90ern sind klanglich absolute ehrliche Zeitgenossen, Schönfärberei ist ihnen ein Fremdwort. Jede Nuance des Anschlags und der Spieltechnik zeigen sich in entsprechender Dynamik und Tonentfaltung. Wer sichergehen möchte, dass der Klang der angeschlossenen Gitarre authentisch wiedergegeben wird, liegt bei diesen Amps genau richtig. Aber aufgepasst, sie decken auch jeden spieltechnischen Mangel gnadenlos auf. Ihre gediegene Class-A-Schaltung bildet warme, druckvolle und dynamische RöhrenSounds.
Die Parade-Disziplin der einkanaligen Goldtone-Combos ist: Amp-Volume voll auf, alles Weitere übernimmt die Anschlagintensität und der Lautstärkeregler der Gitarre. Abhängig vom Anschlag und der Leistungsstärke der Pickups steht die gesamte Sound-Palette von seidig clean über leicht angezerrten Blues bis zu satten crunchy Power-Chords zur Verfügung, wobei letzteres hier in beispielhafter Qualität ans Ohr dringt: äußerst harmonisch und mit sahniger Zerres. Die Bedienelemente der Einkanal-Combos liegen ausnahmslos unten auf der Rückseite, ein Merkmal alter Vintage-Amps (nicht nur) von Gibson. Warum? Weil man damals in den guten, alten Big-Band-Tagen den Amp vor sich stellte! Den Vintage-Look unterstreichen goldene, gerändelte Reglerknöpfe.
Optisch gibt es unterschiedliche Ausführungen mit braunem oder schwarzem Bezug und mit Frontbespannstoff anstelle der goldenen Lautsprechergitter. Wer im Luxus schwelgen will, bestellt die Riegelahorn-Ausführung, die passend zur Custom-Shop Les Paul in Heritage Sunburst lackiert ist. Ein absolut puristisches Schaltungsdesign, mit nur einem Volume- und einem ToneRegler machen den klassischsten aller Goldtone-Amps aus, den GA-15. Die Besonderheit liegt hier im Detail. Der Tone-Regler ist ein Doppel-Poti, der zwei Funktionen gleichzeitig steuert. Ganz nach links gedreht, hebt er die Mitten an und senkt die Höhen ab. Bewegt man ihn feinfühlig im Uhrzeigersinn, nehmen die Mittenfrequenzen allmählich ab und die Höhen zu.
In Mittelstellung ist die Klangregelung quasi neutralisiert. Problemlos erhält man schon mit Bright-Off und TonePoti in Mittelstellung einen runden, ausgewogenen Sound. Weiterhin greifen der Tone-Regler als auch der Bright-Switch wirkungsvoll ins Klanggeschehen ein. Der Input ist mit einer hoch ausgelegten Eingangsimpedanz (1 MOhm) versehen, was feinste Klangdetails einfängt. Ein Ext.-Speaker-Out, Dreiweg-Netzschalter (Off/Standby/On) und eine Euro-Netzbuchse machen die weitere Ausstattung aus. Über den Lautsprecherausgang lässt sich eine externe 16- Ohm-Box anschließen, der bordeigene Speaker wird dann abgeschaltet. Spielt man den Amp mal über ein 4× 12″-Cabinet, erzeugt er einen Druck, dass es eine wahre Freude ist. So stark können also 15 Watt klingen!
Der GA-15RV mit integriertem Hall bietet zusätzlich einen zweiten (Lo)-Input, der zum Durchschleifen (Link) des Gitarrensignals an einen zweiten Verstärker dient, einen Reverb-Regler, einen Fußschalter-Anschluss (Hall an/aus) und einen Pentode/Triode-Switch, der die Ausgangsleistung der Endstufe von 15 Watt auf ca. 6 Watt reduziert. Der integrierte Accutronics-Hall bereichert, obgleich in der kleineren dreispiraligen Ausführung, mit einem räumlichen, homogenen und warm klingenden Hall ohne jegliche Störgeräusche die Performance dieses Amps. Abgesehen vom Hall und der Pentode/Triode-Schaltung klingen beiden kleinen GA-15- Combos identisch, wobei der 12″-Speaker des GA-15RV naturgemäß etwas druckvoller und bassiger rüberkommt als der eher feinzeichnende, lebendige 10″-Zöller. Verwendet werden jeweils Speaker aus der Vintage-Serie von Celestion.
Der Stereo-Combo GA-30RVS liefert mit seinen 2× 15 Watt eine Power, die sich locker auf Club-Bühnen Gehör verschafft. Seine per Fuß abrufbare Gain-Schaltung erhöht die Flexibilität beträchtlich und erlaubt den Wechsel zu sustainreichen Lead-Sounds – etwas an Betriebslautstärke vorausgesetzt. Die Ausstattung des GA-30RVS zeigt weiterhin Fußschalter-Anschlüsse zur Bedienung des Reverb und der integrierten FX-Loop (Mono-Send/Stereo-Return). Eine Spezialschaltung zwischen Accutronic-Einheit und Stereo-Endstufe verleiht dem Hall eine Pseudo-Stereophonie mit schöner räumlicher Wirkung. Aktiviert man den Hall, tritt das Klangbild förmlich aus seiner Zwei- in eine Dreidimensionalität und entfaltet sich im Raum. Die Stereo-FX-Loop, deren Returns auch zum alleinigen Betrieb der Stereoendstufe verwendet werden können, arbeitet völlig klangneutral. Durch den wahlweise seriellen oder parallelen Betrieb lassen sich Effekte aller Arten betreiben, Vorschaltgeräte wie ein WahWah oder Distortion haben natürlich im Einschleifweg nichts zu suchen.
Dieser GA-30 aus dem Jahre 1954 hat das Verstärkerchassis noch auf dem Boden montiert und besitzt serienmäßig einen 12″- und einem 8″-JensenLautsprecher.°
Der Send-Pegel des GA-30 ist abhängig vom Volume-Setting. Der Nominalpegel-Bereich liegt bei –20 dBu, bei leisen Einstellungen kann der abgegebene Level für manche Rack-Geräte knapp werden. Zwei Ext-Speaker-Outs (Left/Right) mit 8/16-Ohm-Switch vervollständigen die Ausstattung des StereoCombos. Die zweikanalige Super-Goldtone-Serie entwickelte man, um heutigen Sound- und Bedienungsvorstellungen gerecht zu werden. Zudem sind die Amps mit Master-Volume-Regelmöglichkeiten ausgerüstet, was eine bequeme Kontrolle der Zerrintensität unabhängig der Ausgangslautstärke ermöglicht. Im Signalweg findet sich von der Eingangsbuchse über die Effekt-Loop, Hall bis zur Ausgangsstufe reinrassige Vollröhrentechnik. Auch hierbei hat man sich der harmonisch und fein auflösenden Class-A-Technologie der klassischen Goldtone-Amps verschrieben. Lediglich für einige Schaltfunktionen werden Halbleiter-Lösungen herangezogen, was die Schaltgeräusche sehr niedrig hält und eine ausgezeichnete Performance ermöglicht.
Der SGA-30RV bietet eine ungewöhnliche Kombination von 10″- und 12″-Lautsprechern, was einen ausgewogenen Klang begünstigt. Die detailreiche und vitale Wiedergabe des Zehnzöllers ergänzt sich perfekt mit den vollen, warmen Bässen des 12″-Speakers. Die beiden Kanäle sind mit einer passiv arbeitenden DreibandKlangregelung ausgestattet. Kanal 1 ist im unteren bis mittleren Regelbereich des Gain-Potis auf cleane Sounds abgestimmt. Höhere Einstellungen kitzeln leichte Übersteuerungen aus dem Amp und es entfaltet sich ein schöner bluesiger Ton mit Vintage-haften Crunch. Zieht man die Boost-Funktion hinzu – voilà, das ist der Kick an Gain, der die Töne zum Singen bringt. Der zweite Kanal ist Spezialist für übersteuerte Sounds, deren Naturell durch die effektiven Regelmöglichkeiten weitreichend zu beeinflussen ist: fette, cremige Sounds lassen sich ebenso umsetzen wie aggressive Rock-Sounds und sogar Metal-Riffs. Die Zerrintensität überrascht dann doch … Die reaktionsfreudige Ansprache und die harmonische Klangentfaltung tragen erheblich zu einer großen Spielfreude bei. Wobei die Class-A-Leistung eines 30- Watt-Amps das Trommelfell auch intensiv massieren kann. Die Hall-Ausstattung besteht aus einem großen Accutronics-System (mit sechs Federn), der Hallanteil für jeden Kanal ist separat regelbar.
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
Bild: MITCH MANTHEY, ARCHIV
Das erste Topteil, das den Namen Goldtone trägt, präsentiert sich mit dem SGA- 30RVH. Dazu passend gibt es das SuperGoldtone-Cabinet mit einer außergewöhnlichen Konstruktion, inspiriert durch den SGA-30RV Combo. Die mit 240 Watt belastbare Box bietet eine Kombination von 2× 10″-Speakern und 2× 12″-Speakern, wobei in der oberen Lautsprecherreihe eine geöffnete (engl.: open back) und unterhalb eine geschlossene Gehäuserückwand (engl.: closed back) verwendet wird. Klanglich verbindet sich eine traditionelle Combo-Charakteristik mit dem Druck und der Fülle einer 4× 12“- Box. Bei der Abnahme per Mikrofon hat man zwei sehr unterschiedliche Sounds zur Verfügung und kann sie beliebig mischen.
Der GA-60RV liefert satte 60 Watt Leistung, abgestrahlt über 2× 12″-Lautsprecher, ebenfalls Celestion-Vintage-Speaker. Der Amp arbeitet in der Endstufe mit zwei EL-34-Röhren im Class-A/B-Betrieb. Über diesen Röhrentyp hinaus können für die Endstufe jedoch auch 6L6-, 6550- oder KT-88-Typen verwendet werden. Techniker können den entsprechenden Bias-Abgleich ohne großen Auf wand vornehmen, die Messpunkte sind von außen erreichbar, das Chassis muss nicht erst ausgebaut werden. Speziell angefertigte Ausgangsübertrager und Netztrafos sowie weitere erstklassige Bauteile sorgen für eine erstklassige Performance und sehr geringe Nebengeräuschentwicklung dieses interessanten Amps. So umfangreich wie das Goldtone-Programm auch ist, lässt sich ihr Klang und die Grundlagen der verschiedenen Schaltungen stets auf den alten Gibsonette-Amp beziehen. Das mag in den Zeiten, in denen die Achtung vor den alten Gibson-Verstärkern deutlich zugenommen hat – wenngleich auf dem Vintage-Markt für einen alten Fender-Amp immer noch deutliche mehr gezahlt wird als für einen gleich alten Gibson-Verstärker – genau das Richtige für einen erfolgreichen Fortbestand dieser Serie sein.
Jazz
Fast alle Gibson-Röhren-Amps lohnen ein Antesten, wenn man ihnen mal über den Weg läuft. Besonders die Two-Tone- und die Tweed-Amps können mit ein wenig TLC-Service („tender loving care“) und einigen Röhren-Experimenten (es empfiehlt sich z. B., die 5Y3 Gleichrichterröhre durch eine GZ34 zu ersetzen) und anderen Lautsprechern (z. B. durch Austausch der billigen Jensen „S“-Serie oder die Verwendung von Zusatzboxen mit guten Lautsprechern) zu verlässlichen Arbeitsgeräten nicht nur fürs Studio werden. Obwohl ich auch gern mit digitalen Effektgeräten arbeite und nicht ausschließlich einen puristischen Vintage-Ton verwende, lasse ich meinen 64er Fender Bassman inzwischen meist zu Hause und packe dafür zwei kleine Gibsons ein … und an die Zeiten meiner 2× 50 Watt Rack-Anlage denke ich nur noch sehr ungern (und sehr selten) zurück.
Andreas Willers gehört durch fast dreißig CD-Produktionen (u. a. für Enja Records, JazzHausMusik, Between the Lines Records) als Sideman, seine Arbeit als Bandleader in diversen Bands und durch die Kooperation mit Jazz-Größen wie Paul Bley, Marvin „Smitty“ Smith, David Murray u. v. a. zu einem der international beachtetsten deutschen Avantgarde- und Jazz-Gitarristen.
Neben den legendären Kreationen von Howard Alexander Dumble genießt seit zwei Jahrzehnten vor allem ein amerikanischer Boutique-Amp-Hersteller ein ähnlich hohes Ansehen: Bei dem Namen Trainwreck geraten immer noch zahlreiche Klangliebhaber in Verzückung. Während der 80er-Jahre schuf der weltweit bekannte Amp-Guru Ken Fischer in Ahornholz gekleidete Klangwunder, die heute mit hohen fünfstelligen Sammlerpreisen gehandelt werden. Gladius-Chef Adrian Socnik beschert mit seinem Rocket eine wunderbare Hommage an den leider schon 2006 verstorbenen Vater des Gedankens.
Amp-Experte Ken Fischer entwickelte Ende der 70er-Jahre im Keller seines beschaulichen Anwesens in New Jersey/USA auf vielfachen Kundenwunsch damals recht preiswerte Eigenkreationen, die sich vor allem am Klang britischer Modelle orientierten. Marshall und Vox waren in den USA längst nicht so verbreitet wie in Europa, und daher forderten jenseits des großen Teichs vor allem Studiomusiker nach einer praktikablen Lösung, den britischen Vorbildern wie Jimmy Page, Jeff Beck oder Eric Clapton nacheifern zu können.
Ken Fischer überraschte mit seiner Entwicklung, die jedem damals gefragten Trend entgegenzulaufen schien. Ungefähr in der Geburtsstunde des Gitarren-Racks mit getrennter (mehrkanaliger) Vor- und Endstufe und reichlich zwischengeschalteten Effekten, entschied er sich, einen Verstärker zu bauen, der weder Hall, Tremolo, Einschleifwege oder Mastervolume aufwies. Das Layout war ausnahmslos britischer Prägung und überzeugte gerade wegen des bewusst angestrebten Purismus. Jeder Baustein sollte der Klangausbeute dienen. Mehr als vier oder fünf Regler zeigten die Modelle nicht. Wer zwischen Clean und Overdrive wählen wollte, sollte sich, wie einst die Helden der Sechziger, mit der Stellung des Volume-Reglers an der Gitarre zufriedengeben. Wer damit nicht überfordert war, fand mit einem Trainwreck-Topteil den sprichwörtlichen Amp fürs Leben. Kaum ein Besitzer wollte seinen Liebling wieder hergeben. Und so ist es bis heute.
(Bild: Dieter Stork)
Ken Fischer, der schon Jahre vor seinem viel zu frühen Tod 2006 an einer chronischen und leider unheilbaren Infektionskrankheit litt, sollte diese weltweite Würdigung nicht mehr erleben, obwohl er durchaus wusste, dass er da etwas ganz Besonderes geschaffen hatte. Die Warteliste unter Trainwreck-Kunden war von Anfang an stets lang. Der wenig schmeichelhafte Name ‚Trainwreck‘ stammte übrigens von seinen Kumpels aus seiner Motorrad-Clique, die ihn angeblich scherzhaft mit diesem Spitznamen versahen. Beinahe romantisch wirkt dagegen die Tatsache, dass Ken jeden seiner Amps statt mit einer Seriennummer mit einem eingravierten Frauennamen versah.
Wer heute einen Trainwreck kaufen möchte, muss entweder nach einem der äußerst seltenen Originale Ausschau halten und bekanntlich tief in die Tasche greifen oder sich bei dem durch die Fischer-Familie wiedererweckten Unternehmen auf die Warteliste setzen lassen. Dort bekommt man seit etwa zehn Jahren angeblich wieder „echte“ Trainwrecks ganz im Sinne des Erfinders.
Die Amps werden dort von einem mysteriösen Mister „JM“ gefertigt. Mehr gibt die Fischer-Familie nicht bekannt. Nicht uninteressant ist es, in Netzforen nach diesen Kreationen zu suchen und die Erfahrungen der Neubesitzer zu studieren. In Europa wäre aber auch dies mehr als mühsam. Eventuell muss man im Voraus bezahlen und mitunter lange auf die Lieferung warten.
An diesem Punkt kommt unser Testkandidat ins Spiel. Gladius-Chef Adrian Socnik, seit vielen Jahren Garant für exzellente Repliken alter Brit-Sound-Schätze, hat sich diesem Thema gewidmet und sich mit dem Rocket einem der drei damals erhältlichen Trainwreck-Modelle verpflichtet.
Ken Fischer hatte zunächst den Express, eine Hommage seinerseits an die berühmten Marshall-Plexi-Amps der späten 60er, und den Liverpool, eine Hommage an den legendären Vox AC30, entwickelt. Beide Amps waren noch etwas puristischer als die Originale aufgebaut und verfügten – so war der Kundenwunsch – jeweils mehr Gain-Reserven als die Vorbilder. Zum Abschluss baute er zunächst gemäß seinen eigenen Vorlieben den Rocket, praktisch eine exakte Kopie eines Vox AC30 Top Boost, jedoch nur mit einem Kanal und ohne Tremolo.
Erst als ein Kunde diesen Amp in seiner Werkstatt probierte und sofort kaufen wollte, entschied er sich, das Modell in kleiner Serie herzustellen. Schon von der Krankheit gezeichnet schaffte er es jedoch nur noch, wenige Exemplare zu bauen. Der Rocket ist somit das heute seltenste Trainwreck-Modell. Und vermutlich ist keiner seiner Amps klanglich näher an einem alten AC30 angesiedelt als dieser.
(Bild: Dieter Stork)
PRÄZISION IN AHORN
Zur Konstruktion gibt es eigentlich gar nicht viel zu berichten. Der Rocket folgt in praktisch jeder Sektion der Schaltung eines alten Vox AC30 Top Boost. Beim Gladius überzeugt, wie stets bei den Produkten von Adrian Socnik, die „Unpacking-Erfahrung“. Dieser Verstärker ist in jeder Hinsicht…
Der auf der NAMM 2020 neu vorgestellte Orange Terror Stamp ist quasi zum Zeitpunkt dieses Tests noch die orangene Mauritius unter den Gitarrenverstärkern, dürfte allerdings alsbald in vielen Läden in der Neuheiten-Ecke zu finden sein. Fragt im stationären Fachhandel, denn so viel vorweg – es wird sich lohnen, diese kleine Kiste anzuspielen.
Die 1968 gegründete und in Borehamwood, Hertfordshire UK ansässige Firma Orange Amplification ist spätestens seit der Erfindung des Lunch-Box-Amps nicht nur bei der Stoner-Rock, Seventies-Retro oder Schwermetall spielenden Fraktion total angesagt, sondern konnte sich im letzten Jahrzehnt zum absoluten Schwergewicht in der Branche mausern. Das allerdings eben nicht ausschließlich wegen der markanten Farbgebung der Orange Verstärker, sondern vielmehr aufgrund der zunehmenden Popularität von Kleinstverstärkern in Vollröhrenbauweise.
Der erste, typische Lunch-Box-Amp in kleinem Metallgehäuse war nämlich der im Jahre 2006 vorgestellte Orange Tiny Terror und dieses Konzept wurde dann recht zeitnah von sehr vielen Mitbewerbern kopiert. Plötzlich schien es für nahezu jeden Hersteller obligat zu sein, einen kleinen Amp – oftmals auch in eben diesem Lunch-Box-Gehäuse aus Metall – im Sortiment zu haben.
Dieser Trend ist seitdem nahezu ungebrochen und auch heutzutage, fast anderthalb Jahrzehnte später, scheint das Kaufinteresse an kleinen, leichten Verstärkern nicht abgenommen zu haben, sodass Orange auch weiterhin in der Produktion und Sortimentsgestaltung ein Augenmerk auf diese Bauform hat.
(Bild: Dieter Stork)
Der schon seit 2012 recht populäre Orange Micro Terror, ein Hybridverstärker mit Röhrenvorstufe und 20 Watt Transistorendstufe stand vermutlich Pate für unseren Testkandidaten.
DIE ÄUSSEREN WERTE
Flach wie eine Briefmarke (um das Wortspiel aufzugreifen) ist der Stamp bei Weitem nicht und tatsächlich erinnern die Abmessungen des Gehäuses eher an einen Stapel Briefumschläge. Dennoch ist der Stamp angenehm klein und mit nicht einmal vierhundert Gramm ein echtes Leichtgewicht.
Das mitgelieferte, externe Netzteil ist leider eher von der größeren Sorte und dafür gibt es einen kleinen Abzug in der B-Note von mir. In diesem speziellen Fall scheint es allerdings zumindest im Kontext einiger Pedalboards Sinn zu ergeben, das Netzteil nicht auch noch in das Gehäuse des Verstärkers zu integrieren, kann man so doch ganz einfach den Amp auf dem Pedalboard und das Netzteil unter dem Board befestigen, sofern man denn dort Platz findet. Dieses zweiteilige Konzept kann also effektiv Platz einsparen.
BEDIENELEMENTE UND FUNKTIONEN
Der Stamp ist wirklich übersichtlich gestaltet. Zwei Volume-Regler, zwischen denen man per Fußtaster hin und her schalten kann um einen Lead Boost zu bewirken, ein Shape-Regler, wie man ihn aus dem Dark Terror, oder auch Micro Dark kennt und ganz rechts noch einen Gain-Regler – das war’s.
IST DER LAUT!
Schon ab der ersten Sekunde wundere ich mich über die konservative Leistungsangabe des Herstellers. Der kleine Stamp drückt mit den angegebenen 20 Watt an einer Marshall oder Orange 4×12er-Box mit Vintage-30-Speaker enorm.
Sogar 2×12er scheinen hier für eine ordentliche, im Proberaum durchaus nutzbare Lautstärke zu reichen. Da habe ich in der Vergangenheit schon vermeintliche 200 Watt leistende Class-D-Endstufen gehört, die nicht so druckvoll waren. Natürlich sind das keine 50 Watt Vollröhre – die von mir bevorzugte, traditionelle Endstufe mit genau passender Leistung für Rock- und Metal-Sounds, aber dennoch würde ich mir Chancen ausrechnen, mit diesem kleinen Verstärker im Band-Kontext zumindest hörbar zu sein.
Der Shape-Regler ermöglicht es, im Zusammenspiel mit Gain und Volume-Steller eine großzügige Auswahl an Basissounds einzustellen. Von beinahe unverzerrt mit leichter Übergangszerrung über Classic-Rock bis hin zu Stoner Metal oder, sofern gewünscht, brutaleren Spielarten ist hier im Knopfumdrehen alles machbar. So gutmütig und variabel wie hier beim Stamp ist die Wirkungsweise des Shape Reglers nicht einmal im Dark Terror und die Gain-Reserven des Stamp sind so großzügig, dass man sogar mit leicht gewickelten Singlecoils moderne Metal-Spielarten realisieren kann.
Ein Verstärker im Pedalboard-Format muss selbstverständlich im Zusammenspiel mit anderen Pedalen möglichst optimal funktionieren und gerade in dieser Disziplin hatten Orange Produkte bisher leider den Ruf, dass die Amps nicht sonderlich musikalisch mit traditionellen Fuzz-Pedalen klingen.
Anders beim Stamp – hier kann ich mit Germanium Treble Boostern und Fuzz-Pedalen aussagekräftige Sounds erstellen. Die Vorstufe quittiert selbst heftige Lautstärkeanhebungen über 20 Dezibel mit gutmütiger Verzerrung und angenehmer Coloration in den oberen Mitten. Vermutlich profitiert hier das Produkt auch von der technisch völlig anders realisierten negativen Gegenkopplung einer Transistorendstufe.
Der serielle Einschleifweg funktioniert ebenfalls recht neutral und bleibt weitestgehend übersteuerungsfest bis zu dem Punkt, ab dem sich dann eben die Endstufe bei Proberaumlautstärke in das Klangbild einmischt. Hier erwarte ich ob der Konstruktion aber auch keine Wunder und bin froh über den zweiten Master-Volume-Regler, denn mit diesem lässt sich dann das letzte Quäntchen Lautstärke aus dem Stamp herauskitzeln.
Negativ fällt einzig und allein der Klang des Kopfhörerausgangs aus. Hier scheint Orange dann leider doch den Rotstift angesetzt zu haben und arbeitet vermutlich mit simplen Filtern erster Güte um ein paar Höhen und Bässe zu beschneiden. Das klingt leider nicht nach Lautsprecher, wird aber in dieser Preisklasse auch von den Mitbewerbern selten wirklich besser gelöst.
(Bild: Dieter Stork)
ALTERNATIVEN
Sehr kleine und leichte Verstärker, die mit Klettband direkt auf dem Pedalboard befestigt werden können, gibt es gar nicht so viele. Electro-Harmonix hat mit dem Magnum 44 Pedalboard-Power-Amp eine vermeintlich clevere Alternative im Sortiment, die laut Herstellerangabe eben gut 40 Watt Leistung abgeben soll. Allerdings ist der Magnum 44 lediglich eine Endstufe und zudem stellte sich im Vergleich mit dem Orange Stamp heraus, dass der Stamp an vier Vintage-30-Speakern tatsächlich lauter und druckvoller klingen kann.
RESÜMEE
Mit dem Orange Terror Stamp ist dem Hersteller ein großer Wurf gelungen und vermutlich wird sich dieses pragmatische Helferlein demnächst auf etlichen Pedalboards wiederfinden. Ob als Ersatzverstärker, falls mal der eigene Röhren-Amp nicht zur Verfügung steht, als zweite Klangfarbe zum Bi-Amping oder als ständige Lösung für Proben und kleine Clubshows. In all diesen Disziplinen punktet der Stamp und das zu einem Anschaffungspreis von unter € 200. Volltreffer.
Fender Tweed Deluxe Amps scheinen beliebter denn je. Die lange Erfolgsgeschichte dieser Verstärker ist leicht nachvollziehbar: Sie sind die perfekte Lösung für kleinere Live-Gigs, den Proberaum und natürlich Recordings. 16 Watt und ein 12“-Lautsprecher scheinen in den meisten Fällen genug, um auf einer Blues-Session oder im Studio zu glänzen. Die Liste der Fans im Profi-Lager liest sich wie ein Who is Who der Rockgeschichte: Neil Young, Larry Carlton, David Lindley, Don Felder, Peter Frampton, Lenny Kravitz, Keith Richards, Pete Townshend, The Edge, Mike Campbell, Jeff Beck, Kenny Wayne Shepard oder Billy Gibbons sind nur eine kleine Auswahl der regelmäßigen Tweed-Deluxe-Nutzer.
Seine Magie schöpft dieser Verstärker seit jeher aus der im Kathoden-Bias-Betrieb leicht gesättigten Endstufe mit zwei 6V6- Endstufenröhren. Diese Amps singen! Man benötigt keine zusätzlichen Effekte. Sie bieten einen verführerischen Clean-Sound und eine noch bessere Crunch-Kralle bei höheren Lautstärken. Obwohl hier nur ein Lautstärkeregler und ein schlichtes Tone-Poti vorhanden sind, kann man beinahe alle Spielarten damit abdecken. Sogar Kenny Burrell intonierte einst sein berühmtes ,Chitlins Con Carne‘ über einen Tweed Deluxe.
Mit ein paar Unterbrechungen wurden diese Amps seit 1948 produziert. Und meist in der sogenannten Narrow-Panel-Ausführung, wie man seit 1955 die Gehäuse-Form des Tweed-Combos bezeichnete. In den ersten sechs Jahren kamen diese Amps mit 6SN7- oder 6SL7-Vorstufen-Röhren – viele davon im schwarzen Metallgehäuse. Ab 1954 verabschiedete man sich von diesen Kolben und ersetzte sie durch eine 12AY7 in der Vorstufe und eine 12AX7 in der Treiberstufe. Eigentlich ist dies die Geburtsstunde des ersten „richtigen“ Tweed Deluxe Amps, so wie wir ihn heute kennen und lieben.
1954 Fender Wide Panel Deluxe
Und genau aus diesen Tagen stammt unser Test-Exemplar in dieser Amp-Station-Folge. Der sichtbar betagte Combo stammt aus dem Jahr 1954, hat schon die 12AY7/12AX7-Vorstufen-Kombination und entspricht in Puncto Schaltung schon beinahe der letzten und berühmtesten Schaltungsvariante 5E3 und wird daher noch mit 5D3 bezeichnet. Das Gehäuse ist noch etwas kleiner als bei späteren Modellen und hat breitere obere und untere Querstreben an der Front, weshalb man diese Amps als „Wide-Panel“- Modelle kennt.
Diese Verstärker haben statt vier nur drei Eingänge, die noch keine 1Meg-Eingangswiderstände besaßen. In der Schaltung finden wir noch die berühmten roten Jupiter-Kondensatoren, die später durch die ebenfalls legendären Yellow Astrons abgelöst wurden. Hierin besteht übrigens einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem 5D3- und dem 5E3-Modell. Die Jupiter-Kondensatoren liefern einen etwas dunkleren und mehr in den Mitten betonten Sound. Daher erinnern diese frühen Deluxe auch sehr an alte Vox AC30 oder frühe Marshall-Amps. Sie klingen deshalb jedoch keineswegs dunkel oder matt. Man bekommt nur etwas mehr von dieser Marshall-typischen Mittenkralle, die sich perfekt für Rockriffs eignet, was übrigens kein anderer Gitarrist besser unter Beweis stellte als Tom Pettys Sideman Mike Campbell. Die meisten markanten Crunch-Riffs auf den vielen Tom-Petty-Hits wurden mit diesem Amp aufgenommen.
Im Gehäuse arbeitet wie in allen Fender-Tweed-Combos ein Jensen Alnico-Lautsprecher, der zwar unvergleichlich klar und offen tönt, dafür aber auch recht leise und instabil klingt. Daher wurden diese Lautsprecher nicht selten durch stärkere Celestions oder aktuelle Entsprechungen von Weber SVT ersetzt. Der Speaker im Test-Amp läuft trotz seines hohen Alters überraschend gut, ist aber nur etwa halb so laut wie ein Celestion Alnico Blue. Daher muss man in Sachen Lautstärke bei diesen Amps deutlich Abstriche machen. So verführerisch dieser „Glockenton“ auch sein mag, mehr als zimmerlaut ist einfach nicht drin.
Schaltung mit JupiterKondensatoren
Dennoch kann man sich für eine Probe zu Hause oder die Aufnahme von Blues- oder Rockabilly-Licks kaum etwas Besseres vorstellen. Ich habe über diese Amps sogar schon Akustik-Gitarren aufgenommen, ohne, dass sie hinterher elektrisch verstärkt wirkten – so offen und natürlich geben diese Lautsprecher jedes Instrument wieder. 1954 war offenbar noch nicht so viel Lautstärke gefragt – der Rock’n’Roll klopfte zunächst leise an die Tür.
Das Gehäuse wurde aus massiver Pinie gefertigt, wodurch die Deluxe Amps auch heute noch ein bisschen wie ein „Geigenkasten“ tönen: Das Gehäuse schwingt fleißig mit und trägt dadurch zu dieser berühmten dreidimensionalen Abstrahlung bei. Wer etwas mehr Headroom oder Stabilität möchte, kann die beiden 6V6-Röhren gegen 6L6 und die 5Y3-Gleichrichterröhre durch eine GZ34 oder 5V4 ersetzen. Zusammen mit einem effizienteren Speaker kann man den Amp somit leicht in einen Live-Amp verwandeln.
Es verwundert kaum, dass die Boutique-Amp-Legenden der Siebzigerjahre wie Alexander Dumble, Jim Kelley oder Randall Smith bei ihren Entwicklungen auch stets dem Tweed-Deluxe-Sound nacheiferten. So ist etwa der berühmte Dumble-Overdrive-Kanal einem voll aufgedrehten Tweed Deluxe nachempfunden. Und ob man es glaubt oder nicht, diese frühen Wide-Panel-Modelle „dumbeln“ aufgrund der prominenten Mitten sogar noch etwas mehr als die späteren 5E3-Modelle.
Der Jensen Alnico-Speaker
In meiner Rubrik „Rare Bird“ taucht dieser Amp deshalb auf, weil er in dieser Ausführung nur ein knappes Jahr gebaut wurde und daher wesentlich seltener ist als ein Narrow-Panel-Verstärker. Und aufgrund des kleineren Gehäuses sind diese Amps offenbar etwas weniger begehrt als ihre Nachfolger. Auf dem Vintage-Markt sind sie deshalb auch noch nicht so übertrieben teuer. Ist das Gehäuse etwa ähnlich heruntergekommen wie bei dem abgebildeten Amp, kann man ein Exemplar schon für etwa € 2000 ergattern. Und das ist preiswerter als das aktuelle Reissue-Modell von Fender. Leider findet man solche Schnäppchen meist nur noch auf dem amerikanischen Markt und muss daher Transport- und Zollgebühren aufschlagen.
Unser Test-Proband stammt von meinem Kollegen Dr. Carlo May, für den ich ihn vor einiger Zeit restaurieren durfte. Zwei, drei Kondensatoren und ein paar rauschanfällige Widerstände mussten getauscht werden. Hinterher klang er wieder perfekt und so crunchy und rockig wie kaum ein anderer Amp in meiner Werkstatt. Wer ganz genau wissen will, wie ein WidePanel-Deluxe in Höchstform klingt, sollte sich Tom Pettys ,Wildflowers‘-Album anhören. Im Intro von ,Honey Bee‘ hört man den Amp in Vollendung. Weitere Beispiele sind das Intro von ‚Mary Jane’s Last Dance‘ oder Billy Gibbons’ ‚La Grange‘. Alles Rocksounds vom Allerfeinsten!
Wer hätte das gedacht? Fünfzehn Jahre existiert nun schon die österreichische Edelverstärkerschmiede in Weng nahe der deutschen Grenze. Gebührend feiert Firmenchef Martin Schmitzberger dieses Jubiläum mit der limitierten Auflage eines ganz speziellen Nepomuk-Combos.
Von ein paar klangneutralen Halbleitern im Reverb-Schaltkreis abgesehen, basiert der 15-Watt-Combo auf reiner Röhrentechnologie. Hier findet sowohl die bewährte Clean-Vorstufe des Nepomuk 08/18, Pico bzw. Scrambler, als auch die Boost-Röhrenstufe des Letzteren Verwendung.
Weitere Goodies sind ein röhrenbetriebenes Tremolo und ein massives in allerfeinster Tischlermanier gefertigtes, seidenmatt lackiertes Walnussgehäuse mit penibel intarsiertem Anniversary-Emblem an der linken Seite und strapazierfähigem Flechtrohrgewebe mit Walnusslogo vorne. Ein robuster Zweifachfußschalter mit Walnusswangen und ein gepolstertes Kunstleder-Cover zählen ebenso zum Lieferumfang wie die sehr ausführliche Bedienungsanleitung.
Anniversary-Emblem
SCHMUCKSTÜCK
Die wohnzimmergerechte Optik des Nepomuk Fünfzehn soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der kleine Combo dem physischen Stress des Road-Alltags problemlos gewachsen ist. Das schwalbenschwanzverzahnte Walnussgehäuse wird durch zusätzliche Vierkantleisten, die Schall- und Rückwand sowie das Stahlblechchassis der Amp-Sektion stabilisiert. Wegen der stark verrundeten Kanten, vor allem aber aus optischen Gründen, hat Martin Schmitzberger auf Eckenschutz verzichtet.
Trotz des massiven Holzgehäuses bringt der kleine Combo gerade mal 13 kg (ohne Netzkabel, Fußschalter und Cover) auf die Waage, was einen leichten Lautsprecher vermuten lässt. In der Tat wiegt der von hinten montierte Jupiter-12-Zöller mit seinem kleinen Keramikmagnet schlappe 1,69 kg. Sowohl das versenkte Bedienfeld als auch die Rückseite des Amp-Chassis hat man mit Walnussplatten versehen, Letztere per Alufolie abgeschirmt.
Überall garantieren Edelstahlschrauben und Einschlaggewinde bzw. Käfigmuttern zuverlässige Verbindungen. Im von innen verschraubten Stahlblechchassis – außen stören nirgendwo Schraubenköpfe die Optik – trifft man auf moderne, solide Platinenbauweise, hochwertige Bauteile und gesteckte bzw. verlötete Kabelverbindungen. Die Beschriftungen der Bedienelemente und Anschlüsse hat man gelasert oder graviert. Wie auch immer, sie sind auf den Walnussplatten gut zu erkennen. Aufbau und Verarbeitung lassen hohe Ansprüche an Qualität und Fertigungsniveau erkennen.
Während in der Vorstufe eine 12AX7WB und zwei ECC83S zum Einsatz kommen, beschäftigt die Class-AB-Gegentaktendstufe zwei EL84-Röhren. Selbige hängen gesichert in ihren Sockeln und werden zusätzlich durch einen Lochblechkäfig geschützt. Die horizontal nach vorne eingesetzten Vorstufenröhren sind indes schwer zugänglich, wodurch sich ein eventueller Austausch extrem umständlich gestaltet. Bei entsprechender Behandlung (Aufheizen/ Abkühlen) müssen diese jedoch erfahrungsgemäß erst nach 10-15 Jahren ersetzt werden.
Das Bedienfeld startet rechts mit dem Klinkeneingang, es folgen die Regler Gain, Tone, Tremolo Speed (mit LED-Anzeige), Tremolo Depth, Reverb (Level) und (Master-)Volume sowie die Schalter Bright, Boost, Tremolo Fast/Slow, Standby (Full/Half Power) und Power (beleuchtet).
Auf der Rückseite finden wir den Netzanschluss, zwei Sicherungshalterungen, Line Out (Signalabgriff hinter dem Speaker-Ausgang), External Speaker 16 Ohm (interner Lautsprecher wird abgeschaltet), External Speaker 8 Ohm (interner Lautsprecher bleibt aktiv), Boost Gain Trim und zwei Footswitch-Anschlüsse. Über die TRS-Buchse 1 aktiviert der Zweifach-Fußschalter Tremolo und Reverb, über Buchse 2 Boost und Tremolo. Belegt man Buchse 2, lässt sich der Federhall mit dem Reverb-Regler kontrollieren.
(Bild: Dieter Stork)(Bild: Dieter Stork)
MEISTER DER VIELFALT
Die Empfehlungen der Hersteller beim Einschalten eines Röhren-Amps variieren mitunter beträchtlich. Während die einen ca. 30 Sekunden bis zum Aktivieren des Standby-Schalters für ausreichend halten, empfehlen andere 2 Minuten. Martin Schmitzberger belässt es bei 1-2 Minuten. In jedem Fall aber verlängert die Aufheizphase das Röhrenleben erheblich. Ebenso sollte man den Glaskolben vor dem Transport 5-10 Minuten zum Abkühlen geben, da heiße Röhren höchst empfindlich gegen Erschütterungen sind.
Nachdem der Nepomuk also aufgewärmt ist, verlangt der Standby-Schalter die Entscheidung, ob er mit 15 oder 7 Watt Endstufenleistung betrieben werden soll. Selbstverständlich kann man – über Standby – ohne Wartezeit zur halben bzw. vollen Leistung wechseln.
Ich entscheide mich zunächst für 15 Watt und drehe das Endstufen-Volume auf 8 (Skaleneinteilung 0-10). Damit Vintage-PAF-Type-Humbucker bei hartem Saitenanschlag dem 15th-Anniversary-Nepomuk absolut glasklare Clean-Sounds bei Akkord- und Solospiel entlocken, stelle ich Gain auf 2. Es zeigt sich, dass der Kleine im Zusammenspiel von Endstufe, 12-Zöller und Massivholzgehäuse ein gesundes, differenziertes Fundament hinlegt, das selbst den Hals-Humbucker adäquat und mit beeindruckender Wärme überträgt. Der Tone-Regler greift überaus beherzt ins Klanggeschehen ein und bietet ein breites Spektrum von bass- bis höhenlastig.
Apropos: Der Bright-Switch befindet sich derweil in Off-Position. Die PAFs betreffend, gefällt mir die Tone-Position 5 am besten. Es gibt also noch jede Menge Luft nach unten wie nach oben. Dreht man Volume auf 10, nimmt der Ausgangspegel nur noch leicht zu, die Klangfülle jedoch beträchtlich, und zwar ohne dem Amp Klarheit und Definition zu nehmen.
Während Volume auf 10 bleibt, erhöhe ich Gain auf 3. Die Lautstärke nimmt ordentlich zu, und bei intensiver Attack betritt erstes Anzerren die Szene. Kraftvolle Powerchords und dynamisch variierendes Soloclean bis -zerren erfreuen mein Ohren. Ich erhöhe Gain auf 4. Hier dürfte jeder Blues-Purist seinen favorisierten Sound-Bereich finden, denn jetzt bestimmen allein Gitarren-Volume und Anschlagsdynamik Klangfarbe und Zerrintensität. Gleichzeitig zeigen die Endröhren erste Sättigung.
Erhöht man Gain weiterhin schrittweise, nimmt die Zerrintensität kontinuierlich zu, bis sie in einem wunderbar singenden Leadsound der Kategorie Bonamassa endet. Ausdrucks- und durchsetzungsstark, klar, differenziert, lebendig und – Achtung (!) – extrem nebengeräuscharm. Die Interaktionsfähigkeiten des kleinen Combos bleiben übrigens noch bis zur Gain-Vollaussteuerung erhalten, soll heißen, der Amp reagiert auch bei extremeren Zerr-Settings nahezu uneingeschränkt auf Spieldynamik und Gitarrenpotis.
Beim Wechsel zu einer Vintage-Strat sind Pegel- und Klanganpassungen schnell erledigt. Tone um 2 Striche runter auf 3, Gain immer 2 Striche höher als bei der Paula. Der Bright-Schalter betont abhängig vom Gain-Setting die Brillanz der Höhen. Je höher Gain umso geringer die Brillanzanhebung, die ab Position 8-9 nicht mehr wahrzunehmen ist.
Mit der Boost-Funktion wird eine zusätzliche Röhrenstufe aktiviert. Dazu muss der kleine Boost-Schalter in die linke Position gebracht werden. Abhängig von der Einstellung des Gain-Potis erhöht Boost nicht nur die Zerrintensität, sondern auch die Lautstärke. Um per Boost-Funktion dem Sound einen Overdrive-Anstieg mit praktikablem durchsetzungsstarken Lead-Pegel zu verleihen, empfiehlt es sich, Gain auf 5 und den rückseitigen Boost-Level-Trimmer voll aufzudrehen. Sind beide Potis auf Rechtsanschlag, ist zwar der Lautstärkezugewinn sehr gering, die Zerrstruktur wird jedoch deutlich dichter. Im Auslieferungszustand befindet sich der Boost-Level-Trimmer in Mittelposition.
Der röhrenbetriebene Tremolo-Effekt gestattet die Wahl von zwei Speed-Bereichen, sodass ein breites Spektrum von Tremolo-Geschwindigkeiten zur Verfügung steht. Genau dort wo der Slow-Bereich nach oben hin endet, beginnt das Fast-Spektrum. Simultan wird Tremolo Speed sowohl am Nepomuk als auch am Fußschalter durch eine synchron pulsierende rote LED angezeigt.
Über den Depth-Regler lässt sich der Effekt stufenlos von sphärisch und weich bis zu stakkato-artig abgehackter Modulation variieren. Steht der Fußschalter nicht zur Verfügung, ist das Tremolo permanent in Betrieb. In diesem Fall lässt es sich durch Abdrehen des Depth-Potis deaktivieren.
Soll der mitgelieferte Fußschalter statt Boost und Tremolo (Fußschalteranschluss 1) Tremolo und Reverb aktivieren, muss er mit Buchse 2 verbunden werden. Aufgrund seiner Dichte und Wärme klingt der Federhall sehr natürlich. Der Reverb-Regler kontrolliert den Effektpegel und mischt diesen dem Direktsignal zu.
Selbst bei voll aufgedrehtem Poti klingt der Hall (Decay Time etwa 4 Sekunden) sauber und klar bei vernachlässigbaren mechanischen Nebengeräuschen. Für meinen Geschmack hat Martin Schmitzberger mit dem Jupiter 12SC für den Nepomuk 15 Ltd. eine gute Speaker-Wahl getroffen. Dieser harmoniert hervorragend mit den sehr variablen Klangeigenschaften des Amps und beschert ihm in Kooperation mit dem Holzgehäuse ein gesundes praxisgerechtes Fundament, durchsetzungsfähige Mitten und gleichermaßen luftige wie lebendige Höhen.
Hochsolide Verarbeitung
RESÜMEE
Mit überaus harmonischem Zerrverhalten, herausragender Dynamik und geringen Nebengeräuschen kann der in limitierter Stückzahl handgefertigte Nepomuk-Fünfzehn-Combo auf ganzer Linie überzeugen. Angesichts des vielfältigen Sound-Angebots und der Ausgangsleistung von 15 bzw. 7 Watt ist man geneigt, den Einsatzbereich des Kleinen – und überraschend Leichten (!) – aufs Recorden zu beschränken.
Doch Nepomuk kann ordentlich Alarm machen, sofern man ihn nicht auf cleane Sounds festlegt. Die Ohren können sich über ein breites Gain-Spektrum, ein sehr variabel einstellbares Röhren-Tremolo, natürlich klingenden Federhall, die röhrenbetriebene Boost-Schaltung und einen effizienten Tone-Regler freuen, während die Augen das massive Walnussgehäuse mit Flechtrohr-Front genießen werden. Quasi als Geburtstagsgeschenk legt der Hersteller noch ein gepolstertes Kunstleder-Cover und einen soliden Doppelfußschalter drauf. Kurz: Klasse Amp zum überaus fairen Preis
Nach den A7- und D7-Pedalen (Test demnächst in Gitarre & Bass) präsentiert Mooer in der aktualisierten Micro Series nun auch das digitale Reverb R7. Trotz Mini-Gehäuse bietet es sieben editier- und speicherbare Hall-Effekte. Aber auch für Akustik-Gitarristen ist eine Neuheit am Start: Der Modeling-Gitarren-Combo SD50A bietet einen zweikanaligen, analogen Preamp für Gitarre und Mikrofon.
Mooer R7 Reverb
(Bild: W-Music Distribution)
Das R7 Reverb basiert auf neuen Algorithmen und stellt sieben Arten von Hall-Effekten bereit: Room, Hall, Church, Cave, Plate, Spring & Mod. Mit High- und Low-Cut-Reglern lässt sich der Klang anpassen. Das schaltbare „Trail On“-Feature erlaubt, dass der Effekt natürlich ausklingt. Die Eigenschaften des jeweiligen Reverbs regelt man mit Decay- und Pre-Delay-Potis. Individuelle Presets lassen sich frei editieren und abspeichern.
Preis: Mooer R7 Reverb € 99
Mooer SD50A
(Bild: W-Music Distribution)
Der neue SD50A Transistor-Combo ist 11 kg leicht, kombiniert einen 8″-Lautsprecher mit einem 1″-Hochtöner und leistet 50 Watt. Die Fullrange-Lautsprecher sollen einen linearen Frequenzgang erreichen (FRFR). Mit an Bord ist ein zweikanaliger, analoger Preamp für Gitarre und Mikrofon. Neben seinem 3-Band-EQ bringt der Modeling-Amp digitale Modulations-, Delay- und Reverb-Effekte mit, insgesamt lassen sich 10 Presets speichern. Für den Live-Einsatz bietet er einen D.I.-Out, eine schaltbare Anti-Feedback-Funktion, ein Stimmgerät und kreative Tools wie einen 150-Sekunden-Looper und eine synchronisierbare Drum-Machine. Über Bluetooth oder den 3,5mm-AUX-In kann man z.B. ein Playback einspeisen.
Preis: Mooer SD50A – Acoustic Guitar Combo € 399
Das Mooer R7 und der SD50A sind ab sofort lieferbar.
In dieser Folge gehen wir ganz konkret auf die wesentlichen technischen Vorraussetzungen beim Röhrentausch ein. Hat man durch Abklopfen oder durch eine Sichtung den „Übertäter“ ermittelt, folgt der Tausch der defekten Röhre(n).
Es wird auf jeden Fall empfohlen, die Röhren ausschließlich gegen die gleichen Typen zu tauschen. Wer experimentieren oder klanglich tunen möchte, kann auch Alternativen wählen. Aber dazu später mehr.
VORSTUFE
Steht auf der Röhre etwa 12AX7 oder GZ34, dann sollte man sich zunächst genau diese Röhren besorgen. Auf einigen Verstärkern (vor allem bei Fender) befindet sich im Gehäuse ein Belegungsplan, auf dem man ablesen kann, welche Röhre wohin gehört. Das ist vor allem dann praktisch, wenn die Beschriftung der defekten Röhre über die Jahre unleserlich geworden ist oder gar keine Röhre (etwa nach einem Gebrauchtkauf) mehr drin steckt. In den meisten Verstärkern ist bereits optisch gut zu erkennen, was eine Vorstufenröhre ist und was eine Gleichrichter- oder Endröhre. Letztere sind in der Regel deutlich größer als die recht zierlichen Vorstufenröhren.
Vor- und Endstufenbestückung in einem aktuellen HiFi-Vollverstärker.
Bis etwa Ende der Fünfzigerjahre findet man in alten Fender- oder Gibson-Amps auch sogenannte Oktal-Vorstufen, die dann nicht selten genauso groß sind wie die Endstufenröhren.
Große Oktal-Vorstufenröhren in einem alten Fender-Amp.
Hier muss man etwas aufpassen, denn diese Röhren sind meist nicht durch verwandte Typen austauschbar, wie etwa die meisten Röhren der 12A(XYTU)-Familie. Diese Röhren finden sich mit Bezeichnungen wie 6SN7, 6SC7 oder 6SJ7. Im Grunde sind dies genauso Doppeltrioden wie ihre kleineren Nachfolger, aber oft anders verschaltet und daher nicht miteinander kompatibel. Sie genießen übrigens unter Liebhabern einen legendären Ruf aufgrund ihrer „warmen“ oder „analogen“ Klangeigenschaften. Im HiFi-Bereich ist dieser Vorstufentyp daher aktuell eher zu finden als in Gitarrenverstärkern, denn diese Röhren sind sehr selten geworden.
Die Vorstufenröhren der meisten Gitarren-Amps kommen heute aus der 12A-Famile. Die 12AX7 wird in Europa auch unter der Bezeichnung ECC83 verkauft.
12AX7 ECC83 Röhre
Es handelt sich aber um ein und dieselbe Röhre, nur mit zwei unterschiedlichen Bezeichnungen. Die 12AX7 entspricht der ECC83 die 12AT7 der ECC 81 und die 12AU7 der ECC82. Sie unterscheiden sich vor allem durch ihr Gain-Verhalten und kommen damit in unterschiedlichen Bereichen einer Verstärkerschaltung zum Einsatz.
Die besonders selektierte und daher stabile Militärversion der 12AX7/ECC83 wurde in den USA auch mit der Bezeichnung 7025 verkauft. Auch diese Röhre ist ein geeigneter Ersatz, nur dass sie aufgrund ihrer gesteigerten Stabilitätsanforderungen oft ein paar Euro mehr kostet, dafür aber auch länger halten soll.
Bei den Doppeltrioden der Vorstufen findet man am unteren Ende der Glaskoben insgesamt neun kreisförmig angeordnete Pins. Drei sind für die Versorgung mit der Heizspannung (4, 5 und 9), die übrigen sechs für jeweils Anode (1 und 6), Gitter (2 und 7) und die Kathode (3 und 8). Meist kann man die Röhren gut unter leichten Drehbewegungen herausziehen. Zwischen Pin 9 und Pin 1 ist eine Lücke im Kreis, die man beim Einstecken der neuen Röhren wieder genau treffen muss. Das ist eigentlich schon alles, was es zu beachten gilt. Zielt man „falsch“, verbiegt man mitunter einen der Pins und muss ihn für einen erneuten Versuch wieder geradebiegen.
Aber das ist kein Beinbruch! Alle Vorstufenröhren in Gitarren-Amps sind im Auto-Bias verschaltet. Es muss also kein Ruhestrom eingestellt werden. Einfach tauschen und fertig.
Gummi-Dämpfer auf einer Mesa-Röhre.
In High-Gain-Amps findet man ab und zu Röhren mit einer dämpfenden Karbon- oder Gummiummantelung. Diese Maßnahme soll bei hohen Verstärkungen die Mikrofonie-Anfälligkeit minimieren. Das funktioniert in einem High-Gain-Amp sogar recht gut, wäre in einem möglichst klar klingenden Fender Super Reverb jedoch überflüssig und würde dort gerade die gewünschten „glockigen“ Höhen unnötig bedämpfen.
Über den meisten Vorstufenröhren stecken Abschirmhülsen aus Metall. Die müssen aber nicht unbedingt drauf sein, denn die Röhre funktioniert meist ebenso tadellos ohne Hülse.
Es kann aber vorkommen, dass diese Hülsen die Röhre vor elektromagnetischen Einstreuungen abschirmen und daher auch wirklich Sinn machen. Klangliebhaber haben dagegen längst erkannt, dass auch diese Hülsen den Ton des Amps etwas bedämpfen (subtiler Effekt) und lassen diese daher aus Prinzip weg.
Hat man die unterschiedlichen Gain-Faktoren der verschiedenen 12A-Typen verinnerlicht, kann man die Vorstufe auch gezielt mit verwandten Röhrentypen bestücken, um andere Klangeigenschaften zu erhalten. Man kann zum Beispiel die Röhre V1 ganz vorn in der Schaltung − meist eine 12AX7/ECC83 − durch eine 12AT7/ ECC81 ersetzen, um weniger Gain zu erhalten.
12AT7 ECC81 Röhre
Der Amp wird klarer, aber auch leiser, weil die 12AT7 nur etwa halb so hoch verstärkt wie eine 12AX7. Noch geringer verstärkt eine 12AU7, was in manchen Amps schöne Effekte hervorruft (zum Beispiel in der Vorverstärkung einer Jazz-Gitarre, die sehr lange clean bleiben soll). Grundsätzlich sind die 12A-Typen untereinander austauschbar, da die PIN-Belegung stets gleich ist. Dennoch wird dies nicht immer empfohlen. So findet man in den meisten Fender-Verstärkern eine 12AT7 als Halltreiberstufe. Da hier an den zudem noch gebrückten Anoden um 400 Volt anliegen, kann es gefährlich sein, diese Röhre durch eine 12AX7 zu ersetzen, denn die Anode dieser Röhre „verträgt“ in der Regel höchstens 300 Volt. Eine 12AU7 kann dagegen recht gut passen, weil sie ebenso gut mit den hohen Spannungen klarkommt wie eine 12AT7. An dieser Stelle würde man zudem den Hall schonender anfahren und den Sound eventuell attraktiver machen. Es lohnt sich daher, stets Erkundungen über die Möglichkeiten von Austauschtypen einzuholen.
ENDSTUFE
Etwas kniffliger ist der Austausch der Endröhren. Die erste Hürde besteht darin, die Röhre überhaupt aus der der Fassung zu ziehen. Aus Sicherheitsgründen werden die meisten Endstufenröhren zusätzlich durch sogenannte Haifischkrallen gesichert. Das soll verhindern, dass sie sich beim Transport von selbst aus der Fassung lösen und herunterfallen. Immerhin sind diese Röhren viel größer und daher auch schwerer als Vorstufenröhren.
Haifischkrallen für die Endröhren.
Die beiden Krallen muss man dazu vorsichtig auseinander biegen. Anders bekommt man die Röhren nicht heraus, denn die kleinen Metallzähnchen vergraben ihre Spitzen oft fast unnötig vehement im Sockel.
(Bild: W-Music Distribution)
Wendet man hier Gewalt an, zerbricht nicht selten der Führungs-PIN am unteren Ende des Sockels. Dieser stellt aber sicher, dass man die Röhre nur in einer ganz bestimmten Position wieder einstecken kann. Geht dieser Führungs-PIN verloren, kann man die Röhre in jeder möglichen Position wieder einstecken, was vielen unkundigen Röhrentauschern dann auch passiert. Die Folgen sind dann meist richtig schlimm, denn auf einmal liegt der PIN für den Heizfaden (6,3 Volt Wechselspannung) in der Öffnung in der Röhrenfassung, an der diese mit 450 Volt Gleichspannung aus dem Netzteil gespeist wird. Im besten Fall fliegt sofort die Sicherung heraus (und zwar nicht nur die im Amp).
Abgebrochener Führungs-PIN (rechts) bei einer Endstufenröhre.
Daher sollte man Röhren mit gebrochenem Führungs- PIN möglichst sofort entsorgen. Im Halbdunkel einer Bühne oder eines Proberaums kann man diese kleine Sollbruchstelle schnell mal übersehen und erzeugt dann unabsichtlich einen oft schweren Unfall (für Röhren, Amp und Haussicherung).
Auch bei den Endröhren wird grundsätzlich empfohlen, absolut typengerecht zu tauschen. Also 6L6 nur gegen 6L6 tauschen und EL34 nur gegen EL34! Ausnahmen sind möglich, aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
Starke Verschmutzung im Bereich der Endstufenröhren.
Bei älteren Röhren-Amps findet man in den Fassungs-PINs meist Schmutz und Staub, den man von Zeit zu Zeit entfernen sollte. Ich verwende dazu die praktischen Dental-Bürsten aus der Apotheke. Die gibt es in verschiedenen Größen und daher jeweils passend für Vor- und Endstufen-Fassungen. Ein Tröpfchen Alkohol drauf und vorsichtig bürsten bis kein Schmutz mehr auf der Bürste zu sehen ist. Das verbessert den Kontakt und damit den Sound und die Lebensdauer der Röhren.
Praktisch: Dental-Bürsten zur Reinigung der Fassungen
Die meisten Endröhren in Gitarrenverstärkern laufen im so genannten Push-Pull-Betrieb mit fester negativer Gittervorspannung (BIAS). Diese Spannung bestimmt den Ruhestrom der Röhre (im Leerlauf). Und dieser Ruhestrom darf nur in einem bestimmten Bereich fließen. Auch das ist entscheidend für die optimale Funktion von Röhren und Amp. Mitunter muss dieser Ruhestrom nach einem Wechsel neu eingestellt werden. Dazu muss man natürlich wissen, wo der überhaupt liegt.
Mit einem Bias-Messgerät kann man den Strom kinderleicht messen und ablesen. Hier steckt man zwei oder vier Röhrensockel, die wiederum eine Fassung für die Endröhren enthalten, in den Amp und schaltet das Gerät ein.
Der Ruhestrom ist abhängig vom Verstärker- und Röhrentyp. Zudem spielt die Anodenspannung des Verstärkers dabei eine Rolle. Es gibt also einiges zu beachten. Daher sollte der Ruhestrom in der Regel vom Fachmann eingestellt werden. Mit etwas Knowhow kann man das jedoch sogar selbst machen. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.
Zuletzt feierte Blackstar große Erfolge mit einem Signature-Halfstack für Jared James Nichols, einen der interessantesten Bluesgitarristen der jüngsten Vergangenheit. Kürzlich kam eine limitierte Combo-Version auf den Markt – und die hat es in sich…
Der 20 Watt starke HT-20R JJN wird von einer ECC83 Vorstufen- sowie zwei EL84 Endstufenröhren betrieben, hat einen Celestion G12-75 Lautsprecher und kann in der Leistung auf 2 Watt gedrosselt werden. Mit einem Voicing-Switch kann man den Clean-Kanal zwischen amerikanisch und britisch sowie den Overdrive-Kanal zwischen klassisch und modern umschalten. Für Direct-Recordings steht eine USB-Schnittstelle bereit.
Mit der JCM-800-Serie erklimmt Marshall in den 80er Jahren den Rock-Olymp und verpasst der explodierenden Rock-Musik seine bis heute prägnante und unüberhörbare Stimme. Hier der Centerfold des JCM-800-Prospekts.
Als die JCM 800-Serie im März 1981 herauskam, brachte sie zunächst gar keine technischen Neuerungen. Nur den Look, die Optik, hatte man neu gestaltet. Insbesondere das über die ganze Länge durchgehende Bedien-Panel der Verstärker-Chassis prägte den drastischen Umbruch im Erscheinungsbild.
Der Grund für die Maßnahme war, dass zwei Gegebenheiten ungünstig aufeinander trafen und so Marshalls Zukunft zu gefährden drohten. Denn just in dieser Zeit endete einerseits der Vertrag mit der Firma Rose-Morris, die 15 Jahre lang die Rechte für den weltweiten Vertrieb besaß. Andererseits hatte Rose-Morris noch reichlich Ware auf Lager, sodass Marshall Absatzprobleme bei neuen Partnern befürchten musste.
Sicher das meistverkaufte 100-Watt-Top der Welt: der 2203 Lead
Mit dem genialen Schachzug, ein neues Design einzuführen, kam Marshall aus der Klemme, und Rose-Morris sah sich schlagartig zum „Altwarenhändler“ degradiert. Im ersten Jahr wies der Katalog exakt dieselben Modelle aus, die bis dato als JMP-MKIIModelle in der Produktion waren: Zwei Gitarren-Topteile ohne Master-Volume, 1959 und 1987, zwei mit MV, 2203 und 2204. Die Bass-Amps 1986 und 1992 kamen leicht revidiert mit aktiven Klangregelungen (semiparametrische Mitten) auf den Markt.
Die von den MV-Tops abgeleiteten Combos sahen insofern anders aus, als dass die Bedienungselemente nicht mehr oben, sondern vorne positioniert waren. Parallel dazu bekamen sie neue Modellbezeichnungen: 4010 (1×12″, 50 Watt), 4104 (2×12″, 50 Watt), 4103 (2×12″, 100 Watt). Als zwischenzeitlich der 2204 und 2203 bzw. die baugleichen Combos waagerecht statt senkrecht angeordnete Input-Buchsen bekamen, hatte sich entgegen anders lautender Gerüchte an der Technik prinzipiell gar nichts geändert.
Die vorher frei verdrahteten Potis und Buchsen waren lediglich mit auf das Printboard verlegt worden. Erst 1982, ein Jahr nach der Einführung der JCM 800-Serie, leitete Marshall mit dem 50 Watt starken 1×12″-Combo, Typ 4210, eine innovative Wende im technischen Design ein. Dies war der erste Clean/Lead- Zweikanaler des Programms. Ergänzt wurde das Konzept durch einen Federhall und einen dahinter angeordneten seriellen Einschleifweg – für damalige Verhältnisse eine Art Quantensprung in die Moderne. Der Verstärkermarkt war indes allgemein im Umbruch, angestoßen durch einen „ominösen“ Amp namens Boogie, der Ende der 1970er- Jahre in aller Munde war.
1992 Bass-Top
Auch Fender folgte dem Ruf und ließ bekanntlich von Paul Rivera das gesamte Verstärkerprogramm überarbeiten; da konnte Marshall natürlich nicht hintenanstehen. Zwangsläufig folgten dem 4210 im Jahre 1983 zwei Topteile mit 50 und 100 Watt, die Modelle 2205 und 2210, die wahlweise auch als 2×12″-Combos erhältlich waren. Die Resonanz auf diese neuen JCM 800 war äußerst erfreulich, obwohl der Lead-Kanal einen deutlich anderen Charakter offenbarte, als man das bisher von Marshall gewöhnt war. Die Verzerrungen wurden hier nämlich mithilfe von Dioden erzeugt, was mehr Distortion-Intensität erlaubte, aber auch in einen harscheren Ton mündete.
2203 Lead-Top
Ein kleines technisches Problem wurde diese neue Amp- Serie nie ganz los: Zwischen den Kanälen bestand ein gegenseitiges Übersprechen und sie waren nicht ganz unabhängig voneinander regelbar. Die Musik entwickelte sich in den 80er-Jahren rasant, neue Stilistiken kamen auf, die Ansprüche der Gitarristen veränderten sich und wuchsen. Der schlichte Clean-Kanal war bald nicht mehr upto- date und der Ruf nach mehr Gain in den harten Rock-Genres erzwangen technisches Umdenken. Daher liefen fast alle JCM- 800-Modelle 1990 aus.
Nur der 1959-Superlead und sein kleiner Bruder, das Modell 1987, überdauerten noch ein weiteres Jahr, um dann aber auch aus der Palette gestrichen zu werden und erst viel später als Reissues wieder zum Leben zu erwachen. In der JCM 800-Ära erblickten weitere Modelle das Licht der Welt, die technisch keine Neuerungen brachten, aber unter der Überschrift „Limited Edition. Original-Classic“ in einem besonderen Look, mit grünem Vinyl, an die Sixties erinnern sollten. Den 2204 gab es inklusive passender Cabs sogar als Mini- Modell, also mit verkleinerten Gehäusen.
Ein Bild, dass die Rock-Bühnen der Welt bestimmt – ein JCM- 800-Fullstack
Etwas versteckt, von vielen kaum wahrgenommen, tauchte als Mitglied dieser Mini- Serie ein Amp-Top namens 3203 Artist auf. Ihm lag Hybrid-Technik zugrunde. Die per Fußschalter steuerbare Clean/Lead- Vorstufe basierte auf Transistortechnik, die Endstufe war mit zwei EL34 bestückt, angetrieben von einer ECC83 als Phasentreiber. Eigen im Sound, mit sehr ansprechender Distortion, Federhall, seriellem Einschleifweg, Line-Out, heute ein Geheimtipp. Was noch mehr für die 1×12″-Combo- Version gilt, dem 4203 Artist mit G12-Vintage- Speaker von Celestion. Ein anderer 1×12″-Combo aus der Zeit steigert schon seit längerem seinen Wert auf dem Vintage-Markt, der einkanalige 4001, auch bekannt als Studio-15 oder Little Fatty. Der erste und einzige Marshall mit 6V6- Endröhren, zwei an der Zahl. Was ihn besonders macht(e), ist das Post-Phase-Inverter-Master-Volume. Außerdem konnte man mit dem Abziehen des Lautsprechers die Leistung drosseln (Attenuator). Im Kopfhörer-Ausgang liegt dann das gedrosselte Signal an.
Der Little Faty bietet eine interessante Option zur Drosselung der Leistung
Dieses wurde auch bei einer Modellreihe eingebaut, mit der Marshall offensichtlich in Fenders Revieren wildern wollte. Cowboy-gestylt mit braunem („Leder“-) Tolex und dem Untertitel „Club and Country“ machten die beiden Combos aus ihrem Ziel auch gar keinen Hehl. Das Modell 4140 mit 2×12″“-Bestückung, der 4145 mit vier Celestion-Zehnzöllern, beide besaßen dasselbe Verstärkerchassis: Zwei Kanäle, Reverb, Boost, vier KT77 in der Endstufe, damals potentiell die neuen Könige des Clean. Mit dem 4150 gab es ergänzend einen 4×10-Basscombo, der sich fortschrittlich durch einen semiparametrischen Mitten- EQ und einen Kompressor auszeichnete. Der Vollständigkeit halber sei noch die 20th-Anniversary-Serie erwähnt, mit der Marshall 1982 das 20-jährige Bestehen des Unternehmens zelebrierte. Keine technischen Besonderheiten, ganz normale JCM 800- Modelle, allerdings schick gekleidet, in weißes Vinyl und schwarzen Frontstoff. (Näheres im entsprechenden Kapitel über die Anniversary-Amps).
Der Celestion G12T-75 in einer 1960ST-Box.
Was vielfach nicht ins Bewusstsein dringt, bzw. in Publikationen wenig bis gar keine Erwähnung findet, ist die Artenvielfalt der Cabinets in der JCM 800-Ära. Neben den typischen drei Bauformen 1×12, 2×12 und 4×12 gab es ab 1984 auch 4×10″-Boxen als Mini- Stack. Noch nichts besonderes, aber in der Zeit bereicherten neue Celestions das Angebot. Schon 1979 gab es die ersten 4×12 mit dem G12-65, einem exzellenten Lautsprecher, der einen vollen musikalischen Ton ohne aggressive Schärfe produzierte. Im Jahre 1982 kam der tendenziell nüchtern-lineare G12-H100 hinzu, der eine 4×12″-Box mit satten 400 Watt belastbar machte. Ein Jahr später wurde auch der G12-M70 verbaut. Erst 1986 tauchte der legendäre G12- T75 auf, der Rocker schlechthin, dem man übrigens zu Unrecht immer wieder einen besonders „fiesen“ Sound nachsagt. Er wurde auch in Marshalls erstem stereo/mono umschaltbaren 4×12″-Modell verwendet, der nur als „Straight-Version“ erhältlichen 1960ST.
Diezel steht für Röhrenboliden moderner, aber dennoch alter Schule. Es sorgte daher für lautes Raunen im Wald der Amp- & Gitarristen-Gemeinde, als Peter Diezel seine neueste Schöpfung ankündigte – Röhrentechnik, aber mit digitalen Elementen. Ein potentieller Gamechanger für die ja ansonsten eher konservative Röhren-Amp-Landschaft?
Neben dem Great Old One, dem geschätzten Diezel VH4, der nunmehr seit über 26 Jahren das Flaggschiff in der Verstärkerflotte von Peter Diezel und Peter Stapfer darstellt, ist sicherlich der Diezel Herbert das zweite große Aushängeschild, und bisher schien es so, als würde die Qualität der Produkte aus Bad Steben auf diesem Zenit stagnieren, denn fast alle neueren Diezel-Verstärker sind zwar keineswegs schlechter als diese beiden Boliden, aber eben auch nicht objektiv besser, vielseitiger oder musikalischer. Sie sind allesamt eher Varianten des bereits bekannten aber eben auch sehr beliebten Diezel-Sounds.
Eingefleischte und langjährige Diezel-User sind sich scheinbar weitestgehend einig – es ist tatsächlich gar nicht so einfach, überhaupt einen Gitarrenverstärker zu finden, der in derselben Liga spielt, wie ein VH4, wenn es um pragmatische Belange im Sound-Design geht. Genau jetzt wird es aber spannend, denn Peter Diezel hat unlängst sein neues Flagship-Model, den Diezel VHX, fertiggestellt.
Das Konzept zu diesem Verstärker ist mindestens fünf, sechs Jahre alt, denn schon damals hat Peter im Freundeskreis eine kleine, repräsentative Umfrage gemacht, um herauszufinden, welche Kanäle, Schalter und Optionen an Verstärkern von seinen Stammkunden, Endorsern und Freunden wirklich genutzt werden. Die Liste war lang. So lang, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass diese Feature- Schlacht irgendwann einmal Realität in Form eines neuen Produktes werden würde. Ich muss zugeben, ich habe mich geirrt.
KONZEPT
Der VHX ist selbstverständlich, wie alle anderen Diezel Amps, ein echter Röhrenverstärker. Zusätzlich befindet sich allerdings ein moderner Prozessor mit enormer Rechenleistung und vor allem sehr hoher dynamischer Auflösung und extrem niedriger Latenz im Signalweg, der eben nicht nur Speicherplätze für eine Handvoll Sounds zur Verfügung stellt.
Die aktuellen Features sind sowohl prozessorgesteuerte Effekte, speicherbare Potiwerte für jeden Kanal, zwei serielle, schaltbare Einschleifwege, Bright und Gain-Structure-Switches, Mid Cut, Deep und Presence pro Preset speicherbar, ein dritter, ebenfalls schaltbarer Einschleifweg (allerdings vor der Vorstufe, um zum Beispiel den Lieblings-Tube-Screamer oder einen Fortin-33-Booster einschleifen zu können), ein Stimmgerät, ein Noisegate und etliche digitale Effekte, sowie eine Bluetooth-Antenne für eine mögliche iPad-App oder ähnliches, als auch eine USB-Schnittstelle sowie eine umfangreiche Midi-Anbindung. Einzig die ursprünglich gewünschte, eingebaute Kaffeemaschine fehlt.
BEDIENELEMENTE
Beim Layout der Frontplatte des VHX fällt neben dem sehr gut ablesbaren Farbdisplay auf, dass es eigentlich nur zwei, für Diezel typische, diagonal verlaufende Regler-Reihen gibt. Diese jeweils fünf Regler links und rechts des Displays sind gerasterte Endlos-Potis, deren Einstellungen in den bis zu 99 Presets des Verstärkers abgespeichert werden können. Zu diesen zehn Hotkey-artigen Reglern gesellen sich ein weiterer Preset-Wahl-Regler oben links neben dem Instrumenteneingang und den Send- und Return-Buchsen des Pre-Loop, sowie On/Off- und Standby-Schalter, als auch ein analoger Master-Volume-Regler, der im Gegensatz zu allen anderen Potiwerten nicht abspeicherbar ist.
Die vorderseitigen Anschlüsse für Gitarre und Pre Loop werden auf der Rückseite um einige Möglichkeiten ergänzt.
Rückseitig finden wir fünf Lautsprecherausgangsbuchsen, wie man es schon von VH4, Hagen, Herbert und Co. kennt: jeweils zweimal 4 und 8 Ohm und einen 16-Ohm-Ausgang. Direkt daneben befinden sich die Send- und Return-Buchsen von gleich zwei seriellen Einschleifwegen, die pro Preset ebenso abspeicherbar sind, wie der frontseitige Pre-Loop. Neu für ein Diezel-Produkt ist die Headphones-Out-Klinkenbuchse, an der das Signal des symetrischen XLR-Recording-Out parallel zu diesem ausgegeben wird.
Mit der Helix-Serie ist Line 6 in puncto Sound und Features ein großer Wurf gelungen. Nun wird der etwas in die Jahre gekommene Name „Pod“ wiederbelebt. Der Pod Go soll das Angebot gekonnt nach unten abrunden. Ob das klappt?
Im Gegensatz zu älteren Pod-Generationen zeichnet sich die Helix-Reihe ja insbesondere durch komplett neue Algorithmen aus, die in unseren bisherigen Tests immer sehr gute Klangergebnisse lieferten. Zunächst ist es also etwas verwirrend, dass nun wiederum der Name Pod ins Spiel kommt. Doch unter der Haube verbirgt sich waschechte Helix-Technologie. Diese ist in eine praktische Form gegossen und wird hier verhältnismäßig günstig angeboten. Was bleibt dabei wohl auf der Strecke?
HARDWARE
Die Verpackung des Pod Go ist bereits etwas weniger schick, als das bei den Helix-Brüdern der Fall ist. Soweit aber kein Problem, die landet ja eh sofort im Keller. Neben dem Gerät findet man hier ein USB-Kabel und natürlich ein externes Netzteil. So kann man direkt loslegen.
Das Gerät selbst ist mit seinen etwas über 2 kg erstaunlich leicht. Und so verwundert es auch nicht weiter, dass die Ingenieure von Line 6 sogar noch die Möglichkeit gefunden haben, auf der Unterseite eine Art Griffmulde unterzubringen. So kann man den Pod bei Bedarf noch mal ein Stück einfacher herumtragen. Auch anschlussseitig zeigt sich die Limitierung aufs Wesentliche: Wer MIDI, ein Mic-In, Digitalausgänge oder einen Variax-Anschluss benötigt, der muss zum großen Bruder greifen. Es ist aber nicht so, als würde hier etwas Essenzielles fehlen: Neben dem Input und dem Anschluss für ein weiteres (Expression-)Pedal findet sich ein Stereo-FX-Loop, ein Dual-Mono-Main-Out, Amp-Out und ein Kopfhörerausgang. Alles in Klinke ausgeführt. Daneben liegen USB-Anschluss und sogar ein Power-Schalter.
(Bild: Dieter Stork)
Wenn man ehrlich ist, findet sich hier also vermutlich alles, was etwa 90% der Durchschnittsgitarristen so brauchen und auch nutzen. Insbesondere, dass sogar ein Stereo-Effektweg integriert ist, sollte hervorgehoben werden. Das erweitert die Möglichkeiten natürlich sehr deutlich und wird später noch spannend, wenn wir uns entscheiden müssen, welche Blocks in ein Preset kommen.
Die Front des Geräts kommt sehr aufgeräumt daher. Das 4,3″ große Farbdisplay ist der Dreh- und Angelpunkt. Es stellt immer gut ablesbar und sinnvoll gestaltet die Informationen dar, die man sich wünscht. Sei es die Übersicht über Patches, welche Effekte auf welchem Fußschalter liegen oder auch die Parameter beim Editieren eines konkreten Blocks. Letztere werden immer in Fünfergruppen dargestellt und lassen sich direkt durch die Potis unterhalb des Displays bedienen. Direktzugriff sozusagen. Diese könnten zwar etwas schwergängiger sein, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Und wenn man mal mehr als fünf Dinge regeln will, kann man mit den „Page“-Tastern rechts einfach weiter schalten. Was man aktuell sieht, wird durch den View-Taster bestimmt und mittels Action-Button löst man unterschiedliche Aktionen aus. Sehr praktisch finde ich auch den großen Lautstärkeregler an der Front, der sich zur Not zuhause auch mal in Socken bedienen lässt. Hier vermisse ich allerdings ein wenig die vom Helix bekannte, separate Steuerung für die Kopfhörerlautstärke. Alle Buttons wirken etwas weniger solide als ich es vom Helix in Erinnerung habe und bitten jetzt nicht unbedingt um Fußtritte im Bühnenalltag. Sie liegen aber weit genug außerhalb der Schusslinie, sodass ich mir da keine ernsthaften Sorgen mache.
Auf der unteren Hälfte der Front finden sich die acht Fußschalter, welche von LED-Ringen umrandet werden und so je nach Preset darstellen können, mit welchem Effekttypus sie gerade belegt sind. Auf der rechten Seite findet sich dann noch das Expression-Pedal, welches einen sehr angenehmen und distinkten Druckpunkt bietet, um zwischen Wah und Volume (beziehungsweise anderen Effekten) umzuschalten.
Das Pedal ist voll durchgedrückt, wenn es in einer Linie zur leicht schrägen Front des Gehäuses steht. Dadurch ergibt sich für mich persönlich ein etwas unangenehmer Winkel, aber das mag persönliche Anatomie sein.
Fassen wir zusammen: Ein Helix ist hochwertiger und bietet mehr Anschlüsse. Aber braucht man die wirklich? …
Celestion entwickelte jüngst einen Lautsprecher, der mit Hilfe von Frequenzgangkorrektur durch digitale Impulsantworten so klingen soll wie diverse andere Lautsprecher aus gleichem Hause. Im Zeitalter von Modeling-Verstärkern scheint genau dies der konsequente nächste Schritt zu sein.
Großbritannien ist hier in Europa nicht nur für seine außergewöhnlichen Politiker bekannt, es ist für Gitarristen vor allem die Geburtsstätte von Marshall, Vox und Co., sowie die Heimat der Rock’n’Roll-Lautsprecher: Von hier kommt der Celestion Greenback in seinen zig Varianten, wie auch moderne Klassiker – vor allem der im Rock- und Metal-Bereich nicht mehr wegzudenkende Vintage 30, oder der berühmte Blue Bulldog Speaker, den große Teile der Vox AC30 und AC15 spielenden Gitarristen lieben gelernt haben.
Van Halen, Hendrix und Hetfield hätten sicherlich auch ohne Celestion-Lautsprecher arbeiten können. Ihre typischen Gitarren-Sounds hätten aber völlig anders geklungen. Die Liste der Superstars, die 20, 25 oder 30 Watt Greenbacks, beziehungsweise Vintage-30-Lautsprecher spielen, ist außergewöhnlich lang. Petrucci, In Flames, Lamb of God, Peter Weihe, Page, Clapton, Frampton … Die Aufzählung wird endlos und wir sparen uns das an dieser Stelle.
Angesichts der Tatsache, dass unsere Helden mit diesen britischen Lautsprechern ihren Sound gemacht haben, wundert es nicht, dass beinahe alle namhaften Hersteller Combos oder Boxen mit Celestion-Lautsprechern im Sortiment führen. Und auch in der digitalen Welt scheinen Greenback und Vintage 30 in jede ordentliche Sammlung von Impulsantworten zu gehören.
Impulsantworten? Was ist denn das eigentlich? Ganz neu ist die Technologie hinter „IRs“ – wie man oftmals in englischsprachigen Foren oder Produkttexten liest – nicht. Schon der ursprüngliche Line6 POD benutzte für seine Boxensimulationen „Impulse Responses“, war damit seiner Zeit leicht voraus und vermutlich auch deswegen recht erfolgreich.
WAS IST EINE IR?
Zunächst ist IR die Abkürzung für „Impulse Response“ oder zu Deutsch „Impulsantwort“. Da uns das noch nicht weiterhilft, versuche ich es mal mit einer recht bildlichen, aber sehr vereinfachten Erklärung, ohne zu sehr in den Bereich der Physik und Mathematik abschweifen zu wollen. Ich bitte hiermit ausdrücklich um Entschuldigung bei allen Programmierern, Software-Entwicklern und Mathematikern, die es besser wissen und sachlich korrekter erklären können.
Folgende Modellvorstellung soll dem interessierten Laien helfen: In einem Kirchenschiff stellt man auf der einen Seite eine ultra-lineare PA auf, und auf der anderen Seite ein ebenfalls ultralineares Mikrofon. Über die PA spielt man einen gleichbleibend lauten Sinus-Sweep ab – also einen Ton, der zunächst bei ca. 20 Hertz im Sub-Bass startet, und dann bis auf 20000 Hertz nach oben schnellt. Das Messmikrofon würde diesen Ton verfälscht aufnehmen. Am Mikrofon kommt nämlich logischerweise der verhallte Klang des Messtons an.
Würde man nun mit einem Algorithmus die Differenz aus beiden Signalen errechnen, also die Veränderung der Lautstärke, des Obertonanteils und die Schalllaufzeiten an diesem Punkt des Kirchenschiffs, könnte man aus diesen Daten einen relativ realistischen digitalen Hall errechnen. Möchte man die Messergebnisse sinnvoll abrunden, empfiehlt es sich zudem, rosa und/oder weißes Rauschen bei verschiedenen Lautstärken aufzunehmen.
Wer schon mal ein Kemper-Profil erstellt hat, ahnt das schon lange, denn der Kemper gibt beim Profiling von Amps eben jene Signale durch das zu profilierende Equipment aus, und das passiert vermutlich nicht, weil die Entwickler ganz große R2D2-Fans oder Liebhaber alter Modems sind.
Was hat das mit Lautsprechern zu tun? Ganz einfach – keine zwei Tage nachdem diese Art von Konvolutionshall als Plug-In in einer Audio-Workstation nutzbar wurde, hatten schon die ersten schlauen Köpfe verstanden, dass man ja auch Sinussignale durch die Endstufen von Verstärkern senden konnte.
Über eine mit typischen Gitarrenlautsprechern bestückte Box gespielt, und mit einem sinnvoll aufgestellten, typischen Studiomikrofon abgenommen, könnte man zumindest näherungsweise die Klangverfälschung eben dieser Komponenten mit dem Hall-Plug-In nachempfinden, sofern man den Mix des „Halls“ auf 100% stellt und das gesamte Signal einer Gitarrenverstärkervorstufe mit dieser Klangfarbe einfärbt.
Das hat erstaunlich gut geklappt und somit konnte man am heimischen Rechner einfach das Signal eines Einschleifweg-Sends des Gitarrenverstärkers direkt an den Recording-Eingang des Interfaces senden. Dieses, bei Verzerrung äußerst kratzige Signal, wurde durch besagte Konvolutionshall-Plug-Ins so weit im Frequenzgang verändert, dass sich für das menschliche Ohr eine ähnliche Klangfarbe ergibt, als hätte man die Endstufe, Box und das Mikrofon – in eben dieser Position – vor dem Lautsprecher benutzt. Das „Silent Recording“ war erfunden…
Schlussendlich wurden auf Basis dieser Technologie dann eben auch ein Kemper Profiling-Verstärker und mehr oder weniger alle anderen, populären digitalen Verstärkersimulationen entwickelt.
DAS PROBLEM
Das erste und grundsätzliche Problem bei der Arbeit mit Impulsantworten, das sich bis heute nicht sonderlich gut lösen lässt, liegt vor allem darin, dass wir Gitarristen nun mal an den Klang unserer Verstärker im gleichen Raum gewöhnt sind, und beim Kauf eben jener Verstärker selten den Klang im Studio als Bewertungskriterium herbeigezogen haben.
Eine Impulsantwort ist aber eben das, was zum Beispiel ein SM57 in GENAU DIESER POSITION vor dem einen Lautsprecher der Gitarrenbox hört. Ich kenne weder einen Menschen, dessen Ohren genau so hören wie ein SM57, noch kenne ich Gitarristen, die beim Spielen der E-Gitarre ihr eines Ohr „on axis“ mit drei Grad Neigung im Abstand von 2,4 Zentimetern vor den einen Vintage 30 ihrer 4x12er-Box halten, und das andere Ohr mit Gehörschutz verschließen, um dann vor Freude über ihren tollen Gitarrensound zu grinsen.
Das zweite Problem ist die Ungenauigkeit, mit der die Algorithmen bei Konvolutionshall arbeiten. Je tiefer die Frequenz wird, desto weiter entfernen wir uns von der eigentlichen, beim Erstellen der Impulsantwort gemessenen Situation. An diesem Punkt setzt Celestion mit dem F12-X200 Lautsprecher an.
(Bild: Dieter Stork)
SOUND
Die Firma Tube Amp Doctor hat uns für diesen Testbericht einen Celestion F12-X200 in eine ihrer 1x12er-Boxen mit typischen Marshall-1974-Spezifikationen eingebaut. In genau dieser Gitarrenbox hörte ich mir den Lautsprecher während der gesamten Testphase, die einige Wochen dauerte, an. Meine allererste Befürchtung war, dass eine solche Box, mit ihren sehr klassischen und hölzernen Resonanzen, vermeintlich genau die falsche Basis für einen Test sein könnte. Hierzu kann ich vorab Entwarnung geben.
Wie sich im Laufe der Testreihen herausstellte, funktioniert das super. Ein sogenannter FRFR-Lautsprecher, wie es unser Testkandidat sein möchte, ist der Celestion F12-X200 streng genommen eigentlich nicht. Von „full range, flat response“ kann man bei den vom Hersteller auf seiner eigenen Homepage ausgegebenen Messdaten überhaupt nicht sprechen.
Vielmehr ist der F12 im Bass- und Tiefmittenbereich ein typischer 12 Zoll Gitarrenlautsprecher und bei Weitem nicht „flat“. Der Höhenbereich wird von einem hauseigenen Kompressionstreiber abgebildet und ist deshalb vergleichsweise flat und geht hinauf bis 20 kHz. Der Speaker verhält sich im Tieftonbereich eher wie ein Celestion Greenback und ein Vintage 30 es auch täten und eben genau da, wo Impulsantworten ungenauer werden und nicht gerade optimales Spielgefühl transportieren, ist der F12 den typischen, klassischen Gitarrenlautsprechern wesentlich ähnlicher in der Dynamik, als es ein Studiolautsprecher oder eben ein Lautsprecher einer Monitorbox auf der Bühne wären.
Je weiter wir uns in den Mitteltonbereich, die Höhen und dann auch in das sogenannte „Air Band“ bewegen, desto linearer wird der F12-X200. Würde man bei diesem Klangbild den Speaker einfach direkt an einen echten Röhrenverstärker anschließen, dann könnte man sich mit dem Klangbild sicherlich anfreunden, sofern man ausschließlich extrem cleane Sounds spielt. Schon ab dem Einsetzen von leichter Verzerrung jedoch, wird es ungenießbar kratzig und höhenbetont. Für traditionelle Röhrentopteile ist der Lautsprecher allerdings auch überhaupt nicht gedacht.
Die Anwendung des F12-X200 sieht vor, dass man einen ModelingVerstärker mit aktivierter Boxensimulation, wie eben einen Kemper – dann gerne schon mit eingebauter oder eben externer und vor allem möglichst linearer Endstufe – als Signalgeber verwendet.
Da Kemper Profiler, Line 6 Helix, Fractal Audio Axe-FX III und ähnliche Modeling-Verstärker den Frequenzganz der Box, des Gitarrenlautsprechers und des Mikrofons schon durch die Verwendung von Konvolutionshall nachahmen, wird der F12-X200 in diesen Fällen ein weitaus dunkler klingendes Signal wiedergeben und somit passen die Höhen dann erstaunlich gut.
RESÜMEE
Das typische Digital-Amp-Modeling-Signal klingt über den F12-X200 wie eine Mischung aus Studio-Signal und „mein Amp steht neben mir im gleichen Raum“. Die Bässe und Tiefmitten werden mit sinnvoller Präzision wiedergegeben und das Spielgefühl ähnelt in dieser Situation erheblich dem eines Amps, der im gleichen Raum steht. Das ist eben genau das, was sich so viele Gitarristen wünschen, die mit echten Röhrenverstärkern aufgewachsen sind.
CELESTION PLUS IR
Schon seit einigen Jahren bietet Celestion, unter dem Markennamen „Celestion Plus“, eine unübersichtlich große Auswahl hauseigener Gitarren- und Basslautsprecher als IR-Audiodaten an, die zum kostenpflichtigen Download auf einer eigens für dieses Produkt entworfenen Website bereitstehen.
Unter www.celestionplus.com findet man derzeit Impulsantworten von 27 typischen Lautsprechern, die jeweils in diversen Boxentypen mit typischen Studiomikrofonen abgenommen wurden und die Auswahl wächst stetig weiter.
Da eben diese Celestion Plus Impulsantworten ganz wunderbar mit dem F12-X200 zusammenspielen, versuche ich hier, diese extrem umfangreiche Sammlung etwas zu sortieren. Ein Celestion Plus Gitarrenlautsprecher wird in einer 1x12er Open-Back-Box, dann aber ebenfalls in einer 1x12er Closed-Back, einer 2x12er Open-Back, einer 2x12er Closed-Back, sowie einer 4x12er Closed-Back-Box zum Download angeboten.
Die Celestion-Plus-IRs gibt es auch für Bass-Lautsprecher
Günstiger ist es, gleich alle Boxen im Paket zu kaufen. Allerdings ist dies nicht unbedingt so zweckdienlich, wie die Preisstruktur es uns glauben machen möchte, denn die Gehäuse der Boxen spielen bei einer typischen Mikrofonabnahme im Studio eine eher untergeordnete Rolle.
Es empfiehlt sich, zunächst entweder nur 4x12er Daten oder nur 1x12er Open-Back Daten zu wählen oder eben beides, da sich hierbei die größten klanglichen Unterschiede einstellen und die weiteren Optionen anfangs eher zu vernachlässigen sind. In jeder der einzelnen Sammlungen wurden nun wiederum drei typische Mikrofone benutzt, um in etlichen Positionen die Lautsprecher abzunehmen. Da gibt es dann jeweils ein Shure SM57, ein Royer-R-121-Bändchen, ein Sennheiser MD421 in den Positionen „balanced“, „bright“, „dark“, „dark 2“, „fat“ und „thin“, sowie eine Option mit Raummikrofon, die mit einem Neumann TLM-107-Paar erstellt wurde. Letztere eignet sich eher zum Beimischen in einer Homerecording-Situation, als zum eigentlichen Spielen mit einem Modeling-Verstärker.
Im Langzeittest, sowohl im Live-Betrieb, als auch in diversen Studiosituationen, haben sich vor allem zwei Lautsprechertypen als besonders pragmatisch und authentisch herausgestellt. Der Vintage-30- und der Heritage-G12M-20-Watt-Lautsprecher sind die eigentlichen „Must-haves“ in dieser Flut an Optionen, denn eben diese Lautsprecher hat man schon in tausenden Produktionen gehört. Ein typisches Problem für viele Digital-Amp-Nutzer ist die sehr knackige Höhenwiedergabe von sehr einfachen, günstigen Verstärkersimulationen oder Plug-Ins am Rechner.
Hier kann sicherlich die IR-Sammlung um einen „G12H-150 Redback“ ergänzt werden – das ist dann schon ein sehr dunkel klingender Lautsprecher. Grundsätzlich kann man bei den Celestion Plus Impulsantworten davon ausgehen, dass sie zu den absolut authentischsten Sammlungen gehören, die man derzeit am Markt findet, und lediglich zwei oder drei halbwegs gleichwertige Alternativen von anderen Studios zum Download angeboten werden.
PLUS
● sehr genaue Höhenwiedergabe
● sehr guter Wirkungsgrad
● Dynamik der Bässe und Tiefmitten
● geringes Gewicht
In den Anfängen der 1990er erlebte der Heavy Metal eine kleine Revolution. Eine ganze Reihe junger und kompromissloser Bands war auf der Suche nach einem neuen, härteren Sound. Schwedische Gruppen wie Dismember oder Entombed läuteten eine neue Ära der Extreme ein. Ein essentieller Bestandteil dieses „Buzzsaw“-Sounds war ein kleines und auf den ersten Blick eher unscheinbares Effektgerät der japanischen Firma Boss. Der Boss HM-2 Heavy Metal.
Tatsächlich wirkt das Pedal auf den ersten Blick wenig spektakulär. Das altbekannte, in schwarz gehaltene Boss-Gehäuse, 4 Regler und die etwas altbacken wirkende, orange Schrift lassen den kleinen, unscheinbaren Burschen zunächst einmal ganz harmlos aussehen. Dieser Eindruck dürfte sich spätestens nach den ersten Akkorden bei eingeschaltetem Pedal erledigt haben. Mit dem passenden Verstärker und einer leistungsfähigen Box kombiniert, erlebt man eine unglaubliche Urgewalt, die sich schwer in Worte fassen lässt.
Mit Definition und Wohlklang hat das nicht mehr viel zu tun. Ein Gitarren-Sound, der dreckig, sägend und unheimlich fett daherkommt und weder Fuzz noch Distortion sein will. Mit einem Wort: eigenständig. Genau dieser Klang war in den frühen 90ern die Grundlage für die Verbreitung des Death Metal in Europa, welcher nun seit einigen Jahren frischen Wind aus verschiedenen Richtungen erlebt.
Death Metal wurde in den frühen Jahren der 1990er vor allem von Bands aus den USA dominiert. Formationen wie Morbid Angel, Death und Obituary hatten zu diesem Zeitpunkt einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erreicht. In Europa dagegen war die Death-Metal-Szene zu dieser Zeit noch in einem eher frühen Stadium, was sich aber dann durch eine ganzen Reihe von vornehmlich schwedischen Formationen ändern sollte. Bands wie Dismember (‚Like an ever flowing stream‘, 1991), Grave (‚You‘ll never see‘, 1992), Entombed (‚Left Hand Path‘, 1990) oder Carnage (‚Dark Recollections‘, 1990) entwickelten aus dem bis dato verbreiteteren Crust- und Anarcho-Punk ihre eigene Version von Death Metal.
War der Sound der amerikanischen Bands noch vergleichsweise sauber und an die zum Teil spielerisch extrem komplexe Spielweise angepasst, entwickelte sich in Schweden eine ganz neue Interpretation des Genres. Die Songstrukturen waren deutlich simpler angelegt und auch die Spielweise wurde extrem reduziert. Dieser Umstand bot natürlich die Möglichkeit, einen ganz anderen, mächtigeren und dreckigeren Sound zu kreieren. Den sehr markanten Klang der Produktionen dieser Ära des frühen, europäischen Death Metal einzig und allein auf das Boss HM-2 Pedal zu reduzieren, wäre wohl etwas gewagt. Und doch zieht sich dieser sägende und dennoch fette Ton wie ein roter Faden durch die frühen Tage dieser extremen Ausrichtung des Heavy Metal. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist sicherlich das Sunlight Studio mit Produzent Tomas Skogsberg.
Unzählige Alben, die den Sound dieser Zeit definieren, wurden in den 90er-Jahren hier aufgenommen, wobei häufig der Boss HM-2 in Verbindungen mit verschiedenen Peavey-Transistor- (Rage, VT 120, Bandit) oder Marshall- Röhrenverstärkern (JCM 800/900) zum Einsatz kam. Anfang der 2000er-Jahre verschwand der HM-2 ein wenig von der Bildfläche. Viele Bands der Death Metal Bewegung hatten entweder begonnen mit ihrem Sound zu experimentieren oder sich aufgelöst. Zwar gab es auch nach wie vor Gruppen der ersten Stunde, die ihrem Genre weitestgehend treu blieben (Dismember oder Grave seien hier genannt), aber in dem zu diesem Zeitpunkt bereits sehr vielfältigen Death-Metal-Genre hatten sich eben eine Vielzahl von parallelen Strömungen entwickelt. Erst in den späten 00er-Jahren des neuen Jahrtausends kam frischer Wind in den bis dato etwas eingeschlafenen Boss-HM-2- Sound.
Bands wie Trap Them, Rotten Sound, Nails oder die wiedervereinten Disfear verhalfen dem sägenden Bösewicht zu neuer Popularität. Sicher ist dies mitunter auch Produzent Kurt Ballou, Besitzer des God City Studios in Salem/Massachusetts und Gitarrist der Hardcorepunk-Legende Converge, zuzuschreiben, der bei einer Vielzahl der Produktionen der letzten Jahre ein gutes Händchen für diesen speziellen Klang bewies. Viele der dort aufgenommenen Alben zeigen einen Mix aus verschiedenen Strömungen des extremen Metals. Die aus Seattle/Washington stammenden Trap Them beispielsweise verstehen es meisterhaft, den von Bands wie Black Flag oder Minor Thread beeinflussten Hardcorepunk- Sound der 80er-Jahre mit den schweren und tief gestimmten Riffs der 90er-Jahre- Death-Metal-Ära zu vermischen, was in Kombination mit dem HM-2 eine spannende Mixtur ergibt.
Auch die aus Vaasa/Finnland stammende Grindcore-Institution Rotten Sound hat durch ihren wilden Stilmix aus klassischem Grind und dem Klang des Boss Heavy Metal eine neue Facette innerhalb des Genres geschaffen. Eine maßgebliche Aufnahme für die erneute Popularität des Boss HM-2 ist mit Sicherheit Disfears 2008 erschienenes und von Kurt Ballou produziertes Album ‚Live the Storm‘. Selten wurde der Klang des Pedals so gut in Szene gesetzt wie auf dieser Platte. Auch die Songstrukturen zeigen, dass selbst simpelste Riffs und Melodien durch den HM-2 eine unglaubliche Wucht erhalten.
Praxis Boss HM-2
Hergestellt wurde der Boss HM-2 von 1983 bis 1991. Wurden die ersten Jahrgänge noch in Japan gefertigt, verlagerte Boss die Produktion 1988 nach Taiwan. Wie groß der klangliche Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, ist umstritten, die ältere japanische Version kann allerdings mitunter auf dem Gebrauchtmarkt durchaus beachtliche Preise von über 100 Euro erzielen. Ausgestattet ist der Boss HM-2 mit 4 Reglern. Level regelt die Gesamtlautstärke des Schaltkreises, Lo den Bass/Tiefmitten Anteil, während Hi die Hochmitte/Höhen reguliert. Dist bestimmt zu guter Letzt den Grad der Verzerrung . Soweit die Theorie! In der Praxis sieht es insofern ein wenig anders aus, als dass der Dist- Regler mehr wie ein On/nochmehr- On Schalter funktioniert.
Dreht man das Poti auf Linksanschlag, ist bereits eine enorm dichte Verzerrung hörbar. Dreht man nun ein klein wenig in Richtung 9-Uhr-Position wird ein erheblicher Anstieg der Verzerrung und der „sägenden“ Hochmitten hörbar. Danach passiert im Grunde nichts mehr, erst auf dem letzten Bisschen des Regelwegs ist ein nochmaliges Zunehmen der Kompression wahrnehmbar. Dezent verzerrte Sounds? Fehlanzeige!
Die eigentliche Besonderheit neben der etwas eigenwilligen Zerrcharakteristik, ist der Gyrator 2 Band Tone-Stack des Pedals, welcher als „Colour Mix“ bezeichnet das Herzstück des Boss HM-2 darstellt. In der 12-Uhr-Position klingt der schwarze Unhold verblüffend natürlich und ausgewogen. Es ist aber durchaus möglich, mit dem Lo- oder Hi-Poti, den Klang entweder stark auszudünnen oder sehr fett und fast schon angenehm zu verbiegen.
Der eigentliche Trick für den bekannten Buzzsaw-Sound des Pedals liegt allerdings darin, beide Regler auf Rechtsanschlag zu drehen. Nur so entsteht der in den Bässen extrem fette, in den Tiefmitten ausgedünnte und in den Hochmitten sägende, fast schon fuzzige Ton. Mit dem Level-Poti lässt sich der Amp nun sehr gut boosten und ggf. in die Verzerrung treiben. Dreht man nun noch das Dist-Poti ein wenig auf, beginnt die Kettensäge ihre dreckige Arbeit zu verrichten und der Sound wird noch aggressiver und durchsetzungsfähiger.
Eine weitere Besonderheit des HM-2 liegt in der Stromversorgung. Ursprünglich wurde das Pedal mit einem passenden ACA Netzteil ausgeliefert, welches etwa 12 V lieferte. Im Inneren des Pedals wurde die Spannung dann auf 9 V gedrosselt. Mit einem regulären 9 V Netzteil bekommt das Pedal also schlichtweg zu wenig Strom und verhält sich auch klanglich dementsprechend anders.
Auf dem Gebrauchtmarkt werden die wenigsten Boss-Pedale dieser Zeit noch mit dem entsprechend passenden Netzteil gehandelt. Ein Trick, welcher hilft die passende Betriebsspannung zu bekommen, ist, das Pedal entweder mit einer regulären 9-VBatterie oder über ein vorgeschaltetes Pedal mit einem entsprechenden Anschluss (beispielsweise ein Korg Pitchblack Stimmgerät) mit Strom zu versorgen. In beiden Fällen werden die Bauteile, die den Strom auf 9 V reduzieren umgangen und das Pedal erhält die passende Spannung. Wie eingangs schon erwähnt, ist der passende Amp und eine leistungsstarke Box nicht unwichtig, um den gewünschten Ton zu erzielen.
Kamen bei den Death-Metal- Bands der 90er vor allem Peavey-Transistor und Marshall-Topteile zum Einsatz, sieht man heute häufiger alte Vintage-Amps wie den Fender Bassman, Orange OR120, Marshall JMP oder den Ampeg V4 immer wieder in Kombination mit dem HM-2. Der trockene und bei Bedarf mittenstarke Klang und der sehr hohe Headroom dieser Verstärker ergänzt sich gut mit der klanglichen Dynamik des Boss Heavy Metal. Auch die Kombination aus natürlichem Röhren- Crunch des Verstärkers und der hochgezüchteten, dichten Verzerrung des Pedals ergibt eine homogene Mischung.
Simple Powerchords wirken auf einmal wie eine gigantische Wand, Singlenote-Linien auf den tiefen Saiten klingen im Band-Kontext beeindruckend tragfähig und schnellere Riffs kriegen durch den massiven Sound des HM-2 eine ungeahnte Durchschlagskraft, klingen aber auch bei hohem Tempo noch erstaunlich präzise. Akkorde lösen dagegen weniger gut auf, besonders kompliziert wird es bei offenen- oder harmonisch komplexeren Griffen. Hier kommt es schnell zu einem ziemlichen Brei, der bisweilen undifferenziert klingen kann und es wird klar, dass das Pedal hier an seine Grenzen stößt.
Alternativen
Bis vor einigen Jahren existierten praktisch kaum Alternativen zum original Boss Heavy Metal. Mit der Entstehung unzähliger neuer Effektschmieden, gibt es immer mehr Nachbauten des Pedals, darunter von Herstellern wie Abominable Electronics, Lone Wolf Audio, Wren & Cuff aber auch eine äußerst bezahlbare Version der Firma Behringer. Hier zum Test haben wir nun vier Kandidaten (zum Teil auch nur auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich), welche alle einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen.
Lone Wolf Audio – Left Hand Wrath
Lone Wolf Audio ist eine kleine Firma aus Austin, Texas. Joe Anastasio gründete sie 2014 mit dem Ziel, vornehmlich Overdrive- , Fuzz- und Distortion-Pedale auf dem höchstmöglichen Niveau zu bauen. Das Flaggschiff seiner Produktpalette ist zweifellos das Left Hand Wrath, welches man schon jetzt auf Pedalboards von Bands wie Trap Them, Nails oder Bloodbath findet. Das Left Hand Wrath ist im Grunde ein Boss HM-2 auf handwerklich höchstem Niveau mit einigen wirklich sinnvollen Verbesserungen. Es kommen nur hochwertigste Bauteile zur Verwendung und auch die Kabelführung in dem pulverbeschichteten Metallgehäuse zu der äußerst robusten Platine ist vorbildlich. Sympathisch: Als Hommage an das Boss Pedal wird der gleiche Orangefarbton für die Schrift und die Potiknöpfe verwendet.
Positiv fällt sofort das deutlich verbesserte Rauschverhalten auf, welches beim Original durchaus störend sein kann. Zwar ist beim Left Hand Wrath immer noch ein deutliches Grundrauschen zu hören; dies ist aber aufgrund der recht komplexen Schaltung und der häufig verwendeten „Alles-auf-Vollgas“ Einstellung auch kaum zu vermeiden. Das wichtigste Feature aber ist die Verbesserung des EQs. Statt der 2-Band-Regelung des Originals finden wir einen 3-Band Gyrator Tone Stack, welcher es ermöglicht, die sägenden Hochmitten und die wirklichen Höhen getrennt voneinander zu regeln. Dadurch kann der Sound wesentlich flexibler gestaltet und besser an den vorhandenen Amp angepasst werden.
Dazu gibt es noch ein separat zuschaltbares Presence Poti (Vintage/ Modern Switch) sowie einen 3-Fach- Mini-Toggle-Switch, der es erlaubt, zwischen den originalgetreuen japanischen Silizium Dioden, NOS Germanium Dioden oder gar keinem Clipping zu wählen, was eine zusätzliche Verfeinerung des HM-2 Sounds ermöglicht.
Die amerikanische Firma Wren & Cuff wurde in den letzten Jahren vor allem durch ihre diversen Nachbauten verschiedener Big-Muff-Pedale bekannt. Ebenfalls im Programm findet sich der Hangman 2D, ein hochqualitativer Nachbau des Boss HM-2. Der Hangman 2D bietet die gleichen Regelmöglichkeiten wie das Boss Pedal plus einen Toggle Switch, der zwischen Vintage/Modern wählen lässt. Klanglich wird zwar schnell deutlich, woher der Wind weht, jedoch gibt es schon einige deutliche Unterschiede zum HM-2. Im Vintage-Modus ist das altbekannte Sägen zwar vorhanden, jedoch bei Weitem nicht so extrem wie beim Original oder den anderen Pedalen.
Der Modern-Modus reduziert das Sägen noch weiter und boostet dafür die Mitten. Dieser Sound erinnert nur noch bedingt an den klassischen Boss-Heavy-Metal-Ton. Was auffällig ist, ist die deutlich reduzierte Basswiedergabe des Hangman 2D. Im Gegensatz zu allen anderen Boss-HM-2-Alternativen, hat der Hangman einen straffen, fast schon etwas mageren Bassbereich. Das mag Gitarristen, die sich eher in sehr schnellen Gefilden bewegen zu Gute kommen (Rotten Sounds Mika Aalto beispielsweise benutzt seit Kurzem den Hangman 2D), für drückende Mid-Tempo Riffs fehlt es hier allerdings einfach an Schub.
Die Verarbeitungsqualität ist sehr hoch, ähnlich wie beim Left Hand Wrath finden sich nur Bauteile höchster Güteklasse und eine absolut vorbildliche Verarbeitung im Inneren des Pedals. Auch beim Hangman 2D wurde mit der orangen Beschriftung eine schöne Anspielung auf das Original Pedal geschaffen.
Vertrieb: www.effekt-boutique.de, Preis: € 269
Behringer HM300
Bereits seit Anfang 2008 hat die Firma Behringer den HM300 im Programm. Hier ist es vor allem der unfassbar günstige Preis von 19 Euro und das fast schon provokant pinke Kunststoffgehäuse, welches dieses Pedal zu einem Pflichttestkandidaten für jeden HM- 2 Fan werden lässt. Und tatsächlich weiß der kleine Bursche zu überzeugen. Hier wird gesägt, dass die Späne nur so fliegen und auch im Bassbereich kommt ein beeindruckender Low-End-Schub zustande.
Natürlich muss man klare Abstriche in der Verarbeitung des Pedals machen und auch das Kunststoffgehäuse macht nicht den Eindruck, als sei es für die Ewigkeit geschaffen worden. Für jemanden, der einen kostengünstigen Einstieg in die Welt des HM-2- Sounds sucht, ist dieses Pedal trotzdem absolut zu empfehlen.
Vertrieb: www.behringer.com, Preis: € 19
Arion SMM-1 Metal Master
Die in den 1980ern von der Firma Prince Tsushinkogyo unter dem Label Arion in Japan und später auf Sri-Lanka produzierten Pedale, haben heute zum Teil schon Kultstatus. Der Metal Master kommt in einem Kunstoffgehäuse welches einen recht soliden Eindruck macht. Im Gegensatz zum Original bietet der SMM-1 die Möglichkeit, das Signal auf 2 Amps zu verteilen wobei sich der zweite Output klanglich bypassen lässt. Ansonsten ist die Poti-Aufteilung genau wie beim Boss HM-2.
Klanglich weiß der Metal Master zu beeindrucken und muss sich in keinster Weise hinter der hochpreisigen Konkurrenz verstecken. Von allen Pedalen hat der Arion am meisten Bass und liegt in diesem Bereich auch über dem Original HM-2. Der Sound ist unheimlich gewaltig, ohne dabei an Aggressivität zu verlieren. Ein wahres Gebirge türmt sich im Bassbereich auf, sodass gerade schleppende Death Metal Riffs eine Freude sind. In den Mitten ist der Metal Master noch etwas ausgedünnter als seine Kontrahenten, was den massiven Klang noch untermauert. Alles in allem ein absolut empfehlenswertes und beeindruckendes Pedal.
Vertrieb: nur gebraucht, Preis: zwischen € 20 und € 60
Resümee
Der Boss HM-2 ist mit Sicherheit eines der extremsten und gleichzeitig eigenständigsten Pedale unserer Zeit. Selten hat ein ganzes Genre so sehr auf dem spezifischen Klang eines Effektgerätes gefußt. Die Entwicklung des Death Metal der letzten 25 Jahre hat dieser Verzerrer, vermutlich hauptsächlich aus Ermangelung von Alternativen, mit Sicherheit entscheidend geprägt.
Klar, ein vielseitiges oder schön klingendes Pedal finden wir hier nun wirklich nicht. Und trotzdem hat der Boss Heavy Metal eine Nische geschaffen, in der er praktisch nicht zu ersetzen ist. Die schiere Gewalt und der sägende Sound, die dieser kleine Giftzwerg in die Lautsprecher pumpt, ist und bleibt in dieser Art absolut einmalig. Es bleibt spannend zu beobachten, wie Künstler den Klang des HM-2 in Zukunft interpretieren, weiterentwickeln und vielleicht auch in andere Genres tragen werden.
Der Sound des VOX AC 30 ist legendär und polarisiert. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn, dabei ist er gar nicht so einfach zu charakterisieren…
Es ist schon beeindruckend: Das technische Konzept des AC30 stammt aus einer Zeit, da viele der geneigten Leser noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatten. Und doch hat es sich über viele Jahre bis heute nahezu unverändert gehalten und ist nach wie vor aktuell. Ein gewisser Tom Jennings führte in den Fünfziger Jahren in Dartford/Kent, nahe London, ein Musikgeschäft. Als der Rock & Roll aus den USA herüberschwappte, erkannte er die Zeichen der Zeit und sah, dass diese wilden Jungs mit ihren E-Gitarren ordentliche Verstärker brauchten. Die mussten damals nämlich mit Gerätschaften vorlieb nehmen, die aus dem Hi-Fi-Bereich adaptiert waren. Und die waren seitens der Leistung wie des Klangs für die E-Gitarre nicht wirklich optimal.
Tom Jennings erinnerte sich in diesem Zusammenhang eines Kollegen aus Kriegszeiten, Dick Denney, von dem er wusste, dass er elektronikerfahren war. Auch war er semiprofessioneller Musiker, spielte Hawaii-Gitarre und hatte einige Energie darauf verwendet, für sich selbst einen passenden Amp zu bauen. Nachdem Jennings diesen gehört hatte, drängte er auf eine Kooperation.
Im Jahre 1957 wurden sich die beiden einig und der erste Vox-Amp entstand, der AC15. Dies war ein 1×12-Combo mit dem legendären Celestion G12-Speaker. Der Verstärker hatte in der Endstufe zwei EL84. Es gab einen Normal-Channel und einen Kanal mit zwei Inputs und regelbarem Tremolo-Effekt. Die Klangregelmöglichkeiten beschränkten sich auf einen Regler zur Höhenabsenkung, das sogenannte Cut-Poti, welches hinter der Phasentreiberstufe auf das Signal Einfluss nimmt.
Der AC15 war sofort erfolgreich. Es dauerte nicht lange, bis Bands wie die Shadows und andere damals berühmte Vox-User mehr wollten: mehr Power, mehr Lautstärke. Das führte 1959 zur Entwicklung des AC30, der mit einem zweiten G12 und vier anstatt zwei EL84 nichts anderes war als ein kräftig aufgepumpter AC15. Damals war es noch so, dass über einen Amp mehrere Signale bzw. Musiker verstärkt wurden. Hieraus erklärt sich, wieso der AC30 bald einen dritten Kanal bekam. Mit dem neuen, etwas höhenreicheren Brilliant-Channel konnten nun ein Bassist und ein Gitarrist zugleich über einem Amp spielen. Wohlgemerkt, eine Klangregelung im üblichen Sinne gab es noch immer nicht.
Erst 1961, auf Betreiben der Shadows hin, die nach einem Fender-Ton fragten, entwickelte Dick Denney die Top-Boost-Einheit, eine Zweiband-Klangregelung, Bass und Treble, die mit einer zusätzlichen Röhre arbeitete und wahlweise (nachträglich) an der Rückseite des Combos montiert wurde. Erst 1964 wurde der Brilliant-Channel serienmäßig mit dem Top-Boost ausgestattet.
Um das Kapital zu steigern, entschloss sich Tom Jennings noch im selben Jahr zu einer geschäftlichen Partnerschaft mit einem Unternehmen namens Royston-Group. Dies war leider eine wenig glückselige Entscheidung: Jennings hielt nicht mehr allein alle Fäden in der Hand, war mit den neuen Produkten nicht zufrieden, konnte unter dem Management nicht so weitermachen, wie er es sich vorstellte, und verließ daher 1967 die Firma. Ebenso erging es Dick Denney.
Änderungen am AC30 lagen in der Zeit zunächst im Design. Das Copper-Panel wich einem grauen Bedienfeld mit silbernen Linien und silberner Beschriftung. Als dann später aber der große runde AC-Spannungswähler vom Panel verschwand, hatte der AC30 auch seine GZ34-Gleichrichterröhre eingebüßt. Dioden verrichteten nun diesen Job. Gleichzeitig wurden die Bulldog-Lautsprecher eingespart, statt dessen G12M (Black-/ Greenbacks) eingebaut und die Point-zu-Point-Verdrahtung auf Platinenbauweise umgestellt. Diese Combos waren aber noch immer sehr gute AC30.
Übel wurde es erst viel später, als volltransistorisierte AC30 auf den Markt kamen. An sich keine schlechten Amps, aber mit dem ursprünglichen Vox-Sound hatten die nicht viel gemein. Spätere Reissues gründeten natürlich wieder auf die ursprünglichen Röhrenschaltungen.
Was ist der typische Sound eines Fender Twin Reverb? Na klar, das ist dieser ultrakraftvolle Clean-Sound mit diesem patschigen Hall und den strahlend-klaren Höhen! Was ist der typische Sound eines Marshall-JCM-800-Topteils? Na klar, das ist dieser raue, kratzige Charakter in den oberen Mitten und Höhen, gepaart mit einer animalischen Durchschlagskraft! Und was ist der typische Sound eines Vox AC30?
„Der typische Sound eines Vox AC30? Na klar, das ist … hmm, das ist doch, äh, tja, irgendwie … weiß ich nicht.“ Tatsächlich keine einfache Frage! Ist es der glasklare Sound eines Hank Marvin? Oder dieser schimmernde Sound der Beatles? Oder etwa dieser drückende, fette Rock-Sound eines Brian May? Oder was?
Es scheint also gar nicht so leicht, einen Vox AC30 zu charakterisieren. Das ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie deutlich das Vox-Schlachtschiff polarisiert. Auf der einen Seite gibt es die, die mit ihm gar nichts anfangen können, auf der anderen Seite diejenigen, die ihn heiß und innig lieben. Doch die Schar derer, die ohne ihren AC30-Combo nicht sein können, ist erstaunlich vielfältig und bunt. Also scheint dieser Amp doch ein gewisses Potenzial zu haben, was ihm erlaubt, souverän über allen Stil- und Sound-Kategorien zu schweben. Wir haben bei bekannten Vox-Usern nachgefragt, was für sie den Sound eines AC30 ausmacht, und welche Rolle dabei die Lautsprecher spielen. Und wir haben interessante Antworten bekommen.
Doch zuerst soll der Meister selbst zu Wort kommen – der große Dick Denney, der diesen zeitlosen Amp damals schuf. Er sagte 1966: „Der einzige Amp, an dem wir nichts Grundsätzliches ändern wollten, war der AC30. Tom Jennings sagte mir mehr als einmal: ,Das ist dein Baby, und er wird ewig genau so gebaut werden.‘“ Und damit hatte Tom Jennings, wie wir heute zu einer Zeit, in der sogar in der Volksrepublik China dieser britischste aller britischen Verstärker gebaut wird, bezeugen können, wieder einmal Recht.
Mike Campbell (Tom Petty & The Heartbreakers), von dem auch unsere Überschrift zu diesem Artikel stammt, meinte: „Ich mag den AC30 vor allem wegen der Beatles. Diese Klarheit und diese spezielle Crispness des Vox-Amps ist einzigartig, genauso wie seine harmonische Verzerrung, die Akkorde in ganz spezieller Weise erklingen lässt: hell, satt und wie Breitwandkino. Ein AC30 klingt zudem genau richtig neben einem Drum-Set, denn man kann ihn gut hören! Unsere Vox-Amps und -Boxen haben die blauen Bulldog-Lautsprecher aus den sechziger Jahren. Ich habe niemals andere Speaker im Zusammenhang mit einem Vox-Amp ausprobiert – warum auch, wenn das Ergebnis so gut ist?
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Snowy White (Roger-Waters-Band, Snowy White & The White Flames, Ex-Thin Lizzy): „Für mich funktioniert der AC30 sehr gut mit meiner alten Les Paul Goldtop (mit Humbuckern). Ich bekomme damit einen warmen, dicken Sound mit einer sehr schönen Verzerrung, wenn die Volumen-Regler an Amp und Gitarre weit aufgedreht sind. Der Amp hat einfach eine sehr reiche Tonwiedergabe. Aber auch der cleane Sound ist gut, und ich spiele oft eher clean als verzerrt. Meistens setze ich ein einfaches Hallgerät ein, das Holy Grail von Electro Harmonix – ich liebe einfach den Sound meines Vox mit einem Hall!
Ich benutze übrigens die ganz normalen, neuen Vox AC30, die man in jedem Laden kaufen kann, und ich lasse sie auch nicht modifizieren. Ganz im Gegenteil, denn ich habe eigentlich noch nie einen Vox-Amp gehört, der nicht gut geklungen hätte. Und die Kombination AC30 und Les Paul klingt sowieso immer gut! Diese neuen Verstärker sind außerdem sehr zuverlässig, und sie sind laut, obwohl sie nur 30 Watt Leistung haben. Zurzeit sind wir auf Tour mit Roger Waters – ich schreibe gerade aus Vancouver, Kanada. Hier benutze ich zwei AC30, wobei ich den zweiten nur für Solo-Passagen hinzu schalte. Das ist auf jeden Fall laut genug, selbst auf den großen Bühnen, auf denen wir jetzt spielen. Von Lautsprechern habe ich allerdings keine Ahnung, ich weiß noch nicht mal, welche Lautsprecher in meinen AC30 drin sind.“
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Francis Rossi (Status Quo): „Ich spiele zwar auch Marshalls, aber ich stehe vor allem auf den Vox AC30. Auf der Bühne verwende ich Marshall-JCM-800-Tops mit 4×12″-Boxen. Von dort aus geht das Signal in einen AC30, der versteckt dahinter steht und unglaublich gut klingt. Ohne ihn wäre ich auf der Bühne verloren.“
John Jorgenson (Hellecasters, Ex-Elton-John-Band u. v. a.): „Die Magie des AC30- Sounds liegt darin, dass er eigentlich immer voll und lebendig klingt, mit einer großen Dreidimensionalität und Komplexität. Der Grund, warum dieser Verstärker in so vielen unterschiedlichen Musikstilen benutzt wird, liegt einfach darin, dass er in der Lage ist, die Essenz und die typischen Merkmale jeder Gitarre optimal darzustellen – von dem kehligen, verzerrten Sound einer Les Paul Junior mit P-90-Pickup bis hin zu dem Glitzern und Schimmern einer Stratocaster oder einer 12-saitigen Rickenbacker. Und dass er trotz seines eigenen starken Charakters den Sound der Gitarre nicht dominiert, sondern eher ihre individuelle Stärke betont.
Sein Reaktionsvermögen und seine Dynamik setzen exakt das um, was die rechte Hand des Gitarristen macht, und AC30-User wollen normalerweise einfach nicht mehr zu einem anderen Amp wechseln, wenn sie das einmal festgestellt haben. In den späten sechziger und frühen siebziger Jahren waren AC30 in Süd-Kalifornien, wo ich herkomme, eher selten, und ich befand mich lange auf der Suche nach einem bestimmten Sound – bis ich meinen ersten AC30 dann 1979 gekauft und die Suche ein Ende hatte. Seitdem bin ich AC30-abhängig.
Die 15-Watt-Lautsprecher, die Celestion für Vox gebaut hat, hatte ich vor dem AC30 kennengelernt. Für einen Freund baute ich zwei kleine Boxen; er besaß ein sehr großes, in den USA gebautes Vox-Royal-Guardsman-Cabinet, das ihm zu schwer war. Die Speaker dieser Box wanderten in die beiden kleineren Gehäuse, und ich stellte sofort beim Testen fest, dass alle meine Amps über diese Boxen deutlich besser klangen als vorher! Das war etwa 1974, und seitdem bin ich großer Fan dieser 15-Watt-Lautsprecher.
Heute sind ja vor allem die blauen Speaker legendär, aber Vox hatte auch einige silberne (Silver Bulldogs), die ähnlich gebaut waren und ebenfalls sehr gut klingen. Ich glaube fest daran, dass jeder AC30 am besten mit diesen 15-Watt-Celestions klingt. In meinen Ohren sind sie die perfekte Ergänzung zu diesem Amp, sowohl was Ton als auch Leistungsumsetzung angeht.“
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Patrick Stump (Fall Out Boy): „Der cleane Sound ist sehr warm, hier ist dieser Amp einfach unschlagbar; verzerrt ist er prima für einen prägnanten Lead-Sound geeignet, was ja vor allem Brian May bewiesen hat. Ein AC30 ist der Amp, der von fast allen Studios als Nr.-1-Empfehlung genannt wird.“
Johnny Borrell (Razorlight): „Ein AC30 sieht einfach total klassisch aus, und das hat mich zuerst angezogen. Dass ich ihn immer noch spiele hat einfach den Grund, dass ich noch nie einen Amp gehört habe, der solch einen Clean-Sound hat wie eben der Vox AC30; er verbreitet so ein magisches Schimmern, das es wirklich bei keinem anderen Amp gibt. Nachdem ich meinen Vox schon eine Weile hatte, habe ich erstmals ein paar Beatles-Videos gesehen und dabei habe ich mir dann gedacht: Verdammt – ich scheine tatsächlich irgend etwas richtig zu machen!“
Peter Buck (R.E.M.): „Ich wollte nicht in die Falle springen und wie alle anderen einen Marshall und eine Les Paul benutzen und dann drei Akkorde herausprügeln. Ich liebe die Ramones, aber selbst will ich nie solche Musik machen. Ich lande immer wieder bei dem AC30, weil dieser Amp so einen schönen, warmen Klang hat.“
Johnny Marr (Ex-Smiths): „Mit einer Les Paul ist ein AC30 großartig! Nicht viele Musiker spielen diese Kombination, aber wenn du dir alte Stones-Aufnahmen anhörst, dann wirst du diesen Sound sofort erkennen. Die Les Paul gibt dir einen schweren, dunklen Sound, und der Vox ergänzt diesen mit seinem warmem Schimmern zu einem perfekten Klang.“
Die Restaurierung von Marshall- und Fender-Verstärkern ist aufgrund der zahlreichen Infos und Schaltpläne, die mittlerweile im Umlauf sind, sowie dem übersichtlichen Aufbau der Elektronik beinahe schon ein Kinderspiel. Ganz anders ist das allerdings bei alten Vox-Verstärkern. Hier traut sich kaum noch jemand heran, und zwar nicht, weil die meisten Elektroniker mit der Schaltung überfordert wären, sondern weil die Restaurierung aufgrund der komplexen Konstruktion oft viele, viele Stunden in Anspruch nimmt und daher sehr teuer wird. Wer möchte schon über € 1000 für einen Vox-Check hinblättern? Aber solche Beträge sind schnell fällig, will man einen alten Vox wirklich für die nächsten 20 Jahre fit machen.
Ich habe gerade ein Parade-Beispiel auf der Werkbank und möchte daher aktuell den Problemfall AC30 gleich von mehreren Seiten ausführlich beleuchten. Vor allem die Modelle der sechziger und siebziger Jahre haben im Laufe ihres Lebens wie ein alter Wal zahlreiche Blessuren eingesammelt und benötigen meist dringend eine Wellness-Kur.
Mein Beispiel ist geradezu typisch: Der AC30 stammt von etwa 1966/67, hat noch das begehrte JMI-Logo sowie die Celestion Silver-Bulldogs. Der äußerliche Zustand ist absolut perfekt. Keine Kratzer, Abschürfungen oder Risse im Frontbespannstoff. Der Kaufpreis betrug daher immerhin schon € 3000.
Auch die Elektronik zeigt sich absolut unversehrt. Hier hat noch nie ein Lötkolben gewütet. Man könnte daher meinen, es handele sich um einen absoluten Glücksgriff. Dieser Eindruck ist allerdings schnell dahin, wenn man das gute Stück einschaltet.
fehlersuche
Der AC30 erwies sich nämlich im Klangtest als viel zu leise. Hier kommt kaum noch Leistung. Auch funktionierte nur der Normal-Kanal, der Brillant-Kanal gab nur noch ein leises Säuseln von sich. Tremolo? Ebenfalls Fehlanzeige. Zunächst hat man natürlich die alten Röhren in Verdacht, aber ein kompletter Austausch der Röhren-Bestückung brachte keinerlei Besserung.
Dann habe ich die Speaker an einem anderen Vox getestet und konnte feststellen, dass diese Lautsprecher völlig ausgelutscht sind. Sie klingen nasal, fast wie eine Stimme aus dem Telefon, und sind viel zu leise. Ein Problem, das ich schon öfter bei alten Silver-Bulldogs angetroffen habe. Meist leider ein Hinweis auf das baldige Ableben. Hier kann aber rasch Abhilfe geschaffen werden. Der Preis für diese Maßnahme geht jedoch schon ins Uferlose. Will man gegen Celestion Blue Bulldog Reissues austauschen, sind allein dafür circa € 700 fällig. Schluck!
Das löste das Problem allerdings nicht. Der Amp klang weiterhin absolut krank. Der gute Zustand des Probanden bringt den Amp-Techniker hier natürlich in einen starken Konflikt. Einerseits möchte man den Originalzustand soweit wie möglich erhalten, andererseits kostet genau dieses Vorhaben jedoch unendlich viel Zeit.
Die Überprüfung der vorgeschriebenen Betriebsspannungen zeigte keinerlei Fehlerquelle. Das Problem lag vermutlich auch hier an einzelnen Bauteilen, die durch die starke Hitze im Laufe der Jahre Schaden genommen haben. Allen voran sind natürlich die Elkos gefährdet. Ausgetrocknete Elkos sind oft der Grund für Leistungsverlust.
Dann müssen sämtliche Widerstände gemessen werden. Bei manchen geht das allerdings nur, wenn man sie vorher auslötet. Im Vox herrscht Enge, und das Layout ist undurchsichtig. Dazu kommt noch, dass die Drähte an Kondensatoren und Widerständen vor dem Verlöten mehrfach um die so genannten Turrets gewickelt wurden, um im Falle einer brüchigen oder kalten Lötstelle noch Kontakt zu garantieren. Man kann die Bauteile daher nicht einfach auslöten, sondern muss in der Regel die Drähte mit dem Saitenschneider kappen. Stunde um Stunde tastet man sich dann bei der Fehlersuche an die Schwachstellen heran, in einer Hand eine Pinzette, in der anderen den Lötkolben mit kleiner Lötspitze. Die Zuleitungen sind mit Plastik isoliert.
Es genügt bereits eine wimpernschlagkurze Berührung des Lötkolbens mit der Isolierung, um diese teils weiträumig abzuschmelzen. Man benötigt also viel Geduld und eine besonders ruhige Hand. Da die Lötleisten sehr schmal sind, wurden beim Einlöten die Bauteil-Drähte oft nach innen gebogen, sodass man jetzt an die Lötstellen kaum herankommt.
Außerdem findet man meist bei einem defekten Vox AC30 nicht nur ein zentrales Problem. Vielmehr zeigen sich oft zahlreiche, kleinere Defekte, die aber in ihrer Summe die Funktionalität stark einschränken; Leistungsverlust, Brummen und ein schlechter, weil dünner und undynamischer Sound sind die Folgen.
lötarbeiten
Wie bereits beschrieben ist es nicht der Aufwand an Bauteilen, der eine Vox-Restaurierung so teuer macht. Es sind vor allem die langwierigen Lötarbeiten. Nach jedem Bauteilwechsel muss man den Amp wieder einschalten und Probehören. Nur so kann man herausfinden, wie weit man bei der Reparatur gehen muss. Danach muss man wieder alle Elkos entladen und weiterlöten. Auch hier ist die Auswahl der Bauteile mitunter entscheidend. Als Widerstände nehme ich häufig stabile Metallfilm-Typen, einfach weil diese sehr zuverlässig und hitzebeständig sind. Hier sollten es jedoch Kohlepress-Typen sein. Der Grund liegt vor allem in den zu erwartenden Klangergebnissen. Wenn schon, denn schon.
Bei schwierigen Fällen lötet man nicht selten zwei bis drei Tage, bis alles wieder perfekt funktioniert. Dann folgt noch eine abschließende Klangabstimmung, bei der unterschiedliche Röhren-Typen und –Fabrikate durchgehört werden müssen. Am Ende hat man eine knappe Woche in den Vox investiert. Ich betone das nur, weil die gleiche Arbeit bei einem Marshall- oder Fender-Amp an einem Nachmittag (!) erledigt werden kann. Schlimmstenfalls addiert sich zu einem neuen Röhrensatz, Lautsprechern und Bauteilen also noch ein satter Posten für die Arbeitszeit.
Ich würde sogar soweit gehen, dass sich solch aufwändigen Maßnahmen nur bei Modellen lohnen, die eine entsprechende Substanz bieten. Problematisch sind die Modelle ab den späten Siebzigern, bei denen sämtliche Bauteile auf einer Platine verlötet sind. Da sich die Lötstellen unter der Platine befinden, muss diese eigentlich entfernt werden, um an die Lötstellen heranzukommen. Die Restaurierung solcher Modelle lehne ich persönlich jedoch mittlerweile ab, weil die Entfernung der Platine derart zeitaufwändig ist, dass man die Kosten für die verwendete Arbeitszeit keinem Kunden mehr zumuten möchte. Hier müsste man schon stark improvisieren, etwa die Bauteile ohne Zuleitung herausknipsen und die neuen Teile mit den verbleibenden Beinchen verlöten. Das ist jedoch alles andere als betriebssicher und sieht auch nicht gut aus. Sicher kann man auf diese Wiese „reparieren“, aber eine Restaurierung verlangt mehr.
abstimmung
Wohl dem, der noch einen gut funktionierenden Vox AC30 sein eigen nennen darf. Mein Freund Martin Meinschäfer vom Megaphon-Studio im Sauerland besitzt einen AC30, der unglaublich laut ist, und dabei so fantastisch klingt, dass man eigentlich sofort auch einen besitzen möchte. Hier kann man nur sagen: „Glück gehabt!“ Ich bekomme aber auch Exemplare zugeschickt, die nicht einmal ein Drittel der Lautstärke bieten und zudem recht dürftig klingen. Und das, obwohl sie technisch vollkommen in Ordnung sind.
Es geht bei einem Vox nicht immer nur darum, ob er einfach nur funktioniert. Er muss vor allem klingen. Ein durchschnittlicher Vox macht jedenfalls überhaupt keinen Spaß. Man will natürlich mindestens so gut klingen wie Tom Petty, The Edge, Rory Gallagher oder Brian May. Doch bis dahin ist es oft ein weiter weg. Kauft man einen alten Vox, mietet man am besten gleich einen Techniker dazu, der sich dieser „ewigen Baustelle“ annimmt. Und das kostet Geld. Die Abstimmung und Pflege eines AC30 ist wesentlich anspruchsvoller als bei entsprechenden Marshall- oder Fender-Modellen. Vermutlich gibt es vor allem aus diesem Grund so viele Vox-Repliken.
Ein alter AC30 ist sicher einer der besten Verstärker überhaupt, aber auch einer der teuersten. Nicht selten muss man heute weit mehr als € 3000 investieren, bevor man diesen Wunder-Sound in seiner voller Ausprägung genießen darf. Darüber sollte man nachdenken.
In einer früheren Ausgabe hatte ich die Bestandsaufnahme zweier Vox-Amps geschildert, die dringend restauriert werden mussten. Es handelte sich um einen 63/64 Vox AC30 Top-Boost mit Copper-Panel sowie einen Grey-Panel JMI AC30 ohne Top-Boost. Beiden Amps fehlte das Gehäuse. Auch die Chassis waren in recht schlechtem Zustand, Bauteile nicht mehr vorhanden oder defekt. Zum Arbeitsumfang gehörte auch die Restaurierung einer alten Vox 2×12-Box, die einer der Vorbesitzer laienhaft mit der Stichsäge in ein Combo-Gehäuse verwandelt hatte. Diese Vintage-Schätze sollten nun wieder möglichst nah an ihren Urzustand gebracht werden. Eine umfangreiche Aufgabe.
Nach der Diagnose hatte ich Bauteile und zwei lizenzierte Replika-Gehäuse bestellt. In dieser Folge möchte ich meine Planung beschreiben, denn es gibt auch hier zahlreiche Wege, die zum Ziel führen können. Nur wenige Wochen nach der Bestellung in den USA bei North Coast Music trafen die beiden AC30-Topteilgehäuse bei mir ein. Diese waren perfekt verarbeitet und mit exakt den richtigen Spezifikationen versehen. Man kann diesen Hersteller daher nur weiterempfehlen.
Ich hatte das vorher durchgerechnet: Hätte ich Holz bestellt, entsprechend zusägen lassen, verleimt und nachbearbeitet, wäre allein dafür schon ein erheblicher Arbeitsaufwand angefallen. Kennt man sich mit so etwas aus und hat genügend Zeit, könnte man das im Hobby-Keller auch selbst machen. Aber eine Einzelanfertigung mit Stundenlohn sprengt da schnell den Rahmen. Schließlich mache ich das ja nicht jeden Tag und hätte daher ziemlich viel Zeit benötigt.
Außerdem braucht man das entsprechende Tolex, den Frontbespannstoff, Griffe und Amp-Ecken sowie ein altes Vox-Logo. Das Tolex muss aufgeklebt, der Bespannstoff sauber aufgetackert werden. Wieder ein paar Stunden Arbeit. Aus dieser Perspektive war die Bestellung zwar nicht preisgünstig, aber immer noch sparsamer als eine Neuanfertigung. Gehäuse und Chassis kann man heute für die meisten Vintage-Verstärker nachkaufen. Vor allem in den USA wird man da via Internet fündig, mal ein willkommener Vorteil der Globalisierung.
Die 2×12″-Box bot allerdings noch genügend Substanz, um selbst Hand anzulegen. Sie wurde vom alten Tolex befreit und befindet sich derzeit zur Beseitigung der ungewünschten Öffnungen beim Schreiner. Mittlerweile waren auch sämtliche Elektronikbauteile eingetroffen. Erfreulich war, dass ich sämtliche Röhrensockel nach intensiver Reinigung noch retten konnte. Ich verwendete hierbei eine Spezialtinktur, die in drei Schritten Schmutz anlöst, beseitigt und versiegelt. Ideal sind dafür kleine Spezialbürsten, die genau in die Pin-Öffnungen passen. Sie funktionieren ähnlich wie die bekannten Pfeifenreiniger, die man natürlich auch verwenden könnte.
Ich entschied daher, die Sockel, Trafos und die Löt-Boards auch während der Reinigung der Chassis an Ort und Stelle zu lassen. Professioneller wäre die restlose Entkernung der Chassis gewesen. Das ist bei einem Vox allerdings ein enormer Aufwand, der viel Zeit kostet. Man muss dazu sagen, dass ein Vox ein sehr kompliziertes Layout hat. Die Elektronik befindet sich in zwei unterschiedlichen Ebenen und folgt keiner besonderen Logik. Verbindungen laufen kreuz und quer und sind daher wesentlich weniger übersichtlich als bei einem frei verlöteten Fender- oder Marshall-Verstärker. Irgendwie erinnert das alles noch sehr an die Röhrenradios der 50er Jahre. Das macht das Arbeiten in einem Vox so schwierig.
Jetzt musste also die ganze Palette an ausrangierten Zahnbürsten, Quickbrite-Schwämmen, Stahlwolle-Ballen und Kratzwerkzeugen herhalten. Ein guter Anfang ist die vorsichtige Bearbeitung stark verschmutzter Oberflächen mit Waschbenzin. Das löst groben Schmutz an, der sich dann ganz gut abreiben lässt. Man muss eben aufpassen, dass das Benzin nur dahin kommt, wo es auch hin soll. Trafos und Bauteile sollten davon möglichst verschont belieben.
Der nächste Durchgang wird mit der guten alten Scheuermilch durchgeführt. Auch hier muss darauf geachtet werden, dass der Amp nicht in Scheuermilch ertränkt wird, sondern so „trocken“ wie möglich gearbeitet wird. Ein Quickbrite-Schwamm ist dabei eine große Hilfe, man sollte aber bedenken, dass dieser leicht Kratzspuren hinterlassen kann. Wer ein chromartig poliertes Chassis erhalten möchte, lässt das lieber und quält sich mit Küchenpapier oder den alten T-Shirt-Fetzen aus dem Alt-Kleider-Sack. Man kann auch mit den üblichen Schmutzlösern aus dem Baumarkt experimentieren. Aber das kommt nur für den eigenen Amp in Frage.
Ich habe mal ein neues Wundermittel bei einem 66er Vox zum Einsatz gebracht, dass die graue Farbe des „Grey-Panels“ gleich mit ablöste… Mir stand dann ein sehr unangenehmer Anruf beim Besitzer bevor. Die empfindlichen Panels reinige ich seither nur noch mit Glasreiniger. Und das dann immer und immer wieder, bis alles sauber ist. Wer einen guten Geheim-Tipp weiß, kann sich gerne melden. Anders beim Stahlchassis. Hier tun Rostlöser oder Klebereste-Entferner manchmal ziemlich gute Dienste.
bauteile
Interessant wird es vor allem bei der Auswahl der Bauteile. Schließlich sollen die Vox-Amps ihrem ursprünglichem Klangcharakter alle Ehre machen. Da ich da in der Vergangenheit viel experimentiert habe, war für mich die Auswahl eigentlich klar. Auch wenn mich jetzt wieder einige Elektroniker verlachen oder mir böse Briefe schreiben, konnte ich immer wieder feststellen, dass Kondensatoren und Widerstände unterschiedlicher Fabrikate auch bei gleichen Werten unterschiedliche Klänge erzeugen. Genau deshalb sind ja die alten Mustard Mullard Caps oder Kohlepresswiderstände bei Sammlern oder Klangliebhabern so begehrt. Leider sind diese Bauteile nicht mehr oder nur gegen horrende Preise erhältlich. Soweit wollte ich hier aus Kostengründen nicht gehen.
Vox-Verstärker dieser Baujahre sind besonders begehrt, wenn sie noch eine unversehrte Ausstattung mit „Mustard“ Mullard- oder Wima-Kondensatoren zeigen. Diese Kondensatoren seien angeblich der Garant für den Vintage-Vox-Ton. Schon vor Jahren fand ich dafür einen sehr brauchbaren Ersatz: Ero/Roederstein-MKT-Folien-Kondensatoren (630 V) und die erst seit kurzem erhältlichen Mullard-Replika-Film-to-Foil-Kondensatoren von TAD. Beide sorgen für einen sehr schnellen und straffen Ton, der in einem Verstärker, der schon aufgrund seiner Schaltung leicht komprimiert und unsauber klingen könnte, sehr gut funktionieren. Sie wirken durch eine Stabilisierung des Tons dieser Gefahr entgegen. Außerdem sind beide Fabrikate sehr beständig gegen Hitze oder Leckströme.
Die ohnehin Service-anfälligen Vox-Verstärker kann man auf diese Weise zuverlässiger machen. Daher verwende ich ausschließlich Spannungsfestigkeiten von 630 V. Das bringt noch etwas mehr Stabilität und ergab bei meinen Hörtests auch leichte klangliche Vorteile gegenüber 400 V, die in einem Vox freilich auch funktionieren. Die defekten Potis werde ich durch CTS-Typen (von TAD) ersetzen. Diese Potis verwende ich eigentlich bei allen Restaurierungen, da sie einfach perfekt funktionieren und sehr zuverlässig arbeiten. Die Elkos kommen ebenfalls von TAD. Diese Kondensatoren erzeugen eine enorme Stabilität. Soweit ich weiß, werden sie in Deutschland gefertigt. Besonders an den Kathoden der Vorstufenröhren mag ich diese Elkos, denn dort schaffen sie einen sehr offenen und durchsichtigen Klang. Sie werden in verschiedenen Größen, in axialer und radialer Bauform angeboten, so dass man immer einen passenden Elko für die oft unterschiedlich großen Halteschellen im Vox findet.
Als Widerstände verwende ich ausschließlich Kohle-Press-Typen. Sie sind zwar rauschanfällig, „klingen“ aber etwas wärmer und geschmeidiger als etwa völlig rauscharme Metallfilm-Typen. Letztere machen in einem Vox aber auch Sinn, weil sie besonders hitzebeständig sind. Wer also auf „Nummer sicher“ gehen möchte, entscheidet sich bei einem Vox vorsichtshalber für Metallfilm-Widerstände. Die beschriebenen Klangunterschiede sind nicht so dramatisch, dass man da mit zu großen Einbußen rechnen muss.
Bevor ich mit der Arbeit anfange, mache ich zahlreiche Fotos mit meiner Digital-Kamera vom Innenleben des Amps. Das kann hinterher viel Zeit ersparen, da man so das ursprüngliche Layout so weit wie möglich vor Augen hat. Es kostet Zeit und Nerven, wenn man während der Lötarbeiten plötzlich Kabel übrig hat und nicht mehr weiß, an welchen Lötpunkt sie gehören. Aufgrund des unübersichtlichen Vox-Layouts muss man dann mühsam den Ausgangspunkt der Leitung ermitteln. Je mehr Fotos man also macht, desto besser.
Ganz traditioneller Purismus scheint bei aktuellen Gitarrenverstärkern nicht mehr gefragt zu sein und nur sehr selten erblickt heutzutage ein moderner Non-Mastervolume Rock-Verstärker das Licht der Welt. Der Eich GT-3500 ist so ein Ausnahmefall.
Reissues von Verstärkern aus den Fünfzigern, Sechzigern und Siebzigern gibt es selbstverständlich von den großen Namen in unserer Branche wie Sand am Meer. Nur eine komplette Neuentwicklung mit modernem Anstrich hat schon seit den Zweitausendern geradezu Seltenheitswert. Ganz neu ist die Basis, auf der Thomas Eich seinen Verstärker entwickelt hat, streng genommen auch nicht, denn Thomas ist seinerzeit der Produkt-Designer für THC („totally hand-crafted“ – nicht Tetrahydrocanabinol!) Verstärker gewesen und hat damals schon ähnlich konzipierte Amps bis zur Marktreife entwickelt. Nun fertigt Herr Eich ganz selbstbewusst unter eigenem Namen und mit – laut seiner Aussage – etwas verbesserter Rezeptur, seinen modernen Puristen. Et voilà, es ist der GT-3500 geworden.
VERARBEITUNG, LOOK UND BEDIENELEMENTE
In charmantem weißem Tolex mit schwarzen „Rennstreifen“ präsentiert sich die neue Produktpalette der Eich E-Gitarrenverstärker und somit auch unser Testkanditat.
Ganz super sauber ist der Bezugsstoff am Topteil, wie auch der uns zum Test zur Verfügung stehenden 2×12er Box leider nicht aufgebracht, hier und da hat sich ein kleines Luftbläschen zwischen dem Tolex und dem Holz der Gehäuse gebildet. Das ist kein gravierender Mangel, sollte aber bei dieser Preisklasse so nicht passieren. Ansonsten ist die Verarbeitung der beiden Produkte auf hohem Niveau. Da wackelt nichts, die Poti-Achsen drehen sich sauber ohne ungewolltes mechanisches Spiel, die Klinkenbuchsen sitzen bombenfest, das Spaltmaß ist perfekt eingehalten und alle Schrauben sind handfest angezogen, damit nichts klappert.
Eine derart perfekte Verarbeitung wie wir sie bei den Eich Produkten vorfinden, wäre vermeintlich typisch deutsch, hat aber tatsächlich leider Seltenheitswert. Was neben der peniblen Verarbeitung ebenfalls sehr positiv auffällt, ist das erstaunlich rückenfreundliche Gewicht der Box – immerhin eine 2×12er mit Übergröße – und eben auch des Topteils.
Thomas Eich hat hier augenscheinlich sehr genau auf das für die Gehäuse verwendete Holz geachtet und somit ein paar Kilogramm herausgeschunden. Bei sehr vielen anderen Herstellern wäre eine derartige Maßnahme leider aus Kostengründen unter den Tisch gefallen und vergleichbare Produkte wiegen daher fast immer zwei, drei Kilo mehr.
Zunächst hatte ich auf eine leichte Pinie getippt, am Telefon hat Thomas mir dann aber verraten, dass es sich hierbei um teilweise mehrschichtige Pappel handelt – eine extrem gute und zeitgemäße Wahl, wie ich finde. Der GT-3500 ist im eigentlichen Aufbau ein relativ simpel gehaltener Verstärker. Ein einziger Kanal, kein Master-Volume, kein Einschleifweg. Selbstverständlich wird uns aber ein Eingangslautstärke-Regler, ein typischer, eher britischer, dreibandiger Equalizer und ein Presence-Regler für die negative Gegenkopplung zur Gestaltung der Sounds an die Hand gegeben.
(Bild: Dieter Stork)
Das reicht auch fast schon aus, wie wir gleich sehen werden, dennoch befindet sich das eigentlich interessante und vor allem nicht ganz gewöhnliche Ausstattungsmerkmal des GT-3500 auf der Rückseite des Topteils. Hier sitzen drei Schalter um die richtige Lautstärke des Verstärkers möglichst genau auswählen zu können und dennoch eine passende Endstufenkompression – auch bei mittleren Lautstärken – zu erzielen: einmal ein Half-Power/Full Power-Switch um zwei der vier 6V6-Endstufenröhren abschalten zu können, dazu gesellen sich ein Triode/Pentode-Switch und ein Class A/Class A/B-Schalter.
Im Half-Power, Triode, Class A Modus (alle Schalter sind nach oben geschaltet) erzielt man dann eine Nennleistung von nur noch 9 Watt. Schaltet man alle drei Schalter nach unten und betreibt somit vier Endstufenröhren im Pentoden-Modus mit Class A/B Arbeitspunkt im typischen, modernen Push-Pull Prinzip, leistet der GT-3500, so wie man es schon vom Produktnamen ableiten kann, satte 35 Watt. Diese drei Schalter, die man in beliebigen Schalterstellungskombinationen benutzen kann, ersetzen zwar technisch kein Master-Volume-Poti, helfen aber gewaltig dabei, die richtige Ansprache des Amps bei der gewünschten Lautstärke zu finden.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
SOUND
Da ich die in den frühen Zweitausendern von Thomas Eich konzipierten Verstärker noch recht gut in Erinnerung habe, bin ich beim ersten, schnellen Test des GT-3500 nicht völlig überrascht gewesen. Der Amp klingt genauso, wie ich es erhofft hatte. Ein derartig farbenfrohes, lautes und reichhaltiges Obertonspektrum, kenne ich nur von sehr modernen und extrem hochpreisigen High-Gain-Verstärkern – da wird die Luft aber auch echt dünne – ein Larry kann das ähnlich, ein Bad Cat oder Matchless beinahe und ein wirklich guter Marshall 1959 Plexi, der an einem frühen Freitagnachmittag von glücklichen Briten bei Sonnenschein gebaut wurde, kann das auch.
Aber keiner der genannten Amps kann es so gut, wie der Eich GT-3500 ‒ wenn wir bei zivilen Lautstärken bleiben wollen. Selbstverständlich ist der Eich-Verstärker sehr dankbar zu spielen und reagiert extrem nuanciert auf Tonabnehmerwahlschalter, Lautstärke-Poti und Anschlagsdynamik des Gitarristen und ist außerdem sehr nebengeräuscharm.
Auch die Abstimmung der 2×12er Box auf den Verstärker ist nahezu perfekt gelungen. Die Eich Custom Lautsprecher passen klanglich sehr gut und unterstützen den grundsätzlichen Klangcharakter des Amps besser, als die von mir zum Vergleich herbei gezogenen Celestion Vintage 30, G12M Heritage oder Jensen C12N Typen.
Das Volume-Poti ermöglicht es, sehr genau den Punkt zwischen Clean und Crunch einzuregeln. Dieser Sweetspot, den viele Gitarristen so sehr suchen, ist genau das, was der GT bedient. Nicht mehr und nicht weniger, denn die Gain-Reserven sind bei weitem nicht ausreichend, um mit klassischen Tonabnehmern modernen Rock oder gar Metal spielen zu können und auch die Abstimmung der Endstufe ist nicht gerade trocken und tight.
Sollten dennoch genau diese Spielarten zum Repertoire gehören, dann überrascht der Eich GT-3500 mit einer unverhofften Gutmütigkeit. Die Kiste mag Tube Screamer, OCDs, Klon Clones und sogar den Fortin 33 Boost und lässt sich somit als Pedal-Plattform zweckentfremden. Zweckentfremden trifft es allerdings …
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Thomas Eich bietet mit dem Eich GT-3500 Topteil einen durchaus wiedererkennbaren Charakterdarsteller unter den einkanaligen E-Gitarrenverstärkern an, der tatsächlich relative alternativlos am Markt ist. Selten hört man ein solch lebendiges, geradezu sprunghaftes Obertonspektrum bei ebenso noch nutzbarer Lautstärke.
Im Studio dürfte der Verstärker am besten aufgehoben sein, denn dieses offene Klangbild ist nicht nur absolut musikalisch, sondern auch hochgradig pragmatisch als Soundbasis vor dem Mikrofon. Als Pedal-Plattform ist der GT-3500 ebenfalls sehr gut nutzbar, das grenzt allerdings an Blasphemie …
PLUS
● extrem offen klingender Vollröhrenverstärker
● Obertonspektrum
● Dynamik und Transparenz der Sounds
● geringes Gewicht
In der letzten Folge der Röhrentausch-Serie möchte ich noch ein paar allgemeine Tipps loswerden. Wie im vergangenen Monat bereits angesprochen, benötigen die meisten Endröhren nach dem Wechsel eine Einmessung des Ruhestroms.
Ausgenommen sind hiervon alle Verstärker im Kathoden-Bias- oder Class-A-Betrieb. Dazu gehören vor allem leistungsschwächere Klassiker wie der Vox AC15 oder AC30, Marshall 18-Watt-Modelle und der Tweed Deluxe oder Tweed Champ von Fender, die alle im Kathoden-Bias-Modus laufen. Daher ist es wichtig, zunächst Hinweise über die Verschaltung der Endstufe seines Amps zu recherchieren.
LOS GEHT’S
Die Bias-Einmessung bezieht sich auf Verstärker im Class-AB-Push-Pull-Betrieb. Hier liegt jeweils ein fester Ruhestrom (fixed bias) an jeder Endröhre an, der beim Wechsel klar definiert werden sollte. Doch wie misst man diesen Ruhestrom? Einem kundigen Elektroniker genügt dazu ein einfaches Digital-Messgerät. Zur Messung muss der Verstärker jedoch geöffnet und komplett eingeschaltet werden. Daher ist hier äußerste Vorsicht geboten. Dem Laien muss man daher unbedingt davon abraten!
Beim Tube-Amp-Doctor-Vertrieb in Worms wird zur Vereinfachung dieser Messung ein spezieller Bias-Master angeboten. Es handelt sich hierbei um ein Messgerät, das in vier Positionen oder für maximal vier Endröhren den Ruhestrom anzeigen kann. Zum Lieferumfang gehören vier Röhrensockel, in denen sich wiederum je eine Röhrenfassung befindet, in die die neue Röhre eingesteckt werden kann. Via Cinchkabel werden die Sockel mit dem Messgerät verbunden, das nach dem Einschalten des Standby-Schalters dann den Ruhestrom anzeigt. Ein Vierfach-Schalter ermöglicht das Umschalten zwischen den unterschiedlichen Messprobanden.
Bias-Master vom Tube Amp Doctor
Bei paarweise oder im Quartett verschalteten Röhren ist zunächst darauf zu achten, dass die Röhren „gematcht“ sind, das heißt, bei gleicher negativer Gittervorspannung auch den gleichen Ruhestrom aufweisen. Das ist bei einer Vermischung von alten und neuen Röhren bei nahe unmöglich. Daher unterstreiche ich hier meinen Rat, die Endröhren nur komplett und nicht einzeln zu tauschen. Da mit dem Alter die Verstärkungsleistung vieler Röhren nachlässt, lassen diese sich mit neuen und frischen Röhren kaum noch in Balance bringen. Zahlreiche Röhrenvertriebe bieten dazu komplett gematchte Röhrensets an.
Der Ruhestrom selbst wird entweder über ein Bias-Poti, das zum Beispiel bei den meisten älteren Fender-Verstärkern servicefreundlich von außen bedient werden kann, oder über einen Festwiderstand eingestellt. Viele neuere Boutique-Amps oder einige ältere Marshalls haben ein Bias-Poti auf dem Komponenten-Board eingebaut. Um das zu bedienen, muss aber der Verstärker wieder komplett geöffnet oder meist sogar aus dem Gehäuse ausgebaut werden. Auch hierbei kann nur der Gang zum Techniker empfohlen werden. Die lebensgefährlich hohen Spannungen im Verstärker-Chassis sind nichts für ungeübte Hände.
Bias-Poti in einem alten Fender-Amp
Der Ruhestrom wird in Milliampere (Tausendstel Ampere) gemessen und justiert. Er ist also sehr gering. Bei einem „kalten“ Verstärker und vor allem bei frischen Röhren sollte man etwas Geduld bei der Einstellung haben. Zeigt das Messgerät zunächst nach dem Einschalten einen bestimmten Wert, so erhöht sich dieser nach der vollständigen Erwärmung teils noch erheblich. Der eingestellte Wert ist abhängig von der Anodenspannung an den Endröhren und dem Endröhren-Typ selbst. So benötigen KT66 in einem Marshall JTM45 bei etwa 440 Volt Anodenspannung einen ganz anderen Ruhestrom als etwa ein Fender Deluxe Reverb mit zwei 6V6-Endröhren bei 400 Volt. Die empfohlenen Werte sind Von-Bis-Ströme, das heißt, es gibt einen gewissen Freiraum bei der Einstellung. Dieser Freiraum orientiert sich meist an den Klangvorstellungen des Nutzers. Heiß eigenstellte Röhren (etwa 30 bis 50 Milliampere) erzeugen einen wärmeren Klang mit mehr tiefen Mitten und etwas mehr Overdrive als kühl eingestellte Röhren (etwa 20 bis 30 Milliampere), die dadurch schlankere Klänge mit mehr Klarheit erzeugen.
Bei zu kühl eingestelltem Bias klingt der Amp jedoch harsch und dünn, wohingegen bei zu heißen Einstellungen die Röhren „rote Bäckchen“ bekommen können und regelrecht durchbrennen. Daher lohnt sich auch die Beobachtung während der Einlaufphase der neuen Röhren. Nicht selten sind auch nagelneue Röhren schon defekt (etwa durch den Transport oder Erschütterungen) und versagen bereits bei geringem Ruhestrom. Hier hilft dann nur der erneute Austausch.
Ich empfehle, die Bias-Messung nach dem Austausch der Röhren etwa 15 Minuten zu beobachten. Nach dieser Zeit wird sich der Wert kaum noch verändern. Ein Röhren-Matching innerhalb einer Toleranz von 3-5 Milliampere ist absolut in Ordnung. Man sollte auch bei gematchten Röhren keine exakte Balance erwarten. Zum Abschluss beschäftigen wir uns nun mit der Frage aller Fragen: Welche sind die besten Röhren? Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich das nicht von einem Leser oder Kunden am Telefon gefragt werde. Vor allem interessiert es Musiker, ob der Kauf alter NOS-Röhren wirklich lohnt, denn diese Röhren sind manchmal unfassbar teuer.
Dazu etwas Grundsätzliches: Wer empfindliche Ohren hat und die letzte klangliche Ausbeute aus seinem Amp holen möchte, für den kann sich der Kauf alter Röhren durchaus lohnen. Die „Legenden“ von RCA, General Electric, Siemens, Sylvania, Mullard, Brimar oder RFT bescheren meist diesen sprichwörtlichen Hauch mehr an Obertönen, Wärme oder Schmelz. Oft sind diese Unterschiede aber subtil und erst im dauerhaften Vergleich mit Neuware auszumachen. Das ist Geschmackssache und stets recht individuell.
Vintage Mullard ECC83 Vorstufenröhre
RCA „Blackplate“ Vorstufenröhre Made in USA
Wer oft und laut spielt, dem genügen meist zuverlässige Röhren aus neuerer Produktion. Doch welche sind das? Dazu muss man wissen, dass neue Röhren heute nur noch in China, Russland und Tschechien hergestellt werden. Und hier kommt es durchaus darauf an, wer der Auftraggeber für die Produktion ist. Die Firma Tube Amp Doctor lässt zum Beispiel zahlreiche Röhren ihres Angebots in China fertigen, bestimmen dabei das Design und die endgültige Kontrolle über deren Qualität aber selbst. Ähnlich verhält es sich mit der New Sensor Corporation/USA, die in Russland die Marken Electro Harmonix, Sovtek, Genalex, Mullard und Tung-Sol fertigen lässt. Die berühmten und teils sehr gefragten JJ-Röhren stammen aus Tschechien und gelten ebenfalls als zuverlässig und stabil.
Zusammen mit TAD decken die genannten Namen schon beinahe den gesamten Röhren-Markt ab. Teilweise – wie etwa bei Mullard oder Tung-Sol, haben die neuen Inhaber die Marken-Namen für die berühmten Vorbilder erworben und bemühen sich, auch die Qualität der alten Röhren wieder zu erreichen. Ob das gelingt, darüber lässt sich streiten.
JJ Vorstufenröhre 12AX7 ECC83
Ich selbst verwende aufgrund meines großen Bedarfs an Austausch-Röhren ausschließlich Neuware. Natürlich beklage auch ich den ein oder anderen Ausfall sogar ab Werk. Doch das muss man heutzutage leider in Kauf nehmen. Bei der Auswahl komme ich aufgrund der unterschiedlichen Amp-Designs und Kundenwünsche stets zu anderen Ergebnissen. In einem Amp arbeiten die TAD-Röhren wirklich außerordentlich gut, ein anderer Verstärker gelingt besser mit JJs, Tung-Sols oder Electro Harmonix. Hier hilft nur probieren und zuhören.
WAS BLEIBT
Die Klangeigenschaften bestimmter Röhren-Typen außerhalb des Verstärker-Kontextes zu erklären, bleibt immer vage. Aufgrund meiner Erfahrung, kann ich zumindest etwas über die alten legendären Vorbilder sagen. So sind zum Beispiel alte Telefunken- oder Siemens-Röhren in der Regel ausgesprochen linear und stabil, alte Mullards, Valvos oder Brimars (oft baugleich) haben etwas weniger Verstärkung als neuere Vorstufenröhren und bleiben daher oft schlank und liefern sehr kompakte Klangeigenschaften. Die alten RCA-, Sylvania- oder GE-Röhren tönen in der Regel – wie alle amerikanischen Typen – tendenziell mittiger, wärmer und etwas „dicker“. Diese Beobachtungen variieren natürlich von Röhre zu Röhre mehr oder weniger stark. Auch hier gab es im Laufe der Produktionsläufe teils größere Unterschiede. Daher bitte ich das nur als Faustregel zu verstehen.
Der heilige Gral: Die RCA 6L6 aus alter Produktion.
Der heilige Gral unter den Endstufenröhren sind zweifellos die alten RCA „Blackplate“ 6L6-Röhren, die in den meisten Fender Blackface-Amps der 60er-Jahre verbaut wurden. Weiterhin die große, schlanke RFT EL34, die zu DDR-Zeiten in Mühlhausen gefertigt wurde. Auf den britischen Inseln gelten die GEC KT66 und KT88 als unschlagbare Klangkolben, die Maßstäbe setzten. Soviel für den Aficionado, der nach dem Besten vom Besten sucht. Wie gesagt, muss man hier immer in Kauf nehmen, dass die teuren Vintage-Röhren vielleicht doch gar nicht wie vom Anbieter beschrieben „NOS“ sind und schon nach kurzer Zeit wieder Probleme bereiten. Ein wahrlich kostspieliges Hobby.
Vielleicht hat diese kleine Serie dem ein oder anderen Röhrentauscher etwas weitergeholfen. Es ist gar nicht so kompliziert − man sollte nur wissen, was man da tut.
Eine kompakte Kombi seiner Vorgänger verspricht EVH mit dem neuen 15 Watt starken 5150III LBX-S Topteil. Bei der neuen limitierten Wolfgang Special setzt man auf eine innovative Holzauswahl…
EVH 5150III LBX-S
(Bild: @megancary)
Diese Kreuzung aus LBXI und LBXII bietet einen grünen „Clean“-Channel und den roten „Full Burn“-Kanal. Deren tonale Bandbreite reicht von kristallklaren bis hin zu modernen britischen High-Gain-Sounds.
Optisch untermalt wird dies von internen LEDs, die den Gehäuse-Käfig, je nachdem welcher Channel ausgewählt ist, grün oder rot beleuchten. Zudem schmücken den schwarzen Metallkäfig die ikonischen EVH-Streifen im Stealth-Look.
Technisch bietet der Kraftzwerg vier JJ ECC83S (12AX7) Vorstufen- und zwei JJ EL84 Endstufenröhren. Die Leistung lässt sich auf 3,5 Watt reduzieren. Neben der Lautsprecherbuchse sind ein Impedanz-Wahlschalter (4, 8 & 16 Ohm) sowie ein Effekt-Loop an Bord, der simple Fußschalter zum Kanalwechsel hat nur einen Knopf. Wie alle Stealth-Modelle, hat der LBX-S Anschlüsse für die Bias-Einstellung. An der Front finden sich dual-konzentrische Regler für Volume und Gain. Global für beide Kanäle arbeiten zudem Presence- und Resonance-Potis.
(Bild: @megancary)
Features:
15-Watt-Topteil
Aluminium/Steel-Chassis
Zwei Kanäle: Grün (Clean), Rot (Full Burn)
Dual-Gain-Poti, Dual-Volume-Poti, Regler für Low, Mid, High, sowie Presence und Resonance
LED-Beleuchtung (Grün/Rot), abschaltbar
Wählbare Impedanz (4, 8 oder 16 Ohm)
Bias-Control-Ports
Vier JJ ECC93S Vorstufenröhren und zwei JJ EL84 Endstufenröhren
Effekt-Loop
Fußschalter mit Klinkenanschluss
inkl. Lautsprecherkabel
Separat ist ein hochwertiges Cover für den Amp erhältlich.
Preis: EVH 5150III LBX-S € 719
Limited Edition Wolfgang Special Sassafras
Brandneu ist auch diese limitierte Wolfgang Special mit einem Body aus Sassafras – ein weicheres Tonholz, Mahagoni und Walnuss nicht unähnlich – von dem man sich schimmernde Höhen, cremige Mitten und Bässe, sowie eine gute Artikulation verspricht.
EVH kombiniert ihn mit einem Quartersawn-Hals aus geröstetem Ahorn, mit 12-16“ Compound-Radius und 22 Jumbo-Bünden. Er ist exakt nach Eddie Van Halens Wünschen geformt und mit Grafitstäben verstärkt. Der Halsstab lässt sich bequem über ein Einstellrad am Halsfuß justieren. Für ein geschmeidiges Spielgefühl sorgt das von Hand aufgetragene Satin-Urethan-Finish. Ebenso seidig ist das schwarze Finish des Korpus, den ein Creme-Binding und schwarze Hardware zieren.
Am Steg finden sich ein EVH-gelabeltes Floyd Rose sowie ein EVH D-Tuna, am anderen Ende ein Floyd Rose R2 Klemmsattel und umgelabelte Gotoh-Mechaniken.
Die speziell gewickelten EVH Wolfgang Alnico 2 Humbucker sollen dynamisch agieren und massig Sustain bieten. Dank dem leichtgängigen 500K-EVH-Bourns-Poti und einer Treble-Bleed-Schaltung, lassen sich smoothe Volume-Swells vollführen. Der Tone-Regler dagegen ist extra schwergängig.
Features:
25,5” Mensur
Sassafras-Body mit Archtop und Creme-Binding
Geschraubter Hals aus geröstetem Quartersawn-Ahorn, mit Grafitstäben verstärkt
Halsprofil und Kantenbehandlung nach Eddie Van Halen’s Spezifikationen
Handgemachtes Satin-Urethan-Finish am Halsrücken
Geröstetes Ahorngriffbrett mit 12”-16” Compound-Griffbrettradius und 22 Jumbo-Bünden
Das Eigen-Label des Musikhauses Thomann hat schon des Öfteren mit erstaunlichen Preis-Leistungs-Knüllern die Szene durchgeschüttelt. Gelingt das auch im altehrwürdigen Genre „Röhren-Verstärker“?
Das wäre ja fast schon ein Skandal. Ein neuer Fender Tweed Champ kostet € 1200 … und dann kommt so ein Tube 5 daher, kostet ein Zehntel und will dem legendären Großvater das Wasser abgraben. Ähnliche Vergleiche ließen sich mit dem Tube 15 und seinen Vorfahren anstellen. Man darf gespannt sein.
ALL YOU NEED IS TUBE
Nach dem, was man heutzutage „unboxing“ nennt, wird sofort die erste wichtige Frage beantwortet. Sehen die Amps gut aus? Antwort: Ja! Mit ihrem beige-weißen „Blond“-Tolex und den verchromten Front-Panels machen sie gleich eine gute Figur. Und sie machen keinen Hehl aus ihren wichtigsten Kern-Features: Neben dem An/Aus-Schalter ist eine stilisierte Verstärker-Röhre zu sehen in der Tube 5 bzw. Tube 15 geschrieben steht, und unten rechts auf dem Front-Grill finden wir ein Kunststoffplättchen mit der Aufschrift „Celestion Equipped“. Bäm!
Um das mal am Beispiel des Tube 15 zu verdeutlichen: Der Amp kostet € 229 und hat an Bord einen Speaker, der einzeln gekauft mit € 77 zu Buche schlägt, sowie 5 Röhren, für die man bei einem Austausch sicher auch mindestens € 60 hinblättern müsste. Is’n Ding, oder?
Jetzt mal zurück auf Start und den kleinen TUBE 5 unter die Lupe nehmen. Der Knirps kommt mit den Maßen 305 × 310 × 210 mm daher, weist aber alle Komponenten eines ernstzunehmenden Combo-Verstärkers auf: Das Gehäuse aus 17mm starken MDF-Platten ist sauber mit grobporigem stabilem Tolex bezogen, alle acht Ecken sind mit verchromten Metall-Schonern gesichert, oben macht ein großer Kunstledergriff das Tragen des 6-Kilo-Boliden zum Kinderspiel, und der nicht abnehmbare robuste mattschwarze Frontgrill schützt zuverlässig die Speaker-Membrane. Stehen tut das Teil auf vier rutschfesten Gummifüßen.
(Bild: Dieter Stork)
Das chromglänzende Front-Panel ist schnell beschrieben. Links geht es mit dem An/Aus-Schalter los. Flippt man den nach oben auf „On“, leuchtet rechts von ihm klassisch rot die Status-LED auf. Dann kommen ganze zwei Regler im altbekannten Chicken-Head-Style – einer für Volume, einer für Tone. Dann wird es tatsächlich interessant, denn mit der nun folgenden Taste kann man die Ausgangsleistung von 5 Watt auf 1 Watt reduzieren. Des Weiteren gibt es dann hier nur noch den Klinke-Instrumenten-Input – fertig.
Röhrenbestückung und Anschlussmöglichkeiten des Tube 15
Das rückseitige Panel ist noch schneller abgehandelt. Es gibt einen Klinke-Input für einen externen Speaker der mit 8 oder 16 Ohm Widerstand aufwarten kann. Ansonsten ist hier nur noch das 1,6 Meter lange Stromkabel – es ist fest angebracht, was ich gut finde. Ein Teil weniger, was man vergessen oder verlieren kann.
Die halb offene Amp-Rückseite gewährt uns dann auch einen Blick auf den von hier auf die Frontplatte geschraubten Celestion-Super-8-Lautsprecher. Im hängend montierten Verstärkerteil stecken sehr fest und gesichert mit Metallklammern die beiden Röhren des Tube 5. Die Endstufe wird mit einer 6V6GT befeuert, die Vorstufe mit einer einzelnen ECC83 (12AX7). Sämtliche Röhren der beiden Amps sind nicht gelabelt und somit keinem Hersteller zuzuordnen.
Beim großen Bruder, dem TUBE 15, gibt es doch einiges mehr zu vermelden. Er ist mit 427 × 435 × 235 mm deutlich größer als der Tube 5, aber für einen 1×12″-Combo immer noch sehr kompakt, und mit seinen 11,5 kg wahrhaftig kein Schwergewicht. Die Vorderseite bietet sieben Drehregler für Gain, Volume, Tone, Bass, Middle, Treble und Reverb. Auch hier haben wir einen Power-Attenuator, der einen zwischen den vollen 15 und 1 Watt wählen lässt. Hinten bietet das Verstärkerteil ebenfalls einen Output für eine externe Box (bei beiden Modellen wird übrigens der interne Speaker nicht abgeschaltet, wenn man diesen Output nutzt).
Abweichend vom 5er haben wir hier dann auch noch einen Effekt-Loop mit Send- und Return-Buchse sowie die Anschlussmöglichkeit für einen Reverb-On/Off-Fußschalter, der aber nicht beiliegt. Fest am Gehäuseboden fixiert ist die kleine Hallspirale, zentraler Blickfang ist ansonsten der Celestion-Seventy-80-Lautsprecher im 12-Zoll-Format. Er hat einen Keramik-Magnet und steckt 80 Watt Leistung weg – sollte also ganz entspannt mit dem Input des Tube 15 klarkommen. Bei der Röhrenbestückung haben wir es mit zwei EL84-Endstufen-Tubes zu tun, in der Vorstufe arbeiten drei 12AX7.
(Bild: Dieter Stork)
SOUNDCHECK
Der Tube 5 wirft die Frage nach Band- oder Bühnentauglichkeit gar nicht erst auf. Die hat er eindeutig nicht. Aber als Übungs- und/oder Recording-Tool haben Amps dieser Leistungsklasse schon immer gute Dienste geleistet. Dann also einschalten, kurz warten, (einen Standby-Schalter gibt es nicht) und dann zunächst mit der Tele testen was geht. Cleaner Headroom ist natürlich nicht die Stärke des 5-Watters – erste Zerranteile mischen sich ab Volume-Position 4 ins Klangbild. Diese steigern sich bis zu einem maßvollen Crunch bei Vollausteuerung, und da ist dann die Lautstärke auch schon ganz ordentlich.
Kein Problem, lässt sich ja auf 1 Watt runterschrumpfen. Mit meinem Lieblings-Overdrive davor (kostet allerdings mehr als der Amp) erhalte ich einen schönen Bedroom-Rocksound. Es gibt natürlich kaum so etwas wie Bass-Fundament, und der Speaker wirkt noch etwas „stiff“, aber die Vorzüge eines Röhren-Amps sind hier deutlich gegeben. So ein schöner rauer Crunch mit Endstufen-Sättigung – das ist halt der Real-Deal … wenn auch in diesem Fall in der Wohn-/Schlafzimmer/Recording-Kleinstversion.
Da ist der Tube 15 schon ein anderes Kaliber. Um es mal beim Namen zu nennen: Er ist in Sachen Leistung, Größe und Ausstattung für mich ein direkter Konkurrent des Fender Blues Junior. Wobei er diesem sogar zwei Dinge voraus hat: Die Reduzierungs-Option auf 1 Watt und den Tone-Regler – beides wird sich noch als äußerst nützlich erweisen. Der 15er ist in jeder Hinsicht vielseitiger und vollwertiger als der kleine Bruder und hat ganz klare Proberaum- und Club-Bühnen-Tauglichkeit. Der Sound ist einfach größer, vollmundiger, lässt sich mit Hall versüßen und bietet auch respektable Clean-Reserven. Bei voll aufgedrehtem Volume und zurückgenommenem Gain ergeben sich über die Tele ganz schön laute Country/Blues-Sounds mit toller Strahlkraft. Am anderen Ende der Skala hole ich mir mit der Paula und voll aufgedrehtem Gain einen astreinen Gary-Moore-Bluesrock-Sound – Röhre pur, kein sonstiger Effekt, geh mir weg mit digital! Meinen Lieblings-Sound fand ich in der 1-Watt-Position, Gain auf Mitte, Volume voll auf und an der Les Paul den Zerrgrad regeln. Richtig gut.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Tja, jetzt haben wir den Salat. Das sind gute Amps, und der Tube 15 hat es mir regelrecht angetan. Wo setzt man bei diesen Preisen mit Kritik an? Kaum möglich, denn die Verarbeitung ist sehr gut, die Ausstattung ebenfalls und man bekommt mehr als brauchbare Tube-Amp-Sounds. Beim Tube 5 sind die natürlich bauartbedingt limitiert, beim Tube 15 stimmt eigentlich alles. Und Letzterer hat einen enormen Nutzwert, weil er vom 1-Watt-Wohnzimmer- bis zum Club-Gig-mit-Band-Einsatz alle Aufgaben wuppen kann. Hall und tolle Eigenzerre inklusive. Wer den Hunni mehr aufbringen kann, sollte über den 15er nachdenken, wer wirklich nur zu Hause mit echter Röhre üben will, kommt auch mit dem 5er gut klar. Man sollte diese Harley Bentons nicht ignorieren und auf jeden Fall mal antesten. Tube rules.