Der Begriff Modeling meint in der Gitarrenwelt das Nachbilden von Klängen, Sounds, Schallereignissen. Potentiell dienen bei diesem Unterfangen natürlich klischeehafte, hochrangige (analoge) Vorbilder als Vorlage. Na, wenn‘s danach geht, hat Marshall reichlich Trümpfe auf der Hand. Und eben die Legenden aus der eigenen Historie bilden – neben einigen anderen – die Grundsubstanz der Code-Modellreihe. So gesehen müsste der Code100H ein Tausendsassa sein.
Der Produktname „Code“ bzw. die Baureihe ist noch jung. Ursprünglich hat sich Marshall der digitalen Modeling-Technik aber schon viel früher zugewendet. In Zusammenarbeit mit der Software-Entwicklungsfirma Softube entstand schon vor Jahren die JMD:1-Serie. Basis war ein spezieller technischer Ansatz, den Softube „Natural Harmonic Technology“ nannte. Sie sollte die dynamischen Prozesse in der Röhrenverstärkung mit erfassen und nachbilden. Das Projekt war erfolgreich und wurde dementsprechend weiterentwickelt. Die Technik heißt jetzt offiziell MST-Modeling, entsprechend den Initialen der beiden Firmen.
Seit August 2016 sind bereits drei Code-Modelle im Handel. Der Code50, ein 1×12-Combo mit 50 Watt, und der Code25, bestückt mit einem Zehnzöller und mit 25 Watt Leistung. Letzterer hat in Ausgabe 08/2016 den ausführlichen Test mit sehr erfreulichem Endergebnis bestanden. Dritter im Bunde ist der Code100, ein „großer“ 2×12-Combo mit 100 Watt. Dessen Amp-Chassis findet sich in dem kürzlich erst auf den Markt gekommenen Topteil, das wir hier testen, wieder. Kein Head ohne passendes Cabinet, die ebenfalls neue Code412-Box muss auch zeigen, was sie auf dem Kasten hat.
vollbedienung
Modeling-Amps sind in der Regel vollgestopft mit Funktionen und abstimmbaren Parametern. Der Code 100H macht da keine Ausnahme. Verschaffen wir uns kurz einen Überblick. Inklusive eines Akustiksimulator-Typs sind insgesamt 15 Preamp-Models im Angebot, je fünf in den Sparten Clean, Crunch und Overdrive. Natürlich sind, wie oben angedeutet, den Bezeichnungen nach Klassiker des Marshallprogramms vertreten, wie z. B. JTM45, JCM2000 DSL100, JVM410H, Bluesbreaker, 1959-Plexi, JCM800 2203, JCM2555 Silver Jubilee. Weitere sind: Acoustic-Simulator, Clean American, Crunch American, Overdrive American. Außerdem steht noch der Typ Natural zur Wahl, der quasi einen Line-Input darstellt – ohne Sound-Kolorierung, für den Anschluss externer Preamps/Prozessoren.
In der Sektion „Power Amp“ sind die Parameter Resonance und Presence abstimmbar und folgende Endstufentypen im Angebot: Classic Marshall 100Watt (Class A/B, EL34-Röhren), Vintage Marshall 30 Watt (Class A/B, 5881-Röhren), British Class A (EL84), American Class A/B (6L6). Der Bereich der Sound-Formung findet seinen Abschluss in unterschiedlichen, allerdings nicht editierbaren Cabinet Typen:
1960 Classic 4×12″ Celestion G12-T75.
1960AV 4×12″ Celestion Vintage 30.
1960AX 4×12″ Celestion G12M-25.
1960HW 4×12″ Celestion G12H-30.
1936 Classic 2×12″ Celestion G12-T75.
1936V 2×12″ Celestion Vintage 30.
1912 Classic 1×12″ Celestion G12-B150.
1974CX 1×12″ handwired G12M-20.
Das Paket wirkt schon jetzt üppig geschnürt, nicht wahr? Aber wie bei Modeling-Amps üblich, findet die pure Sound-Formung noch Ergänzung durch diverse Effekte. Untertriebene Formulierung, denn es handelt sich tatsächlich um eine Vielzahl von FX-Typen aus unterschiedlichen Kategorien. Dies sind in der Pre-FX-/Stompbox-Gruppe (quasi vor dem Amp) vier Typen -Compressor, Distortion, Auto Wah, Pitch Shifter, hinter dem Amp (quasi im Einschleifweg) weitere 20, angeordnet in Gruppen:
Mod(-ulation): Chorus, Vibrato, Phaser, Vibes, Flanger and Tremolo.
Del(-ay): Studio, Vintage, Multi and Reverse Delays, Tap Tempo.
Rev(-erb): Room Hall, Spring, Stadium.
Es versteht sich von selbst, dass man nicht alle zur selben Zeit nutzen kann – wie sollte der Prozessor das schaffen –, sondern nur einen Effekt aus jeder FX-Gruppe bzw. zwei Stompboxes. Weil trotz der umfangreichen Effektbibliothek ein FX-Loop zur Verfügung steht, kann der Nutzer zusätzliche externe Effektprozessoren anschließen; die kleineren Modelle Code25 und Code50 müssen darauf verzichten.
Übersichtliche Bedienung, dank Bluetooth geht es noch erheblich komfortabler °
Zur Ausstattung gehören ferner ein Tuner und mehrere Anschlüsse, ein Line-In zum Einspielen von Playbacks, ein Kopfhörerausgang (beide 3,5 mm Klinke), sowie eine USB-Schnittstelle, für die direkte Anbindung an DAW-Software, um Firmware-Updates zu laden, für die Übertragung von MIDI-Control-Daten. Und damit der Code100H wirklich völlig up-to-date ist, bietet Marshall eine kostenlose App an (iOS + Android), die es ermöglicht, den Amp via Bluetooth vom Handy aus zu steuern.
Digitale Technik hat den Vorteil, dass sie bzw. ihre Elektronik Platz sparend aufgebaut werden kann. Es sind auch keine massigen Trafos vonnöten. Dementsprechend ist der Code100H leichtgewichtig (nur ca. neun Kilogramm) und kompakt in den Abmessungen. Der Qualitäts-Check ergab: Gehäuse und Amp-Chassis sind sauber verarbeitet. Die Substanz hinterlässt also so weit schon einmal einen sehr guten Eindruck.
economy cab
Ganze € 279 kostet diese 4×12″- Box. Das kann doch nur eine minimalistische Kiste sein?! Nö, da erlebt man nur, welche Auswirkungen die Marktgesetze der Globalisierung zeitigen. Fertigung in Vietnam, das ist offenbar so kostengünstig, dass Marshall die Code412 trotz Niedrigpreis auf ein sehr ansehnliches Niveau heben kann. Klar, wie zu erwarten ist das Gehäuse aus Pressspanplatten, aber solide verleistet und verleimt. Als Lautsprecher kommen Noname-Produkte zum Einsatz. Große Schalengriffe, stabile Kunststofffüße, in die Rollen (optional, nicht im Lieferumfang enthalten) eingeschraubt werden können, versenkt angebrachte Anschlussbuchse, die Speaker mittels Einschlaggewinden montiert, der Tolex-Bezug fein säuberlich aufgebracht, vorne eine stramme Schutzbespannung, alles gut. Na ja nicht ganz. Es fehlen Schutzkappen an den Ecken – was optisch wiederum durchaus seinen Reiz hat.
viel hilft viel?
Wir werden gleich viel Gutes über den Code100H erfahren. Ich möchte und muss bei der Gelegenheit aber mal auf etwas Grundsätzliches hinweisen, bzw. es in Erinnerung bringen. Wenn ich im Test einen teuren Röhren-Amp lobe und auf der nächsten Seite bei einem Budget-Produkt ebenfalls zu positiven Ergebnissen komme, liegen die Probanden qualitativ meist trotzdem weit auseinander. Denn im Hintergrund mahnt Einsteins Zeigefinger: alles relativ! Weil die Bewertung natürlich stets primär unter Berücksichtigung des Preises erfolgt. Anders ausgedrückt: Es stehen sich immer zwei Aspekte gegenüber, die Einschätzung nach absoluten Maßstäben und eben die in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Womit wir mitten im Thema sind: Absolut gesehen kann der Code100H in Puncto Sound-Qualität nicht die größten Bäume ausreißen. Aber! Auf seine Kategorie und den Preis bezogen macht der Code100 klanglich viel Freude und offeriert ein seriöses Potential … auch weil es den Preamp-Types letztlich doch recht gut gelingt, den individuellen Charme der zitierten Verstärkermodelle abzubilden. Zur Charakterstärke und Variabilität derselben trägt in hohen Maße die Power-Sektion bei, da sie zusätzlich das Klangbild mit emulierten Röhrensättigungen anreichert und so markante Klangfarben (hinzu-) liefert. Dick im Plus punktet der Code100H wegen der Effizienz der Klangregelbereiche – dieser Modeling-Amp kann z. B. im Bassbereich kräftig nachlegen, was längst nicht Usus ist bei dieser Produktgattung.
Unterm Strich ergibt sich so, dass der Code100H im Sound ausgesprochen breitbandig angelegt und somit fast für jedwede Stilistik gut gerüstet ist. Dass in den oberen Mitten eine etwas aufdringliche Note schwingt, das Klangbild kühl wirkt und nur wenig räumliche Tiefe vermittelt, liegt in der Natur der Sache und ist eine sehr häufige Eigenschaft von Modeling-Verstärkern. Dafür ist die Ansprache zwar stramm, aber doch noch recht komfortabel. Und auch wenn beim Solieren die Rückmeldungen ein wenig steif wirken, birgt die Ansprache insgesamt und preisbezogen gesehen eigentlich nur Positives. Unter anderem, weil sie provozierte Obertöne erfreulich reaktiv umsetzt und der Amp bei fetteren Distortionsounds im Ausklang gerne in Feedbacks umkippt.
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Vollstes Lob gebührt der Effektausstattung. Die Qualität liegt auf hohem Niveau, die Bandbreite ist beachtlich. Man darf sich zum Beispiel über eine Delay-Sektion mit einer maximalen Verzögerungszeit von vier Sekunden freuen. Einstellbar manuell oder per Tap-Eingabe. Die Reverb-Sektion verbreitet mit ihren vier Reflexionstypen (Room, Hall, Spring, Stadium) ebenfalls Luxus. Zu allem Überfluss macht die ausgewogen abgestimmte Speaker-Simulation eine adäquate D.I.-Abnahme möglich.
Alles gut, alles schön, doch der Gedanke, ein solch komplexes Gerät zu programmieren wirkt abschreckend? Ich sage nein, man sollte in der Beziehung keine Sorge haben. Erstens, weil mit den vielen Werks-Presets eine großzügige Bibliothek an Vorlagen zur Verfügung steht. Zweitens – und das ist eigentlich sogar entscheidender – ist mit der Bluetooth-Steuerung die Angelegenheit maximal komfortabel gelöst. Die Parameter müssen hier nicht einzeln selektiert werden, sondern erscheinen in Gruppen auf dem Bildschirm des Handys/Tablets, wie zum Beispiel die gesamte Klangregelung des Preamps oder die Regelbereiche eines Effekttyps. Bequemer kann man kaum arbeiten.
Zum Beispiel beim Recording: USB-Verbindung legen und kurz Audio-In im Rechner konfigurieren, zack, schon liegt der Code100H in der DAW an. Spielen, probieren mit dem Handy vor der Nase, die Anschlagshand regelt fix nach, ohne dass man den Hörplatz vor den Monitoren verlassen muss oder im Rechner zu der Seite einer Edit-Software wechseln muss. In dem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass Marshall eine Art Code-Community unterstützt. Auf der Web-Seite my.marshall.com wird offizielle Software (z.B. neue Presets) angeboten, und User tauschen sich ebenfalls aus bzw. tragen durch eigene hochgeladene Presets zur Erbauung bei. Es werden auch Tutorials angeboten, was besonders Anfängern beim Einstieg in die Materie helfen kann (aber vor lauter Parameterschrauben bitteschön das Spielen/Üben nicht vergessen ;-).
Okay, wird Zeit für das zweite Thema. Die 4×12-Box schmeichelt dem Code100H, ihre Wiedergabe ist in den hohen Frequenzen weich und zurückhaltend. Schön, dass die Transparenz darunter nicht unbotmäßig leidet. Das Klangbild ist detailreich, aber stets eher verhalten lebendig. Mit starken Bassimpulsen kommt die Code412 überraschend gut zurecht. Sie wummert bei durchschnittlichen Schallpegeln nicht. Erst wenn man sie ziemlich stark fordert, verliert sie die Contenance. Im Verbund mit dem Code100H kommt sie nicht in solche Grenzbereiche. Klar, denn seine 100 Watt sind nicht so energisch dynamisch wie die eines analogen Röhrenverstärkers. Ich empfehle im Übrigen beim Antesten darauf zu achten, dass man die Presets auch mal mit deaktiviertem Cab hört (bei vielen Presets ist die Funktion „On“ programmiert). Das macht im Live-Modus, also bei der regulären Nutzung des Amps mit angeschlossener Box, (meist) einen großen Unterschied im Ton. Sollte man erlebt haben.
Wo wir gerade davon sprechen. Für den Einsatz auf der Bühne ist das stabil gebaute, optionale Schaltpedal PEDL-91009 (UVP ca. € 72) sehr zu empfehlen. Bietet es doch zwei Betriebsmodi. Im Preset-Modus können auf zehn Bänken zu je drei Presets 30 der 100 Voreinstellungen in freier Konfiguration abgelegt werden. Durch etwas längeres Drücken gelangt man in den „Umschaltmodus“ und kann so parallel zum Preset-Abruf den Status dreier Parameter steuern. Welche das sein sollen ist frei bestimmbar. Ich würde sagen: Höchste Effizienz bei nur vier Tastern. Das PEDL-91009 ist sehr praktisch und bühnenfreundlich konzipiert.
Ja, wir nähern uns dem Ende. Und gibt es gar nichts zu meckern?! Nein, funktionale Schwächen traten nicht zu Tage. Hier im Test zeigten sich, im Gegensatz zu vielen Meldungen im Internet, auch keine Probleme mit der Bluetooth-Software. Wenn man überhaupt einen Minuspunkt nennen könnte, dann das leichte Pfeifen, das der Code100H im Leerlauf von sich gibt.
alternativen
Funktionsumfang und Performance betrachtet im Verhältnis zum Preis – aus diesem Blickwinkel sind für den Code100H derzeit auf dem Markt keine Konkurrenten zu sehen. Nicht ganz so rosig sieht die Situation für das 4×12-Cabinet aus. Die Hausmarken der großen Musikhäuser (Fame, Harley Benton etc.) bieten vergleichbare Leistungen zu ähnlichen Preisen. Weil niedriger im Preis und schon mit Rollen ausgestattet ist die KG412A von Kustom (ca. € 219) wohl der härteste Rivale.
resümee
Modeling ist eine Welt für sich, und in dieser ist der Code100H ein Meisterleister. Weil er mit seiner opulenten Ausstattung für relativ kleines Geld viel Variabilität und beachtliche Tonkultur liefert. Nicht nur für Beginner ein lukratives Angebot. Zum Preisleistungsverhältnis kann es also keine zwei Meinungen geben: Es ist absolut ausgewogen, wenn nicht sogar schon regelrecht günstig. Sauber verarbeitet und solide im Klangverhalten hat auch die Code412 den Test positiv bestanden. Spätestens wenn man bedenkt, dass sie weniger als halb so viel wie das Standard Marshall Cab Modell 1960 kostet, wird deutlich, das auch ihr Preis voll in Ordnung geht.
Hinweise zu den Soundfiles:
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, nahe vor der Code412 platziert.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt
Den Ton liefert eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 am Steg auf-/umgerüstet mit einem Seymour Duncan-JB-Humbucker im SC-Format.
Die Clips 1 bis 3 präsentieren einzelne Distortion-Einstellungen, die verdeutlichen, dass Marshalls digitale MST-Technologie die analoge Soundwelt ziemlich ansprechend nachahmt. Clip 2 und 3 basieren auf dem gleichen Sound-Charakter, wobei Clip 2 pur aus dem Code-Stack kommt, ohne interne Effekte, der Hall ist aus Logic Pro zugemischt. In Clip 3 hören wir dagegen ein Code-Werks-Preset.
Die Clips 4 bis 7 stellen Sequenzen vor, in denen jeweils mehrere Presets aufeinander folgen; nicht alles was der Code100H hergibt, lediglich eine Auswahl; und schon das ist eine schöne Bandbreite, nicht wahr?!
Clip 8 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Hier hören wir pur, ohne Effekte zum Vergleichen vier Amp-Types des Code100H.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
In einer Zeit, da viele Gitarristen „kempern“ oder andere digitale Kompaktlösungen zu bevorzugen scheinen, bringt eine der renommiertesten US-Marken für Studio-Technik eine aufwendige D.I.-/Loadbox für analoge (Röhren-) Amps heraus. Beschreibt dies einen Trend? Fragt die Profi-Szene vermehrt nach solchen Produkten, weil eben der analoge Verstärker-Sound doch nicht zu schlagen ist? Schwer zu sagen, wenngleich denkbar und logisch. Ox macht jedenfalls schon auf den ersten Blick den Eindruck eines höchst potenten Signalprozessors.
Gitarristen sollte die Marke Universal Audio wegen ihrer detailgetreuen Amp-Plug-Ins ein Begriff sein. Das Portfolio umfasst ansonsten Produkte für den professionellen bzw. anspruchsvollen Studioeinsatz: Audio Interfaces, Plug-Ins und „konventionelle“, analog arbeitende Hardware-Prozessoren, wie Kompressoren, Preamps usw.
Hardware für den Gitarrenbereich war bislang nicht im Programm. Die exzellente Reputation des Unternehmens lässt aber auch vom Erstlingswerk Ox viel erwarten. Bei der Vorstellung auf der Winter-NAMM 2017 in Anaheim hat das Ox jedenfalls schon reichlich (Vorschuss-) Lorbeeren eingestrichen. Es wurde mit dem „Best In Show“-Award gekürt. Serienreif in den Handel kommt es jetzt.
analog und digital
Ziel und Aufgabe des Ox ist es, aus dem Speaker-Signal von (bevorzugt Röhren-) Verstärkern hochwertige D.I.-Signale zu generieren. Dabei kann dank der integrierten Loadbox auf den Anschluss eines Speaker-Cabinets verzichtet werden. Hier arbeitet das Ox auf der analogen Ebene. Die D.I.-Aufbereitung ist dagegen Aufgabe einer digitalen Software (siehe unten), die sowohl unterschiedliche Cabinets, als auch unterschiedliche Mikrofontypen emuliert.
Die Kombination aus beidem heißt beim Ox „Rig“. Sechs davon sind über den Drehschalter links außen an der Frontplatte anwählbar. Aber wenn schon digitale Bearbeitung am Start ist, dann kann man damit natürlich noch viel mehr machen. Eine kostenlose Software erlaubt dem User selbst auf die beiden Parameter (Box/Speaker und Mikrofon) zuzugreifen und sie abzuspeichern. Das gleiche gilt für den Regelbereich Room, der dem D.I.- Signal Raumklanganteile, auch Ambience genannt, hinzufügt. Anders als im Info-Material angegeben, ist die Edit-Software für Windows nicht erhältlich. Es gibt sie ausschließlich für Apple-Computer (ab OS 10.9) und als iOS-App für iPad und iPhone.
Die an der Frontplatte braun unterlegten Abstimmbereiche sind für den Abgleich der analogen Signalsektion zuständig. Wahlweise darf/kann eine Box angeschlossen werden und die Loadbox erlaubt dann mit dem 6-Positionen-Drehschalter „Speaker Volume“ deren Lautstärke zu verändern, bis hin zum Mute-Modus (sechs Schritte/dB: 0, 6, 12, 24, 36, ∞/Speaker off). Das Poti „Line Out“ bestimmt die Signalstärke an den entsprechenden beiden Balanced-Klinke-Outs an der Rückseite, und „Headphones“ kontrolliert natürlich die Lautstärke des Kopfhöreranschlusses.
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Stichwort Rückseite. Neben den symmetrierten (!) Line Outs befinden sich hier die Anschlüsse der Loadbox, „From Amplifier“ und „To Speaker“. Die digitale Anbindung an die DAW u.ä. kann entweder über den S/PDIF-Cinch-Out oder den optischen Toslink erfolgen. Links außen an der Rückseite befindet sich der Power-Schalter und eine vierpolige XLR-male-Buchse für den Anschluss des externen Netzteils. Was die Footswitch-Buchse macht? Überraschung, nix. Sie bleibt, wie auch die USB-Anschlüsse vorläufig ein Dummy. Erst mit kommenden Upgrades und Software-Updates sollen/werden sie tatsächlich Funktionen ausüben.
Zurück zur Technik. Der Begriff Loadbox beschreibt eine Gerätegattung, die viele unterschiedliche Ausführungen kennt. In der einfachsten Variante greift der Hersteller schlicht zu Lastwiderständen um Lautsprecher zu ersetzen. Klar, auch mit so einer simplen Lösung kann man durchaus arbeiten, aber – der Hinweis muss in diesem Zusammenhängen jedes Mal erfolgen – eine statische Ohmsche Last alleine ist kein wirklich adäquates Substitut für den Lautsprecher!
Im Zusammenspiel mit Röhrenendstufen sorgt der Speaker für komplexe elektrische Wechselwirkungen, weil zum Beispiel auch Induktivitäten eine wichtige Rolle spielen. Hiervon wird das Wiedergabeverhalten essentiell beeinflusst. Aufwendigere Load-Boxen wurden/werden daher so gebaut, dass neben den hochbelastbaren Widerständen auch Spulen Verwendung finden. Universal Audio geht beim Ox noch weit darüber hinaus.
Eine komplexe elektronische Schaltung bildet die Speaker-Eigenschaften nach und sucht so – mit auf diesem Sektor bislang unvergleichlich hohem technischen Aufwand – die besagten Wechselwirkungen zu erzeugen. Dementsprechend präsentiert sich das Innenleben des Ox. Zwei gedrängt mit SMD-Bauteilen bestückte Platinen präsentieren sich dem Auge des Betrachters. In einem Metallkasten abgeschirmt und auf Kühlkörpern angebracht, nehmen die vier Lastwiderstände ungefähr ein Drittel des Raumes ein. Die Verarbeitungsqualität ist vorbildlich und absolut vertrauenerweckend. Wie im Übrigen auch das Gehäuse, sein optisches Design mit dem eleganten Holzrahmen an der Frontplatte, sehr gediegen wirkt und höchste Wertigkeit ausstrahlt. Es fragt sich allerdings, ob es eine gute Idee ist, die Lüftungsschlitze nicht mit Gittern zu verkleiden um zuverlässig zu verhindern, dass etwas in das Innere hineinfallen kann.
Aufwendige Loadbox-Schaltung °
edit
Die kostenlos zum Download zur Verfügung stehende Software erlaubt umfangreiche Einflussnahmen auf das D.I.- Signal. Dabei greift Universal Audio zum Teil auf erprobte hauseigene Modeling-Technik zurück. In der neu entwickelten Sektion des sogenannten „UA Dynamic Speaker Modeling“ kann der User unterschiedliche Cabinets auswählen. Vollbedienung, 17 Cab-Typen sind im Angebot. Darunter viele klassische Gehäuse Ausführungen, vom Tweed-Cab bis hin zur modernen 4×12-Box.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff „Dynamic“. Damit beschreibt Universal Audio, dass es sich nicht um das weit verbreitete statische Modeling handelt, sondern eine Art Hüllkurvenvariante, die im Laufe der Signalausklingzeit klanglich variiert. Was logischerweise dem natürlichen, analogen Signalverlauf viel näherkommt – wenn es denn funktioniert. Wir werden sehen.
Unter der Überschrift „Cabinet“ sind zwei Funktionen zusammengefasst. „Input Level“ (50/100 Watt) bewirkt lediglich eine Pegelanpassung wie z. B. der Pad-Schalter an Mischpulten. Mit dem Parameter „Speaker Breakup“ ahmt die Software nach, wie sich das Verhalten des Lautsprechers bei unterschiedlichen Belastungen verändert, sowohl hinsichtlich des Klangs als auch der Auswirkungen für das Spielgefühl des Gitarristen (stramme oder nachgiebige Rückmeldung).
Als nächstes können zwei Nahfeldmikrofone und ein Room-Mikrofon (Raumklang, Ambience) definiert werden. Als Nahfeldtypen stehen gängige Stars der Mic-Szene zur Wahl. Das suggerieren zumindest die Bezeichnungen: Dynamic 57 (Shure SM57?), Dynamic 412 (MD421, Sennheiser?), Ribbon 212 (Bändchenmikrofon Royer 21?), Ribbon 160 (Beyer 160?), Condensor 67 (Neumann U67?), Condensor 414 (AKG C414?). Zusätzlich gibt es einen „Direct“-Modus, der ohne Mikro-Modeling arbeitet. Die sechs verfügbaren „Room Mic“-Models setzen sich aus je drei Bändchen- und Kondensator-Typen zusammen (2 x stereo, 4 x mono).
In jeder der drei Mikro-Sektionen steht ein vollparametrischer Vierband-EQ mit Hi- und Low-Cut zur Verfügung, ferner die Regler Balance und Volume, die Schalter Mute, Solo, Low Cut und Off Axis. Letzterer ändert die Mikrofonposition, von direkter Ausrichtung auf die Speaker-Membran zu einer gewinkelten. Die Sektion Room Mics hat statt dessen einen Damping-Schalter, der die Reflexionen vom Boden dämpft (carpeted) oder nicht (live). Hübsch anzusehen, wie sich die Foto-Darstellung des Setups im Software-Menue verändert, z. B. weil man einen Teppich unter dem Cab liegen sieht oder eben nicht.
Die Master-Sektion gleicht einem DAW-Kanalzug. Auch hier gibt es den oben genannten vollparametrischen Vierband-EQ, der allseits geschätzte UA-Kompressor/Limiter 1176SE besorgt bei Bedarf Dynamik-Bearbeitungen. Ein Stereo-Delay (Dual, XOVR/Crossover, Ping Pong, Chorus, Flanger als Type-Presets) mit variabler Modulations-Sektion, Pan Potis, Lound High-Cut-Regler und maximaler Verzögerungszeit von je drei (!) Sekunden pro Kanal sowie ein Stereo-Reverb geben dem Sound den letzten Schliff.
Natürlich sind die Einstellungen speicherbar (100 Plätze). Selbst kurbeln tut aber zunächst einmal gar nicht Not, denn das Ox wird mit 100 editierbaren Rigs/Factory-Presets geliefert. Für die einzelnen Effekte gibt es ebenfalls bereits diverse fertige Preset-Vorlagen.
tonträume
Im Grunde vereint das Ox zwei Geräte in einem. Einerseits bietet es bei angeschlossenen Lautsprechern die klassische Loadbox-Funktion, also das „Leisemachen“ des voll/weit aufgedrehten Amps. Zum anderen ist da die D.I.-Recording-Interface-Funktion, die das Ausgangssignal des Verstärkers so aufbereitet, als wäre das Signal durch eine präzise Mikrofonierung gewonnen; dies dann eben wahlweise bei parallelem Betrieb einer Box oder ganz ohne.
Daraus ergibt sich: Das Konzept des Ox kann in der Praxis nur aufgehen, wenn vor allem anderen die Loadbox, als Hauptelement, funktional auf der Höhe ist. Universal Audio verspricht dazu in seinen Info-Materialien Großes: Man habe erreicht, dass die Dynamik des Verstärkers voll zur Geltung kommt, dass die Wiedergabe quasi deckungsgleich mit dem puren Amp-/Speaker-Sound ist. Hört hört, dann wäre etwas geschafft, woran sich andere bislang immer nur mit begrenztem Erfolg abgearbeitet haben. Selbst die oben zitierten aufwendigeren Widerstand-/Spulen-Lösungen vermochten nur bedingt die Interaktion des Speakers mit der Röhrenendstufe nachzubilden.
Okay, ich will den Leser nicht weiter auf die Folter spannen – Katze aus dem Sack – das Ox leistet in der Hinsicht tatsächlich Außergewöhnliches. Es wird gleich mit dem ersten gespielten Ton deutlich. Lebendiges Spielgefühl, eine reaktive Rücksprache und Tonhüllkurve, die sehr authentisch dem Amp-/Speaker-Erlebnis gleicht. Dies auch und vor allem bei Nutzung der Loadbox ohne Cabinet. Ein Hinweis dazu: Vorsicht bei eigenen Vergleichstests und Bewertungen. Man vergesse nicht, dass unterschiedliche Lautstärkepegel das Hörempfinden entscheidend beeinflussen. Am besten vergleicht man unter Berücksichtigung dessen wirklich ein mikrofoniertes Signal mit dem Output des Ox.
Das Leistungspotenzial der Loadbox ist zumindest momentan schwer Benchmark-verdächtig. Ich hatte schon viele dieser Geräte im Gebrauch wie auch im Test – und keines funktionierte so souverän wie das Ox (weil mir entsprechende Erfahrungswerte noch nicht vorliegen, schließt diese Einschätzung die kürzlich neu erschienenen Produkte von Fryette, Rivera, Radial Engineering u. a. ausdrücklich nicht ein). Auch wenn es um die Funktion als leistungsreduzierender Power Soak geht, erlebt man die genannten Qualitäten; hört und fühlt sich an wie purer Luxus. Kein Abmatten der Frische im Sound, sensible Dynamik mit sattem Bassgehalt, dieses „korrekte“ Spielgefühl … Ox macht einfach Spaß.
Es trifft einen erst recht der Hammer, wenn das D.I.-Recording-Modeling aus der Abhöre dringt. Diese Speaker-/Mikrofon-Simulation ist ganz sicher mit das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt. Das betrifft zum einen die reine Signalqualität an sich. Plastisch, warm, extrem durchsichtig und detailreich beweisen die Signale stets klare Konturen. Im Mix wertvoll, weil sich der Gitarren-Sound sauber ortbar zwischen die anderen Tonquellen einbettet. Insofern wird das Ox schon einmal rein technisch hohen Ansprüchen gerecht.
Zum eigentlichen Highlight kommen wir aber erst jetzt. Schon für sich genommen, ohne die Mikrofonoptionen ins Spiel zu bringen, fackeln allein die verschiedenen Speaker-Cabinets ein Feuerwerk an Klangfarben ab. Höchst markant und charakterstark voneinander abgegrenzt, entsprechen sie tatsächlich deutlich den Vorgaben, die durch die Bezeichnungen gesetzt sind. Ob 2×10″-Combogehäuse, 1×12″-Tweed-Cab oder die Simulation des AC30 mit Blue Bulldogs usw. – die Authentizität ist frappierend.
Und nun addieren sich dazu eben noch die vielfältigen Klangfarben, die durch die unterschiedlichen Mikrofon-Models zur Wahl stehen. Nein, ich will bestimmt nicht ins Lobhudeln kommen, aber auch in dieser Sektion stellt Universal Audio Top-Funktionalität zur Verfügung. Und somit kommen wir zu einem „beglückenden“ Zwischenfazit: Die vier Bereiche, Loadbox, Cabinets, Direct-Mics, Room-Mics interagieren in der Summe extrem effizient und stellen als Team ein höchst potentes Tool dar.
Nun wäre es ja total paradox, wenn die Effekte der Master-Sektion qualitativ nicht auf dem selben Niveau liegen würden. Nein, Software dieser Art ist schließlich eine Spezialgebiet von Universal Audio, und die Marke steht ja auch dementsprechend in dem Ruf, allerhöchsten Ansprüchen gerecht zu werden.
So erleben wir in der Effektsektion eine glänzende Signalqualität, die in ihrer Mischung aus Präzision und Wärme fast vergessen macht, dass digitale Technik der Ursprung ist. Die Delay-Abteilung erweist sich mit ihren vielfältigen Möglichkeiten der Abstimmung als überaus leistungsfähig und variabel. Beim Hall geht es etwas schmalspuriger zu. Er kennt nur einen Reflexionstyp, Plate Reverb, und dessen Raumcharakter ist lediglich in drei Parametern variabel: Reverb Time, Low Cut, Pre Delay. Treble, Bass, Balance, Mix stehen als Regler zur Verfügung.
Ein Highlight in der Signalbearbeitung stellt der 1176SE Limiting Amplifier dar. Toll, wie er die Präsenz des Signals im Klangbild, Volumen und Kraft fördert. Richtig, Limiter/Kompressoren „künstlerisch wertvoll“ zu bedienen ist nicht die einfachste Aufgabe. Aber keine Angst vor der Handhabung, die Ox-Software bietet Unterstützung, weil einige sinnvolle Factory-1176-Presets integriert sind.
Nachdem wir nun wissen, dass das Ox eine herausragende Qualität der Signalbearbeitung liefert, muss aber auch zur Sprache kommen, dass die digitale Bearbeitung Zeit kostet und eine minimale, aber doch spürbare Latenz erzeugt. Sensible, erfahrene Spieler bemerken die auf jeden Fall – schließlich arbeitet man ja „ewig“ daran, supertight sein zu können. Doch die Verzögerung ist wirklich gering, und man nimmt sie eigentlich schon nach kurzer Zeit nicht mehr wahr. Man muss halt hinterfragen, ob man damit einverstanden sein kann.
Okay, damit sind wir eigentlich schon mittendrin in der Frage, wie das Ox in der Praxis besteht. Für die entschlussfreudigen User, die sich nicht scheuen, schon beim Aufnehmen Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen, ist die Sache klar. Sound suchen, nach Wunsch mit Effekten anreichern und ab in die DAW damit. Das ist aber sicher nicht jedermanns Sache. Schließlich kann man hinterher beim Mischen nichts mehr korrigieren. Also werden es doch viele bevorzugen, die Gitarrenspuren trocken aufzunehmen. Der Haken an dem Ox-Konzept ist, dass man mit den Effekten dann nichts anfangen kann. Es besteht keine Möglichkeit in der Postproduction auf sie zuzugreifen. Schade eigentlich.
Eine dritte Art, sich am Ox zu erfreuen, ist, es sich einfach in Wohnzimmerlautstärke mit ihm gemütlich zu machen. Den alten Marshall Superlead rauskramen, schön in den Sweetspot aufdrehen und sich nachbarkompatibel lau die Luxusklänge zufächeln lassen, aaaahhh Labsal.
Manch einer hat zwischenzeitlich vielleicht auch schon daran gedacht, wie er das Ox denn live nutzen kann. Na klar, ein verlockender Gedanke und grundsätzlich auch kein Problem. Man muss allerdings bedenken, dass eine deutliche Signalpause eintritt, wenn man zu einem anderen Rig umschaltet und man nicht ohne Weiteres von extern auf die Rigs zugreifen kann.
Gitarristen benutzen für das Umschalt-Controlling maximal MIDI-gestützte Systeme. Eine solche Schnittstelle hat das Ox bzw. die Software nicht. Im Studio bzw. beim Recording spielt das natürlich keine Rolle, für den Gitarristen in der Live-Situation ist das Ox aber kaum bzw. nur umständlich brauchbar. Einfach, weil die einzige Art der Bedienung, des Zugriffs auf die Presets und Parameter, die unmittelbare Arbeit in den Software-Menues ist.
Im Klartext: Rigs können nur von da aus angewählt/umgeschaltet werden, oder mit dem Rig-Drehschalter am Frontpanel der Hardware. Die sechs Positionen können frei belegt werden, so im Song den Sound zu wechseln, wirkt aber vorsintflutlich. Mal ganz subjektiv: Nur zu gern würde ich nur mit dem Ox und einem Amp auf die Bühne gehen – ich hätte Supersounds zu bieten, aber wie soll ich die praxisgerecht an den Start bekommen? Ein iPad neben mich stellen und mit dem Finger das Preset abrufen während ich mit dem Fuß das Pedalboard schalte?! Nö danke. Führt zu der Conclusio, das Universal Audio diese Anwendung wohl gar nicht ins Kalkül gezogen hat.
alternativen
Etwas, das deckungsgleich ist im Konzept wie in der Qualität, ist zurzeit nicht auf dem Markt. Es gibt aber Produkte, die im Prinzip denselben Ansatz verfolgen und durchaus als Alternative infrage kommen. Es ist der französische Hersteller Two Notes, selbst ein Pionier in dem Metier, der mit den Modellen Torpedo Live und Torpedo Reload zwei heiße Feuer im Ofen hat. Einerseits wegen ihrer Qualität, andererseits aber weil sie zu erheblich geringeren Preisen gehandelt werden (Live ca. € 900; Reload ca. € 700).
resümee
Die Performance des Ox ist beeindruckend. Weil einerseits die Loadbox funktional überzeugt, in ihrer Eigenschaft als reaktive Last sozusagen in neue Dimensionen vorstößt, und andererseits die Cabinet- Mikrofonierungssimulationen, genannt Rigs, höchste Signalqualität erreichen. D.I.-Recording leicht gemacht. Obendrein garantiert ein großes Archiv charakterstarker Factory-Presets eine maximale klangliche Bandbreite.
Man könnte auch sagen, das Ox beweist, welch große Bedeutung für den E-Gitarren-Sound gerade Cabinets, ihre Bauweise und Bestückung haben. Darin liegt ja auch der Luxus: wer hat schon die Möglichkeit, sich solch eine Auswahl an Boxen hinzustellen?! Und selbst wenn, müsste man die ja erst einmal schlau mikrofonieren, um entsprechenden Nutzen daraus zu ziehen. Klanglich wäre das sicherlich immer noch die überlegenere Lösung, aber was für ein Aufwand, finanziell wie arbeitstechnisch! Da ist es wirklich viel leichter und praktikabler, sich ein Ox hinzustellen.
Um es also auf den Punkt zu bringen: Diese „Amp Top Box“ ist ein professionelles Werkzeug und bietet damit zweifellos ein gesundes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Hinweise zu den Soundfiles.
Die Clips wurden pur aufgenommen, wir hören stets nur das Ox alleine. Sprich, sind Effekte zu hören stammen sie von dem D.I.-Interface selbst.
Um einen objektiven Eindruck von den Klangvarianten zu vermitteln, sind die Distortion-Clips mit ein und derselben Klangeinstellung des Amp zu hören – Diezels VH2 war am Start.
Das Ox verfügt unter anderem über die Option virtuelle Room-/Raummikrofone zuzumischen. Der (dramatische) „Effekt“ ist hier dargestellt mit einem Clean-Sound über das Factory-Preset Rig 1: Erst sind nur die Direct-Mikrofone zu hören, dann vor/für den zweiten Teil blende ich die Room-Mikrofone hinzu.
Die folgenden Clips 2 bis 7 präsentieren diverse Factory-Presets mit wiederkehrenden Spielpassagen für den besseren Vergleich, nur unterbrochen von Clip 4, der einen längeren Solo-Part mit gleichbleibender Einstellung zum Inhalt hat. Im Clip 7 dagegen ist ein Lick in vier Preset-Einstellungen zu hören.
Clip 8 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich normalerweise einspiele, damit man den Charakter unterschiedlicher Amps quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Diesmal dient das RefRiff dazu die Speaker-Cab-Typen des Ox kennenzulernen. Nur ein Auszug, es sind nicht alle.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Q: Ich spiele meine Gitarren hauptsächlich über einen Fender Princeton Reverb ‘65 Reissue. Ich mag den Ton des Amps, insbesondere auch den Hall, im Bereich von 2 bis 3 sehr. Allerdings habe ich das Problem, dass der Sound ab ca. Volume 5-6 instabil und undifferenziert wird. Besonders die Bässe verlieren jegliche Kontur. Welche Mittel gibt es, den Sound etwas stabiler zu machen?
Marco Rustemeyer (G&B-Leser)
A: Der Fender Princeton Reissue ist ein netter, kleiner Amp, der eigentlich ganz gut klingt. Je nach angeschlossener Gitarre kann es aber eben jenen Verlust der Kontrolle bei den Bässen geben. Schuld daran sind mehrere Dinge. Zum einen die Röhrenauswahl (die verbauten Sovteks sind zwar robust, aber tonal eher mittelprächtig), zum anderen, dass der Bias bei früheren Ausgaben über einen Festwiderstand eingestellt (spätere Modelle haben ein Poti) und demnach nicht optimal eingestellt werden kann, sowie an dem 10″-Jensen-Lautsprecher.
Ich würde dem Amp zuerst einmal andere Endstufenröhren gönnen, hier liegt mein persönliches Faible bei den TungSol 6V6 RI für klassischen 6V6- Sound, diese dann nicht zu heiß einstellen (falls möglich) und zu guter Letzt den Phase Inverter (die letzte Röhre vor der Endstufe) durch eine 12AT7/ECC81 ersetzen. Das bringt schon ein bisschen mehr Kontrolle im Bass. Noch mehr macht sich der Austausch des Lautsprechers bemerkbar.
Wenn du bei dem serienmäßigen 10″-er bleiben willst, könntest du einen Weber 10F150T installieren (für einen klassischen Blackface- Sound) oder auch einen WGS G10C (wenn’s eher rocken soll) bzw. WGS G10C/S (wieder eher klassisch). Damit wird sich der Amp schon etwas stabiler verhalten. Um ihn allerdings noch weiter zu optimieren, müssen die Eingriffe tiefer ansetzen, wozu man in der Regel besser einen erfahrenen Techniker konsultiert. Diese Punkte wären dann:
Umbau auf einstellbaren Bias, falls noch nicht vorhanden
Upgrade der Elkos im Netzteil von Illinois nach F&T und zugleich Verdoppelung des ersten Elkos auf 40μF
Ersetzen der Schallwand durch eine Version mit 12″-Ausschnitt und Einsatz eines 12″-Lautsprechers (Jupiter 12SC für klassische Blackface- Sounds, WGS G12C für eher moderneren Sound mit etwas weniger „Sparkle“ dafür kräftigeren Mitten)
Ersatz des etwas kleinen Ausgangsübertragers durch eine größere Version wie z. B. der ClassicTone 40-18090, Hammond 1750H oder Allen TO-22.
Ob du soviel in deinen Princeton investieren willst, solltest du aber genau abwägen. [2000]
Ende der 70er-Jahre begann in Sachen Röhren-Amps so eine Art „Saure-Gurken-Zeit“. Klar, es gab da die Silverface-Fender-Amps, ein paar JCM800-Marshalls und natürlich Orange, Hiwatt und Vox. Aus heutiger Sicht war das nicht schlecht, aber man benötigte für die meisten Amps große 4×12-Boxen – meist mit Celestions bestückt – die irgendwie immer den gleichen Sound machten. Auf dem Plattenspieler lagen aber die Scheiben von den Yellowjackets, Lee Ritenour, Toto, Larry Carlton oder den Dire Straights. Wie machten die bloß ihre Sounds?
Und dann kam da noch dieses ‚Moonflower‘-Live-Album von Carlos Santana. 1978 lieh ich mir für Live-Gigs regelmäßig ein Marshall 2203 Halfstack, aber darin steckte nicht eine Spur der damals begehrten Sounds. Da waren diese violinenartigen Solos von Ritenour und Robben Ford (vor allem auf seinem ersten Solo-Album ‚The Inside Story‘), die fantastischen Slides bei Little Feat und David Lindley und der äußerst stabile und dennoch singende Lead-Tone von Lee Ritenour.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, diesen Sounds nachzueifern, landeten viele schließlich bei Transistor-Amps von Yamaha oder Gibson/LAB. Foodband-Gitarrist Axel Heilhecker war damals der erste Gitarrist, der solche Sounds mit seinem LAB-Verstärker wunderschön auf die Bühne brachte. Das war schon nicht schlecht, aber eben immer noch nicht so hölzern und fett wie auf den Scheiben aus den USA.
Zu dieser Zeit las man in den ersten erhältlichen Musik-Magazinen Interviews, in denen unsere Helden die neuen Boutique-Amps von Mesa Boogie, Dumble oder Jim Kelley lobten. Von Boogie und Dumble hatte man schon mal was gehört, aber der Name Jim Kelley war hierzulande noch völlig unbekannt.
Ich glaube es war im Sommer 1980, als wir zwischen zwei Gigs im Ruhrgebiet ins Musikhaus Jellinghaus rein marschierten und diesen wunderschönen Jim Kelley Combo mit Korbgeflecht-Front bestaunten. Er hatte nur drei Regler, wurde aber sogleich vom Inhaber als das derzeitige Nonplusultra angepriesen. Also stöpselten wir eine Stratocaster ein und waren vom ersten Akkord an verzückt.
Edelholz und Korbgeflecht
Dieser Amp hatte den amtlichen amerikanischen Crunchsound. Wir standen mit der gesamten Band ungläubig um das gute Stück herum, und ich bekam mächtig Applaus für meine Licks, die ich mit voller Inbrunst abfeuerte. Das war wie ein Fest! Die Party hatte nur einen kleinen Haken: Ich war restlos pleite und konnte diesen Amp nicht zum Bandbus tragen. Wie so oft sprang unser Sänger ein und kaufte den Amp für mich, die Band und sein Studio.
Die nächsten Gigs waren traumhaft. Trotz seiner angeborenen Rauheit musste ich den Amp für Soli mit einem Tubescreamer anblasen, denn voll aufgedreht war er natürlich damals schon viel zu laut. Im August war eine Tour über die westfriesischen Nordsee-Inseln geplant. Der Jim Kelly war natürlich mit dabei.
Die ersten drei Gigs sorgten dafür, dass ich mein Gitarrenspiel regelrecht neu erfand. Ich spielte weniger Powerchords, sondern unterstützte unseren Keyboarder weitaus banddienlicher mit sorgsam gestreuten Licks und Fills. Beim Solo ging es mit mir durch. Der Amp war dann nicht mehr zu bremsen. Buchstäblich am anderen Ende der Skala aller vorstellbaren Heavy Sounds verwandelte er meine ES-355 in ein altes Cello mit scheinbar endlosem Atem.
Am vierten Abend war dann aber schon Schluss mit der Verzückung. Der Jim Kelley gab nach zwei, drei gar nicht mal lauten Akkorden beim Soundcheck den Geist auf. Aus dem Inneren kam noch eine kleine, bedrohliche Rauchwolke, die Sicherung brannte durch und es stellte sich Ruhe ein. Die Tour spielte ich mit meinem Ersatz-Amp von Selmer zu Ende. Das ging ganz gut, war aber natürlich nicht das Gleiche.
Ein paar Wochen später tauschte unser Sänger den Amp bei Jellinghaus gegen ein identisches Modell mit mahagonifarbenem Gehäuse ein. Auch dieser Amp hielt nur ein paar Wochen, ehe er sich auf die gleiche Weise verabschiedete. Danach kam einer mit Tolex in karamell und schließlich ein schwarzer mit zwei Kanälen. Doch länger als ein paar Wochen durfte keiner von ihnen bleiben. Die häufigen Defekte machten den Amp für eine tourende Band einfach untauglich. Und so wurde die Wunderkiste bald wieder durch den LAB und später durch einen Super Reverb ersetzt.
Es war daher umso erstaunlicher als ein Kunde neulich in meine Werkstatt marschierte und den Amp bei sich trug, den ich als unseren ersten Jim Kelley Verstärker von 1980 erkannte. Fotos von damals bestätigten den Verdacht. Und natürlich kann man sich denken, weshalb der Kunde bei mir aufschlug: Wieder einmal hatten sich ein paar Endstufenröhren verabschiedet und den Amp zum Schweigen gebracht.
Sauberes Layout mit den damals üblichen Sprague-Orange-Drop-Kondensatoren
Zugegeben, die ursprüngliche Idee von Jim Kelley war durchaus genial: Er erschuf etwa zeitgleich mit Randall Smith und Howard Alexander Dumble ein Konzept, das eben nicht auf zahlreiche Optionen und Kanalumschalter setzte, sondern auf Einfachheit und Purismus.
Angeblich kam ihm die Eingebung dazu während er einen durch einen Wasserschaden abgebrannten Ampeg-Combo wieder zu neuem Leben erwecken wollte. Dazu verwendete er alte Fender Trafos aus einem Twin Reverb und kombinierte diese kräftige Endstufe mit vier 6V6 Röhren, die von einem Splitload-Phasendreher gespeist wurden.
Die Vorstufe bestand aus einer Kombination von Fender- und Hiwatt-Schaltungselementen, betrachtet man vor allem die Klangregelung, die nach dem sogenannten James-Baxandall-Prinzip aufgebaut war. Hierbei handelt es sich um eine Art extended Treble- und Bass-Regelung, die sehr wirkungsvoll ist. Beide Regler unterstützen auch das Gain-Verhalten des Amps.
Das Prinzip war aber im Grunde konträr zu den Ideen von Boogie und Dumble. Während die Vorstufe so clean wie möglich arbeitet, entstand der Overdrive-Sound fast ausschließlich in der Endstufe, wofür die 6V6 geradezu prädestiniert waren. Der Sound bleibt so stets stabil und extrem konturiert.
Vier 6V6 und ein Electrovoice 12L-Speaker
In unserem ersten Amp war ein Electrovoice 12L-Speaker mit 200 Watt verbaut. Dieser Lautsprecher war ein weiterer Grund für den enormen Grundton und die fetten Mitten des Amps. Natürlich wog er durch das massive Hartholzgehäuse (in diesem Fall Ahorn), die riesigen Trafos und den Speaker einen gefühlten Zentner.
Bei der Reparatur des abgebildeten Amps wurde mir schnell klar, warum man an diesen Produkten meist keine lange Freude hatte. Die 6V6-Röhren liefen bei 485 Volt, was den meisten dieser Typen nach kürzester Zeit den Garaus macht. Selbst die geduldigsten Vintage-Röhren können maximal 410 bis 420 Volt aushalten. Das war schon damals so. Und daher mussten sich Bonnie Raitt, Lee Ritenour, Robben Ford und Mark Knopfler schon bald wieder von ihren geliebten Kelley-Kombos trennen.
Aber es gibt Hoffnung! Mit der moderneren 6V6 von JJ gibt es eine Röhre, die zuverlässig mit Spannungen von bis zu 550 Volt arbeitet. Diese Röhren habe ich damals in den abgebildeten Kelley eingesetzt. Er läuft immer noch tadellos.
1985 und etwa 600 Amps später hat Jim Kelley seine kleine Boutique-Werkstatt wieder aufgegeben. In den USA hatten sich die meisten Profis mittlerweile üppige Racksysteme zugelegt, und gute 6V6-Röhren waren auch nicht mehr erhältlich. Seit ein paar Jahren werden die Kelley Amps aber wieder unter der Federführung von John Suhr gebaut. Diese Amps können sogar den Originalen das Wasser reichen. Auch das wunderschöne Design ist geblieben.
Die drei Regler – jeweils mit Boost-Funktion
In Deutschland werden die Amps bei Station Music in Jettingen-Scheppach vertrieben. Ob vintage oder neu: preiswert sind diese Verstärker nicht. Für einen Boutique-Amp dieser Kategorie liegen die Preise gebraucht oder neu bei € 3900 aufwärts. Angeboten werden neben Combos im Hartholzgehäuse auch Modelle in schwarzem Tolex als Top oder Combo, Zusatzboxen und natürlich der von Kelley bekannte und hoch gelobte Powersoak.
Sehr gute Klangbeispiele gibt es auf der Kelley Homepage oder auf Youtube-Videos des bekannten Test-Bloggers Pete Thorn oder von Joe Bonamassa, der seit geraumer Zeit auch zu den Kunden gezählt werden darf. Trotz der anfangs erwähnten technischen Schwächen, gehören diese Amps für mich auch heute noch zur ersten Riege der Boutique-Legenden. Ihr Sound ist so markant und einzigartig, dass ich einen Kelley sogar einem Dumble oder Boogie Mark I vorziehen würde.
Ein Original wird sich kaum noch finden. In Deutschland gibt es vermutlich kaum mehr als ein Dutzend dieser Amps. Daher verdienen sie in meiner Rare-Bird-Rubrik einen Ehrenplatz. Bis zum nächsten Mal! Udo Pipper
Fleißig, fleißig die Firma Mooer. So wie News sprießen, hat man das Gefühl der chinesische Hersteller bringt jeden Monat ein neues Produkt auf dem Markt. Das hier ist der Newcomer des Monats April. Ein Modeling-Amp, kompakt wie leicht, und doch geradezu luxuriös ausgestattet. Zu haben für zwei grüne Scheinchen. Groß im Sound für kleines Geld?
Über die Fähigkeiten des Mooer Little Tank D15 gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Combos vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Pico, das ist die kleinste Kapazitätseinheit von Kondensatoren in analogen Verstärkern, pF, Picofarad. Ein Billionstel, „0,000.000.000.001“. Die Zahl ist klein, ziemlich klein. Passt aber doch gut zu einem so einem Vollröhren-Winzling. Der natürlich ein erklärter Purist ist.
In unseren Redaktionsräumen hat der Name Nepomuk einen guten Klang. Dafür hat der kleine Muck gesorgt, den wir in unserer G&B-Ausgabe Februar/2015 einem ausführlichen Test unterzogen. Sein sehr gepflegter Ton erreichte Referenz-Status, die spezielle Ausstattung unterstrich das überaus positive Bild. Klar, der dünn ausgestattete Pico geht andere Wege. Aber man fragt sich natürlich sofort ob er auf seine Weise ähnlich auftrumpft. Werden wir gleich wissen.
Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
In den Anfängen der 1990er erlebte der Heavy Metal eine kleine Revolution. Eine ganze Reihe junger und kompromissloser Bands war auf der Suche nach einem neuen, härteren Sound. Schwedische Gruppen wie Dismember oder Entombed läuteten eine neue Ära der Extreme ein. Ein essentieller Bestandteil dieses „Buzzsaw“-Sounds war ein kleines und auf den ersten Blick eher unscheinbares Effektgerät der japanischen Firma Boss. Der Boss HM-2 Heavy Metal.
Tatsächlich wirkt das Pedal auf den ersten Blick wenig spektakulär. Das altbekannte, in schwarz gehaltene Boss-Gehäuse, 4 Regler und die etwas altbacken wirkende, orange Schrift lassen den kleinen, unscheinbaren Burschen zunächst einmal ganz harmlos aussehen. Dieser Eindruck dürfte sich spätestens nach den ersten Akkorden bei eingeschaltetem Pedal erledigt haben. Mit dem passenden Verstärker und einer leistungsfähigen Box kombiniert, erlebt man eine unglaubliche Urgewalt, die sich schwer in Worte fassen lässt.
Mit Definition und Wohlklang hat das nicht mehr viel zu tun. Ein Gitarren-Sound, der dreckig, sägend und unheimlich fett daherkommt und weder Fuzz noch Distortion sein will. Mit einem Wort: eigenständig. Genau dieser Klang war in den frühen 90ern die Grundlage für die Verbreitung des Death Metal in Europa, welcher nun seit einigen Jahren frischen Wind aus verschiedenen Richtungen erlebt.
Death Metal wurde in den frühen Jahren der 1990er vor allem von Bands aus den USA dominiert. Formationen wie Morbid Angel, Death und Obituary hatten zu diesem Zeitpunkt einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erreicht. In Europa dagegen war die Death-Metal-Szene zu dieser Zeit noch in einem eher frühen Stadium, was sich aber dann durch eine ganzen Reihe von vornehmlich schwedischen Formationen ändern sollte. Bands wie Dismember (‚Like an ever flowing stream‘, 1991), Grave (‚You‘ll never see‘, 1992), Entombed (‚Left Hand Path‘, 1990) oder Carnage (‚Dark Recollections‘, 1990) entwickelten aus dem bis dato verbreiteteren Crust- und Anarcho-Punk ihre eigene Version von Death Metal.
War der Sound der amerikanischen Bands noch vergleichsweise sauber und an die zum Teil spielerisch extrem komplexe Spielweise angepasst, entwickelte sich in Schweden eine ganz neue Interpretation des Genres. Die Songstrukturen waren deutlich simpler angelegt und auch die Spielweise wurde extrem reduziert. Dieser Umstand bot natürlich die Möglichkeit, einen ganz anderen, mächtigeren und dreckigeren Sound zu kreieren. Den sehr markanten Klang der Produktionen dieser Ära des frühen, europäischen Death Metal einzig und allein auf das Boss HM-2 Pedal zu reduzieren, wäre wohl etwas gewagt. Und doch zieht sich dieser sägende und dennoch fette Ton wie ein roter Faden durch die frühen Tage dieser extremen Ausrichtung des Heavy Metal. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist sicherlich das Sunlight Studio mit Produzent Tomas Skogsberg.
Unzählige Alben, die den Sound dieser Zeit definieren, wurden in den 90er-Jahren hier aufgenommen, wobei häufig der Boss HM-2 in Verbindungen mit verschiedenen Peavey-Transistor- (Rage, VT 120, Bandit) oder Marshall- Röhrenverstärkern (JCM 800/900) zum Einsatz kam. Anfang der 2000er-Jahre verschwand der HM-2 ein wenig von der Bildfläche. Viele Bands der Death Metal Bewegung hatten entweder begonnen mit ihrem Sound zu experimentieren oder sich aufgelöst. Zwar gab es auch nach wie vor Gruppen der ersten Stunde, die ihrem Genre weitestgehend treu blieben (Dismember oder Grave seien hier genannt), aber in dem zu diesem Zeitpunkt bereits sehr vielfältigen Death-Metal-Genre hatten sich eben eine Vielzahl von parallelen Strömungen entwickelt. Erst in den späten 00er-Jahren des neuen Jahrtausends kam frischer Wind in den bis dato etwas eingeschlafenen Boss-HM-2- Sound.
Bands wie Trap Them, Rotten Sound, Nails oder die wiedervereinten Disfear verhalfen dem sägenden Bösewicht zu neuer Popularität. Sicher ist dies mitunter auch Produzent Kurt Ballou, Besitzer des God City Studios in Salem/Massachusetts und Gitarrist der Hardcorepunk-Legende Converge, zuzuschreiben, der bei einer Vielzahl der Produktionen der letzten Jahre ein gutes Händchen für diesen speziellen Klang bewies. Viele der dort aufgenommenen Alben zeigen einen Mix aus verschiedenen Strömungen des extremen Metals. Die aus Seattle/Washington stammenden Trap Them beispielsweise verstehen es meisterhaft, den von Bands wie Black Flag oder Minor Thread beeinflussten Hardcorepunk- Sound der 80er-Jahre mit den schweren und tief gestimmten Riffs der 90er-Jahre- Death-Metal-Ära zu vermischen, was in Kombination mit dem HM-2 eine spannende Mixtur ergibt.
Auch die aus Vaasa/Finnland stammende Grindcore-Institution Rotten Sound hat durch ihren wilden Stilmix aus klassischem Grind und dem Klang des Boss Heavy Metal eine neue Facette innerhalb des Genres geschaffen. Eine maßgebliche Aufnahme für die erneute Popularität des Boss HM-2 ist mit Sicherheit Disfears 2008 erschienenes und von Kurt Ballou produziertes Album ‚Live the Storm‘. Selten wurde der Klang des Pedals so gut in Szene gesetzt wie auf dieser Platte. Auch die Songstrukturen zeigen, dass selbst simpelste Riffs und Melodien durch den HM-2 eine unglaubliche Wucht erhalten.
Praxis Boss HM-2
Hergestellt wurde der Boss HM-2 von 1983 bis 1991. Wurden die ersten Jahrgänge noch in Japan gefertigt, verlagerte Boss die Produktion 1988 nach Taiwan. Wie groß der klangliche Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, ist umstritten, die ältere japanische Version kann allerdings mitunter auf dem Gebrauchtmarkt durchaus beachtliche Preise von über 100 Euro erzielen. Ausgestattet ist der Boss HM-2 mit 4 Reglern. Level regelt die Gesamtlautstärke des Schaltkreises, Lo den Bass/Tiefmitten Anteil, während Hi die Hochmitte/Höhen reguliert. Dist bestimmt zu guter Letzt den Grad der Verzerrung . Soweit die Theorie! In der Praxis sieht es insofern ein wenig anders aus, als dass der Dist- Regler mehr wie ein On/nochmehr- On Schalter funktioniert.
Dreht man das Poti auf Linksanschlag, ist bereits eine enorm dichte Verzerrung hörbar. Dreht man nun ein klein wenig in Richtung 9-Uhr-Position wird ein erheblicher Anstieg der Verzerrung und der „sägenden“ Hochmitten hörbar. Danach passiert im Grunde nichts mehr, erst auf dem letzten Bisschen des Regelwegs ist ein nochmaliges Zunehmen der Kompression wahrnehmbar. Dezent verzerrte Sounds? Fehlanzeige!
Die eigentliche Besonderheit neben der etwas eigenwilligen Zerrcharakteristik, ist der Gyrator 2 Band Tone-Stack des Pedals, welcher als „Colour Mix“ bezeichnet das Herzstück des Boss HM-2 darstellt. In der 12-Uhr-Position klingt der schwarze Unhold verblüffend natürlich und ausgewogen. Es ist aber durchaus möglich, mit dem Lo- oder Hi-Poti, den Klang entweder stark auszudünnen oder sehr fett und fast schon angenehm zu verbiegen.
Der eigentliche Trick für den bekannten Buzzsaw-Sound des Pedals liegt allerdings darin, beide Regler auf Rechtsanschlag zu drehen. Nur so entsteht der in den Bässen extrem fette, in den Tiefmitten ausgedünnte und in den Hochmitten sägende, fast schon fuzzige Ton. Mit dem Level-Poti lässt sich der Amp nun sehr gut boosten und ggf. in die Verzerrung treiben. Dreht man nun noch das Dist-Poti ein wenig auf, beginnt die Kettensäge ihre dreckige Arbeit zu verrichten und der Sound wird noch aggressiver und durchsetzungsfähiger.
Eine weitere Besonderheit des HM-2 liegt in der Stromversorgung. Ursprünglich wurde das Pedal mit einem passenden ACA Netzteil ausgeliefert, welches etwa 12 V lieferte. Im Inneren des Pedals wurde die Spannung dann auf 9 V gedrosselt. Mit einem regulären 9 V Netzteil bekommt das Pedal also schlichtweg zu wenig Strom und verhält sich auch klanglich dementsprechend anders.
Auf dem Gebrauchtmarkt werden die wenigsten Boss-Pedale dieser Zeit noch mit dem entsprechend passenden Netzteil gehandelt. Ein Trick, welcher hilft die passende Betriebsspannung zu bekommen, ist, das Pedal entweder mit einer regulären 9-VBatterie oder über ein vorgeschaltetes Pedal mit einem entsprechenden Anschluss (beispielsweise ein Korg Pitchblack Stimmgerät) mit Strom zu versorgen. In beiden Fällen werden die Bauteile, die den Strom auf 9 V reduzieren umgangen und das Pedal erhält die passende Spannung. Wie eingangs schon erwähnt, ist der passende Amp und eine leistungsstarke Box nicht unwichtig, um den gewünschten Ton zu erzielen.
Kamen bei den Death-Metal- Bands der 90er vor allem Peavey-Transistor und Marshall-Topteile zum Einsatz, sieht man heute häufiger alte Vintage-Amps wie den Fender Bassman, Orange OR120, Marshall JMP oder den Ampeg V4 immer wieder in Kombination mit dem HM-2. Der trockene und bei Bedarf mittenstarke Klang und der sehr hohe Headroom dieser Verstärker ergänzt sich gut mit der klanglichen Dynamik des Boss Heavy Metal. Auch die Kombination aus natürlichem Röhren- Crunch des Verstärkers und der hochgezüchteten, dichten Verzerrung des Pedals ergibt eine homogene Mischung.
Simple Powerchords wirken auf einmal wie eine gigantische Wand, Singlenote-Linien auf den tiefen Saiten klingen im Band-Kontext beeindruckend tragfähig und schnellere Riffs kriegen durch den massiven Sound des HM-2 eine ungeahnte Durchschlagskraft, klingen aber auch bei hohem Tempo noch erstaunlich präzise. Akkorde lösen dagegen weniger gut auf, besonders kompliziert wird es bei offenen- oder harmonisch komplexeren Griffen. Hier kommt es schnell zu einem ziemlichen Brei, der bisweilen undifferenziert klingen kann und es wird klar, dass das Pedal hier an seine Grenzen stößt.
Alternativen
Bis vor einigen Jahren existierten praktisch kaum Alternativen zum original Boss Heavy Metal. Mit der Entstehung unzähliger neuer Effektschmieden, gibt es immer mehr Nachbauten des Pedals, darunter von Herstellern wie Abominable Electronics, Lone Wolf Audio, Wren & Cuff aber auch eine äußerst bezahlbare Version der Firma Behringer. Hier zum Test haben wir nun vier Kandidaten (zum Teil auch nur auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich), welche alle einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen.
Lone Wolf Audio – Left Hand Wrath
Lone Wolf Audio ist eine kleine Firma aus Austin, Texas. Joe Anastasio gründete sie 2014 mit dem Ziel, vornehmlich Overdrive- , Fuzz- und Distortion-Pedale auf dem höchstmöglichen Niveau zu bauen. Das Flaggschiff seiner Produktpalette ist zweifellos das Left Hand Wrath, welches man schon jetzt auf Pedalboards von Bands wie Trap Them, Nails oder Bloodbath findet. Das Left Hand Wrath ist im Grunde ein Boss HM-2 auf handwerklich höchstem Niveau mit einigen wirklich sinnvollen Verbesserungen. Es kommen nur hochwertigste Bauteile zur Verwendung und auch die Kabelführung in dem pulverbeschichteten Metallgehäuse zu der äußerst robusten Platine ist vorbildlich. Sympathisch: Als Hommage an das Boss Pedal wird der gleiche Orangefarbton für die Schrift und die Potiknöpfe verwendet.
Positiv fällt sofort das deutlich verbesserte Rauschverhalten auf, welches beim Original durchaus störend sein kann. Zwar ist beim Left Hand Wrath immer noch ein deutliches Grundrauschen zu hören; dies ist aber aufgrund der recht komplexen Schaltung und der häufig verwendeten „Alles-auf-Vollgas“ Einstellung auch kaum zu vermeiden. Das wichtigste Feature aber ist die Verbesserung des EQs. Statt der 2-Band-Regelung des Originals finden wir einen 3-Band Gyrator Tone Stack, welcher es ermöglicht, die sägenden Hochmitten und die wirklichen Höhen getrennt voneinander zu regeln. Dadurch kann der Sound wesentlich flexibler gestaltet und besser an den vorhandenen Amp angepasst werden.
Dazu gibt es noch ein separat zuschaltbares Presence Poti (Vintage/ Modern Switch) sowie einen 3-Fach- Mini-Toggle-Switch, der es erlaubt, zwischen den originalgetreuen japanischen Silizium Dioden, NOS Germanium Dioden oder gar keinem Clipping zu wählen, was eine zusätzliche Verfeinerung des HM-2 Sounds ermöglicht.
Die amerikanische Firma Wren & Cuff wurde in den letzten Jahren vor allem durch ihre diversen Nachbauten verschiedener Big-Muff-Pedale bekannt. Ebenfalls im Programm findet sich der Hangman 2D, ein hochqualitativer Nachbau des Boss HM-2. Der Hangman 2D bietet die gleichen Regelmöglichkeiten wie das Boss Pedal plus einen Toggle Switch, der zwischen Vintage/Modern wählen lässt. Klanglich wird zwar schnell deutlich, woher der Wind weht, jedoch gibt es schon einige deutliche Unterschiede zum HM-2. Im Vintage-Modus ist das altbekannte Sägen zwar vorhanden, jedoch bei Weitem nicht so extrem wie beim Original oder den anderen Pedalen.
Der Modern-Modus reduziert das Sägen noch weiter und boostet dafür die Mitten. Dieser Sound erinnert nur noch bedingt an den klassischen Boss-Heavy-Metal-Ton. Was auffällig ist, ist die deutlich reduzierte Basswiedergabe des Hangman 2D. Im Gegensatz zu allen anderen Boss-HM-2-Alternativen, hat der Hangman einen straffen, fast schon etwas mageren Bassbereich. Das mag Gitarristen, die sich eher in sehr schnellen Gefilden bewegen zu Gute kommen (Rotten Sounds Mika Aalto beispielsweise benutzt seit Kurzem den Hangman 2D), für drückende Mid-Tempo Riffs fehlt es hier allerdings einfach an Schub.
Die Verarbeitungsqualität ist sehr hoch, ähnlich wie beim Left Hand Wrath finden sich nur Bauteile höchster Güteklasse und eine absolut vorbildliche Verarbeitung im Inneren des Pedals. Auch beim Hangman 2D wurde mit der orangen Beschriftung eine schöne Anspielung auf das Original Pedal geschaffen.
Vertrieb: www.effekt-boutique.de, Preis: € 269
Behringer HM300
Bereits seit Anfang 2008 hat die Firma Behringer den HM300 im Programm. Hier ist es vor allem der unfassbar günstige Preis von 19 Euro und das fast schon provokant pinke Kunststoffgehäuse, welches dieses Pedal zu einem Pflichttestkandidaten für jeden HM- 2 Fan werden lässt. Und tatsächlich weiß der kleine Bursche zu überzeugen. Hier wird gesägt, dass die Späne nur so fliegen und auch im Bassbereich kommt ein beeindruckender Low-End-Schub zustande.
Natürlich muss man klare Abstriche in der Verarbeitung des Pedals machen und auch das Kunststoffgehäuse macht nicht den Eindruck, als sei es für die Ewigkeit geschaffen worden. Für jemanden, der einen kostengünstigen Einstieg in die Welt des HM-2- Sounds sucht, ist dieses Pedal trotzdem absolut zu empfehlen.
Vertrieb: www.behringer.com, Preis: € 19
Arion SMM-1 Metal Master
Die in den 1980ern von der Firma Prince Tsushinkogyo unter dem Label Arion in Japan und später auf Sri-Lanka produzierten Pedale, haben heute zum Teil schon Kultstatus. Der Metal Master kommt in einem Kunstoffgehäuse welches einen recht soliden Eindruck macht. Im Gegensatz zum Original bietet der SMM-1 die Möglichkeit, das Signal auf 2 Amps zu verteilen wobei sich der zweite Output klanglich bypassen lässt. Ansonsten ist die Poti-Aufteilung genau wie beim Boss HM-2.
Klanglich weiß der Metal Master zu beeindrucken und muss sich in keinster Weise hinter der hochpreisigen Konkurrenz verstecken. Von allen Pedalen hat der Arion am meisten Bass und liegt in diesem Bereich auch über dem Original HM-2. Der Sound ist unheimlich gewaltig, ohne dabei an Aggressivität zu verlieren. Ein wahres Gebirge türmt sich im Bassbereich auf, sodass gerade schleppende Death Metal Riffs eine Freude sind. In den Mitten ist der Metal Master noch etwas ausgedünnter als seine Kontrahenten, was den massiven Klang noch untermauert. Alles in allem ein absolut empfehlenswertes und beeindruckendes Pedal.
Vertrieb: nur gebraucht, Preis: zwischen € 20 und € 60
Resümee
Der Boss HM-2 ist mit Sicherheit eines der extremsten und gleichzeitig eigenständigsten Pedale unserer Zeit. Selten hat ein ganzes Genre so sehr auf dem spezifischen Klang eines Effektgerätes gefußt. Die Entwicklung des Death Metal der letzten 25 Jahre hat dieser Verzerrer, vermutlich hauptsächlich aus Ermangelung von Alternativen, mit Sicherheit entscheidend geprägt.
Klar, ein vielseitiges oder schön klingendes Pedal finden wir hier nun wirklich nicht. Und trotzdem hat der Boss Heavy Metal eine Nische geschaffen, in der er praktisch nicht zu ersetzen ist. Die schiere Gewalt und der sägende Sound, die dieser kleine Giftzwerg in die Lautsprecher pumpt, ist und bleibt in dieser Art absolut einmalig. Es bleibt spannend zu beobachten, wie Künstler den Klang des HM-2 in Zukunft interpretieren, weiterentwickeln und vielleicht auch in andere Genres tragen werden.
Der Sound des VOX AC 30 ist legendär und polarisiert. Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn, dabei ist er gar nicht so einfach zu charakterisieren…
Es ist schon beeindruckend: Das technische Konzept des AC30 stammt aus einer Zeit, da viele der geneigten Leser noch nicht einmal das Licht der Welt erblickt hatten. Und doch hat es sich über viele Jahre bis heute nahezu unverändert gehalten und ist nach wie vor aktuell. Ein gewisser Tom Jennings führte in den Fünfziger Jahren in Dartford/Kent, nahe London, ein Musikgeschäft. Als der Rock & Roll aus den USA herüberschwappte, erkannte er die Zeichen der Zeit und sah, dass diese wilden Jungs mit ihren E-Gitarren ordentliche Verstärker brauchten. Die mussten damals nämlich mit Gerätschaften vorlieb nehmen, die aus dem Hi-Fi-Bereich adaptiert waren. Und die waren seitens der Leistung wie des Klangs für die E-Gitarre nicht wirklich optimal.
Tom Jennings erinnerte sich in diesem Zusammenhang eines Kollegen aus Kriegszeiten, Dick Denney, von dem er wusste, dass er elektronikerfahren war. Auch war er semiprofessioneller Musiker, spielte Hawaii-Gitarre und hatte einige Energie darauf verwendet, für sich selbst einen passenden Amp zu bauen. Nachdem Jennings diesen gehört hatte, drängte er auf eine Kooperation.
Im Jahre 1957 wurden sich die beiden einig und der erste Vox-Amp entstand, der AC15. Dies war ein 1×12-Combo mit dem legendären Celestion G12-Speaker. Der Verstärker hatte in der Endstufe zwei EL84. Es gab einen Normal-Channel und einen Kanal mit zwei Inputs und regelbarem Tremolo-Effekt. Die Klangregelmöglichkeiten beschränkten sich auf einen Regler zur Höhenabsenkung, das sogenannte Cut-Poti, welches hinter der Phasentreiberstufe auf das Signal Einfluss nimmt.
Der AC15 war sofort erfolgreich. Es dauerte nicht lange, bis Bands wie die Shadows und andere damals berühmte Vox-User mehr wollten: mehr Power, mehr Lautstärke. Das führte 1959 zur Entwicklung des AC30, der mit einem zweiten G12 und vier anstatt zwei EL84 nichts anderes war als ein kräftig aufgepumpter AC15. Damals war es noch so, dass über einen Amp mehrere Signale bzw. Musiker verstärkt wurden. Hieraus erklärt sich, wieso der AC30 bald einen dritten Kanal bekam. Mit dem neuen, etwas höhenreicheren Brilliant-Channel konnten nun ein Bassist und ein Gitarrist zugleich über einem Amp spielen. Wohlgemerkt, eine Klangregelung im üblichen Sinne gab es noch immer nicht.
Erst 1961, auf Betreiben der Shadows hin, die nach einem Fender-Ton fragten, entwickelte Dick Denney die Top-Boost-Einheit, eine Zweiband-Klangregelung, Bass und Treble, die mit einer zusätzlichen Röhre arbeitete und wahlweise (nachträglich) an der Rückseite des Combos montiert wurde. Erst 1964 wurde der Brilliant-Channel serienmäßig mit dem Top-Boost ausgestattet.
Um das Kapital zu steigern, entschloss sich Tom Jennings noch im selben Jahr zu einer geschäftlichen Partnerschaft mit einem Unternehmen namens Royston-Group. Dies war leider eine wenig glückselige Entscheidung: Jennings hielt nicht mehr allein alle Fäden in der Hand, war mit den neuen Produkten nicht zufrieden, konnte unter dem Management nicht so weitermachen, wie er es sich vorstellte, und verließ daher 1967 die Firma. Ebenso erging es Dick Denney.
Änderungen am AC30 lagen in der Zeit zunächst im Design. Das Copper-Panel wich einem grauen Bedienfeld mit silbernen Linien und silberner Beschriftung. Als dann später aber der große runde AC-Spannungswähler vom Panel verschwand, hatte der AC30 auch seine GZ34-Gleichrichterröhre eingebüßt. Dioden verrichteten nun diesen Job. Gleichzeitig wurden die Bulldog-Lautsprecher eingespart, statt dessen G12M (Black-/ Greenbacks) eingebaut und die Point-zu-Point-Verdrahtung auf Platinenbauweise umgestellt. Diese Combos waren aber noch immer sehr gute AC30.
Übel wurde es erst viel später, als volltransistorisierte AC30 auf den Markt kamen. An sich keine schlechten Amps, aber mit dem ursprünglichen Vox-Sound hatten die nicht viel gemein. Spätere Reissues gründeten natürlich wieder auf die ursprünglichen Röhrenschaltungen.
Was ist der typische Sound eines Fender Twin Reverb? Na klar, das ist dieser ultrakraftvolle Clean-Sound mit diesem patschigen Hall und den strahlend-klaren Höhen! Was ist der typische Sound eines Marshall-JCM-800-Topteils? Na klar, das ist dieser raue, kratzige Charakter in den oberen Mitten und Höhen, gepaart mit einer animalischen Durchschlagskraft! Und was ist der typische Sound eines Vox AC30?
„Der typische Sound eines Vox AC30? Na klar, das ist … hmm, das ist doch, äh, tja, irgendwie … weiß ich nicht.“ Tatsächlich keine einfache Frage! Ist es der glasklare Sound eines Hank Marvin? Oder dieser schimmernde Sound der Beatles? Oder etwa dieser drückende, fette Rock-Sound eines Brian May? Oder was?
Es scheint also gar nicht so leicht, einen Vox AC30 zu charakterisieren. Das ist um so erstaunlicher, wenn man bedenkt, wie deutlich das Vox-Schlachtschiff polarisiert. Auf der einen Seite gibt es die, die mit ihm gar nichts anfangen können, auf der anderen Seite diejenigen, die ihn heiß und innig lieben. Doch die Schar derer, die ohne ihren AC30-Combo nicht sein können, ist erstaunlich vielfältig und bunt. Also scheint dieser Amp doch ein gewisses Potenzial zu haben, was ihm erlaubt, souverän über allen Stil- und Sound-Kategorien zu schweben. Wir haben bei bekannten Vox-Usern nachgefragt, was für sie den Sound eines AC30 ausmacht, und welche Rolle dabei die Lautsprecher spielen. Und wir haben interessante Antworten bekommen.
Doch zuerst soll der Meister selbst zu Wort kommen – der große Dick Denney, der diesen zeitlosen Amp damals schuf. Er sagte 1966: „Der einzige Amp, an dem wir nichts Grundsätzliches ändern wollten, war der AC30. Tom Jennings sagte mir mehr als einmal: ,Das ist dein Baby, und er wird ewig genau so gebaut werden.‘“ Und damit hatte Tom Jennings, wie wir heute zu einer Zeit, in der sogar in der Volksrepublik China dieser britischste aller britischen Verstärker gebaut wird, bezeugen können, wieder einmal Recht.
Mike Campbell (Tom Petty & The Heartbreakers), von dem auch unsere Überschrift zu diesem Artikel stammt, meinte: „Ich mag den AC30 vor allem wegen der Beatles. Diese Klarheit und diese spezielle Crispness des Vox-Amps ist einzigartig, genauso wie seine harmonische Verzerrung, die Akkorde in ganz spezieller Weise erklingen lässt: hell, satt und wie Breitwandkino. Ein AC30 klingt zudem genau richtig neben einem Drum-Set, denn man kann ihn gut hören! Unsere Vox-Amps und -Boxen haben die blauen Bulldog-Lautsprecher aus den sechziger Jahren. Ich habe niemals andere Speaker im Zusammenhang mit einem Vox-Amp ausprobiert – warum auch, wenn das Ergebnis so gut ist?
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Snowy White (Roger-Waters-Band, Snowy White & The White Flames, Ex-Thin Lizzy): „Für mich funktioniert der AC30 sehr gut mit meiner alten Les Paul Goldtop (mit Humbuckern). Ich bekomme damit einen warmen, dicken Sound mit einer sehr schönen Verzerrung, wenn die Volumen-Regler an Amp und Gitarre weit aufgedreht sind. Der Amp hat einfach eine sehr reiche Tonwiedergabe. Aber auch der cleane Sound ist gut, und ich spiele oft eher clean als verzerrt. Meistens setze ich ein einfaches Hallgerät ein, das Holy Grail von Electro Harmonix – ich liebe einfach den Sound meines Vox mit einem Hall!
Ich benutze übrigens die ganz normalen, neuen Vox AC30, die man in jedem Laden kaufen kann, und ich lasse sie auch nicht modifizieren. Ganz im Gegenteil, denn ich habe eigentlich noch nie einen Vox-Amp gehört, der nicht gut geklungen hätte. Und die Kombination AC30 und Les Paul klingt sowieso immer gut! Diese neuen Verstärker sind außerdem sehr zuverlässig, und sie sind laut, obwohl sie nur 30 Watt Leistung haben. Zurzeit sind wir auf Tour mit Roger Waters – ich schreibe gerade aus Vancouver, Kanada. Hier benutze ich zwei AC30, wobei ich den zweiten nur für Solo-Passagen hinzu schalte. Das ist auf jeden Fall laut genug, selbst auf den großen Bühnen, auf denen wir jetzt spielen. Von Lautsprechern habe ich allerdings keine Ahnung, ich weiß noch nicht mal, welche Lautsprecher in meinen AC30 drin sind.“
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Francis Rossi (Status Quo): „Ich spiele zwar auch Marshalls, aber ich stehe vor allem auf den Vox AC30. Auf der Bühne verwende ich Marshall-JCM-800-Tops mit 4×12″-Boxen. Von dort aus geht das Signal in einen AC30, der versteckt dahinter steht und unglaublich gut klingt. Ohne ihn wäre ich auf der Bühne verloren.“
John Jorgenson (Hellecasters, Ex-Elton-John-Band u. v. a.): „Die Magie des AC30- Sounds liegt darin, dass er eigentlich immer voll und lebendig klingt, mit einer großen Dreidimensionalität und Komplexität. Der Grund, warum dieser Verstärker in so vielen unterschiedlichen Musikstilen benutzt wird, liegt einfach darin, dass er in der Lage ist, die Essenz und die typischen Merkmale jeder Gitarre optimal darzustellen – von dem kehligen, verzerrten Sound einer Les Paul Junior mit P-90-Pickup bis hin zu dem Glitzern und Schimmern einer Stratocaster oder einer 12-saitigen Rickenbacker. Und dass er trotz seines eigenen starken Charakters den Sound der Gitarre nicht dominiert, sondern eher ihre individuelle Stärke betont.
Sein Reaktionsvermögen und seine Dynamik setzen exakt das um, was die rechte Hand des Gitarristen macht, und AC30-User wollen normalerweise einfach nicht mehr zu einem anderen Amp wechseln, wenn sie das einmal festgestellt haben. In den späten sechziger und frühen siebziger Jahren waren AC30 in Süd-Kalifornien, wo ich herkomme, eher selten, und ich befand mich lange auf der Suche nach einem bestimmten Sound – bis ich meinen ersten AC30 dann 1979 gekauft und die Suche ein Ende hatte. Seitdem bin ich AC30-abhängig.
Die 15-Watt-Lautsprecher, die Celestion für Vox gebaut hat, hatte ich vor dem AC30 kennengelernt. Für einen Freund baute ich zwei kleine Boxen; er besaß ein sehr großes, in den USA gebautes Vox-Royal-Guardsman-Cabinet, das ihm zu schwer war. Die Speaker dieser Box wanderten in die beiden kleineren Gehäuse, und ich stellte sofort beim Testen fest, dass alle meine Amps über diese Boxen deutlich besser klangen als vorher! Das war etwa 1974, und seitdem bin ich großer Fan dieser 15-Watt-Lautsprecher.
Heute sind ja vor allem die blauen Speaker legendär, aber Vox hatte auch einige silberne (Silver Bulldogs), die ähnlich gebaut waren und ebenfalls sehr gut klingen. Ich glaube fest daran, dass jeder AC30 am besten mit diesen 15-Watt-Celestions klingt. In meinen Ohren sind sie die perfekte Ergänzung zu diesem Amp, sowohl was Ton als auch Leistungsumsetzung angeht.“
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Patrick Stump (Fall Out Boy): „Der cleane Sound ist sehr warm, hier ist dieser Amp einfach unschlagbar; verzerrt ist er prima für einen prägnanten Lead-Sound geeignet, was ja vor allem Brian May bewiesen hat. Ein AC30 ist der Amp, der von fast allen Studios als Nr.-1-Empfehlung genannt wird.“
Johnny Borrell (Razorlight): „Ein AC30 sieht einfach total klassisch aus, und das hat mich zuerst angezogen. Dass ich ihn immer noch spiele hat einfach den Grund, dass ich noch nie einen Amp gehört habe, der solch einen Clean-Sound hat wie eben der Vox AC30; er verbreitet so ein magisches Schimmern, das es wirklich bei keinem anderen Amp gibt. Nachdem ich meinen Vox schon eine Weile hatte, habe ich erstmals ein paar Beatles-Videos gesehen und dabei habe ich mir dann gedacht: Verdammt – ich scheine tatsächlich irgend etwas richtig zu machen!“
Peter Buck (R.E.M.): „Ich wollte nicht in die Falle springen und wie alle anderen einen Marshall und eine Les Paul benutzen und dann drei Akkorde herausprügeln. Ich liebe die Ramones, aber selbst will ich nie solche Musik machen. Ich lande immer wieder bei dem AC30, weil dieser Amp so einen schönen, warmen Klang hat.“
Johnny Marr (Ex-Smiths): „Mit einer Les Paul ist ein AC30 großartig! Nicht viele Musiker spielen diese Kombination, aber wenn du dir alte Stones-Aufnahmen anhörst, dann wirst du diesen Sound sofort erkennen. Die Les Paul gibt dir einen schweren, dunklen Sound, und der Vox ergänzt diesen mit seinem warmem Schimmern zu einem perfekten Klang.“
Die Restaurierung von Marshall- und Fender-Verstärkern ist aufgrund der zahlreichen Infos und Schaltpläne, die mittlerweile im Umlauf sind, sowie dem übersichtlichen Aufbau der Elektronik beinahe schon ein Kinderspiel. Ganz anders ist das allerdings bei alten Vox-Verstärkern. Hier traut sich kaum noch jemand heran, und zwar nicht, weil die meisten Elektroniker mit der Schaltung überfordert wären, sondern weil die Restaurierung aufgrund der komplexen Konstruktion oft viele, viele Stunden in Anspruch nimmt und daher sehr teuer wird. Wer möchte schon über € 1000 für einen Vox-Check hinblättern? Aber solche Beträge sind schnell fällig, will man einen alten Vox wirklich für die nächsten 20 Jahre fit machen.
Ich habe gerade ein Parade-Beispiel auf der Werkbank und möchte daher aktuell den Problemfall AC30 gleich von mehreren Seiten ausführlich beleuchten. Vor allem die Modelle der sechziger und siebziger Jahre haben im Laufe ihres Lebens wie ein alter Wal zahlreiche Blessuren eingesammelt und benötigen meist dringend eine Wellness-Kur.
Mein Beispiel ist geradezu typisch: Der AC30 stammt von etwa 1966/67, hat noch das begehrte JMI-Logo sowie die Celestion Silver-Bulldogs. Der äußerliche Zustand ist absolut perfekt. Keine Kratzer, Abschürfungen oder Risse im Frontbespannstoff. Der Kaufpreis betrug daher immerhin schon € 3000.
Auch die Elektronik zeigt sich absolut unversehrt. Hier hat noch nie ein Lötkolben gewütet. Man könnte daher meinen, es handele sich um einen absoluten Glücksgriff. Dieser Eindruck ist allerdings schnell dahin, wenn man das gute Stück einschaltet.
fehlersuche
Der AC30 erwies sich nämlich im Klangtest als viel zu leise. Hier kommt kaum noch Leistung. Auch funktionierte nur der Normal-Kanal, der Brillant-Kanal gab nur noch ein leises Säuseln von sich. Tremolo? Ebenfalls Fehlanzeige. Zunächst hat man natürlich die alten Röhren in Verdacht, aber ein kompletter Austausch der Röhren-Bestückung brachte keinerlei Besserung.
Dann habe ich die Speaker an einem anderen Vox getestet und konnte feststellen, dass diese Lautsprecher völlig ausgelutscht sind. Sie klingen nasal, fast wie eine Stimme aus dem Telefon, und sind viel zu leise. Ein Problem, das ich schon öfter bei alten Silver-Bulldogs angetroffen habe. Meist leider ein Hinweis auf das baldige Ableben. Hier kann aber rasch Abhilfe geschaffen werden. Der Preis für diese Maßnahme geht jedoch schon ins Uferlose. Will man gegen Celestion Blue Bulldog Reissues austauschen, sind allein dafür circa € 700 fällig. Schluck!
Das löste das Problem allerdings nicht. Der Amp klang weiterhin absolut krank. Der gute Zustand des Probanden bringt den Amp-Techniker hier natürlich in einen starken Konflikt. Einerseits möchte man den Originalzustand soweit wie möglich erhalten, andererseits kostet genau dieses Vorhaben jedoch unendlich viel Zeit.
Die Überprüfung der vorgeschriebenen Betriebsspannungen zeigte keinerlei Fehlerquelle. Das Problem lag vermutlich auch hier an einzelnen Bauteilen, die durch die starke Hitze im Laufe der Jahre Schaden genommen haben. Allen voran sind natürlich die Elkos gefährdet. Ausgetrocknete Elkos sind oft der Grund für Leistungsverlust.
Dann müssen sämtliche Widerstände gemessen werden. Bei manchen geht das allerdings nur, wenn man sie vorher auslötet. Im Vox herrscht Enge, und das Layout ist undurchsichtig. Dazu kommt noch, dass die Drähte an Kondensatoren und Widerständen vor dem Verlöten mehrfach um die so genannten Turrets gewickelt wurden, um im Falle einer brüchigen oder kalten Lötstelle noch Kontakt zu garantieren. Man kann die Bauteile daher nicht einfach auslöten, sondern muss in der Regel die Drähte mit dem Saitenschneider kappen. Stunde um Stunde tastet man sich dann bei der Fehlersuche an die Schwachstellen heran, in einer Hand eine Pinzette, in der anderen den Lötkolben mit kleiner Lötspitze. Die Zuleitungen sind mit Plastik isoliert.
Es genügt bereits eine wimpernschlagkurze Berührung des Lötkolbens mit der Isolierung, um diese teils weiträumig abzuschmelzen. Man benötigt also viel Geduld und eine besonders ruhige Hand. Da die Lötleisten sehr schmal sind, wurden beim Einlöten die Bauteil-Drähte oft nach innen gebogen, sodass man jetzt an die Lötstellen kaum herankommt.
Außerdem findet man meist bei einem defekten Vox AC30 nicht nur ein zentrales Problem. Vielmehr zeigen sich oft zahlreiche, kleinere Defekte, die aber in ihrer Summe die Funktionalität stark einschränken; Leistungsverlust, Brummen und ein schlechter, weil dünner und undynamischer Sound sind die Folgen.
lötarbeiten
Wie bereits beschrieben ist es nicht der Aufwand an Bauteilen, der eine Vox-Restaurierung so teuer macht. Es sind vor allem die langwierigen Lötarbeiten. Nach jedem Bauteilwechsel muss man den Amp wieder einschalten und Probehören. Nur so kann man herausfinden, wie weit man bei der Reparatur gehen muss. Danach muss man wieder alle Elkos entladen und weiterlöten. Auch hier ist die Auswahl der Bauteile mitunter entscheidend. Als Widerstände nehme ich häufig stabile Metallfilm-Typen, einfach weil diese sehr zuverlässig und hitzebeständig sind. Hier sollten es jedoch Kohlepress-Typen sein. Der Grund liegt vor allem in den zu erwartenden Klangergebnissen. Wenn schon, denn schon.
Bei schwierigen Fällen lötet man nicht selten zwei bis drei Tage, bis alles wieder perfekt funktioniert. Dann folgt noch eine abschließende Klangabstimmung, bei der unterschiedliche Röhren-Typen und –Fabrikate durchgehört werden müssen. Am Ende hat man eine knappe Woche in den Vox investiert. Ich betone das nur, weil die gleiche Arbeit bei einem Marshall- oder Fender-Amp an einem Nachmittag (!) erledigt werden kann. Schlimmstenfalls addiert sich zu einem neuen Röhrensatz, Lautsprechern und Bauteilen also noch ein satter Posten für die Arbeitszeit.
Ich würde sogar soweit gehen, dass sich solch aufwändigen Maßnahmen nur bei Modellen lohnen, die eine entsprechende Substanz bieten. Problematisch sind die Modelle ab den späten Siebzigern, bei denen sämtliche Bauteile auf einer Platine verlötet sind. Da sich die Lötstellen unter der Platine befinden, muss diese eigentlich entfernt werden, um an die Lötstellen heranzukommen. Die Restaurierung solcher Modelle lehne ich persönlich jedoch mittlerweile ab, weil die Entfernung der Platine derart zeitaufwändig ist, dass man die Kosten für die verwendete Arbeitszeit keinem Kunden mehr zumuten möchte. Hier müsste man schon stark improvisieren, etwa die Bauteile ohne Zuleitung herausknipsen und die neuen Teile mit den verbleibenden Beinchen verlöten. Das ist jedoch alles andere als betriebssicher und sieht auch nicht gut aus. Sicher kann man auf diese Wiese „reparieren“, aber eine Restaurierung verlangt mehr.
abstimmung
Wohl dem, der noch einen gut funktionierenden Vox AC30 sein eigen nennen darf. Mein Freund Martin Meinschäfer vom Megaphon-Studio im Sauerland besitzt einen AC30, der unglaublich laut ist, und dabei so fantastisch klingt, dass man eigentlich sofort auch einen besitzen möchte. Hier kann man nur sagen: „Glück gehabt!“ Ich bekomme aber auch Exemplare zugeschickt, die nicht einmal ein Drittel der Lautstärke bieten und zudem recht dürftig klingen. Und das, obwohl sie technisch vollkommen in Ordnung sind.
Es geht bei einem Vox nicht immer nur darum, ob er einfach nur funktioniert. Er muss vor allem klingen. Ein durchschnittlicher Vox macht jedenfalls überhaupt keinen Spaß. Man will natürlich mindestens so gut klingen wie Tom Petty, The Edge, Rory Gallagher oder Brian May. Doch bis dahin ist es oft ein weiter weg. Kauft man einen alten Vox, mietet man am besten gleich einen Techniker dazu, der sich dieser „ewigen Baustelle“ annimmt. Und das kostet Geld. Die Abstimmung und Pflege eines AC30 ist wesentlich anspruchsvoller als bei entsprechenden Marshall- oder Fender-Modellen. Vermutlich gibt es vor allem aus diesem Grund so viele Vox-Repliken.
Ein alter AC30 ist sicher einer der besten Verstärker überhaupt, aber auch einer der teuersten. Nicht selten muss man heute weit mehr als € 3000 investieren, bevor man diesen Wunder-Sound in seiner voller Ausprägung genießen darf. Darüber sollte man nachdenken.
In einer früheren Ausgabe hatte ich die Bestandsaufnahme zweier Vox-Amps geschildert, die dringend restauriert werden mussten. Es handelte sich um einen 63/64 Vox AC30 Top-Boost mit Copper-Panel sowie einen Grey-Panel JMI AC30 ohne Top-Boost. Beiden Amps fehlte das Gehäuse. Auch die Chassis waren in recht schlechtem Zustand, Bauteile nicht mehr vorhanden oder defekt. Zum Arbeitsumfang gehörte auch die Restaurierung einer alten Vox 2×12-Box, die einer der Vorbesitzer laienhaft mit der Stichsäge in ein Combo-Gehäuse verwandelt hatte. Diese Vintage-Schätze sollten nun wieder möglichst nah an ihren Urzustand gebracht werden. Eine umfangreiche Aufgabe.
Nach der Diagnose hatte ich Bauteile und zwei lizenzierte Replika-Gehäuse bestellt. In dieser Folge möchte ich meine Planung beschreiben, denn es gibt auch hier zahlreiche Wege, die zum Ziel führen können. Nur wenige Wochen nach der Bestellung in den USA bei North Coast Music trafen die beiden AC30-Topteilgehäuse bei mir ein. Diese waren perfekt verarbeitet und mit exakt den richtigen Spezifikationen versehen. Man kann diesen Hersteller daher nur weiterempfehlen.
Ich hatte das vorher durchgerechnet: Hätte ich Holz bestellt, entsprechend zusägen lassen, verleimt und nachbearbeitet, wäre allein dafür schon ein erheblicher Arbeitsaufwand angefallen. Kennt man sich mit so etwas aus und hat genügend Zeit, könnte man das im Hobby-Keller auch selbst machen. Aber eine Einzelanfertigung mit Stundenlohn sprengt da schnell den Rahmen. Schließlich mache ich das ja nicht jeden Tag und hätte daher ziemlich viel Zeit benötigt.
Außerdem braucht man das entsprechende Tolex, den Frontbespannstoff, Griffe und Amp-Ecken sowie ein altes Vox-Logo. Das Tolex muss aufgeklebt, der Bespannstoff sauber aufgetackert werden. Wieder ein paar Stunden Arbeit. Aus dieser Perspektive war die Bestellung zwar nicht preisgünstig, aber immer noch sparsamer als eine Neuanfertigung. Gehäuse und Chassis kann man heute für die meisten Vintage-Verstärker nachkaufen. Vor allem in den USA wird man da via Internet fündig, mal ein willkommener Vorteil der Globalisierung.
Die 2×12″-Box bot allerdings noch genügend Substanz, um selbst Hand anzulegen. Sie wurde vom alten Tolex befreit und befindet sich derzeit zur Beseitigung der ungewünschten Öffnungen beim Schreiner. Mittlerweile waren auch sämtliche Elektronikbauteile eingetroffen. Erfreulich war, dass ich sämtliche Röhrensockel nach intensiver Reinigung noch retten konnte. Ich verwendete hierbei eine Spezialtinktur, die in drei Schritten Schmutz anlöst, beseitigt und versiegelt. Ideal sind dafür kleine Spezialbürsten, die genau in die Pin-Öffnungen passen. Sie funktionieren ähnlich wie die bekannten Pfeifenreiniger, die man natürlich auch verwenden könnte.
Ich entschied daher, die Sockel, Trafos und die Löt-Boards auch während der Reinigung der Chassis an Ort und Stelle zu lassen. Professioneller wäre die restlose Entkernung der Chassis gewesen. Das ist bei einem Vox allerdings ein enormer Aufwand, der viel Zeit kostet. Man muss dazu sagen, dass ein Vox ein sehr kompliziertes Layout hat. Die Elektronik befindet sich in zwei unterschiedlichen Ebenen und folgt keiner besonderen Logik. Verbindungen laufen kreuz und quer und sind daher wesentlich weniger übersichtlich als bei einem frei verlöteten Fender- oder Marshall-Verstärker. Irgendwie erinnert das alles noch sehr an die Röhrenradios der 50er Jahre. Das macht das Arbeiten in einem Vox so schwierig.
Jetzt musste also die ganze Palette an ausrangierten Zahnbürsten, Quickbrite-Schwämmen, Stahlwolle-Ballen und Kratzwerkzeugen herhalten. Ein guter Anfang ist die vorsichtige Bearbeitung stark verschmutzter Oberflächen mit Waschbenzin. Das löst groben Schmutz an, der sich dann ganz gut abreiben lässt. Man muss eben aufpassen, dass das Benzin nur dahin kommt, wo es auch hin soll. Trafos und Bauteile sollten davon möglichst verschont belieben.
Der nächste Durchgang wird mit der guten alten Scheuermilch durchgeführt. Auch hier muss darauf geachtet werden, dass der Amp nicht in Scheuermilch ertränkt wird, sondern so „trocken“ wie möglich gearbeitet wird. Ein Quickbrite-Schwamm ist dabei eine große Hilfe, man sollte aber bedenken, dass dieser leicht Kratzspuren hinterlassen kann. Wer ein chromartig poliertes Chassis erhalten möchte, lässt das lieber und quält sich mit Küchenpapier oder den alten T-Shirt-Fetzen aus dem Alt-Kleider-Sack. Man kann auch mit den üblichen Schmutzlösern aus dem Baumarkt experimentieren. Aber das kommt nur für den eigenen Amp in Frage.
Ich habe mal ein neues Wundermittel bei einem 66er Vox zum Einsatz gebracht, dass die graue Farbe des „Grey-Panels“ gleich mit ablöste… Mir stand dann ein sehr unangenehmer Anruf beim Besitzer bevor. Die empfindlichen Panels reinige ich seither nur noch mit Glasreiniger. Und das dann immer und immer wieder, bis alles sauber ist. Wer einen guten Geheim-Tipp weiß, kann sich gerne melden. Anders beim Stahlchassis. Hier tun Rostlöser oder Klebereste-Entferner manchmal ziemlich gute Dienste.
bauteile
Interessant wird es vor allem bei der Auswahl der Bauteile. Schließlich sollen die Vox-Amps ihrem ursprünglichem Klangcharakter alle Ehre machen. Da ich da in der Vergangenheit viel experimentiert habe, war für mich die Auswahl eigentlich klar. Auch wenn mich jetzt wieder einige Elektroniker verlachen oder mir böse Briefe schreiben, konnte ich immer wieder feststellen, dass Kondensatoren und Widerstände unterschiedlicher Fabrikate auch bei gleichen Werten unterschiedliche Klänge erzeugen. Genau deshalb sind ja die alten Mustard Mullard Caps oder Kohlepresswiderstände bei Sammlern oder Klangliebhabern so begehrt. Leider sind diese Bauteile nicht mehr oder nur gegen horrende Preise erhältlich. Soweit wollte ich hier aus Kostengründen nicht gehen.
Vox-Verstärker dieser Baujahre sind besonders begehrt, wenn sie noch eine unversehrte Ausstattung mit „Mustard“ Mullard- oder Wima-Kondensatoren zeigen. Diese Kondensatoren seien angeblich der Garant für den Vintage-Vox-Ton. Schon vor Jahren fand ich dafür einen sehr brauchbaren Ersatz: Ero/Roederstein-MKT-Folien-Kondensatoren (630 V) und die erst seit kurzem erhältlichen Mullard-Replika-Film-to-Foil-Kondensatoren von TAD. Beide sorgen für einen sehr schnellen und straffen Ton, der in einem Verstärker, der schon aufgrund seiner Schaltung leicht komprimiert und unsauber klingen könnte, sehr gut funktionieren. Sie wirken durch eine Stabilisierung des Tons dieser Gefahr entgegen. Außerdem sind beide Fabrikate sehr beständig gegen Hitze oder Leckströme.
Die ohnehin Service-anfälligen Vox-Verstärker kann man auf diese Weise zuverlässiger machen. Daher verwende ich ausschließlich Spannungsfestigkeiten von 630 V. Das bringt noch etwas mehr Stabilität und ergab bei meinen Hörtests auch leichte klangliche Vorteile gegenüber 400 V, die in einem Vox freilich auch funktionieren. Die defekten Potis werde ich durch CTS-Typen (von TAD) ersetzen. Diese Potis verwende ich eigentlich bei allen Restaurierungen, da sie einfach perfekt funktionieren und sehr zuverlässig arbeiten. Die Elkos kommen ebenfalls von TAD. Diese Kondensatoren erzeugen eine enorme Stabilität. Soweit ich weiß, werden sie in Deutschland gefertigt. Besonders an den Kathoden der Vorstufenröhren mag ich diese Elkos, denn dort schaffen sie einen sehr offenen und durchsichtigen Klang. Sie werden in verschiedenen Größen, in axialer und radialer Bauform angeboten, so dass man immer einen passenden Elko für die oft unterschiedlich großen Halteschellen im Vox findet.
Als Widerstände verwende ich ausschließlich Kohle-Press-Typen. Sie sind zwar rauschanfällig, „klingen“ aber etwas wärmer und geschmeidiger als etwa völlig rauscharme Metallfilm-Typen. Letztere machen in einem Vox aber auch Sinn, weil sie besonders hitzebeständig sind. Wer also auf „Nummer sicher“ gehen möchte, entscheidet sich bei einem Vox vorsichtshalber für Metallfilm-Widerstände. Die beschriebenen Klangunterschiede sind nicht so dramatisch, dass man da mit zu großen Einbußen rechnen muss.
Bevor ich mit der Arbeit anfange, mache ich zahlreiche Fotos mit meiner Digital-Kamera vom Innenleben des Amps. Das kann hinterher viel Zeit ersparen, da man so das ursprüngliche Layout so weit wie möglich vor Augen hat. Es kostet Zeit und Nerven, wenn man während der Lötarbeiten plötzlich Kabel übrig hat und nicht mehr weiß, an welchen Lötpunkt sie gehören. Aufgrund des unübersichtlichen Vox-Layouts muss man dann mühsam den Ausgangspunkt der Leitung ermitteln. Je mehr Fotos man also macht, desto besser.
Seit Herbst letzten Jahres ist der neue Combo ‘Pico’ von Nepomuk am Markt (Testbericht in Ausgabe 07/2018). Auf Anregung von Ebo Wagner & einigen österreichischen Künstlern wird in Kürze eine zusätzliche Buchse für ein externes Speaker-Cabinet eingebaut.
Als Extension-Cabinet passen im Grunde alle 1×12″ & 2×12″ Boxen-Modelle. Zum bisherigen Standard-Speaker Eminence Wizard werden auch Ausführungen mit 12″ Jupiter-Speaker (klanglich passend zum 8″ Jupiter im Pico) & mit Eminence Cannabis Rex (etwas “rauchiger”, sehr fein für old-school Blues) ins Standard-Programm aufgenommen. Andere Speaker können auf Anfrage/Absprache geordert werden.
Dieser exklusive Aufbaukurs, unter fachmännischer Anleitung durch TAD-Werkstattleiter Stephan Mayer, bietet den Kursteilnehmern die Möglichkeit einen eigenen Verstärker auf Boutique-Niveau eigenhändig und selbst aufzubauen.
Der Kurs findet am Samstag, den 08. September, auf dem Guitar Summit statt und bietet Platz für nur fünf Teilnehmer, sodass eine individuelle Betreuung gewährleistet ist. Ab sofort können Interessierte Ihre Teilnahme an der TAD-Masterclass verbindlich buchen, indem Sie einfach über den TAD-Onlineshop eines der fünf limitierten Masterclass-Pakete kaufen.
Im Paket enthalten:
exklusiver Aufbaukurs unter fachmännischer Anleitung durch TAD-Werkstattleiter Stephan Mayer
Drei-Tages-Karte für den Guitar Summit im Rosengarten Mannheim, inklusive der Konzerte am Freitag und Samstag
kompletter Tube Amp Doctor “One-Twelve-16-Combo 5E3-Style”-Bausatz, inklusiver aller Bauteile
handgefertigtes Gehäuse aus den USA, mit original Tweed bezogen, lackiert
Jensen Blackbird-Upgrade Lautsprecher ohne Aufpreis (gesponsert durch Jensen Loudspeakers)
passende, gepolsterte TAD-Schutzhülle
komplettes Werkzeugset zum Aufbau von Tweed-Bausätzen
Das Paket für EUR 1350,- (inkl. MwSt.) beinhaltet alle nötigen Bauteile sodass der Verstärker am Ende des Kurses spielbereit ist. Jeder Verstärker wird nach Fertigstellung einer VDE-Prüfung unterzogen. Die Teilnehmer können Ihre selbst gebauten Amps, wie auch das Werkzeugset wahlweise direkt mitnehmen, oder sich durch TAD zuschicken lassen.
VOX kündigt heute die Neuauflage des ikonischen AC30 an. Der neue Amp hört auf den Namen AC30S1 und bietet den Sound des Klassikers – allerdings in einer schlankeren und umkomplizierteren Ausführung.
Die wichtigsten Merkmale:
Ein Kanal, der auf dem Top Boost-Kanal des legendären AC30 beruht
Vollröhrenaufbau mit zwei 12AX7 Vorverstärker- und vier EL84 Endstufenröhren
12”-Lautsprecher von Celestion mit perfekt auf den AC30S1 abgestimmten Voicing
Send/Return-Effektschleife und Anschluss für externe Box und Digital-Reverb mit einem klassischen Federhall-Sound
Nach zahlreichen Varianten wie Modellen mit 6 Eingängen oder handgelöteten Exemplaren, stellt der AC30S1 die bislang schnörkelloseste Version des Verstärkers dar. Außerdem wiegt er weniger als der AC30 und lässt sich entsprechend leichter transportieren.
Technische Daten:
Bedienelemente: Gain, Bass, Treble, Reverb, Volume
Eingänge: 1 Eingang, FX Loop Return-Buchse
Ausgänge: 1 Anschluss für eine externe Box, FX Loop Send-Buchse
Röhrenbestückung: 2x 12AX7, 4x EL84
Ausgangsleistung: 30W RMS (16Ω)
Lautsprecher: 1×12” Celestion VX12 (16Ω)
Abmessungen (B x T x H): 658mm x 265mm x 550mm
Gewicht: 24,5kg
Lieferumfang: Netzkabel
VOX Mini Superbeetle
Mit dem Superbeetle stellt VOX einen Amp mit vollanaloger Technologie vor, der kultiges Design mit modernem Nutube-Sound kombiniert.
Die wichtigsten Merkmale:
VOX AC-Sounds, jetzt mit Nutube und einer Ausgangsleistung von 50W (an 4Ω)
Hinten offenes Gehäuse mit einem 10” Celestion-Lautsprecher
Eingebauter Tremolo-Effekt, der von der Nutube getrieben wird
Eingebauter Reverb-Effekt mit dem Sound eines klassischen Federhalls
Anschluss für die Verwendung einer 1×12”-, 2×12”- oder 4×12”-Erweiterungsbox
Kopfhörer-/Line-Ausgang zum Üben und für Aufnahmen
Nutube ist eine neuartige Röhre, die auf der Fluoreszenz-Displaytechnologie beruht und mit der sich die Sounds und Ansprache einer herkömmlichen Verstärkerröhre erzielen lassen sollen. Die Nutube im VOX Mini Superbeetle trägt entscheidend zum AC30-Charakter dieses Amps bei. Ebenfalls an Bord ist ein VOX-Tremoloeffekt, dessen Amplitude die Verzerrungsintensität –und somit den Sound– der Nutube beeinflusst. Ist ein höherer Schallpegel erwünscht, gibt es die Option eine Erweiterungsbox anzuschließen.
Technische Daten:
Ein-/Ausgänge: Input, Speaker Output x 2, Phones/Line
Eine weitere Neuheit ist die erste Mundharmonikaserie in der Geschichte von VOX. Zur Auswahl stehen die beiden Modelle Continental 1 & 2, die in Zusammenarbeit mit Suzuki entwickelt wurden und in Japan gefertigt werden.
VOX AC10C1 VS
Ebenfalls neu im VOX Programm ist der AC10C1 VS, der im Wesentlichen eine leicht überarbeitete Version des normalen AC10 darstellt. Bei der neuen Ausführung kommen jedoch ein dunkler Stoff für die Frontbespannung sowie ein Celestion-V-Type-Lautsprecher zum Einsatz.
Limitierte Farbe für die AC-Serie
Immer wieder gab es die Vox-Klassiker in limitierten Farben und auch in diesem Jahr gibt es eine neue Variante: Die Modelle AC4, AC10, AC15 & Ac30S1 gibt es nun auch mit cremefarbenem Tolex; AC15 und AC30S1 bekommen in dieser Version außerdem noch ein Speaker-Upgrade durch einen Celestion Creamback.
Marshall-Amps sind DIE Aushängeschilder zahlreicher Gitarrenhelden und stehen fast schon synonym für eine jahrzehntelange Symbiose mit dem Rock ‘N’ Roll. Kein Wunder also, dass auch viele unserer Leser leidenschaftliche Marshall-Maniacs sind. Von euch haben wir im Laufe der Zeit diverse Fragen bekommen, die unser Autor Udo Piper in diesem Artikel gesammelt beantwortet hat.
Ab wann ist es ratsam, bei einem 50- oder 100-Watt-Marshall die Endröhren zu tauschen?
Das kommt auf den Sound des Verstärkers an. Wenn er gut klingt und noch genügend Leistung hat, gibt es keinen Grund für einen Wechsel. Manche Verstärker verschleißen die Röhren recht schnell, weil sie stets laut gespielt werden und mit hohen Ruheströmen laufen, bei anderen Modellen scheinen die Röhren ewig zu halten. Ich habe schon Marshalls aus den Sechzigern restauriert, die noch den ersten Röhrensatz besaßen und ohne Probleme liefen.
Nagelneue JJ E34L mit wärmerem Ton°
Oft denken die Besitzer dieser Amps, dass ein Wechsel überfällig wäre, weil das Röhrenglas braune oder schwarze Verfärbungen zeigt oder die Heizfäden unterschiedlich hell leuchten. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Röhren schlecht sind. Mit den Jahren verlieren die Endröhren Leistung und Dynamik. Für manche Musiker ist das ein Nachteil, weil sie eben maximale Dynamik und Leistung fordern, für andere ist diese Entwicklung geradezu willkommen, weil die Amps dann weicher und „singender“ klingen. Da ich ohnehin jedem Gitarristen, der einen Röhrenverstärker besitzt, dazu rate, immer Ersatzröhren parat zu haben, kann man ja von Zeit zu Zeit die Röhren tauschen und hören, ob der neue Satz besser klingt.
Ich kenne einige Gitarristen, die bei ihren 100-Watt-Tops zwei der vier Endröhren herausgenommen haben, um die Leistung auf 50 Watt zu reduzieren. Machen solche Maßnahmen überhaupt Sinn oder ist das für den Amp in irgendeiner Weise gefährlich?
Das ist ein durchaus übliches Tuning bei Marshall-Tops. Man sollte allerdings einige Dinge beachten. Zuerst ist es wichtig, dass man nur jeweils die beiden äußeren oder die beiden inneren Röhren herausnimmt, denn nur so bleibt der Amp wirklich im sogenannten Push-Pull-Betrieb. Da die Primärimpedanz des Ausgangsübertragers für vier Röhren ausgelegt ist, sollte man die Impedanz am Ausgang halbieren. Übertrager „sehen“, wie der Name schon sagt, Übertragungsverhältnisse und keinesfalls festgelegte Impedanzen. Spielt man beispielsweise eine 16-Ohm-Box, sollte man am Ausgang mit zwei Endröhren den 8-Ohm-Abgriff wählen, für eine 8-Ohm-Box den 4-Ohm- Abgriff. Viele Marshalls haben auch einen Spannungswahlschalter, an dem man die Ausgangsimpedanz umschalten kann. Da durch zwei fehlende Röhren auch die Anzahl der „Verbraucher“ geringer wird, könnte es sein, dass die Spannungen an den Endröhren leicht ansteigen. Daher empfiehlt es sich auch, den Ruhestrom zu kontrollieren. In der Regel erhöht sich dieser jedoch nur geringfügig.
Post-Phase-Inverter- Master-Volume in einem alten Marshall JMP°
Manche Spieler mögen die aus der Reduzierung der Endröhren hervorgehenden Fehlanpassung. Der Amp wird etwas crunchiger oder schmutziger. Die zwei verbleibenden Röhren werden nun zwar stärker belastet, es droht für den Amp aber nach meiner Erfahrung keine Gefahr. J.D. Simo spielt seinen 1967 Plexi genau auf diese Weise.
Wie wirkt sich eine solche Maßnahme nun klanglich aus? Der Amp wird mit zwei Röhren nur ein klein wenig leiser. Da wird mancher enttäuscht sein. Man kann mit nur etwa 3 dB Lautstärkereduzierung rechnen. Aber der Amp verliert auch etwas Dynamik und Bass. Das heißt, er wird weicher, instabiler und – wenn man so will – singender. Harte Riffrocker mögen diesen Effekt überhaupt nicht, während Bluesrocker diesen Effekt mögen. Der Amp verliert Härte, zeigt mehr Kompression und lässt sich dadurch für manche Gitarristen leichter spielen.
Da die riesigen Trafos aber nach wie vor noch sehr viel „Eisen“ auf die Waage bringen, hält sich dieser Effekt in Grenzen. Der Marshall wird also nicht wirklich um die Hälfte leiser. Ich empfehle, dieses „Tuning“ auszuprobieren und selbst zu entscheiden, unter welchen dynamischen Bedingungen man seinen Marshall am liebsten spielt. Heutzutage ist man ja über jedes Quäntchen Lautstärke-Verlust froh, denn allzu laut darf man vor allem in Clubs nicht mehr spielen.
Mein alter Marshall JMP50 zerschießt regelmäßig meine EL34-Endröhren. Vor allem, wenn ich den Amp weit aufdrehe, halten sie manchmal nur wenige Stunden. Das wird mir allmählich zu teuer. Außerdem ist auf den Amp so bei Gigs kein Verlass mehr. Könnte es dafür einen Grund geben?
In vielen alten und sogar neueren Marshall-Verstärkern werden keine Bremsgitter-Widerstände verwendet. Die frühen JTM45 hatten grundsätzlich keine Widerstände an den Bremsgittern und zahlreiche JMPs lassen sie ebenfalls vermissen. Diese Widerstände werden normalerweise an PIN 5 der Endröhren-Sockel gelötet (und zwar dort, wo die negative Gitterspannung oder Bias anliegt). Der übliche Wert liegt zwischen 1,5 und 5,6k, meist mit einem halben oder einem Watt Belastbarkeit. Sie schützen die Amps vornehmlich vor Oszillationen. Allein daher machen diese Widerstände wirklich Sinn, denn viele Oszillationen liegen außerhalb des Hörbereichs in sehr hohen Frequenzen und rauben dem Amp somit Leistung und natürlich Klangqualität.
5,6K Bremsgitter-Widerstand in einem JMP 100°
Zudem werden ohne diese Widerstände die Endröhren höher belastet. Wer gerne laut spielt oder einen Power-Soak zur Reduzierung der Lautstärke einsetzt, sollte die zwei oder (bei 100-Modellen) vier Widerstände unbedingt nachrüsten lassen. Wichtig dabei ist, dass die Widerstände direkt am Sockel-Pin so nah wie möglich angelötet werden. In der Regel stehen die Widerstände aufrecht vom Röhrensockel nach oben oder befinden sich unter einem Stück Schrumpfschlauch zur Isolierung. Da im Umfeld der Endröhren sehr hohe Temperaturen entstehen können, empfiehlt sich ein Wert mit entsprechend hoher Belastbarkeit. Ton-Gourmets schwören auf Kohlefilm-Widerstände wie bei den alten Originalen, noch sicherer sind hier Metallfilm-Widerstände, da sie thermisch weniger anfällig sind.
Lemco 5000pF Bright-Kondensator im Lead-Kanal°
Da einige Liebhaber der Ansicht sind, dass diese Widerstände auch Sound rauben, beziehungsweise der Marshall ohne diese Widerstände etwas lebendiger und aggressiver klingt, könnte man zunächst mit niedrigen Werten experimentieren. Man probiert zuerst also 1,5k-Widerstände (dieser Wert ist üblich bei Fender-Verstärkern), dann 2,7k, 5,6k oder zuletzt 10k. Darüber hinaus sind vielleicht wirklich Klangeinbußen zu befürchten. Ich selbst habe aber noch nie einen deutlichen Unterschied bei allen Werten zwischen 1,5k und 10k ausmachen können. Dagegen hört man wirklich, wenn sie nicht installiert sind. Der Amp klingt dann tatsächlich ein klein wenig rauer. Man geht jedoch damit ein hohes Risiko ein. Mag sein, dass bei Marshall damals diese Widerstände nur dann eingebaut wurden, wenn man viele Retouren wegen Röhren-Defekten oder Oszillationen beobachten konnte. Natürlich sind verschiedene Hersteller-Typen auch unterschiedlich empfindlich. Da ich aber auch selbst schon oft erlebt habe, dass Röhren ohne die Bremsgitter-Widerstände (auch „grid-stopper“ genannt) schnell durchbrennen, baue ich sie grundsätzlich ein. Es ist eben abhängig davon, wie stark man die Endröhren belasten möchte. Am Ende möchte aber jeder mal seinen JMP50 voll aufdrehen und ein paar Rockriffs abfeuern. Dann kann aber der neue Röhrensatz schnell Schaden nehmen oder gleich komplett abrauchen. Und das wäre einfach blöd.
Es gibt auch Marshalls, bei denen sowohl die Bremsgitter-Widerstände als auch die Schirmgitterwiderstände fehlen. Letztere sollte man unbedingt nachrüsten! Moderne Röhrentypen brauchen sie für einen stabilen Sound. Dort empfehle ich sogar 5-Watt-Typen (mindestens jedoch 2 Watt), ebenfalls wegen der großen Hitzeentwicklung. Die gängigen Werte liegen bei 470 Ohm oder 1K. Bis zum nächsten Mal!
Welche EL34-Röhren sind die besten für einen guten Marshall-Sound?
Das ist eine Frage der klanglichen Vorlieben und Ansprüche. Während manche Musiker ganz zufrieden damit sind, wenn der Amp einfach nur sauber verstärkt, taugt eigentlich jedes Set. Es gibt aber auch Musiker mit ganz bestimmten Klangvorstellungen, die die feinen Unterschiede zwischen verschiedenen Fabrikaten durchaus heraushören und daher keine Kompromisse eingehen möchten. In den Sechzigern waren die ersten Marshall- Boliden mit EL34-Röhren von Mullard, Valvo oder Brimar bestückt. Für Sammler gelten diese Röhren daher als „legendär“. Ein NOS-Satz dieser seltenen Röhren ist jedoch sündhaft teuer. Zudem klingen sie nicht einmal so wie viele Marshall- Fans sich das vorstellen. Sie tönen ein wenig weich und für manche Gitarristen einfach schon zu warm und rund. Sehr beliebt waren dagegen die auffällig langen und schlanken EL34 des ostdeutschen Herstellers RFT/Mühlhausen. Oft wurden diese Röhren mit anderen Markennamen bedruckt (z. B. Siemens, Telefunken, Hoges, AEG) daher erkennt man sie manchmal nicht sofort. Den typischen Rocksound der JMP-Ära verbindet man meist mit diesen Röhren. Sie klingen wie sie aussehen: schlank und stringent. Die Höhen sind präsent, aber sehr musikalisch. In einem Blindtest würden sich wohl die meisten Zuhörer für diese Röhren entscheiden.
Trotz ihres Alters kann man sie noch recht gut finden. Und sie sind längst nicht so teuer wie ein Satz Mullards, Valvos oder Brimars. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich nach dem Mauerfall im Frühjahr 1990 Aspen Pittman von Groove Tubes kennengelernt habe. Er war damals nach Deutschland gekommen, um in Mühlhausen sämtliche Restbestände der RFT-Röhren aufzukaufen. Eine gute Idee, denn das Werk hatte geschlossen und wurde abgebaut. Die Röhren standen damals zu Tausenden auf Paletten verpackt auf dem Werksgelände und warteten auf einen Abholer oder besser gesagt Entsorger. Heute gibt es natürlich wieder eine üppige Auswahl verschiedener Hersteller.
Die neuen TAD-Röhren klingen recht authentisch. Straff und stringent! Wer etwas rundere und wärmere Sounds bevorzugt, wählt die neue E34L von JJ, deren Klang schon beinahe an eine 6L6 erinnert. Das ist eine sehr interessante Wahl für einen Marshall, der nicht zu scharf oder zu harsch klingen soll. Besonders in einem 50-Watt-Modell gefallen mir diese Röhren gut.
Welche Vorstufenröhren sind für den typischen Marshall-Rocksound zu empfehlen?
Hier gilt das gleiche wie bei den Endröhren. Gut ist, was gefällt! Meine Favoriten sind hier eindeutig NOS-Typen von Mullard, Valvo, Brimar, Amperex oder Philips Miniwatt. Und das hat folgenden Grund: Diese Röhren haben oft weniger Gain als moderne Vertreter. Der Verstärker wird damit etwas leiser, straffer und klarer. Und das tut meiner Meinung nach jedem Marshall-Amp gut. Man kann einen Amp, den man vorher auf Lautstärke 5 gespielt hat, auf Lautstärke 6 oder 7 regeln, um die gleiche Gain- Balance zu erhalten. Nun gewinnt der Amp aber an Abbildungsschärfe und Kontur. Und das ist für einen durchsetzungsstarken Marshall-Ton sehr wichtig.
Niemand möchte diesen dicken „Mulm“, den solche Amps manchmal erzeugen können. Die tiefe E-Saite muss knacken … Ich hatte schon alte Mullard ECC83, die in etwa so schwach waren wie eine moderne 12AY7. Mit diesen Röhren kann man auch den Bass-Regler etwas aufdrehen und erreicht wunderschöne Clean-Sounds. Ansonsten sind TAD-Röhren, Sovteks, Electro-Harmonix oder JJ offenbar gleichwohl beliebt. Die JJ-Röhren findet man oft in restaurierten Amps, weil sie recht preisgünstig sind und dafür einen sehr klaren, aber manchmal auch zu hellen Sound liefern.
Mir gefallen besonders in Marshalls die TAD ECC83 WA-Röhren recht gut, weil sie warm und clean klingen. In der Regel probiere ich aber verschiedene Hersteller bei einer Klangabstimmung aus. Was in dem einen Marshall gut klingt, kann für einen anderen als unpassend erscheinen und umgekehrt. Oft mische ich auch verschiedene Fabrikate für besten Klang. Probieren geht über Studieren!
Wo liegt der optimale Ruhestrom für einen mit EL34 bestückten Marshall?
Das sind, salopp gesagt, Werte zwischen 20 und 40 Milliampere. Auch hier gilt es, den besten Klang einzustellen. Und daher findet man in vielen Marshalls einen Mittelwert von etwa 30 Milliampere. Bei niedrigen Ruheströmen halten die Röhren länger, bei höheren steigt der Verschleiß. Stellt man die Röhren auf 45Milliampere, wird es kritisch, obwohl es zuerst sicher recht fett und rockig klingen mag.
Der Ruhestrom ist abhängig von der Leistung der Röhren (plate dissipation) sowie der Betriebsspannung. Er sollte so eingestellt werden, dass ermöglichst bei 70 Prozent der maximalen Leistung der Röhre liegt. Da EL34 in der Regel eine maximale Leistung von 25 Watt haben (50 Watt im Paar), liegt der maximale Ruhestrom bei 450 Volt Betriebsspannung zwischen 28 (cool) und 39 (hot) Milliampere. Hat der Amp eine geringere Betriebsspannung, darf die Bias „heißer“ oder höher eingestellt werden. Bei 420 Volt liegen die empfohlenen Werte daher zwischen 31 und 43 Milliampere. Bei 500 Volt sollte man 30 Milliampere pro Röhre kaum noch überschreiten.
Es hängt also alles von der Betriebsspannung ab. In der ganz frühen Plexi-Ära etwa 1966 bis 1967 gab es Marshalls mit weit über 500 Volt Anodenspannung. Bei diesen Amps verringert sich der empfohlene Ruhestrom natürlich nochmals drastisch. Bei Marshall verwandten Amps wie Hiwatt, Stramp oder Marquis hatte ich Amps mit über 700 Volt Spannung. Da genügt es meist nicht, den Ruhestrom zu verringern, man muss alte Röhren suchen, die diese hohen Spannungen überhaupt verkraften können. Moderne EL34 sind meist nur für Spannungen bis 450 oder 500 Volt geeignet. Bestückt man damit einen alten Marquis, brennen sie durch.
Es gibt also keinen Richtwert, sondern nur einen optimalen Ruhestrombereich, abhängig von der Betriebsspannung. Im Internet gibt es dazu sogenannte Bias Kalkulatoren, die diese Werte tabellarisch sehr schön auflisten. Es kann nicht schaden, da mal reinzuschauen.
Die ganz frühen JTM45 Marshalls hatten zuerst 5881, später KT66-Röhren, die für ihren legendären Sound bekannt sind. Kann man einen modernen Amp damit bestücken, um diesen Sound zu erhalten?
Theoretisch könnte man ein späteres JMP-Modell mit diesen Röhren bestücken. Ich würde es aber nicht empfehlen, denn es gehört mehr zum JTM45-Sound als ein paar Endröhren. Die KT66-Amps der frühen Jahre hatten Ausgangsübertrager mit einer Primärimpedanz von 6,6K (z. B. beim RS Deluxe Trafo) und 8K mit einem Drake-Trafo. Diese Impedanz ist optimal für KT66. Spätere JMP hatten deutlich geringere Primärimpedanzen zur Anpassung an die Eigenschaften einer EL34 (rund die Hälfte der ursprünglichen Übertragerübersetzung). Ich habe öfter probiert, einen JMP mit KT66 zu bestücken, war aber stets enttäuscht von den Klangergebnissen. Die Amps werden sehr Hi-Fi-mäßig clean und etwas kühl.
Nur 390 Volt Anodenspannung: JTM45 Reissue°
Für manchen Geschmack vielleicht gerade richtig, für einen typischen Marshall-Sound jedoch falsch. Es heißt, Jimmy Page und Ritchie Blackmore hätten ihre Marshalls sogar auf KT88 umrüsten lassen, um noch mehr Leistung, Klarheit und Headroom herauszuholen. Das mag in diesen Fällen ganz gut funktioniert haben, aber in der Regel würde man solche Amps als zu stiff und klar betrachten. Aber auch hier entscheidet der persönliche Geschmack. Dazu sollte man wissen, dass KT66, KT77 oder KT88 weit höhere Ruheströme benötigen, um satte Mitten und etwas Wärme zu entwickeln. Auch hier hilft ein so genannter Bias-Kalkulator.
Kann ich meinen Marshall auch mit 6V6-Röhren betreiben, um weniger Leistung zu erhalten?
Mit einer Ausnahme heißt die Antwort nein. 6V6-Röhren sind nur für Betriebsspannungen von bis zu 400 oder maximal 420 Volt geeignet. Marshall-Tops haben jedoch Spannungen von 420 bis 480 Volt. Viele Marshall JTM45 Reissues haben jedoch nur sehr geringe Spannungen von 390 bis 400 Volt. In diesen Amps wäre das möglich.
Ist der Amp zudem mit einem Drake-Trafo mit 8K Primärimpedanz bestückt, würde es optimal passen. Als Ruhestrom empfehle ich etwa 25 Milliampere. Will man auf Nummer sicher gehen, kann man auch die GZ34 Gleichrichterröhre gegen eine 5V4 oder 5Y3 tauschen, was ebenfalls die Spannung weiter absenkt. So baut man sich einen JTM45, der nicht lauter ist als ein Deluxe Reverb. Und das klingt gar nicht mal schlecht, denn die 6V6 haben einen fantastischen Mittenpunch. Soweit in diesem Monat … Bis zum nächsten Mal!
Der Ton von Eric Clapton auf John Mayalls ‚Bluesbreaker‘-Album gilt als legendär. Dass Clapton damals einen Marshall JTM45, aka Bluesbreaker-Combo gespielt hat, ist bekannt. Doch welche Speaker waren da verbaut?
Darüber gibt es in unterschiedlichen Foren gefühlte hunderttausend Seiten Text. Eric Claptons Bluesbreaker- Combo wurde vermutlich Ende 1965 gebaut. Es wird angenommen, dass er zur Ausstellung auf einer Musikmesse gebaut wurde. Es handelt sich um die Combo Version 2, eine neue Version des 1964 eingeführten Amps mit schlankeren Seitenwänden und dem neuen Script-Logo. Es kann daher gut sein, dass dieser Amp noch mit Celestion Alnico T652 bestückt war. Ab 1966 kamen alle 2×12-Combos mit Celestion Greenback G12M-Speakern.
Claptons Sound auf dem Album deutet darauf hin, denn man hört auf den Aufnahmen noch die für die Alnicos typische Kompression. Ganz genau weiß es aber niemand. Eric Clapton kann sich nicht mehr erinnern. Außerdem interessierten ihn technische Details kaum. Jim Marshall habe ich 1999 persönlich danach gefragt. Aber auch er wusste das nicht mehr. Die Frage schien ihn sogar etwas zu nerven, denn er musste sie schon zahlreichen Journalisten beantworten. Wer es ganz genau wissen möchte, muss eben selbst Alnicos und Greenbacks miteinander vergleichen und so ermitteln, welche Speaker dem Sound Claptons am nächsten kommen. Ich habe genau das vor einigen Jahren gemacht und hatte den Eindruck, dass die Alnicos den Beano- Sound besser umsetzen. Aber das bleibt eine Mutmaßung.
1966 Marshall-Pinstripe-Box°
Ich besitze ein Marshall 100-Watt-Top ohne Impedanzwahlschalter. Die festgelegte Impedanz ist 16 Ohm für eine Box. Droht mein Amp nun kaputtzugehen, wenn ich zwei Boxen anschließe und damit eine Fehlanpassung (8 Ohm) erzeuge?
Du hast recht! Zwei 16-Ohm-Boxen parallel zu betreiben, wäre eine Fehlanpassung. Aber das kann der Ausgangsübertrager in der Regel ohne Probleme verkraften. Rate mal, wie viele Musiker sich früher um solche Probleme geschert haben! Ich gehe mal davon aus, dass Clapton, Hendrix, Townshend und Co. ziemlich unbedarft von einer auf zwei Boxen umgestöpselt haben, ohne überhaupt zu wissen, dass ihre Amps einen Impedanzwahlschalter haben. Meist waren die dazu verwendeten Stecker längst auf Tour abhanden gekommen. Die Allman Brothers haben manchmal sogar vier Boxen an ihre Amps angeschlossen. Ebenso Alvin Lee von Ten Years After. Im Zweifelsfall ist ein Unterschreiten der vorgegebenen Impedanz für den Amp sogar sicherer als eine höhere Impedanz.
Celestion G12-Alnico von circa 1964°
Das hat mein Kollege Dirk Groll in einem sehr gut recherchierten Artikel vor ein paar Jahren hier im Magazin dargelegt. Nochmal: geringere Impedanz ist sicherer als eine höhere! Eine Fehlanpassung um 100 Prozent – wie in diesem Fall – können die meisten Verstärker jedoch ohne Schaden verkraften. Die Nachteile liegen eher in der Klangausbeute. Fehlimpedanzen klingen in der Regel leiser und weniger dynamisch als wenn die Impedanz stimmt. Aber auch das ist Geschmackssache. Angeblich gefallen manchen Musikern, wie zum Beispiel Eric Johnson, die Fehlanpassungen klanglich besonders gut. Das heißt, er setzt sie bewusst zur Klangformung ein. Für meinen JTM45 verwende ich hin und wieder auch den 8-Ohm-Ausgang für eine 16-Ohm- Marshall-Box. Er klingt eben etwas leiser und komprimierter, was manchmal willkommen ist.
Ich habe einmal gesehen, dass die Lautsprecher alter Marshall-Boxen nach einem anderen Schema verlötet wurden als neuere. Es heißt, es gäbe Unterschiede zwischen der Series/Parallel- und Parallel/Series-Verschaltung. Klingen diese Schaltungen auch unterschiedlich?
Genauso ist es! Bei neueren Marshall- Boxen werden zwei Lautsprecher zunächst in Serie verlötet und dann an der Buchse parallel geschaltet. Bei älteren Boxen wurden zwei Speaker parallel verkabelt und an der Buchse in Serie geschaltet. Einmal hat man also zweimal 32 Ohm, die an der Buchse parallel wieder auf 16 Ohm verschaltet werden, ein anderes Mal werden zwei parallel geschaltete 16- Ohm Speaker (in der Summe also jeweils 8 Ohm) an der Buchse in Serie geschaltet, worauf die Gesamtlast wieder 16 Ohm beträgt. Mehr kann ich gar nicht dazu sagen, denn die klanglichen Unterschiede sind tückisch.
Celestion G12M-25 von circa 1970°
Während man nach dem Test einer Parallel/Series-Box begeistert feststellen mag, dass genau das die richtige Verschaltung sei, kam man irgendwann bei einer anderen Box zu dem Ergebnis, dass doch Series/Parallel das Maß aller Dinge zu sein scheint. Die spezifischen Klangeigenschaften der unzähligen Celestion-Modelle und die konstruktionsbedingten Abweichungen der unterschiedlichen Speaker-Gehäuse können einen aufs Glatteis führen.
Techniker sind sich da nicht einmal einig, welche Verschaltung nun parallel/series und welche series/parallel genannt werden soll. Da bleibt am Ende nur der Versuch. Wenn ich eine Marshall-Box kaufe, probiere ich stets beide Verkabelungsvarianten, um zu ermitteln, welche mir besser gefällt. Und häufig ist es die Variante, die ich parallel/series nenne. Zuerst werden jeweils zwei Speaker-Paare parallel auf 8 Ohm verschaltet und dann in Reihe auf 16 Ohm verkabelt. Diese Verkabelung hat meiner Meinung nach etwas weniger Mitten, klingt offener und fetter. Aber das ist auch Geschmackssache. Meine Lieblings- Marshall-Box von 1970, die einem Freund von mir gehört, ist genau so verschaltet.
Celestion G12M Heritage°
Kann man die unterschiedlichen Marshall-Boxen-Varianten vielleicht klanglich spezifizieren? Es gibt da ja reichlich Meinungen, welche Box für bestimmte Musikrichtungen am besten geeignet ist. Man kann ja unmöglich alle Modelle kaufen und ausprobieren. Im Musikladen darf man zudem meist nur recht leise testen.
Das könnte man versuchen. Für manche Musiker ist „Vintage“ das Maß aller Dinge. Da müssen es dann natürlich alte Boxen aus den Sechzigern mit Metallschalengriffen sein. Die Boxen sind meist mit Celestion Greenback G12M-20 oder G12M-25 bestückt. Der Sound dieser Speaker gilt als warm und cremig, ideal also für Bluesrock, Rock’n‘Roll oder Vintage-Rocksounds. Geprägt wurde diese Ansicht durch Protagonisten dieser Ära wie Clapton, Hendrix, Page und Beck, die alle solche Boxen in ihrer frühen Schaffensphase verwendet haben. Diese Lautsprecher waren jedoch aufgrund ihrer geringen Leistung recht anfällig für Ausfälle. Sie waren aber besonders beliebt wegen ihrer kompakten Mitten und ihres oft kehligen Grundcharakters.
Celestion G12-65°
In der Zeit von 1969 bis 1970 folgten die Celestion G12H-Speaker mit 30 Watt. Diese haben mehr Bass und mehr Höhen, sind etwas klarer, aber lassen diese „bluesigen“ Mitten vermissen. Mit einer Stratocaster klingen die G12H fantastisch crisp und offen, mit Humbucker- Gitarren allerdings manchmal zu dick und mitunter auch etwas schrill. In den Siebzigern gab es dann stärkere M- und H-Modelle mit schwarzer Abdeckkappe (Blackbacks) in sehr unterschiedlichen Ausführungen. Diese Lautsprecher sind mittlerweile auch unter Sammlern recht begehrt, da sie etwas heller und aggressiver als die alten Greenbacks klingen. Während es von Celestion für die alten Greenbacks G12M und G12H sehr gute Repliken in der Heritage-Serie gibt, sind die Blackbacks als neue Speaker nicht erhältlich.
Ende der Siebziger kamen die komplett schwarzen Marshall-Boxen mit großem Schriftzug. Hier findet man meist die G12- 65 oder G12-75, die einen fantastisch stabilen und warmen Rocksound abliefern. Der Sound erinnert vor allem an Größen wie ZZ-Top, AC/DC oder Thin Lizzy, um nur einige zu nennen. Natürlich hat auch Steve Lukather solche Boxen während der frühen Toto-Ära verwendet. Für die 65er gibt es ebenfalls eine sehr gute moderne Replik von Celestion.
Celestion G12M „Blackback“ mit Alu-Kalotte°
Etwa Mitte der Achtziger brachte Marshall dann den kräftigen Vintage 30 mit 65 Watt auf den Markt. Der Speaker war sofort wegen seines extrem mittigen Rock-Sounds beliebt. All meine Kollegen waren von diesem Speaker derart begeistert, dass es eigentlich nur noch einen Celestion-Speaker hätte geben müssen. In der Rückschau sind diese Lautsprecher allerdings sehr fokussiert in den Mitten und daher etwas einseitig. Für Rock- Sounds à la Gary Moore, van Halen oder Brian Adams klingen sie jedoch nach wie vor perfekt. Außerdem sind sie laut! Die in China gefertigten aktuellen Modelle klingen allerdings noch etwas heller und aggressiver als ihre Vorgänger Made in England.
Celestion G12M „Blackback“°
In den Neunzigern kam es zur Neuauflage des Greenback G12M-25, der seinen Urahnen kaum nachsteht. Diese Speaker stehen etwa bei mir zu Hause für Tests mit typischem Marshall-Flair. Seit ich bei Matthias Jabs eine mit diesen Speakern bestückte Box gehört habe, musste ich solche Lautsprecher haben. Natürlich mag es alte Greenbacks geben, die noch etwas feiner und musikalischer klingen, aber es wird immer schwerer, intakte Exemplare aus den Sechzigern zu finden. Die meisten davon sind durchgespielt und damit matschig im Klang und leistungsschwach.
Ich würde ohnehin jedem Liebhaber alter Marshall-Boxen empfehlen, niemals ungeprüft Lautsprecher oder ganze Boxen bei eBay zu kaufen. Das kann übel ausgehen. Da gibt es richtig schlechte Exemplare für sehr viel Geld. Besser ist es, hinzufahren und zu testen. Dann findet man vielleicht seine Traumbox.
Parallel/Series-Verkabelung°
Insgesamt kann ich beobachten, dass bei den zahlreichen Sammlern, die ich regelmäßig besuche, neben den alten Schätzen meist auf einer nagelneuen Marshall-Box aus der Handwired-Serie gespielt wird. Die Boxen haben Heritage-G12H-Speaker mit 55 Hertz eingebaut und klingen eigentlich mit jedem alten Marshall sehr gut. Auch bei mir steht so eine Box als Referenz für Verstärker-Tests. Tiefer gestimmte Heavy-Gitarren kommen dagegen perfekt über eine Box mit Vintage 30. Letztere geben auch einen sehr überzeugenden AC/DC-Ton ab.
Auch seitens der Gehäuse gibt es reichlich Varianten. Vor allem bezüglich der Rückwände gibt es da die Diskussion Birkensperrholz versus Span-Platte. Letztere mache den Sound etwas zu weich, zu instabil und mitunter „mumpfig“. Dann gibt es natürlich auch unterschiedliche Klangauswirkungen der Frontbespannung. Während der Pinstripe-Stoff aus den Sechzigern noch relativ dicht und daher für Höhen undurchlässig war, ist der sogenannte Wheat-Grill der späten Sechziger und Siebziger wesentlich offener und klingt daher heller. Aber auch das ist alles Geschmackssache. Soweit in diesem Monat … bis zum nächsten Mal!
Mich verwirren immer wieder die unterschiedlichen Modell-Bezeichnungen alter Marshall-Verstärker. Wodurch unterscheiden sich die Modell-Zusätze P.A.-Model, Super-Bass und Super-Lead genau?
Das ist wirklich die am häufigsten gestellte Frage zu Marshall-Modellen. Die meisten Gitarristen glauben, dass es sich dabei um grundverschiedene Modelle handelt. Dabei sind die Unterschiede in Wahrheit sehr gering, aber dennoch klanglich von großer Bedeutung. Die unterschiedlichen Modell-Bezeichnungen gehen auf die Anfänge der Marshall-Produktion zurück. Namentlich war der JTM45-Verstärker das erste Modell mit diesen Zusätzen. Die Unterschiede bestehen lediglich in der Ergänzung unterschiedlicher Bright-Kondensatoren. Die grundsätzliche Schaltung ist bei allen Modellen jedoch gleich, wodurch sich jedes Modell sehr leicht in ein beliebig anderes umbauen lässt.
Das sogenannte P.A.-Model hatte keinen Bright-Kondensator. Dieser Amp klingt daher auch prinzipiell dunkel und warm. Beide Kanäle dieses Marshalls klingen daher absolut gleich. Schließlich sollte der Sänger per Mikrofon über diese Amps verstärkt werden. Da wären aggressive Höhen fehl am Platz gewesen (Rückkopplung).
Das Super-Bass-Model verfügt über einen 470pf, 500pF oder 560pF Bright-Kondensator über dem Mischwiderstand des Lead-Kanals. Daher wurde hier der von vorne gesehen linke Kanal zum Bright-Channel, während der rechte Kanal nun Normal-Channel genannt wurde.
Das Innenleben eines JMP „Super Bass“-Modellls°
Für das Super-Lead-Model wurde ein zusätzlicher 100pF bis 500pF Bright-Kondensator über den Eingang und den Schleifer des Bright-Channel Volume-Potis gelötet. Diese Ausführung hat daher die meisten Höhen und auch ein klein wenig mehr Gain als die anderen Modelle. Würde man hier etwa den Bright-Kondensator des Lead-Kanals über den 270k oder 470k Mischwiderständen herausknipsen, hätte man die gleiche Schaltung wie beim ursprünglichen Fender-Bassman-Vorbild. Diese Bassman-Variante hat Marshall tatsächlich nie hergestellt.
Bei alten Marshalls handelt es sich bei diesen Kondensatoren meist um RS- oder Lemco-Keramik-Scheibenkondensatoren. Diese „ceramic caps“ haben einen ganz spezifischen Sound und sind daher gebraucht heißbegehrt. Der beste Ersatz sind vermutlich moderne Silver-Mica-Kondensatoren. Folienkondensatoren klingen an diesen Stellen meist etwas zu dick und verwaschen.
Ich denke, jeder Techniker kann eines dieser Modelle in fünf Minuten in eines der anderen umbauen. Entweder braucht man dazu einen Saitenschneider und knipst überflüssige Bright-Kondensatoren heraus oder lötet schnell einen Bright-Cap in eine der beschriebenen Positionen. Somit kann man sich ohne Probleme die gesamte Modell-Palette zu eigen machen.
„Shared Cathode“-Schaltung in einem frühen JTM45°
Amp-Tuner verwenden hierzu oft auch Mini-Switches, die diese Funktionen von außen schaltbar machen. Es ist interessant, dass Eric Claptons Lieblings-Marshall ein Super-Bass war, und Paul Kossoff sogar oft ein P.A.-Modell verwendete. Der Mangel an Höhen wurde durch entsprechende Einstellungen an der Klangregelung wieder wett gemacht. Bei Clapton waren alle Regler angeblich voll auf. Eddie van Halen tat es ihm später gleich.
Heute bevorzugen die meisten Gitarristen das Super-Lead-Modell, weil man offenbar von Marshalls diese krassen Höhen erwartet. Ab Anfang der Siebziger finden wir in vielen Marshalls sogar einen 5000pF-Bright-Kondensator. Das erklärt die prägnanten Höhen bei manchen Marshalls aus dieser Zeit. Aktuell werden die Hand-Wired-Modelle bei Marshall in der Super-Lead-Version ausgeliefert. Herausknipsen kann ja jeder selbst …
Was genau ist eigentlich mit Plexi-Sound gemeint? Welches Modell hat diesen typischen Vintage-Ton?
Dieser Begriff wird heute praktisch inflationär eingesetzt. Alles klingt „plexi“! Der Amp, die Speaker, ja sogar das Distortion- Pedal. Im Grunde eine Marketing-Phrase. Dabei geht der Begriff eigentlich auf eine Phase in den Sechzigerjahren zurück, in der Marshall golden gefärbte Front-Panele aus Plexi-Glas verwendete. Da aber Musiker wie etwa Jimi Hendrix, Eric Clapton, Paul Kossoff, Jeff Beck, Jimmy Page und Billy Gibbons genau diese Amps für ihre frühen Aufnahmen einsetzten, entwickelte sich die Legende vom Plexi-Sound. Dadurch sollte die Klangbeschreibung von späteren Marshall-Sounds, die wesentlich verzerrter und aggressiver waren, unterschieden werden. Der Plexi-Sound ist in der Regel wärmer und weniger verzerrt als spätere Marshall-Sounds mit viel mehr Gain und Treble. In den Sechzigern erzeugten die Gitarristen ihre saftigen Rocksounds vor allem durch Lautstärke und Übersteuerung „von allem“.
Die Vorstufe wurde durch kräftige PAF-Humbucker angesteuert, die Endstufe bis zum Anschlag aufgedreht, was schließlich auch die anfangs viel zu schwachen Celestion-Lautsprecher in die Übersteuerung führte. Dieser Sound wurde durch eine Kultur der Vorstufenübersteuerung abgelöst. Der Overdrive entstand später vor der Endstufe – meist mit Master-Volume – und wurde dadurch in jeder Lautstärke machbar. Das machte durchaus Sinn, denn dieser Plexi-Sound in seiner vollen Ausprägung sorgte für einen wahnsinnigen Material-Verschleiß. Lautsprecher und Röhren gingen ständig kaputt. Hinzu kamen Hitzeprobleme für die Bauteile und Trafos. Während heute die Musiker von ihren Marshalls meist mehr Distortion und Kompression fordern, war es Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger genau umgekehrt. Gitarristen wie Jimmy Page und Ritchie Blackmore schlugen bei Marshall auf und wollten ihre Amps klarer und mit erweitertem Headroom ausstatten lassen. Sie bekamen dann Marshalls mit vier KT88 und 200 Watt!
„Split-Cathode“-Schaltung in einem JMP 100 von 1971°
Unter Plexi-Sound versteht man heute vor allem eine Schaltungs-Variante von Marshall-Amps, die man häufig auch als „shared-cathode“-Schaltung bezeichnet. Die Plexi-Modelle verfügten meist über einen gemeinsamen 820-Ohm-Kathoden-Widerstand für beide Vorstufen-Kanäle, sowie einen sehr großen 250uF-Kathoden-Elko, der reichlich Bass und Wärme erzeugt. Schließlich hieß das Vorbild von Fender „Bassman“. Diese Schaltung ist für den warmen Ton der Plexi-Amps verantwortlich. Ab etwa 1969 wurde die Kathode der ersten Röhre „gesplittet“, das heißt, jede Stufe bekam einen eigenen Widerstand und einen eigenen Kathoden-Kondensator. Beim Bright-Kanal war das eine Kombination aus einem 2,7K-Widerstand und einem 0.68uF-Folien-Kondensator, beim Normal-Kanal ein 820-Ohm-Widerstand und ein 250uF- oder sogar 330uF-Elko. Rein rechnerisch hatte der Bright-Kanal daher fast 370mal weniger Bass als in der sogenannten Plexi-Ära, denn mit dieser neuen Schaltung ging bald auch eine Auswechslung des Plexi-Panels einher. Vereinfacht könnte man also sagen: Die Plexi-Amps waren die warm klingenden mit viel Bass, alle späteren Modelle hatten mehr Gain und aggressivere Höhen, was schließlich im Modell JCM800 einen vorläufigen Zenit erreichen sollte.
Man hört immer wieder sagenhafte Geschichten vom sogenannten No. 1 Marshall-Amp, dem ersten JTM45, der jemals gebaut wurde. Waren diese frühen Marshalls wirklich noch anders als die aktuellen Modelle?
Den ersten Marshall habe ich selbst schon in Milton Keynes im hauseigenen Museum der Firma besichtigen können. Eine exakte Kopie dieses Amps wurde auf der 50-Jahr-Feier bei Musik Meyer vor vier Jahren in Marburg präsentiert. Ich hörte den Amp aus nächster Nähe, da ich diesen Part des bunten Abends moderieren durfte. Doug Aldrich (Whitesnake) stand mir zur Seite und feuerte auf seiner Les Paul Goldtop alle möglichen Rock-Licks aus dem Amp. Ich werde nie seinen Blick vergessen, nachdem er die ersten Akkorde angeschlagen hatte. Der Sound war damals gigantisch. Warm, saftig, fett und das Beste in Sachen „British Blues Invasion“, das ich bis dato live gehört hatte. Er konnte es selbst kaum glauben. Und Doug Aldrich hat bestimmt schon oft hervorragende Gitarren-Sounds erzeugt oder gehört.
Der berühmte erste Marshall Im Museum in Milton Keynes°
Man kann den Sound dieser Amps nur schwer beschreiben. Mit einer guten Les Paul am voll aufgedrehten Amp erreicht man mühelos diesen klassischen Marshall-Blues-Rock-Ton à la Clapton, Gary Moore, Paul Kossoff oder ZZ Top. Ich bin mir sicher, dass kein Overdrive-Pedal der Welt da herankommt.
Exakte Replik des No.1 bei Musik Meyer in Marburg°
Also: Ja, es stimmt. Diese Amps waren besonders. Das schlägt sich schon allein im Sammlerpreis dieser frühen Marshalls nieder. Man bezahlt heute etwa € 12.000 bis € 25.000 für ein gut erhaltenes Exemplar. Viel schwerer wird es aber, wenn man so einen Amp überhaupt finden möchte. Sie sind nur in geringen Stückzahlen gebaut worden und daher extrem selten. Die allerersten Amps waren asymmetrisch in das Gehäuse gebaut (offset) und sind daher leicht erkennbar. Danach wurden sie mittig angeordnet, hatten noch eine weiße oder Aluminium-farbene Front und ein kleines sogenanntes Badge-Logo im Western-Style. Ab etwa 1964 kamen die Amps mit goldener Plexi-Front und dem berühmten Block-Logo. Ende 1965 kam das Script-Logo wie wir es heute noch kennen. 1966/67 wurde der JTM45 eingestellt und durch den JMP50 ersetzt.
In dieser kurzen Phase gab es viele unterschiedliche Versionen dieses Amps. Die ersten Modelle hatten vornehmlich Bauteile von RS, einem Elektronik-Vertrieb in Großbritannien. Die Ausgangsübertrager waren eigentlich Audio-Typen, also für Musikverstärker mit weitreichendem Frequenzgang. Diese Amps klingen etwas cleaner und sauberer als die späteren Modelle mit den besonders begehrten Drake-Trafos. Letztere waren auch in Claptons berühmtem Bluesbreaker- Combo verbaut. Mit einer Primärimpedanz von 8 Kilo-Ohm und zwei GEC KT66- Röhren klingen diese Amps besonders rockig. In den USA kenne ich ein paar betuchte Sammler, die ursprünglich Verstärker-Legenden wie einen Dumble Overdrive Special, einen Trainwreck und einen JTM45 besaßen. Die ersten beiden wurden bis heute meist wieder veräußert, die JTMs blieben aber. Denn kein Verstärker klingt mit einer alten 1959er „Burst“ überzeugender. Sie sind „Keeper“, die man in der Regel nicht mehr verkauft.
1963er JTM45 mit Badge- oder Coffin-Logo°
Die besonders begehrten Modelle haben einen ganz bestimmten Bauteil-Mix, der wohl in der Summe für diese überragenden Sounds verantwortlich ist. Da sind zunächst die Trafos von RS oder Drake, die Mustard Mullard Kondensatoren, Netzteil- Elkos von RS oder Hunts, Kohlepressoder Kohleschichtwiderstände von Allen Bradley oder Piher, eine sehr dünne Litze für die Innenverkabelung und schließlich das Aluminium-Chassis und die Röhren von GEC (Endstufe) und Mullard (Vorstufe). Da es sich im Grunde um Kopien des Fender Bassman handelte, findet man an den Kathoden der ersten Vorstufenröhre noch einen (Wima) 250uF-Kondensator. (Der allererste Marshall hatte sogar gar keinen Kathoden-Elko.) Da wird sehr viel Bass durchgelassen. Daher sind diese Amps fett und recht linear im Vergleich zu späteren Modellen. Manche Gitarristen sind überrascht wie clean und sauber diese Amps in den unteren Lautstärke- Bereichen klingen.
Von den frühen Marshall JTM45-Amps gibt es zahlreiche Reissues oder Repliken. Kommen diese Amps tatsächlich an den legendären Sound der Vintage-Schätze heran? Welche sind zu empfehlen?
Zu dieser Frage fallen mir sofort Parallelen zum Vintage-Gitarren-Markt ein. Ja, es gibt da reichlich Reissues und Repliken, die sehr, sehr gut klingen, aber es gibt wohl kein Modell, das ich kenne, das diesen Sound haargenau nachstellen kann. Daher geben wirkliche Liebhaber wohl keine Ruhe, bis sie endlich ein Original gefunden haben.
Das ist ähnlich wie bei alten Stratocasters, Les Pauls oder ES-Modellen. Die Originale haben einfach dieses Quäntchen mehr Authentizität, das einem meist erst dann bewusst wird, wenn man selbst so einen Amp oder so eine Gitarre spielt. Schon recht gut ist der Marshall JTM45 Reissue, den es schon seit den frühen Neunzigern gibt. Tauscht man die beiden 5881 Endstufenröhren gegen zwei KT66 von TAD oder JJ und sucht sich ein paar gut erhaltene Mullard, Valvo oder Philipps Miniwatt ECC83 Vorstufenröhren, kommt man diesen Sounds schon recht nahe.
JTM45 Reissue mit neuem Board°
Noch etwas besser sind Repliken, die frei verdrahtet sind, ein Aluminium-Chassis und etwas bessere Trafos haben. Solche Amps gibt es hier in Deutschland beispielsweise von Gladius, in den USA von Metropoulos Amps oder Germino. Sehr gut sind auch die Bausätze von TAD. Wenn man hier und da noch ein paar bessere Bauteile findet (z. B. Mustard Mullard Kondensatoren oder alte Röhren), kommen diese Amps den Originalen gefährlich nahe, kosten aber nur ein Bruchteil.
Mit welchen Tuning-Maßnahmen kommt man mit einem Marshall JTM45 Reissue den alten Originalen am nächsten?
Diese Frage ist schwer zu beantworten, da die Reissues von Marshall in zahlreichen Punkten von den Originalen abweichen. Zuerst würde ich ein Augenmerk auf die Röhren richten. Die 5881-Endstufenröhren würde ich gegen KT66 von GEC, TAD oder JJ austauschen. Alle drei sorgen für diesen warmen, mächtigen Ton mit starken unteren Mitten, die man für satte Riffs unbedingt benötigt.
Aber auch damit wird der Reissue noch nicht ganz die Tugenden der Vintage- Amps hervorzaubern können. Der Netztrafo liefert nur etwa 390 bis 410 Volt. Die alten Originale jedoch durchschnittlich 440 bis 460 Volt. Mehr Spannung bedeutet jedoch mehr Klarheit und Headroom. Mit dieser Begrenzung muss man sich abfinden oder den Netztrafo tauschen. Zum anderen ist da die Platinen-Konstruktion des Reissues. Daran ist grundsätzlich nichts auszusetzen, sie verhindert aber die Möglichkeit, die größeren Bauteile der alten Amps unterzubringen. Daher empfiehlt es sich, ein neues Board mit freier Verdrahtung einzubauen. Dieses sollte mit guten Polyester-Kondensatoren und Kohleschicht- oder Kohlepress-Widerständen bestückt werden. Am besten sind da natürlich Bauteile britischer Herkunft wie Mullard, Hunts, RS oder Lemco. Der Reissue wird dann viel wärmer und authentischer klingen als vorher. Solche Bauteile suche und finde ich regelmäßig auf den britischen Ebay- Seiten. Da lohnt sich die Recherche mit etwas Geduld.
1965er Drake Netztrafo°
Kenner sind der Ansicht, dass auch das Aluminium-Chassis dem Stahl-Chassis des Reissues überlegen ist, weil es weniger magnetisch ist und eine bessere Masseableitung garantiert. Solche Beobachtungen kann ich bestätigen.
Bei manchen der älteren Reissues aus den Neunzigern gibt es ein Brumm-Problem, weil der Ausgangsübertrager um 45 Grad versetzt eingebaut wurde. Das kann man beheben, indem man den Trafo um 45 Grad zurückdreht. Danach herrscht wieder Ruhe. Der Ausgangsübertrager empfängt im falschen Einbauwinkel das Streufeld des Netztrafos. Das nervt ziemlich.
RS-Trafos auf einem 1964er JTM45°
Der Ausgangsübertrager des Reissues ist dem Drake-Vorbild nachempfunden. Möchte man den etwas HiFi-artigen Charakter der alten RS-Trafo-bestückten Marshalls, sollte man sich nach einem Austausch umsehen. Hier gibt es hervorragende Ersatztypen zum Beispiel von IG-Wickeltechnik (Ingo Gorges) hier in Deutschland oder in den USA von Chris Merren, Brian Wallace oder Mercury Magnetics. Die RS-Typen haben in der Regel softere, aber offenere Höhen und weniger tiefe Mitten. Mit der typischen Primär-Iimpedanz von 6,6 Kilo-Ohm bleiben sie auch länger clean und dynamischer. Soweit in dieser Folge … bis zum nächsten Mal!
Welche Maßnahmen zur Lautstärkereduzierung sind bei einem Marshall zu empfehlen? Master-Volume? Und wenn ja, welches? Oder taugen auch die Power-Soaks?
Ich nehme an, diese Frage bezieht sich vor allem auf ältere Marshall-Modelle bis Mitte der Siebzigerjahre oder auf neue Vintage-Reissue-Amps ohne Master. Ab den Siebzigern hatten die meisten Marshalls bereits ein Master-Volume an Bord. Marshall verwendete von Anfang an ein simples Master-Volume direkt vor der Treiberstufe. Vom Mittel-Abgriff des Treble- Reglers geht dabei ein Kabel an den Eingang eines 1Meg-log-Potis. Von da aus in den Phasendreher-Eingang. Fertig ist das Master-Volume! Die gleiche Schaltung findet man bei Fender oder Dumble. Das war eben die einfachste Lösung damals. Heutzutage schwören viele Techniker auf ein sogenanntes Post-Phase-Inverter-Master- Volume. Dazu benötigt man ein 250K- Stereo-Poti, da der Ausgang des Master-Volumes jeweils mit den Steuergittern der beiden Endstufenhälften verbunden wird. Der Vorteil hierbei ist, dass auch die Übersteuerung der Treiberstufe für den Sound genutzt werden kann.
Außerdem greift diese Schaltung kaum in das Klangbild des Verstärkers ein. Der Sound bleibt bei voll aufgedrehtem Poti eigentlich unverändert, während ein Master vor dem Phasendreher diesen bei geringeren Lautstärken ja entlastet, man könnte auch sagen „bremst“ und dadurch das Klangverhalten des gesamten Amps beeinflusst. Dennoch hat auch diese Schaltung ihre Anhänger, denn sie erlaubt eine Art interaktives Agieren zwischen den beiden Volume-Reglern. Ich selbst bin nach vielen Versuchen immer noch ein Anhänger der guten alten Pre-Phase-Inverter-Lösung. Das hängt aber auch mit meinen Vorlieben zusammen. Wer gerne stark übersteuert und ein sattes High-Gain bevorzugt, wird sich eher für die Post-Phase-Inverter- Variante entscheiden (aka PPIMV). Manche Amps haben auch beide Master- Varianten an Bord und sind dadurch besonders flexibel. Ein echter Marshall-Fan weiß aber auch, dass diese Amps erst ab einer bestimmten Lautstärke richtig gut klingen. Somit bleiben die Master-Schaltungen stets ein kleiner Kompromiss.
Marshall Power-Brake°
Wer es deftiger mag, also auf eine sattere Endstufenübersteuerung steht, der kann zum Power-Soak greifen. Ich habe gute Erfahrungen mit dem Marshall-Power- Brake, dem TAD Silencer oder neuerdings mit dem sehr komfortablen Fryette Power-Soak gemacht. Letzterer hat noch einen Einschleifweg, Line-Out und einige Möglichkeiten zur Klangformung. Alle haben aber gemeinsam, dass sie bei sehr geringen Lautstärken den Amp so stark „ausbremsen“, dass der Sound leidet. So Amps klingen dann etwas dunkel, verwaschen und unscharf. Für leichte Lautstärkereduzierung sind sie aber durchaus empfehlenswert. Man kann ja auch verschiedene Maßnahmen miteinander kombinieren. Etwa zwei Röhren ziehen, ein Master-Volume einbauen und noch einen Power-Soak verwenden. Mit meinem eigenen Marshall mache ich es zu Hause genauso und kann mich über Sound- Verluste kaum beschweren. Am besten ist vielleicht immer noch die Wahl eines kleineren Amps. Wer wirklich in den vollen Klanggenuss kommen möchte, spielt für geringere Lautstärken eben pur über einen kleinen Amp mit 15 bis 20 Watt.
Hört man alte Van-Halen-Aufnahmen, staunt man nicht schlecht über das schier endlose Gain-Verhalten seines berühmten Van-Halen-Marshalls. Der hatte ja bekanntlich kein Master-Volume oder zusätzliche Gain-Tunings. Gibt es da genauere Informationen über diesen Amp?
Das stimmt! Der frühe Van-Halen-Gitarren- Sound ist schon wirklich legendär. Ich könnte hier noch einmal zusammenfassen, was ich darüber weiß. Meine Informationen habe ich vom amerikanischen Trafo-Experten Chris Merren, der mehrmals an Van Halens Amp gearbeitet hat. Angeblich handelte es sich um einen 1968er JMP Plexi Superlead mit 100 Watt. Chris gab an, der Amp sei an keiner Stelle modifiziert worden. Er hatte die sogenannte shared-cathode Vorstufenschaltung, bei der sich die beiden Kathoden der ersten Vorstufenröhre einen gemeinsamen 220uF und 820-Ohm-Widerstand teilen. Ähnlich wie bei einem alten JTM45- Amp. Die Kathode der zweiten Vorstufenröhre war allerdings mit einem zusätzlichen 0.68uF-Kondensator gebrückt, was man in diesem Baujahr in manchen Amps serienmäßig finden konnte und etwas mehr Gain brachte. Im Phasendreher waren noch 0.1uF Koppelkondensatoren und in der Endstufe ein 47k-Widerstand zur Gegenkopplung. Auf dem Volume- Poti des Bright-Channels war nur ein 100pF-Scheibenkondensator für die Super-Lead-Schaltung, was nur eine leichte Höhenanhebung zur Folge hatte. Zur Anpassung der Netzspannung verwendete er einen Variac, mit dem er die Versorgungsspannungen im Amp leicht absenkte (angeblich 90 anstatt 110 Volt), was ihm den Effekt brachte, dass der Amp leiser wurde, cremiger und dunkler. Daher nennt man seinen Sound auch den „Brown-Sound“. „Brown“ steht in den USA für „warm“.
Plexi-Preamp ohne Gain-Kondensator in der zweiten Vorstufe°
Ich besitze einen alten Grundig Variac, der so groß und schwer ist, dass man ihn kaum heben kann. Echte Wertarbeit. Mit diesem Regeltrafo habe ich den Van-Halen-Sound ausprobiert. Und es funktioniert tatsächlich. Reduziert man die Netzspannung über den Trafo von 235 Volt (dies ist die normale Netzspannung an meinen Steckdosen) auf etwa 210 bis 215 Volt, wird der Amp dunkler, cremiger und komprimierter. Der Overdrive-Sound bei voll aufgedrehtem Lautstärke-Poti wird singender und weicher. Man kann diesen Effekt spielerisch einsetzen und verschiedene Werte ausprobieren. Ab etwa 180 bis 190 Volt scheint der Amp jedoch „abzusaufen“. Er komprimiert dann so stark, dass der Ton wie ein besoffener Bienenschwarm klingt. Bei noch niedrigeren Spannungen geht er dann irgendwann einfach aus.
Plexi-Preamp mit Gain-Kondensator in der zweiten Vorstufe°
Van Halen hatte alle Regler des Amps voll aufgedreht, was zusätzlich Gain bringt. Außerdem hat er oft einen alten MXR-EQ als Mid-Boost eingesetzt. Der Marshall lief meist über 4¥12-Boxen mit 25-Watt- Greenbacks und JBL-D120-Speakern. Der alte PAF-Pickup seiner „Frankenstein“- Strat wurde ohne Ton-Regler mit der Ausgangsbuchse verbunden. Außerdem hatte er die Kappe des Pickups entfernt. All das bringt ebenfalls ein klein wenig mehr Gain und wurde zum Bestandteil seines unverkennbaren Tons.
Während meiner Restaurierungsarbeiten an alten Marshall-Amps in meiner Werkstatt hatte ich oft den Eindruck, dass die früheren Plexis mit axialen, liegenden Netzteil-Elkos ohnehin etwas weicher, wärmer und, wenn man so will, „browner“ klingen. Die Elkos haben außerdem eine etwas geringere Kapazität als spätere Modelle.
Zum Abschluss der Reihe haben wir noch allgemeine Fragen zu Röhren-Verstärkern zusammengestellt.
Hall-Sektion eines Fender-Verstärkers
Seit Kurzem fliegt bei meinem Princeton Reverb die Sicherung bei jedem Einschaltversuch. Woran könnte das liegen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Zunächst würde ich überprüfen, ob ein Defekt der Gleichrichter- oder Endstufen- Röhren vorliegt. Zieh zuerst die Gleichrichterröhre heraus und schalte den Verstärker wieder ein. Sollte die Sicherung jetzt nicht durchbrennen, ist es wahrscheinlich, dass die Gleichrichterröhre der Verursacher ist. Dann steckst Du die Gleichrichterröhre wieder ein und ziehst nur beide Endröhren. Hält die Sicherung in dieser Konstellation, hast du wahrscheinlich eine defekte Endröhre. Fliegt die Sicherung nach dem Austausch der Gleichrichter- und Endröhren immer noch, gibt es wahrscheinlich einen Kurzschluss auf einem der Röhrensockel. Vielleicht ist auch einer der Widerstände (470k und 1,5k) auf den Röhrensockeln durchgebrannt. Die Sicherung kann auch durchbrennen, wenn einer der Netzteil-Elkos defekt ist. Für solche Ausschlussverfahren benötigt man natürlich genügend Sicherungen zum Austausch. Aber keine Bange. Die kosten nur ein paar Cent.
Die empfindlichen Übertrager einer Hall-Spirale
Mein Verstärker macht wenige Minuten nach dem Einschalten komische Geräusche. Es zischt, kratzt und brummt. Das klingt wirklich beängstigend. Was könnte defekt sein?
Da der Verstärker ein paar Minuten braucht, um richtig aufzuwärmen und danach seine volle Leistung zu entfalten, kommen die Geräusche meist erst nach wenigen Minuten. Häufig werden diese Geräusche durch eine defekte Vorstufenröhre verursacht. Nimm die metallenen Schutzkappen ab und taste mit kreisender Bewegung vorsichtig bei eingeschaltetem Amp der Reihe nach alle Vorstufenröhren ab. Du kannst auch vorsichtig mit der Rückseite eines kleinen Schraubenziehers dagegen klopfen. Stellt sich das Geräusch bei einer der Röhren besonders laut ein, hast Du die defekte Röhre wahrscheinlich gefunden. Manchmal sind die Röhren jedoch derart mikrofonisch, dass sie schon kratzen, wenn man an irgend einem beliebigen Punkt an das Chassis klopf oder nur das Gitarrenkabel einstöpselt. In diesem Fall hilft wieder nur das Ausschlussverfahren, bei dem man nacheinander alle Vorstufenröhren austauscht bis man kein Geräusch mehr hört.
Kathodenwiderstand im Vox AC30
Oft kommen diese Geräusche auch von einer kalten Lötstelle bei einer Masseverbindung oder von einem defekten Höhenkondensator. Dies ist wahrscheinlich, wenn auch nach dem Röhrentausch die Geräusche bleiben. In seltenen Fällen ist auch ein Netzteil-Elko oder eine Buchse defekt. Sollte der Verstärker lediglich brutzeln, was sich anhört wie zu heiß gewordenes Öl in einer Bratpfanne, kann auch ein Anodenwiderstand verantwortlich sein. Besonders empfindlich sind Verstärker mit Kohlepress-Widerständen, die thermisch besonders anfällig für Nebengeräusche sind.
Bei alten Fender-Verstärkern (bis etwa 1982) hatte ich auch schon das Problem, dass das Hartpappe-Board, auf dem alle Bauteile verlötet sind, feucht geworden ist und daher sogenannte Kriechströme erzeugt, die dann schreckliche Geräusche machen. Dann hilft nur noch der Austausch des gesamten Boards. In Amerika nennt man dieses Problem „Tweed Disease“, weil alte Tweed-Amps besonders häufig davon betroffen sind.
Seit kurzer Zeit funktioniert der Hall an meinem Super Reverb nicht mehr. Klopfe ich auf den Amp, hört man noch ein ganz leises scheppern, aber mehr nicht. Brauche ich eine neue Hall-Spirale?
Fender-Verstärker mit Hall sind recht anfällig für Defekte. Doch meist lässt sich die Ursache schnell ausmachen. Zunächst würde ich die beiden Röhren für die Treiberstufe und die Aufholstufe ersetzen. In Position 3, von hinten gesehen rechts findest Du bei den meisten Fender-Verstärkern (nur beim Princeton Reverb ist es die Röhre in Position 2) eine 12AT7. Die Anode dieser Röhre wird extrem belastet, weil hier nicht selten 400 Volt anliegen. Das heißt, die Röhre arbeitet stets etwas über ihrem Limit. Häufige Defekte sind die Folge.
Die 12AX7 Aufholröhre (Position 4) geht recht selten kaputt, was aber nicht heißen soll, dass sie ewig hält. Schafft der Austausch der Röhren keine Abhilfe, sollte man die RCA Anschlussbuchsen für die Hallkabel überprüfen. Auch die Cinch-Stecker der Hallkabel selbst können mit abgerissenen Massekontakten den Hall unterbrechen. Sollte auch hier alles in Ordnung sein, liegt der Fehler meist bei der Hallspirale selbst. Zieht man das Blechchassis für die Hallfedern aus der Kunstledertasche, erkennt man an der Unterseite eine Pappabdeckung, die man vorsichtig entfernen sollte. Nun liegt der Blick frei auf die Hallfedern, die an beiden Seiten des Chassis über weitere Federn mit je einem Übertrager verbunden sind. An diesen Übertragern befinden sich hauchdünne Anschlussdrähte, die gerne mal abreißen oder kalte Lötstellen besitzen. Hier sollte man nachlöten. Sollte das auch nicht helfen, bleibt nur der Austausch der gesamten Hallspirale. Manchmal ist das ohnehin ratsam, denn ich habe nach dem Austausch stets den Eindruck, dass neue Hallspiralen wieder dichter und musikalischer klingen als uralte Modelle.
Bei meinem Marshall 18-Watt-Combo höre ich im Ausklang jeder Note aus dem Lautsprecher (Celestion G12M) eine ganz leise Verzerrung, die wie ein Fuzztone klingt. Je leiser der Ton wird, desto stärker hört man das Geräusch. Ist der Lautsprecher kaputt?
Dieses Problem kennt man vor allem von alten Lautsprechern mit Papierschwingspule (Paper Voice Coil), die Jahrzehnte lang in einem Gehäuse verschraubt waren. Mit der Zeit hängen die Schwingspulen nach unten durch und berühren ganz leicht den Magneten. Dieses Problem kann auch entstehen, wenn der Lautsprecher-Korb zu fest an der Frontplatte verschraubt wird und sich dadurch verzieht. Manchmal kann es helfen, wenn man den Lautsprecher herausschraubt und um 180 Grad dreht, denn dann hängt eine eventuell über die Jahre ausgeleierte Sicke genau in die andere Richtung, wodurch sich die Schwingspule im besten Fall von selbst wieder zentriert. Genau auf diese Weise konnte ich solche Probleme (zumindest für eine gewisse Zeit) wieder beheben.
Vorbildliches Layout in einem frei verdrahteten Röhren-Amp
Vorsorglich kann es daher nicht schaden, wenn man seine Lautsprecher alle paar Jahre um 180 Grad verdreht verschraubt. Hat man dieses Problem bereits mit recht neuen Lautsprechern, sind diese entweder schlecht verschraubt oder schon ab Werk schlecht zentriert. Bleibt das Geräusch daher nach erneutem Verschrauben an der Frontplatte, hilft nur der Austausch der Membran mit Schwingspule oder des ganzen Lautsprechers.
Mein Vox AC30 ist für die meisten Live-Clubs einfach schon viel zu laut. Daher möchte ich zwei Endröhren ziehen, um die Leistung auf möglichst 15 Watt zu reduzieren. Da der Verstärker eine Kathoden-Bias in der Endstufe hat, bin ich nicht sicher, ob diese Maßnahme unbedenklich ist.
Da liegst du vollkommen richtig. Bei einem Vox AC30 sollte man auf keinen Fall zwei Endröhren ziehen, weil dann der Ruhestrom zu hoch wird und die Röhren schnell durchbrennen. Alle vier Endröhren (EL84) teilen sich einen gemeinsamen Hochlast-Kathodenwiderstand, der beim Vox 50 Ohm hat. Zieht man zwei Röhren, geht die Berechnung des perfekten Ruhestroms nicht mehr auf, weil zwei „Verbraucher“ plötzlich fehlen. In der Folge steigt der Ruhestrom drastisch an. Der ohnehin von Hitzeproblemen geplagte AC30 wird dabei noch heißer und wird diese Maßnahme daher auf Dauer nicht überleben. Wenn nur die beiden EL84 durchbrennen, hat man noch Glück gehabt. Schlimmstenfalls verbrutzelt auch der Ausgangsübertrager. Man könnte daher den Kathodenwiderstand so berechnen, dass er für den Betrieb mit zwei Endstufenröhren ausgelegt ist. Dann darf man den Amp allerdings nicht mehr mit allen vier Röhren betreiben. Es gibt allerdings eine Lösung, in dem man jeweils zwei Endröhrenpaare an je einen Kathodenwiderstand verschaltet. So könnte man den AC30 stets mit zwei oder vier Röhren ohne Probleme genießen.
Mir ist aufgefallen, dass die meisten neueren Reissue-Röhrenverstärker gleich nach dem Einschalten unverhältnismäßig laut brummen. Ist das normal oder liegt das an Fertigungsfehlern?
Wenn alle Röhren in gutem Zustand sind, sollte auch ein Röhrenverstärker völlig brummfrei laufen (ohne eingestecktes Gitarrenkabel). Solche Verstärker sind jedoch komplexe Systeme, in denen hohe Spannungen anliegen, die kreuz und quer vom Gitarrensignal selbst geschnitten werden. Im Verstärker selbst haben wir es mit Wechselspannung, Gleichspannung und den daraus resultierenden Strömen zu tun. Wichtig ist vor allem, den Netztrafo und alle von ihm erzeugten Spannungen möglichst fern vom Gitarrensignal zu halten. Das ist jedoch kaum zu realisieren. Daher spielt das Layout, also die Anordnung der Spannungs- und Signalverläufe im Verstärker-Chassis, eine entscheidende Rolle. Bei freier Verdrahtung kann man die Signale problemlos rechtwinklig kreuzen, wodurch Einstreuungen vermieden werden. Auch ist es möglich, Verbindungen zu verdrillen, um Störgeräusche zu minimieren. Auf modernen Platinen werden Spannungen und Signale jedoch oft parallel nebeneinander angeordnet, was die schlechteste Lösung ist, denn sie können Brummschleifen und Einstreuungen verursachen. Oft werden diese Verstärker aus Kostengründen sehr ökonomisch konstruiert und nicht nach Klang.
Platinenbauweise in einem Fender Vibro-Reverb Reissue
Ein maximaler Rauschabstand bedeutet aber auch maximalen Klang. Daher bevorzuge ich seit jeher Verstärker mit freier Verdrahtung. In den Neunzigerjahren war der Marshall JTM45 Reissue beispielsweise mit falsch angeordnetem Ausgangsübertrager ausgestattet. Er nahm so Streufelder des Netztrafos auf und schickte diese direkt an den Lautsprecherausgang. Man kann dieses Problem nur beheben, indem man den Ausgangsübertrager um 90 Grad dreht. In diesem Winkel sind die Brummgeräusche sofort weg. Ob die Marshall- Konstrukteure diesen Fehler versehentlich oder in Unwissenheit eingebaut haben, kann ich nicht sagen. Jedenfalls sind die Trafos seit ein paar Jahren wieder im korrekten Wickel verbaut, und die Amps sind wieder brummfrei.
Dies ist aber nur ein Beispiel von vielen, das verdeutlicht, dass man offenbar zu wenig Wert auf einen sauberen Ruhebetrieb legt. Bauteile werden häufig aus Kostengründen unterdimensioniert, falsch angeordnet oder einfach nur vergessen. Das ist schade, denn es führt fälschlicher Weise zu einem schlechten Image von Platinen-Amps. Man kann Platinenkonstruktionen auch elektronisch vollkommen korrekt gestalten. Das zeigen die frühen Platinen-Verstärker von Marshall oder Orange. Auch im HiFi-Highend-Bereich werden die meisten Röhrenvollverstärker in Platinenbauweise gefertigt, wobei sie in der Regel völlig brummfrei und sauber klingen. Hier könnte sich die Musikinstrumenten-Branche noch etwas abschauen. Bis zum nächsten Mal!
Kürzlich hatte ich Kumpel Manne am Fon. Der fällt mit der Tür ins Haus: „Ich brauch´ einen neuen Amp…“ Ich: „Anforderungen?“ Er: „Rocker mit Ton, zwei Kanäle Vollröhre reicht, variabel, ´n bisschen Luxus…“ Und ich hatte gerade dem Revv-Amp hier auf den Zahn gefühlt. „Komm vorbei, ich denke ich hab´ hier was für dich!“
Hat ihm gut gefallen, der Generator 7- 40, aber nein, ich weiß (noch) nicht ob Manne sich tatsächlich für das Topteil entschieden hat. „Revv Amplification, wer ist denn das, kenn‘ ich gar nicht … ?“ Seine Frage ist vermutlich die vieler anderer Kollegen. Was Wunder, die Marke ist jung und noch nicht sooo lange auf dem hiesigen Markt. Bei näherer Betrachtung wirkt sie sogar ein bisschen exotisch. Wir haben es hier nämlich mit High-Tech-Röhrentechnik aus Kanada zu tun. Das ist ja mal selten, kann mich nicht erinnern jemals so was aus dem Ahornland auf dem Tisch gehabt zu haben.
Der Kopf der Company ist ein gewisser Dan Trudeau. Den offiziellen Infos nach hat er das Ingenieurwesen als CNC-Reparaturtechniker erlernt und sich später Robotertechnik und -systemen zugewandt. Über das Musikmachen ist er zum Verstärkerbauen gekommen, wie so viele andere in der Branche. Während er für R&D und Fabrikation zuständig ist, wird er im Verkauf von Scott und Derek Eastveld unterstützt, passionierte Gitarristen die ebenfalls als Quereinsteiger in den Job wechselten.
Das Programm von Revv Amplification umfasst neben unserem Testkandidaten zwei größere Topteile, den Generator 100, eine üppiger Variante des 7-40, daneben den modernen, vierkanaligen Generator 120 und ein besonders kompaktes Modell namens Dynamis, das ebenfalls dem 7-40 ähnelt und in unterschiedlichen Varianten erhältlich ist. Als 2×10″- oder 1×12″-Combo, Topteil oder 19“-Rack-Version. Letztere Option steht auch für den Generator 7-40 zur Wahl. Passende Cabinets, 1×12, 2×12, 4×12, sind selbstverständlich auch im Programm.
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R-e-v-v? Ja ich habe mich auch eine Weile gefragt was die vier Buchstaben wohl meinen könnten. Ist nicht unbedingt naheliegend, darauf muss man erst einmal kommen (zumal ein orthografischer Fehler zugrunde liegt ;-). Das Kürzel ist dem Motto der Firma entnommen: „Revv-olutionizing tube amplifier tone and world class amplifier control!“ Ambitionierter Eigenanspruch. Mit welchem Konzept wird der umgesetzt?
Der Generator 7-40 wirkt auf den ersten Blick wie ein konventioneller Zweikanaler mit separaten, im Layout nahezu identischen Vorstufensektionen; Gain, Dreibandklangreglung, Volume, je fünf Regler. Nix Besonderes daran. Wenn man jedoch die Funktionen der diversen Sound-Schalter kennenlernt, offenbart sich sogleich, dass hier spezielle Ideen umgesetzt sind. Das beginnt damit, dass die Leistung in jedem Kanal wahlweise von 40 auf sieben Watt reduziert werden kann, setzt sich darin fort, dass der Channel 1 zwischen Clean- und Crunch-Wiedergabe umschaltbar ist und im heißen Channel 2 drei Soundshapings aufgerufen werden können, sogenannte „Aggression Levels“ laut Revv Amplification. Mit dem Tonschalter Contour kann weiter Einfluss genommen werden.
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Daneben steht für den Sound-Modus „Channel 1/Crunch“ ein Bright-Schalter zur Verfügung. Die Funktion gibt es im Channel 2 ebenfalls und zusätzlich einen Fat-Modus. Diese beiden werden über einen zwei Positionen-Taster mit neutraler Mittelstellung kontrolliert, wie auch der Soundwechsel Clean/Crunch/Channel.
Taster? Das deutet auf eine intelligente Schaltmimik. So ist es, gesteuert von einem Prozessor tuen nicht weniger als acht Relais in der Elektronik Dienst. Die Betriebszustände können wahlweise über MIDI aufgerufen werden. Ferner gehört zum Lieferumfang ein hoch stabiles Vierfachschaltpedal (Soundmodes, Kanalanwahl, FX-Loop-Status und M/Contour). Sehr erfreulich ist, dass das Anschlusskabel satte 7,5 m lang ist und über professionelle XLR/Cat5-Steckverbindungen verfügt. Das würde ich gerne häufiger so sehen, denn nur mit ausreichend langen Kabeln kann man auf der Bühne Leitungsbäume vernünftig weiträumig verlegen.
Der Generator 7-40 hat noch weitere Zückerchen auf Lager. Drei Messpunkte erlauben den Bias-Ruhestrom der Endstufe von außen zu kontrollieren bzw. auch zu justieren, denn hinten am Chassis rechts außen sind dafür zwei Trimmpotis vorgesehen. Deren Einstellung ist im Normalzustand über Verschraubungen gesichert (he, cool, mitgedacht). Zwei Potis warum? Damit beide Seiten der Class-A/B-Gegenkopplungs-Endstufe separat einstellbar sind. Bestückt ist diese mit einem Quartett 6V6GT-STR vom Tube Amp Doctor. Die ersten zwei Röhren im Signalweg, V1 und V2, sind ebenfalls selektierte Typen von TAD, ECC83WA. Dazu gesellen sich zwei 12AX7/China und eine ECC81/JJ.
Im Signalweg finden sich keine Halbleiter, also ist auch der serielle FX-Weg mit Röhren aufgebaut. Anders als im Web teilweise zu lesen ist, hat er keine +4/-10dB Pegelregelung. Im Gegenteil, der Level-Regler senkt lediglich den Send-Signalpegel ab. Eine Nachverstärkung im Return-Weg ist nicht vorgesehen. Also bitte beachten: Um die Vollaussteuerung (nominale Lautstärke) des Amps zu erreichen sind ca. 0dB/775mV notwendig. Die Effektkette bzw. der letzte Prozessor vor dem Return muss das hergeben.
So, und dann gibt es noch etwas Ungewöhnliches anzumerken. Sehr selten (bis nie) gesehen ist, dass der Amp einen separaten Eingang/Input für aktive Tonabnehmer/Gitarren zu bieten hat. Er ist wie der verbreitet bei anderen Produkten vorhandene Low-Input weniger empfindlich, um unerwünschte Verzerrungen durch erhöhte Tonabnehmerpegel zu vermeiden.
Revv Amplification nimmt allerhöchste Qualität für sich in Anspruch. So heißt es im Infotext: „Unsere Verstärker sind mit viel Aufmerksamkeit für jedes Detail entworfen, was sie im Vergleich zu anderen Amps auf ein neues Niveau von Qualität und Verlässlichkeit bringt. Bauteile werden gewählt im Hinblick auf den Ton nicht auf die Kosten.“ Na, dann schauen wir doch mal rein in das Stahlblechchassis.
Was dem geübten Auge sofort positiv auffällt, ist der Entstörfilter am Netzeingang. Okay, schön, dass er da ist, aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal, und auch was die übrigen Bauteile und die Verarbeitung angeht, muss man der wirklich hohen Qualität zwar applaudieren, doch das Revv Amplification andere ambitionierte Hersteller damit überflügelt, trifft nicht zu. Trotzdem müssen wir einen dicken Pluspunkt für die Fertigungsqualität vergeben.
Abgesehen davon gibt sich Revv Amplification auch Mühe mit der Optik. Hübsch angerichtet, Plexiglasfenster vorne mit Beleuchtung, die ihre Farbe entsprechend der Kanalwahl wechselt (blau = Clean, grün = Crunch, rot = CH 2), auch hinten eine Rückwand mit edlem Look. Kurz, substantiell ist gemessen am Preis alles gut. Und noch ein Hinweis: An der Rückseite findet sich der Anschluss „Cabinet Lightning“. Ominös? Ein Gimmick. Er dient dazu, das Logo in den Revv-Cabinets zu erleuchten, sprich hierüber erfolgt die dafür notwendige Speisung.
MIDI-kompatibel, professionelle Steckverbindung f. d. Fußschaltpedal °
voll auf die 12
Wenn von der 6V6 die Rede ist, wird vermutlich mindestens jeder zweite Gitarrist auf der Stelle an Fenders Deluxe Reverb oder Princeton denken. Verständlich, die sind halt legendäre Protagonisten dieses Röhrentypen. Nun klischeehaft anzunehmen, dass damit bestückte Verstärker klanglich in die gleiche Richtung gehen, wäre falsch, natürlich, denn die Sound-Formung ist von anderen Faktoren viel deutlicher abhängig als von der verwendeten Endstufenröhre. Was uns der Generator 7-40 exemplarisch vorführt. Sein Sound-Charakters ist insgesamt gesehen offensiv-britisch. In den Verzerrungen schwingt ausgeprägt eine Brown-Sound-Note.
Gleichwohl erreicht der Channel 1 im Clean-Modus einen großen voluminösen Ton. Ein wohl dosierter Peak in den oberen Mitten steigert die Durchsetzungskraft und verhindert, dass trotz verbindlicher Wärme die Wiedergabe „zu nett“ wird. Es kommt 3D-Feeling auf, Transparenz wird groß geschrieben und die Feinheiten des jeweiligen Instruments treten authentisch zu Tage. Da die traditionell passiv arbeitende Klangregelung überdurchschnittlich effizient arbeitet, hat die Wiedergabe rundum Hand und Fuß. Der Clean-Headroom reicht auch wenn man Bass nachlegt.
Das Gegenteil bzw. leichtes Anzerren ist gewünscht? Das kommt von selbst, wenn man den Volume Regler über die Hälfte aufdreht. Phasentreiber und Endstufe geraten perfekt fließend in die Sättigung, das Klangbild bläht sich mit den Übersteuerungsanteilen auf und gleicht im Klangcharakter und der Attack-Gegenwehr einem weit ausgesteuerten Vintage-Amp. Die Kompression ist gering, die Tonalität bleibt erhalten, exzellent.
Im 40-Watt-Modus entsteht dabei ein gehöriger Schalldruck, korrekt für die Bühne. Man ahnt es, soll es dezenter zugehen, ist die 7-Watt-Ebene das Mittel der Wahl. Für das Wohnzimmer zu laut, aber doch dezent in der Lautstärke, sind nun dieselben Qualitäten verfügbar. Ja, das hat schon ein verführerisches Flair, wenn Sound und Rückmeldung so „leise“ dem gleichen wie sich ein 100-Watt-Amp nahe der Vollaussteuerung benimmt.
Der Reiz steigt noch wenn die Verzerrungen intensiver werden. Stichwort Crunch im Channel 1. Da lässt der Generator 7-40 die englische Bulldogge raus. Stämmig, kraftvoll, mit raubeinig kratzender Verzerrung. Ja, tendenziell ein Grobian, aber ein gehorsamer und bestens austrainierter. Die Kompression bleibt gering, Die Gain-Reserven sind moderat dosiert. Die Tonqualität blüht auf wenn wie eben beschrieben Volume weit aufgedreht wird.
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Retro-Distortion, AC/DC Blues … mit den Anlagen kann man ebenso schön dem so eloquenten Ton von Jeff Beck nacheifern. Klanglich darf man den Crunch-Modus also als ausgereift betrachten. Der deutliche Lautstärkesprung, der beim Umschalten von Clean nach Crunch entsteht, treibt mir allerdings ein paar Sorgenfalten auf die Stirn. Andersherum wäre es besser. Wenn zu laut, könnte man Clean dann problemlos am Guitar-Volume nachregeln, während Crunch, so wie es jetzt ist, natürlich seine Zerrintensität einbüßt. Was ja meist unerwünscht sein dürfte. Tut mir leid, der Amp kassiert daher an dieser Stelle einen Minuspunkt.
Womit wir zum interessantesten Teil des Generator 7-40 kommen, dem Channel 2, der heißen Distortion-/Lead-Sektion. Sein Basis-Setup folgt klanglich dem Crunch-Modus, dies natürlich mit ungleich höheren Gain-Reserven. Dadurch verdickt sich der Ton, die grundehrliche Ansprache und wenig komprimierende Dynamik bleibt. Wobei der Generator 7-40 zu der vergleichsweise raren Spezies von Verstärkern gehört, der auf der Basis eine für den Spieler angenehme Balance schafft.
Der strammen, nur bedingt nachgiebigen Reaktion auf den Anschlag steht dennoch eine tragfähige wohlwollende Sensibilität gegenüber. Schon bei leichten Anschlägen formen sich die Töne konkret und stabil, bis in die höchsten Lagen des Griffbretts. Sustain-Unterstützung bietet der Channel 2 nur verhalten, aber ist sehr empfänglich für Obertöne, zeigt die Saitenschwingungen quasi bis zur letzten Auslenkung und kippt im Ausklang längerer Noten organisch in höhere Intervalle um. Wieder erinnert der Klangeindruck hoch ausgesteuerten Puristen-/Vintage-Amps. Ein Gedicht kann ich nur sagen, zumal der 7-Watt-Modus dieses ja bei zivilen Lautstärken möglich macht.
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Über eine Mangel an Druck kann man sich in der Grundeinstellung nicht beklagen. Wenn der Sound trotzdem mehr Schub von unten braucht, oder das Instrument mehr Körper, macht der Fat-Schalter einen exzellenten Job. Auch die Bright-Schaltung arbeitet effektiv, da sie nicht einfach nur den Biss in den Höhen intensiviert, sondern breitbandiger bis die obersten Mitten hinein eine regelrechte Gain-Verdichtung des Tons erzeugt.
Auf ähnliche Weise machen sich die drei „Aggression Modes“ bemerkbar. Sie verändern jeweils primär die Textur der Mitten und die Gain-Intensität. Erfreulicherweise so nachhaltig, dass der Channel 2 deutlich das Timbre wechselt, das Retro-Spektrum sozusagen stufenweise in Richtung moderne Klangfarben verlässt. Es geht um mehr als nur Nuancen, alle drei heben sich markant voneinander ab. Und obendrein kann ja auch noch der Contour-Schalter mit einer Art Präsenzen-Lupe in das Geschehen eingreifen. Dazu die wiederum effizient arbeitende Klangregelung … was für ein großes Spektrum, was für ein Komfort sich in der Sound-Abstimmung bietet, herrlich! Der ideale Ton für jede Situation quasi, wie geschaffen für die Arbeit im Studio, wo die Bandbreite punktgenaues Abstimmen unterschiedlicher Instrumente und parallel der Gitarren-Sounds an sich ermöglicht.
Die Konzeption der Schaltfunktionen ist in der Live-Situation nicht minder ertragreich. Nicht zuletzt, weil mit dem Schaltpedal durch wiederholtes Drücken des CH 2- Tasters die drei „Aggro-Modes“ fernbedient aufgerufen werden können (dito die beiden CH 1-Modes) und Contour separat (Taster M). Mal kurz rechnen: 2 Modes im Channel 1, sechs im Channel 2 – drei Mal Aggression jeweils mit/ohne Contour – ergibt acht (!) abrufbare Klangfarben. Es kommt noch schöner. Wahlweise bzw. im Wechsel zur Steuerung der einzelnen Funktionen (Schalter 1 zwei Sekunden gedrückt halten) können auch vier Presets an dem Pedal aufgerufen werden.
Wenn man dem Channel 2 überhaupt etwas ankreiden möchte, dann käme in Frage, das die Plastizität des Klangbild vielleicht noch etwas tiefer sein könnte. Aber wie sagt man: das ist Naserümpfen auf höchstem Niveau. Okay, aber es geht ja auch ein bisschen ums Erbsenzählen bei solchen Tests, nicht?
Zwei davon sind noch übrig. 1. Thema Einschleifweg. Ergebnis: Unauffällig, hochpegelig ausgelegt (nicht bzw. nur bedingt für Pedale geeignet), arbeitet klangneutral, Daumen hoch. 2. Thema Nebengeräusche. Sachlage: Wegen der Relaistechnik sind in gewissem Maße Umschaltgeräusche zu hören (Daumen nicht ganz so hoch ;-), sie halten sich aber in vertretbarem Rahmen.
Diverse Sound-Schalter sorgen für viele Tonfarben °
alternativen
Wenn ich es recht bedenke, gibt es keine. Weil der Generator 7-40 in der Summe zu eigen ist. Grundsätzlich gibt es in sich In seiner Preisklasse gibt es aber grundsätzlich natürlich auch andere souveräne Röhrentopteile.
resümee
Mit neuen Ideen und frischem Konzept belebt Revv Amplification signifikant die Szene. Neben der austrainierten Tonformung überzeugen die diversen Sound-Umschaltungen, einerseits qualitativ für sich genommen, zum anderen weil sie sogar per Fußschalter fernbedient aufgerufen werden können und eine große Bandbreite bereitstellen. Kraft, Dynamik Ausdrucksstärke auf sehr hohem bis höchstem Niveau ? ergibt eine Tonformung par excellence, könnte man sagen.
Die Lautstärkeverhältnisse im Channel 1 könnten allerdings noch eine Feinabstimmung vertragen. Mehr Pegelvariabilität im FX-Weg wäre auch nicht zu verachten. In der Summe ist der Generator 7-40 MKII ein sehr leistungsfähiger, aufwendig konzipierter Verstärker, der dem allgemeinen derzeitigen Marktgefüge nach im Preis vollkommen unkritisch, tendenziell sogar günstig ist. Schließlich ist das luxuriöse Schaltpedal beim Kauf schon inbegriffen.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen das gute alte SM57 von Shure und das C414 von AKG zum Einsatz, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg), eine Steinberger GL4T und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop.
Clips 1 bis 4: Der Channel 1 des The Generator 7-40 bietet zwei Betriebsmodi Clean und Crunch, die über Fußschalter abrufbar sind. Die Gain-Reserven liegen hoch. Der Ton ist groß, voluminös.
Die Clips Nummer 5 bis 9 geben zumindest ansatzweise einen Eindruck davon, wie facettenreich der Channel 2 mit seinen diversen Sound-Switches ans Werk geht.
Clip 10 verdeutlicht wie (vorteilhaft) der The Generator 7-40 auf das Benutzen des Guitar-Volume reagiert.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Ehre wem Ehre gebührt: So heiß im Gain, so gnadenlos im Ton und Druck, den 5150 muss man als einen der Urväter aller Muscle-Amps sehen. Schon 27 Jahre her, dass er zur Welt kam, 1991, eine Neo-Legende mit nach wie vor hohem Stellenwert. Mehrfach überarbeitet ist er seinem ursprünglichen Charakter immer treu geblieben. Die abgespeckten Versionen des 100-Watt-Topteils sind Brüder vom gleichen Schlag. Jetzt gerade kommt eine modifizierte 50- Watt-Version in den Handel.
Die Saga ist den meisten Gitarristen wohl bekannt: Sie begann bei und mit Peavey, als der damals omnipräsente Virtuose Eddie van Halen half, einen modernen Vollröhren-Amp zu entwickeln, der dem von Hammer-Ons, Pull-Offs und Tapping geprägten Stil seines Spiels Rechnung tragen sollte. Eddies Vertrag mit Peavey endete 2004, drei Jahre später kam er mit Fender zusammen um den 5150 zu reinkarnieren. Eddies Initialen wurden noch einmal auf andere Weise zu einem Markennamen, das Amp-Konzept wandelte sich zum Vollwert-Dreikanaler. Ein ruchloser Grobian, energisch, offensiv bis böse im Ton.
Derzeit offeriert der Handel den großen 5150III in drei Versionen. Die klassische Variante ist mit 6L6 in der Endstufe bestückt, wie auch die „S“-Version, die ein jüngeres, modifiziertes Upgrade nach Eddies Wünschen darstellt. Diesen Amp bekommt man auch – Version 3 – bestückt mit EL34.
Dazu gesellen sich zwei leicht unterschiedlich konzipierte Lunchbox-Modelle, der 15W LBX Head und der 15W LBXII Head. Natürlich sind die viel weniger großzügig ausgestattet als ihr großer Bruder. Schon vor denen kam ein 50-Watt-Topteil ins Programm. Wir stellen hier dessen Nachfolger vor.
aufgewertet
Abgespeckte Version, in der Formulierung schwingt irgendwie etwas Negatives, oder? Weil man schnell damit assoziiert „ist weniger wertig“, man muss „verzichten“, der Leistungsumfang ist eingeschränkt. Nun, es liegt ja in der Natur der Sache: kompaktere, handlichere Bauweise und/oder niedrigerer Preis können nun einmal nicht anders kompensiert werden, als dass die Konzeption verschlankt wird. Wenn allerdings die Technik geschickt komprimiert wird, muss die Funktionalität gar nicht übermäßig leiden. Wie eben erlebt und zu sehen schon bei der ersten Version des 50-Watt-Head: Channel One und Two wurden zusammengelegt und klanglich so ausbalanciert, dass man mit der Lösung durchaus gut zurechtkommen kann (unser Test in G&B-Ausgabe 03/2013 dokumentiert dies).
Nachdenklich machte allerdings die Tatsache, dass sich beide Sound-Ebenen/- kanäle Gain und Volume teilen mussten, also in der Hinsicht individuelle Abstimmungen nicht möglich waren. Gut, wer mit dem Guitar-Volume intuitiv umzugehen weiß, kann die Problematik mehr oder weniger umschiffen. Trotzdem ist so eine Bedienungssituation zumindest ungelenk und erst recht nicht jedermanns Sache. Genau an dieser Stelle wurde der neue 50-Watt-Head verbessert. Konzentrische Doppelpotis lassen nun bei der Abstimmung von Gain und Volume freie Hand.
Eine weitere Neuerung stellt die EL34-Bestückung der Endstufe dar. Bislang war das Topteil nur mit 6L6GC zu haben. Beide Ausführungen sind nun parallel im Angebot, zu identischen Preisen.
Die Vorstufensektionen verfügen über 3-Band-Klangregelungen. Es ist an der Front das für Röhren-Amps typische Presence-Poti vorhanden, an der Rückseite zudem ein Resonance-Regler – beide liegen im Feedback-Kreis der Endstufe. Hinten befinden sich zwei in der Impedanz umschaltbare Lautsprecherausgänge, der Preamp-Out (ohne Frequenzkorrektur) und eine Headphones-Buchse (mit Frequenzkorrektur) die bei Belegung den Amp stumm stellt.
Bemerkenswert: Außer dem seriellen FX-Loop, dessen Status wie der der Sound-Kanäle über das mitgelieferte hochsolide Fußschaltpedal fernbedient werden kann, verfügt der 5150III 50 Watt EL34 über ein MIDI-Interface. Nach dem Prinzip des Learn-Modus erkennt dies bei der Programmierung den MIDI-Channel automatisch. Eingehenden Program-Change-Befehlen ordnet der Benutzer den gewünschten Channel zu. Der Status des FX-Loop kann den offiziellen Bedienungshinweisen nach ausschließlich über den CC-Control-Change-Befehl #85 adressiert werden.
Wo wir gerade bei technischen Details sind, noch ein paar Information zu der Röhrenbestückung. Lange Zeit fanden sich in den EVH-Amps von Groove-Tubes gelieferte/selektierte Röhren. Diesmal ist das anders. Eine andere US-Firma namens Apex (Tube Matching), die laut der angegebenen Rufnummer in Arizona ihren Sitz hat, ist der Zulieferer (Apex gibt auf seiner Web-Seite keine Postadresse an). Hinter der Marke steht ein größeres Unternehmen, „CE-Distribution“, das in großer Vielfalt alles Mögliche an Zubehör etc. für Gitarren und Verstärker anbietet. Im 5150III 50 Watt EL34 finden ausschließlich Röhren von JJ-Electronics Verwendung. Ein interessantes Detail ist, dass die EL34 bei relativ hohen Spannungen arbeiten (Hier: Anode 486VDC, G2 477VDC).
Die EVH-Fertigung erfolgt im mexikanischen Werk von Fender. Modernste Produktionstechniken prägen den Aufbau der EVH-Amps, es werden aber keine SMD-Bauteile verwendet, sondern konventionelle Komponenten, die qualitativ über jeden Zweifel erhaben sind. Die Schaltung ist sehr aufwendig. Während im primären Signalweg nur Röhren als aktive Elemente zum Einsatz kommen, finden an anderer Stelle Halbleiter Verwendung. Die Umschaltvorgänge werden von Relais umgesetzt. In der Vorstufe arbeiten sechs 12AX7-Röhren. Die Doppeltrioden addieren sich also zu 12 Verstärkungsstufen auf (zum Vergleich: ein JCM800-2204/2203 hat derer nur vier).
Damit die Brummanteile so gering wie möglich bleiben, werden die Vorstufenröhren mit Gleichstrom beheizt – was nicht selten so ist in dieser Amp-Kategorie. Die siebte 12AX7 dient als Phasentreiber für die Class-AB-Gegentaktendstufe. Mechanisch solide in der Anordnung und Befestigung der Baugruppen, macht die Verarbeitung einen sehr guten, robusten und vertrauenerweckenden Eindruck.
Aufwendige Elektronik, solider Aufbau °
212ST
In ihrer voll geschlossenen Bauweise (19mm-Birkenschichtholz ohne Reflex-Ports) folgt die 2×12-Box gehobenen Standards. Angeschraubte Rückwand, leicht schräg gestellte Schallwand, innen lackiert, Metallkappen, Steckrollen, große Gummifüße, Koffergriff … alles dran, was man für den Preis erwarten darf. Und mehr. Sogenannte Tilt-Back-Legs und eine Schraubvorrichtung erlauben, die Box samt Topteil nach hinten gekippt aufzubauen. Wie früher. Piggyback, „huckepack machen“, nennt man das bei Fender, schon seit den 60er-Jahren, als die „Schrägsteller“ in der Blonde-Tolex-Ära, und auch später noch, Mode waren.
Das Cabinet ist mit zwei Celestion-Speakern vom Typ G12H Anniversary bestückt. Die Chassis sind von hinten montiert. Es gibt nur eine Anschlussbuchse. Deren Metallhalteplatte ist mit M-Schrauben und Zahnkranzmuttern befestigt. Gut so, weil praktisch, denn so wird sie auch stärkeren mechanischen Belastungen standhalten, nicht gleich ausreißen, was bei den sonst bei anderen Produkten oft verwendeten (kleinen) Holzschrauben viel eher passiert. Die Maße: 25,5 kg, ca. 763 x 407 x 355 (BHT Gehäuse, mm).
bumm? bumm!
Ganz klar, das große 100-Watt-Topteil kann man nur in bestimmten Situationen artgerecht halten. Dieses „Tier“ braucht Auslauf, wird erst richtig lebendig, wenn man ihm ordentlich die Sporen gibt. Sprich, man muss den 5150III/100 weit aufdrehen, laut spielen, um den vollen Genuss zu erleben.
Allein das ist schon ein guter Grund, warum für viele Gitarristen der 50-Watt-Head lukrativer sein dürfte. Aber um das gleich klarzustellen: auch der lebt in den Kanälen Two und Three erst richtig auf, wenn die Volume-Regler bei mindestens ca. 12 Uhr stehen. Und dann drückt der 5150III 50 Watt EL34 ebenfalls beherzt Leistung ab. Das Klangbild bläht sich an dieser Schwelle auf und zeigt erst richtig seinen kräftigen Körper. D. h. aber nicht, dass der Amp bei moderateren Volume-Stellungen in der Sound-Qualität regelrecht schwächelt. Es ist halt nur das Distortion-Spektrum weniger dicht und der Druck im Bass atmet flacher. Das lässt sich auch mit dem Resonance-Poti nur bedingt kompensieren.
Doch fangen wir von vorne an, mit dem Channel One. Er ist konsequent Clean ausgelegt, er selbst übersteuert bei normalen Input-Pegeln nicht. Wenn es überhaupt zu Overdrive-Verfärbungen kommt, liegt das eher an der Sättigung der Phasentreiberstufe. Wie man es von den EL34 erwartet, ist die Clean-Wiedergabe in sich abgerundet, ausgesprochen kraftvoll, in den Mitten und den Höhen begleitet von offensiven „Aggro“-Anteilen. Die unterstützen im Endeffekt die Durchsetzungskraft. Die Klangregelung bewirkt wenig – ein im Bass schlankes Instrument fetter machen ist nicht – aber die gegebene Balance der Frequenzbereiche untereinander ist grundsätzlich absolut gesund.
Auffällig und etwas bedenklich ist, dass der Channel One am Maximum nicht die gleiche hohe Lautstärke der anderen beiden Kanäle erreicht. Das kann für den, der wirklich laut spielt, in der Live-Praxis problematisch sein. (Zur Abhilfe könnte man einen Line-Booster vorschalten, der aus dem recht übersteuerungsfesten Channel One sozusagen noch ein paar Watt mehr herauskitzeln könnte. Gain würde man dann in den beiden anderen Kanälen einfach etwas reduzieren.)
Die beiden Distortion-Sektionen Channel Two und Channel Three liegen im reinen Klangcharakter nicht wirklich weit auseinander. Der Unterschied im Gain-Niveau ist allerdings dramatisch. Wobei der Channel Two keineswegs moderat konzipiert ist. Seine (hohe) Distortion-Intensität wird bei anderen Fabrikaten als heißer Lead-Kanal gehandelt. Ein klassischer Marshall, elegant heiß und im Ton cremiger gemacht, das beschreibt die Tonalität auf eine kurze Formel gebracht. Der Channel unterstützt deutlich das Sustain, bei geringer Kompression. Schmatzender Anschlagsbiss, harmonische Akkordzeichnung, Obertöne treten gerne und kräftig zu Tage. Wer es gerne rau, erdig mag, sozusagen mit moderner Retro-Attitüde wird mit dem Channel Two große Freude haben.
Umschalten auf Kanal 3 und … dann voll durchstarten! Da der 5150III 50 Watt 6L6 schon eine Weile auf dem Markt ist, dürfte bekannt sein, dass im dritten Kanal Hyper-Überschall-Distortion regiert. Irre, was da an Reserven zur Verfügung steht. Und dem eigentlich „maßlosen“ Potential hat EVH zivilisiertes Benehmen beigebracht. Klar entsteht da ordentlich Rauschen, aber relativ gesehen halten sich die Nebengeräusche in einem unkritischen Rahmen. Dies so hinzubekommen, ist die eine schwierige Seite sehr hoher Vorverstärkung.
Die andere ist, den Toncharakter zu erhalten bzw. einen zu schaffen. Und auch das ist hier wirklich exzellent gelungen. Unter anderem, weil der Channel Three trotz Ultra-Gain eine sehr vitale Dynamik erzeugt. Er begünstigt virtuoses Spiel, weil er ausgesprochen tragfähig mit den Gitarrensignalen umgeht, und mit dieser Fähigkeit auch in höchsten Tonlagen von e1 und h2 brilliert.
Wie schön, wenn die Noten da oben satt rüberkommen (im Blue-Modus/Channel Two fluppt das nicht ganz so gut). Der Toncharakter? Na, der erfüllt natürlich perfekt das Klischee vom (über-) heißen Brownsound. Mit lebendigster Ansprache und feiner Separation schneller Noten. Die EL34 tun ihr Übriges dazu.
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Um noch einmal auf die Nebengeräusche zurückzukommen. Wer damit Probleme (beim Antesten?) hat, sollte nicht gleich verzagen. Man lernt schließlich, und gewöhnt sich daran, mit der Gain-Power umzugehen, indem man das Dämpfen der Saite optimiert etc. Ansonsten kann, wer sich ein bisschen von der Last befreien möchte, in den seriellen FX-Weg ein Noise-Gate einschleifen, damit der Channel Three in Spielpausen leichter zu beherrschen ist. Es spricht nichts dagegen, der Einschleifweg funktioniert klangneutral. Der Signalpegel ist so ausgelegt, dass er 0 – +4dB erst nahe der Vollaussteuerung des Amps erreicht. Im Prinzip ist das gut und korrekt so. Bei maßvoller Ausnutzung der Leistung liegt das Pegelniveau entsprechend niedriger, je nachdem etwa bei -20 bis -10dB – das ist zu beachten.
Es folgen abschließend noch ein paar Randbemerkungen. Die Klangregelung arbeitet in Channel Three und Two variabel und effizient. Das Resonance-Poti weist eine etwas eigenwillige Regelcharakteristik auf. Deutliche Wirkung erlebt man nur im ersten Viertel, danach läuft seine Wirkung dann wesentlich schwächer aus. Während der Preamp Out dafür prädestiniert ist, weitere Endstufen bzw. Verstärker (z. B. über den FX Return) anzusteuern oder FX-Geräte in einem Wet-Dry-Wet-Setup (Stereobasis plus dritter Weg ohne Effekte, Dreiweg: links-trocken-rechts), kann der Headphone-Ausgang auch sehr gut für D.I.-Recording benutzt werden. Dank der günstigen Frequenzgangkorrektur und der Tatsache, dass der 5150III 50 Watt EL34 automatisch verstummt, wenn der Ausgang belegt wird.
Bleibt noch die Frage, wie sich das Cabinet bewährt. Nun, es verrichtet seinen Job ziemlich souverän. Besonders erfreulich: Obwohl die 212ST geringe Abmessungen aufweist, produziert sie im Bass und den unteren Mitten ein solides Fundament. Gedämpft gespielte Noten auf E6 und A5 pumpen ordentlich. Doch merke, die tieferen Frequenzen von Dropped-Tunings kann die 212ST nicht mehr energiereich darstellen.
Dass das Klangbild insgesamt charakterstark ausfällt, versteht sich fast von selbst, denn der G12H Anniversary ist einer der besten Speaker die Celestion je hervorgebracht hat. Er spielt in dem EVH-Cab seine Qualitäten unter anderem damit aus, dass er dem Ton des Amp eine singende Komponente hinzufügt und ihm – ohne Details zu verdecken – in den Höhen schmeichelt. Da wird nichts übergiftig, man kann getrost das Topend forcieren.
alternativen
Natürlich gibt es in seiner Preisklasse andere veritable Verstärker, die das designierte Genre bedienen können, aber mit seinem speziellen eigenständigen Charakter und seiner großzügigen Ausstattung kennt der 5150III 50 Watt (in beiden Versionen, EL34 und 6L6) auch jetzt Jahre nach seinem Erscheinen keine wirklich vergleichbaren Gegenspieler. Für die 2×12-Box sieht die Situation ähnlich aus. Klar ist der Markt voll von Boxen dieser Art, doch abgesehen von der überdurchschnittlich eleganten Klangentfaltung kann in dieser Preisregion kein 2×12-Cabinet mit gleicher Ausstattung und Bestückung aufwarten.
resümee
Großartiger Ton, markanter Charakter, in der Praxis vielseitig dank großzügiger Ausstattung, der 5150III 50 Watt EL34 läuft seinem großen Bruder fast den Rang ab. Weil er für vergleichsweise kleines Geld im Sound sehr ähnliche bis identische Tugenden pflegt. Ja, er hat ihm – wie natürlich auch die 6L6-Version – sogar etwas voraus, nämlich die MIDI-Steuerung. Da nun auch eine unabhängige Gain-/Volume-Steuerung die Kanäle #1 und #2 aufwertet bzw. vollwertig nutzbar macht, muss man das Preis-Leistungs-Verhältnis als ganz und gar ausgewogen einstufen, zumal das hochwertige Fußschaltpedal schon inbegriffen ist. Natürlich liefert der 5150III 50 Watt EL34 an einem guten 4×12-Cab das optimale Hörerlebnis. Zu schwer, zu groß, kein Platz auf kleinen (Club-) Bühnen … so ein „Trümmer“ möchte mancher nicht mitschleppen? Muss ja auch nicht, denn die 212ST liefert mit ihrer kongenial zum Amp passenden, ausgewogenen Wiedergabe genug Tonfülle. Auch ihr Preis ist absolut fair angesetzt.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Auch bei Marshall ist die Modellvielfalt im Lauf der Jahre zu groß geworden, um auf jedes Produkt der Firma seit 1962 eingehen zu können. Da dies den Rahmen definitiv sprengen würde, beschränke ich mich im Folgenden auf die relevanten Modellreihen des Herstellers. Zur Info: Die in diesem Artikel kolportierten Preise stammen aus einer Recherche, die um das Jahr 2012 herum stattfand. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Preise in den letzten Jahren noch gestiegen sind und auch weiterhin steigen werden.
Marshall ist berühmt und berüchtigt für den kompromisslosen Rock-Sound ihrer Röhrenmodelle, wenngleich auch einige Transistor-Modelle und durchaus innovative 19″-Produkte wie z. B. die SE 100 Speaker Simulation nicht unerwähnt bleiben sollen. Der wirkliche Wert eines Vintage-Produktes kann nicht alleine auf seine Seltenheit auf dem Markt zurückgeführt werden; man muss bei der Wertermittlung die Nachfrage und den Kultstatus des Objektes mit berücksichtigen, denn längst nicht alles, was selten ist, ist unbedingt ein wertvolles, teures Sammlerschätzchen.
Als Beispiele seien hier der 1978er Lead-100-Transistor-Combo oder das schmale Lead- &-Bass-Transistor-Top sowie das komplette JCM-800-Mosfet-Programm genannt. Alles zwar seltene und im besten Sinne alte Produkte, jedoch kaum interessant für jemand, der auf klassische Sammlerobjekte aus ist. Der Begriff Vintage ist ebenfalls dehnbar: Wo fängt Vintage an, wo hört Vintage auf? In Bezug auf Marshall-Amps kann man es so halten wie die KFZ-Behörde. Auch dort ist alles, was mindestens 30 Jahre alt ist, ein Oldtimer und wird mit dem H-Kennzeichen geadelt und damit von lästigen TÜV-Vorschriften befreit. Umgesetzt auf Marshall heißt das, dass alle Amps bis etwa Ende der JCM-800-Ära 1983 dem Begriff Vintage zuzuordnen sind – aus heutiger 2012er-Sichtweise natürlich.
Was aber nicht heißen soll, dass danach erschienene Produkte nicht auch eine wertsteigernde Entwicklung haben könnten. Aber 1983 ist ein guter Cut zwischen Vintage und Neuzeit, weil sich ab 1984 viele relevante, produktionstechnische Änderungen ergeben haben, die sich grundsätzlich auf die Konzeption der Produkte auswirkten, wie z. B. printed PC-Boards (maschinell bestückte Leiterplatten, auf die auch noch die Potis montiert wurden), vermehrte Verwendung von Halbleitertechnik etc. pp. Aber auch hier gibt es Ausnahmen wie z. B. die Silver Jubilee-Serie von 1987. Ein weiterer Grund für die Separierung von Vintage und Neuzeit nach 1983 ist die der JCM-800- nachfolgende neuzeitliche JCM-900-Serie, die bis 1999 gefertigt wurde und dann von der JCM2000-Reihe abgelöst wurde.
Pi mal Daumen
Generell kann man für alle nicht in diesem Guide aufgeführten Produkte von einem marktüblichen Wiederbeschaffungswert von ca. 50 Prozent des originalen Verkaufspreises bei gutem Originalzustand ausgehen. Bei den relevanten, hier gelisteten Produkten bin ich zum einen von den momentan real erzielbaren Marktpreisen ausgegangen, habe dabei aber die Preisspanne für Geräte im hundertprozentig unmodifizierten Originalzustand zugrunde gelegt! Die ermittelten Preise sind reine Schätz- und Erfahrungswerte, die als Richtung oder Indikation unter der genannten Voraussetzung „Originalzustand“ verwendet werden können. Wenn wichtige Bauteile wie Ausgangsübertrager, Netztrafos und Potis ausgetauscht wurden oder das Gehäuse neu bezogen wurde, sind unter Umständen Abstriche von bis zu 50 Prozent einzukalkulieren!!!
Viele der alten Marshall-Verstärker wurden modifiziert. Da wurde in die Schaltung eingegriffen sowie der Amp mit Einschleifwegen, Master-Volume-Reglern oder Sonstigem gepimpt oder „upgegradet“, was oft an geänderten Netzkabelbuchsen, zusätzlichen Potentiometern oder Buchsen- und Bohrlöchern zu sehen ist. Darauf ist beim Kauf eines Vintage-Marshalls unbedingt zu achten, denn Änderungen dieser Art wirken sich ebenfalls drastisch auf den Wert aus. Anders liegt der Fall bei Verschleißteilen wie z. B. den Sieb-Elkos, die nach ca. 25 Jahren austrocknen und zu deutlich höheren Störgeräuschen und schlechterer Signalsiebung führen, oder natürlich den Röhren, die nach vielen Betriebsstunden auch irgendwann einmal den Geist aufgeben. Wobei alte Telefunken, Brimar oder Mullards von der Qualität deutlich besser sind als heute erhältliche Fernoströhren. Wie schön, dass man heute die guten, alten, tschechischen „Warschauer Pakt“-Röhren von JJ Tesla und andere wieder beziehen kann.
1965er JTM 45 mit Block-Logo
Bei solchen Ersatzteilen ist das wie bei einem Oldtimer: Wenn man ihn fahren will, muss man hin und wieder auch frische Reifen aufziehen und die Bremsen neu machen lassen. In wenigen Einzelfällen können auch wesentlich höhere Preise als die in der folgenden Liste relevant sein. Beispielsweise dann, wenn das 30 oder 40 Jahre alte Objekt der Begierde noch in der Original-Verpackung im Neuzustand daherkommt oder wenn es sich um eine Sonderanfertigung für einen prominenten Rock-Star handeln sollte.
Da dies aber eher die Ausnahmen sind, habe ich solche Fälle nicht mit berücksichtigt. Ein interessanter Aspekt ist der, dass die Preise in Europa deutlich moderater als z. B. in den USA, Australien oder Japan sind. Dies hat wohl damit zu tun, dass Marshall aus England kommt und somit die Produkte in Europa währungseinheitlich ohne Zölle und sonstige Kosten eingeführt werden können und hier auch sehr weit verbreitet sind. Meinen Vintage-Price-Guide habe ich in folgende Punkte unterteilt:
• JTM 45, Tops und Combos
• JMP 50 Watt, Tops und Combos
• kleine 18 Watt/20 Watt Tops & Combos
• JTM 45 100 Watt, Topteile
• JMP 100 Watt, Topteile
• Major 200 Watt, Topteile
• PA-Produkt
• JMP „brushed alu“, Tops & Combos von 1969 bis 1981
• JCM 800 Serie inkl. Silver Jubilee Serie, Tops und Boxen
• Transistor- und Rack-Equipment
JTM 45 Tops & Combos bis 1966
Die ersten Lead-Modelle (Modell-Nr. 1987) und Bass (Modell-Nr. 1986) sind heute praktisch unmöglich zu bekommen. In den Jahren 1962 und 1963 wurden inklusive einiger Prototypen weniger als 50 Verstärker gebaut und ausgeliefert (siehe den Artikel über die Datierung von Marshall-Amps an anderer Stelle). Preise hierfür, wenn man denn einen findet, können zwischen € 15.000 und € 25.000, vielleicht sogar noch höher liegen – aber das ist Spekulation. Wenn ihr also auf einem Speicher einen „sandwich panel“ JTM 45 mit „metal badge maroon logo“ entdeckt, seid ihr der Finder des heiligen Grals und habt einen guten Grundstock für die Rente sicher. Und auch eine sichere Geldanlage.
1966er JTM 45 mit Script-Logo
1964er und 1965er Modelle dieses Typs findet man ebenfalls sehr selten, hin und wieder werden sie noch angeboten und sind dann zwischen € 8000 und € 12.000 zu haben. Hier kommt zur Lead- und Bass-Version noch eine PA- und eine Organ-Version. Die LeadVersion ist die begehrteste, gefolgt von der Bass-Version, und kann deswegen weitaus teurer sein als die PA- oder Organ-Version, die ca. 25 % günstiger gehandelt werden. Ab 1966/67 bekommt man schon eher mal einen JTM 45 unter € 10.000, hier muss mit € 6000 – 8000 gerechnet werden. JTM-45-Tremolo-Combos der ersten „thick cabinet“-Generation sind weitaus seltener als die Tops und werden für € 12.000 – 15.000 gehandelt.
JTM 45 100 Watt Tops
Nur von Ende 1965 bis Anfang 1967 wurden diese ersten 100-Watt-Amps gebaut, die dementsprechend sehr selten und umso mehr gefragt sind. Wenn man einen findet, muss man mit einem Preis zwischen € 6000 – 8000 rechnen. Diese Version gab es als 1959 Super Amplifier, 1992 Bass Amplifier und als Super PA-Version mit acht Eingängen. Letzterer wird deutlich günstiger angeboten (€ 3500 – 4000).
1965 Bluesbreaker-Combo, Style 1
18- & 20-Watt-Tops & Combos 1966-68
Diese Verstärker zählen zu den meist gesuchten Marshalls überhaupt! Originale 18 Watt starke Mini-Bluesbreaker-Combos von 1966 bis 1968 (Stock-No. 1958, 2×10″, 18-W-Combo; 1973, 2×12″, 18-WattCombo; 1974, 1×12″-18-W-Combo) bringen durchaus € 8000 – 12.000, doch hier ist besondere Vorsicht geboten, denn gerade von diesen Amps gibt es viele Fälschungen!
Die 20-Watt-Tops, die Marshall teilweise auch als Reissues wiederaufgelegt hat und die einen fast identischen Schaltkreis haben, sind deutlich günstiger zu bekommen, ab € 1500 – 2500. Auch diese sind als Lead-, Bass- und PA-Versionen erhältlich. Zu erwähnen wäre der noch kleinere Poplar 10-Watt-Combo (Modell-Nr. 1930), der gerne auch mal als Mini-Bluesbreaker angeboten wird, aber klanglich nicht an den größeren Bruder heranreicht, da er eine völlig andere Schaltung besitzt.
JMP Serie
Ein 50 Watt starker Plexi-Panel-JMP-Small-Box-Top von 1967 bis 1969 bekommt man für ca. € 4000 – 6000. Auch hier sind die so genannten Bluesbreaker-Tremolo-Combos die Ausnahme, weil sehr gefragt und selten. Für das 2×12″-Modell (Modell-Nr. 1962) muss man um die € 10.000 anlegen, für das 4×10″-Modell (Modell-Nr. 1964) ca. € 7000 – 8000.
100 Watt JMP Plexi Tops 1967 bis 1969
Diese Amps sind in den Super-Lead- (Modell-Nr. 1959, gerne auch Jimi-Hendrix-Amp genannt) oder Super-Bass-Versionen (Modell-Nr. 1992) am meisten gefragt und kosten im Originalzustand zwischen € 4000 und € 6000. Günstiger sind die Super-Tremolo- und SuperPA-Versionen mit ca. € 2800 – 3500.
200 Watt Major
Dieses Kraftwerk ist sehr rar, spricht aber auch nur einen kleinen Teil der Player und Sammler an, da es mit seinen vier KT-88-Endröhren für die meisten Einsatzbereiche schlichtweg viel zu laut ist. Der bekannteste Player, der diesen Amp einsetzte, war Richie Blackmore von Deep Purple, aber auch DavidBowie-Gitarrist Mick Ronson spielte diesen Boliden. Auch hier gibt es eine Lead- (Modell-Nr. 1967), eine Bass- (Modell-Nr. 1978) sowie eine PA-Version (Modell-Nr. 1966). Sein Preis ist schwer einzuschätzen, da er sehr selten auftaucht und kaum eine Nachfrage besteht, aber ich würde ihn grob zwischen € 2000 und € 3000 für ein komplett originales Exemplare taxieren. Es gibt neben den klassischen PA-Topteilen auch diverse 50 und 100 Watt starke PA-Amps als 4- Kanal-Versionen, die für Sammler nicht sehr interessant sind, wohl aber z. B. wegen der Transformatoren und anderer Bauteile als Ersatzteillager für wertvollere Super-Lead- und Super-Bass-Amps.
1971er JMP 1987 Super Lead 50-Watt-Top, hier im schmucken Red Levant
Als Beispiele seien hier die Modell-Nr. 2009 (100 W), 2010 (50 W) und 2011 (20 W) sowie die Modell-Nr. 2002 (50 Watt) genannt. Preise hierfür hängen dabei noch stärker als sonst vom Originalzustand ab, sie sind aber nicht selten für um die € 1000 und sogar darunter zu bekommen. Ab Juli/August 1969 wurden die berühmten Plexi-Schilder der JMPSerie durch gebürstetes Aluminium ersetzt. Diese sind von der Schaltung nahezu identisch mit ihren Plexi-Vorgängern, werden aber wesentlich günstiger gehandelt.
Deutlich wertsteigernd sind allerdings custom colours, man muss im Vergleich zu einem identischen schwarzen Amp mit 60 bis 80 % Aufschlag rechnen. Die häufigste custom colour, die Marshall verwendete, war Rot, gefolgt von Lila (Purple) und Weiß. 1972 und 1973 gab es zudem noch orangene, 1977 bis 1979 beigefarbene (fawn) Marshall-Verstärker. Die folgende Auflistung und die darin enthaltenen Preise beziehen sich auf Verstärker, die mit dem standardmäßigen, schwarzen Tolex bezogen sind.
Handverdrahtete erste Serie 07/1969 A bis 03/1974
100 Watt
• Super Lead, Modell 1959: € 2200 – 2600
• Super Bass, Modell 1992: € 2000 – 2400
• Super Tremolo, Modell 1959T: € 1300 – 1500
• Super PA, Modell 1968: € 1300 – 1500 Artiste, Modell 2068: € 700 – 900
50 Watt • Small Box Lead, Modell 1987: € 2200 – 2400
• Small Box Bass, Modell 1986: € 1800 – 2200
• Small Box Organ, Modell 1989: € 1400 – 1600
• Small Box PA, Modell 1985: € 1400 – 1600
• Big Box Lead, Modell 1987: € 1800 – 2200
• Big Box Bass, Modell 1986: € 1600 – 1800
• Big Box PA, Modell 1985: € 1200 – 1400
• Big Box Organ, 1989: € 1200 – 1400
• Tremolo Combo: € 1800 – 2200
• Artiste Top, Modell 2048: € 700 – 900
• Artiste Combo, Modell 2040, € 700 – 900
20 Watt und kleiner
• Mini-Top Lead, Modell 2022;
• Bass, Modell 2019; PA, Modell 1917; Lead & Bass, Modell 2061: je € 1200 – 1400
• Combo, Lead, Modell 1973; Lead & Bass, Modell 1974: € 1400 – 1600
• Poplar Combo (10 Watt), Modell 1930: € 600 – 800
• Mercury Combo (5 Watt), orange oder rot, Hybrid-Technik: € 600 – 800. Der Mercury war nur über Mailorder von 1972 – 1975 zu erwerben
100 Watt
• Super Lead MK II, Modell 1959: € 1400 – 1600
• Super Bass MK II, Modell 1992: € 1300 – 1500
• Super Lead Master-Vol. MK II, Modell 2203: € 1500 – 1700
• Artiste Top, Modell 2068: € 600 – 800
50 Watt
• Big Box Lead, Modell 1987, MK II: € 1300 – 1500
• Big Box Bass, Modell 1986, MK II: € 1200 – 1400
• Lead Master Vol MK II, Modell 2204: € 1400 – 1600
• Big Box Lead & Bass, Modell 1964, MK II: € 1500 – 1800
• Combo Lead & Bass, 2×12″, Mod. 2100, MK II: € 2200 – 2500
• Artiste Combo, Modell 2040, MK II: € 600 – 800
Artiste Top, Modell 2048, MK II: € 600 – 800
100 Watt • Modell 1959, Super Lead MK II: € 1300 – 1500
• Modell 1992, Super Bass MK II: € 1200 – 1400
• Modell 2203, Super Lead MK II, Master-Vol.: € 1200 – 1400
• Modell 2103, Master-Vol., 2×12″-Combo MKII: € 700 – 900
• Modell 2159, Lead 2×12″-Combo MK II: € 700 – 900
• Modell 2959, 1959-Top mit Reverb und Boost: € 700 – 900
50 Watt
• Modell 1987, Big Box Lead, MK II: € 1100 – 1300
• Modell 1986, Big Box Bass, MK II: € 1000 – 1200
• Modell 2204, Lead, Master-Vol., MK II: € 1100 – 1300
• Modell 2104, Master-Vol., 2×12“-Combo, MKII: € 800 – 1000
• Modell 2187, Lead, 2×12″-Combo, MK II: € 700 – 900
• Modell 2144, Lead, 2×12″-Combo m. Reverb + Boost: € 700 – 900
JCM 800 Serie 1981-1983: Freies PC Board, Inputs übereinander
1968er 1959 Super Lead Plexi − der Sound, der Legenden schuf
100 Watt • Modell 1959 Super Lead MK II: € 800 – 1000
• Modell 1992, Super Bass, neue Schaltung: € 800 – 1000
• Modell 2203, MK II, Lead, Master-Vol.: € 1000 – 1200
• Modell 4103, Master-Vol. 2×12″-Combo: € 600 – 800
50 Watt
• Modell 1987, Lead, MKII: € 700 – 900
• Modell 1986, Bass: € 600 – 800
• Modell 2204: MK II Lead, Master-Vol.: € 800 – 1000
• Modell 4104, Master-Vol., 2×12″-Combo: € 600 – 800
• Modell 4010, Lead, 1×12″- Combo: € 500 – 700
Die Stil-Ikone der 80er Jahre: JCM 800 2204 MK II Top
JCM 800 Serie: 1983-1990
Die Potis sind auf der Leiterplatte montiert (PC Board fixed). Alle Modelle sind im Vergleich zur ersten JCM-800-Serie 20 – 25% günstiger zu taxieren. Zusätzliche Modelle:
100 Watt
• Modell 2210, Master-Vol., zweikanalig, Reverb: € 600 – 800
• Modell 4211 Combo, 2×12″-Version des 2210: € 500 – 700 50 Watt
• Modell 2205, Master-Vol., zweikanalig, Reverb: € 600 – 800
• Modell 4212, Combo 2×12″-Version des 2205: € 500 – 700
• Modell 4210 Combo, 1×12″-Version des 2205: € 400 – 600
Silver Jubilee Series 25/50 Limited Edition 1987 – 1989
100 Watt
• Modell 2555, Lead, Pentode/Triode schaltbar auf 50 Watt: € 1600 – 1800
50 Watt
• Modell 2550 Lead, Pentode/Triode schaltbar auf 25 Watt: € 1400 – 1600
• Modell 2553 Lead, small box, Pentode/Triode schaltbar auf 25 Watt: € 1200 – 1400
• Modell 2554, Lead 1×12″-ComboVersion des 2550: € 1000 – 1200
• Modell 2558, Lead, 2×12″-ComboVersion des 2550: € 1100 – 1300
Boxen
• Modell 2551 A und 2551 B, 4×12″ Boxen, 280 Watt: je € 500 – 600
• Modell 2556 A und 2556 B, Mini Stack 2×12″-Boxen: € 350 – 450
Boxen
Hier sind nur die wichtigsten Typen inklusive einiger rarer Obskuritäten aufgezählt. Nicht berücksichtigt sind z. B. die PA-Säulen, die es in der Regel in allen gängigen Kombinationen gab (2×10″, 4×10″, 2×12″ und 4×12″). Die PA-Boxen sind wesentlich günstiger als die Standard-Marshall-Boxen, aber auch nur wegen der Lautsprecher-Sätze interessant. Sie werden dementsprechend selten angeboten. Auch die 15″- und 18″-Boxen-Varianten finden sich nicht in der folgenden Aufstellung, da diese selten, aber dennoch für den Sammler kaum interessant sind.
4×12-Boxen
• Modell 1960 A und B, gebaut 1962 bis 1965, weiße Frontbespannung, Ledergriffe, Celestion G12 15 W Alnico: € 4000 – 6000
• Modell 1960 A und B, gebaut 1966 – 1967, pinstripe Bespannung, Celestion G 12 20 W Greenbacks: € 2400 – 3200
• Große 1967er Box 1960 B, sehr rar: € 3000 – 4000
• Modell 1960 Lead/1982 A + B, gebaut 1968 bis 1971, Basket-Weave-Bespannung, Celestion G12M 25 W oder G12H 30 W Greenbacks: € 1800 – 2200
• Modell 1935 Bass A + B: € 1600 – 1800
• Modell 1960 A+B, gebaut 1972 bis 1975, bis 1978 in USA, Checkerboard-Bespannung: € 1200 – 1400
• Modell 1935 A+B, cream back, gebaut 1973 bis 1974, (von 1975 bis 1978 Blackback Celestions): € 1100 – 1300
• Modell 2032, gebaut 1971 bis 1973, hohe Box, schräg, (größer als das 8×10″-Modell 1990), 4×12″: € 1000 – 1200
• Modell 2035 A+B, gebaut 1970 bis 1972 Lead& Organ, 4×12″ mit Horn: € 700 – 1000
• Modell 2036, gebaut 1972 bis 1974, Lead & Organ, 4×12″ mit Horn: € 600 – 800
• Modell 2069, gebaut 1973 bis 1977, Box für Artiste Top, hoch, gerade, 4×12″: € 600 – 800
• Modell 1960 A+B, gebaut 1976 bis 1981, JMP Serie, schwarze Bespannung, 4×12″, 25 oder 30 Watt Blackback-Celestions, ab 1979 65 Watt Celestions: € 400 – 600
• JCM Serie, gebaut 1981 bis heute – Modell 1935 A+B (bis 1983) 260 Watt: € 450 – 500
• Modell 1960 A+B, 280/300Watt: € 300 – 400
• Modell 1960TV, gebaut von 1990 bis heute, hohe Version der schrägen 1960B, G12 25 W Greenbacks, passend zu JTM 45 Reissue Amp: € 400 – 600.
2×12-Boxen
• Modell 1972, gebaut 1964 bis 1965, Erweiterungs-Box für Bluesbreaker Combo, extrem rar € 6000
• Modell 1972, gebaut 1966/1967, Extension Box, wie oben, jedoch hochkant: € 800 – 1200
• Modell 2045, gebaut 1971 bis 1976, Lead & Bass & Organ Extension Box: € 600 – 800
• Modell 2049, gebaut 1973 bis 1977, Extension Box für Artiste Top, hoch, gerade, 2×12″: € 400 – 600 • Modell 2196, gebaut 1976 bis 1980, hochkant, in 4×12″-Gehäuse: € 300 – 350
• Modell 1936, erste Version (gleiches Maß wie 2045), gebaut 1977 bis 1981, Extension Box für JMP Combo, sehr selten, Griff oben, keine Griffschalen: € 500 – 600
• Modell 1936, gebaut von 1982 bis heute, Extension Box, tieferes Modell mit seitlichen Griffschalen: € 250 – 350
• Modell 1966 A+B, Mini Stack, gebaut 1985 bis 1991, für 3210- Top: ca. € 250
• Modell 1922, gebaut von 1989 bis heute, kleinere 2×12″-Version des Modells 1936: € 200 – 250
4×10/8×10-Boxen
• Modell 1990, gebaut 1967 bis 1972, hoch, schräg, 8×10″, small box mit der JMP-50- Breite: € 1200 – 1400
• Modell 2034, gebaut 1970 bis 1973, wie Modell 1990, jedoch big box mit JMP 100-Breite, sehr selten: € 1000 – 1200
• Modell 2038, gebaut 1972, 4×10″: € 600 – 800
• Modell 1965, A+B, gebaut 1984 bis 1991, 4×10″: € 200 – 300
1966er 4×12″-Box, bestückt mit 20-WattGreenbacks
Transistor- & Rack-Produkte
• Lead & Bass Transistor Top, gebaut 1973 bis 1978, flaches Gehäuse: € 200 – 250
• Modell 2199, JMP Master Lead 100, 1×12″-Transistor-Combo, gebaut 1978: € 300 – 400
• SE-100 Speaker Simulator/Power Attenuator, gebaut 1989 bis 1993, 19″, 2 HE: € 280-350
• 9001 Tube Preamp, 1989 bis 1993, 19″, 1 HE: € 250 – 300
• MGP 9040, 1989 bis 1993, 200 Watt starke Stereo-Endstufe und Modell 9005, 500 Watt Stereo-Endstufe: je ca. € 300 – 400
• JMP-1 MIDI Tube Preamp, gebaut von 1992 bis 2006, 19″, 1 HE: € 350 – 550
• Power Brake, Power Attenuator, gebaut ca. 1992 bis 1994: € 250 – 300
Tiny Terror. Der Name sagt alles. Böser Ton aus zierlicher Kiste. Ein Volltreffer, den Orange da gelandet hat. Inzwischen mutiert zu diversen Versionen. Erfolgreich seit mehr als einer Dekade. Hier nun der neueste Coup, ein Signature Modell gemacht für und mit Brent Hinds, Gitarrist bei Mastodon, einer der einflussreichsten Metal-Bands der letzten Jahre.
Über die Fähigkeiten des Orange Brent Hinds Terror gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Stacks vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Gibson-CS-Les Paul „Leroy Parnell Signature“ und eine Steinberger GL4T.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Ich habe schon gedacht es passiert gar nicht mehr. Fünf Jahre sind vergangen seit Engl mit dem Ironball ein enorm fittes Brotbüchsen-Topteil für Metaller und andere Hardcore-Rocker auf den Markt brachte. Erst jetzt, nun endlich, gibt es den auch als Combo.
Über die Fähigkeiten des Engl Ironball Combo gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Stacks vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Gibson-CS-Les Paul „Leroy Parnell Signature“ und eine Steinberger GL4T.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Zwei wunderbar erhaltene Blackface Vibro Champs von 1967
Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich zum Thema „Bedroom-Amps“ mehrere Kolumnen verfasst habe. Seither wurde ich immer wieder nach praktikablen Lösungen für leise Klänge im heimischen Musikzimmer gefragt. Und sehr oft habe ich dann den Fender Vibro Champ empfohlen. Nur leider hatte ich bisher keines dieser mittlerweile seltenen Exemplare zu Hause. Umso schöner, dass ich jetzt gleich zwei dieser schmucken Combos vorstellen darf.
Eines vorweg: Ich kann mir keinen besseren Amp für leise, klare Klänge vorstellen als diese beiden Vintage-Schätzchen. Diese Amps sind kaum größer als ein Schuhkarton, sehr robust verarbeitet, optisch ansprechend und dank der vorhandenen Klangregelung durchaus flexibel für ganz verschiedene Anwendungen.
Der Aufbau ist denkbar einfach. Die Endstufe, betrieben mit einer single-ended Class-A verschalteten 6V6-Röhre, folgt genau den Vorgaben des berühmten Tweed-Champ. 5 Watt Leistung sind für zu Hause absolut ausreichend. Die Vorstufe entspricht exakt dem Layout der meisten Blackface-Amps und bietet daher die Möglichkeit zu klassischen Einstellungen von Mark Knopfler, Stevie Ray Vaughan oder B.B.King bis hin zu den Stones, den Allman Brothers oder Peter Green.
Zudem überzeugt der kleine Amp durch seine selbst mit Humbuckern unnachahmliche Klarheit bis fast Lautstärke „10“. Treble- und Bass-Regelung ersetzen hier gegenüber dem Tweed-Champ den Ton-Regler.
Ergänzt wird das Paket durch ein sogenanntes Bias-Tremolo oder -Vibrato, das seit jeher für die meisten Anwender als beste Lösung für diesen Effekt gilt. Im kleinen Gehäuse ist zwar nur für einen Achtzöller Platz, aber in kleineren Räumen entwickelt dieser Speaker durchaus genügend Fülle zum Üben. Leider sind die meisten Lautsprecher der alten Amps aus den Sechzigern und Siebzigern zwar noch funktionstüchtig, aber alles andere als zufriedenstellend.
Bereits neuwertig entsprachen die Speaker schon damals kaum den Vorstellungen von Gitarristen mit moderneren Ansprüchen. Sie taugen bis Lautstärke 3 oder 4, danach knicken sie ein, flattern in den Bässen und präsentieren kaum Mitten. Haben die Pappen dann noch 50 oder 60 Jahre auf dem Buckel, ist Austausch angesagt. Die Schwächen dieser Speaker haben sich im Laufe der Jahre durch Abnutzung noch verstärkt.
Daher musste ich für beide abgebildeten Amps nach einem Ersatz suchen. Der findet sich leicht im Programm der Jensen Replikas, die Modelle P8R (mit Alnico Magnet) oder C8R (mit Keramik-Magnet) passen hier wie die Faust aufs Auge. Zum Glück, denn es mangelt anderenorts auch an Alternativen. Es werden einfach kaum noch Speaker in dieser Größe hergestellt. Ein kleiner Nachteil ist der auf eine Cinch-Buchse ausgelegte Speaker-Ausgang, denn der Anschluss an ein externes Lautsprechergehäuse kann selbst diesen 5-Watt-Zwerg tauglich für eine Studio-Session oder eine Bandprobe machen. Entweder lötet man sich hierfür ein Adapter-Kabel oder tauscht gleich die ganze Buchse gegen einen üblichen Klinkenausgang.
Die Rückseite mit dem leider unbrauchbaren Jensen-Speaker
Das Innenleben dieser Verstärker ist so übersichtlich und leicht zugänglich gestaltet, dass eine Reparatur oder Restaurierung meist sehr einfach und daher auch preiswert ist. In der Regel müssen ein paar Elkos getauscht werden, sowie Masseleitungen und Röhren überprüft werden.
Zudem bieten die Amps eine hervorragende Basis für Tunings. Wer es etwas flexibler oder rockiger mag, kann sich statt des Tremolos einen Mitten- und Masterregler installieren lassen. Auch der kleine Champ klingt nämlich am besten, wenn der Volume-Regler möglichst weit aufgedreht ist, was in einer Stadtwohnung dann schon zu laut werden könnte.
Die Mitten werden über einen 15K-Widerstand „fixed“ eingestellt, was gerade diesen wichtigen Frequenz-Bereich für eine E-Gitarre festlegt. Wird dieser Widerstand durch ein 25K-Poti ersetzt, erhält man ein enorm hohes Spektrum an Möglichkeiten zur Anpassung an bestimmte Gitarren-Typen oder das Lieblings-Overdrive-Pedal.
Dank der im Kathoden-Bias-Betrieb geschalteten Endstufe kann man ohne Justage nach Lust und Laune 6V6-Röhren ausprobieren. Man wird staunen, wie unterschiedlich sogar einzelne Röhren desselben Herstellers die Klangergebnisse verändern können, je nach Arbeitspunkt oder Leistung.
Das Innenleben des Vibro Champs
Das einzige, was dem kleinen Amp fehlt, ist eine Halleinheit. Aber hierfür gibt es ja bereits zahlreiche Lösungen im Pedal-Format, und da diese Amps stets clean bleiben, ist die Ansteuerung meist kein Problem.
Fender bietet zurzeit mit der Vibro Champ XD-Serie durchaus brauchbare Alternativen zum kleinen Preis und sogar mir Röhrentechnik, diese Verstärker bieten jedoch nicht ganz die Klarheit und Klangschönheit eines alten Blackface- oder Silverface-Originals. Leider muss man sich ein solches Schätzchen auf dem Gebrauchtmarkt suchen und zahlt dann je nach Zustand, Alter und Ausführung zwischen etwa 400 und 900 Euro.
Ausgebauter Jensen Alnico Lautsprecher
Die höchsten Preise liegen dabei jedoch gleichauf mit einem neuen Fender Custom Shop Tweed Champ und erscheinen in diesem Vergleich nicht einmal zu teuer. Der Tweed Champ ist aufgrund der fehlenden Klangregelung wesentlich schwieriger zu bedienen und natürlich auch noch eine ganze Portion lauter, was vielen Gitarristen für echte Bedroom-Lautstärke meist schon zu deftig ausfällt.
Entscheidet man sich für ein etwas jüngeres Silverface-Modell, spart man nicht nur Geld, sondern bekommt oft auch ein Modell mit einem Export-Netztrafo mit 230 Volt. Die Blackface-Modelle kommen fast alle mit dem original US-Trafo für 120 Volt und benötigen daher einen Vorschalttrafo.
Während meiner Testphase mit diesen Amps konnte ich feststellen, dass mir die Lautstärke vollkommen ausreichte. Es fehlt zwar etwas die gewohnte Physis, die einen Amp nicht nur hörbar, sondern auch „spürbar“ macht, die Amps erfüllten aber sonst in jeder Hinsicht meine Bedürfnisse nach wunderschönen Vintage-Clean-Sounds. Frisch restauriert und eingestellt vernimmt man kein Rauschen oder Brummen und kann zu später Stunde wunderbar üben, ohne Nachbarn oder bereits schlafende Mitbewohner zu stören. Besser ist das kaum denkbar.
Trotz der Fehlanpassung trumpften die Champs auch über meine 4×12-Box auf, wo sie sich sogar als überzeugende Rock-Maschinen entpuppten. Hat man, wie in meinem Beispiel, sogar zwei davon, machen auch Stereo-Effekte wieder Spaß. Ein Luxus? Klar, aber einer, der meist mehr bringt als die stillgelegten High-Power-Amps, die bei vielen Gitarristen aufgrund fehlender Live-Aktivitäten überflüssig geworden sind … Bis zum nächsten Mal!
Das Layout in der Grafik (hier in der Darstellung von Ceriatone, einem Anbieter für Tube-Amp-Kits)
Als Gitarrist der seligen Zeit hatte man oft auch so sein Leid mit den Röhren-Amps, vor allem mit den 100-Watt-Modellen. Hatte man damit endlich seinen Overdrive Sound gefunden, war dieser dann häufig zu laut. So erging es auch z. B. Blues-Rocker Paul Kossoff (Free) oder Ron Wood (Faces). Sie hatten zu dieser Zeit wenig Möglichkeiten, die Lautstärke ihrer 100 Watter unter Beibehaltung des tollen Sounds zu drosseln.
Die gebräuchlichste Methode war, zwei der vier Endröhren abzuziehen – Kossoff benutzte diese Variante gern bei seinen Marshalls. In Woods 69er-Hiwatt waren damals schon 2 Röhren abschaltbar (!). Dadurch waren die Amps unserer Protagonisten wenigstens etwas leiser, nominal entstand so ein etwa 65- Watt-Modell. Für einen üblichen Club immer noch etwas laut. Erst Mitte der 70er-Jahre wurde dies Problem großflächig und allgemeingültig gelöst …
the preamp master
Zunächst einmal wurde schnell erkannt, dass die Vorstufe einfach besser klang und crunchte, wenn diese heftig angefahren wurde. Dadurch wurde die Eingangs-Triode der Vorstufe übersteuert. Und das „Heftige“ wurde dann z. B. mit dem Colorsound Overdriver realisiert, einem Silizium Transistor Booster mit gewaltigem Gain, der als Zusatz noch ein Klangnetzwerk (Baxandell-Typ) beinhaltete. Der Treter hatte mehr Gain als eine Triodenstufe.
Als Quintessenz wurde klar, dass das seit langem eingeführte Konzept der üblichen, „beiläufigen“ Röhren-Vorstufe um eine weitere Triodenstufe erweitert werden musste, um diesen begehrten, crunchigen Rock-Ton zu bekommen. Man begriff auch, dass solch ein neuzeitlicher Gitarrenverstärker eine Endstufe und (!) eine richtig „eigenständige“ Vorstufe besitzen musste, welche eben kein beiläufiges Anhängsel der Endstufe mehr war.
Man bräuchte also den Volume-Einsteller nur vor die Endstufe zu verlegen und alles, was dann dort vor diesem Volume passierte, konnte in der Lautstärke eingestellt werden, also auch die Vorstufen-Zerre. Damit die Zerre aber flexibel einstellbar blieb, verblieb das original Volume an seinem gewohnten Platz. Lediglich der eben eingeführte Volume direkt vor der Endstufe wurde sinntreffend Master-Volume (MV) genannt.
Hiwatt führte solch einen MV bereits 1969 ein, allerdings platziert eine Stufe vor der eigentlichen Endstufe. Bei Marshall wurde dieses MV-Design 1975 eingeführt, mit dem neuen, 100 Watt starken Modell 2203. Gleichzeitig bekam dieses Modell auch noch eine modernere, kaskadierte Vorstufe – bei Marshall war die Neuzeit angebrochen.
In den USA ging das Kaskadieren und einpflegen dieses MV-Designs sogar noch etwas früher von statten. Der kalifornische Hersteller Mesa/Boogie, der kleine, aber kraftstrotzende Combos mit viel Gain auf der Basis von Fender Amps fertigte, versah früher als Marshall seine edlen Teile mit diesem neuen Feature. Fender führte das MV-Design 1972 bei dem Twin Reverb Modell ein. Ich entsinne mich sogar, dass ein alter Echolette B40N von Mitte der 60er-Jahre solch ein Master-Volume eingebaut hatte. Doch diese Schaltung sollte nicht das einzige MV-Design bleiben … denn zwar gefiel jedem, dass jetzt ein Overdrive-Sound bei jeder Lautstärke verfügbar war, aber der Sound als solcher blieb Geschmackssache.
Werden die üblichen kaskadierten Vorstufen in die Übersteuerung getrieben, entsteht eine asymmetrische Übertragungskennlinie (ÜKL), insbesondere bei dem Schaltungsdesign von Marshall mit dem direkt gekoppelten Kathodenfolger vor dem Tonestack (siehe Effektiv-Workshop in den Ausgaben 07 und 08/2015). Übersteuert hingegen die Gegentakt-Endstufe, entsteht eine symmetrische ÜKL. Und genau Letzteres generierte eben das Overdrive-Signal der „Supergroup“-Gitarristen der frühen 70er-Jahre mit ihren voll aufgedrehten röhrenden Amps.
ppi-mv
Wer nun als erstes diese zündende Idee hatte, das die Endröhren ansteuernde Gegentakt-Signal, kommend vom Treiber, mit einem Stereo-Poti zu mastern, ist nicht mehr zu klären. Irgendwann Ende der 70er-Jahre war es da … Einer der ersten großen Amp-Hersteller, der dieses Feature in Serie übernahm, war Orange 1977/78 mit ihrem gut klingenden Overdrive 120. Dieser Amp hatte in der Endstufe ein direkt gekoppeltes Kathodyn-Phase-Split-System. Die beiden Ausgänge des Splitters wurden dann einfach mit einem hochohmigen Stereo-Poti gemastert. Im Fachjargon hat das dann auch einen entsprechenden Namen: Post Phase Inverter Master Volume oder kurz: PPI-MV.
Diese Art des Masterns ist für viele Rock-Gitarristen von den beiden bisher diskutierten MV Designs die akustisch schönere Variante. Marshall hat diese Art des MV z. B. in dem relativ aktuellen Modell 2466 „Vintage Modern“ eingebaut. In vielen Shops sind dann in den späten 70er- und 80er-Jahren viele Marshalls, aber auch andere Amps, auf ein PPI-MV umgebaut worden.
Ich selbst verbaute den PPI-MV erstmals im Jahr 1978 und benutze diesen MV-Typ auch heute noch in vielen meiner Amps, in meinem Minor Amp benutze ich eine Mod des PPIMV „Frondelli“ Designs.
Ich verweise hier auf die äußert informativen „Trainwreck Pages“, welche eine sehr gute Dokumentation über das PPI-MV (und anderes) beinhaltet. Das PPI-MV wird hier auch mit verschiedenen Mods gezeigt, sehr empfehlenswert ist die „Lar-Mar“ Version, welche eine sehr hohe Betriebssicherheit garantiert.
Historisch betrachtet wurde also zunächst ein niederohmiges Hochlast-Poti zwischen dem Amp und der Box eingebracht. Damit lässt sich dann tatsächlich die Lautstärke des verzerrenden Amps einstellen. Doch was Dynamik und Klang anbelangte, ließen sich deutliche Unterschiede feststellen. Was war passiert? Sieht der Amp als Last zunächst noch irgendwie den Lautsprecher bei voll aufgedrehtem Hochlast-Poti, wird beim Zurückdrehen der Lautsprecher mehr oder weniger stark abgekoppelt.
Der Amp sieht also in diesem Betriebsfall fast einzig das Hochlast-Poti, also eine reelle ohmsche Last. Diese Erkenntnis lässt auch den Rückschluss zu, dass der Amp an einer ohmschen Last anders klingt als an einem Lautsprecher. Und allgemein betrachtet, klingt der Amp an der ohmschen Last flacher, einfach nicht so lebendig. Als Notlösung ist das noch OK, aber wie geht‘s besser?
der lautsprecher
Wenn die Endstufe also den Lautsprecher für guten Klang sehen will, bitte sehr, soll sie ihn auch formal bekommen – will sagen, wir müssen das Hochlast-Poti in seinem Wirken so abändern, dass dieses sich elektrisch wie ein Lautsprecher verhält. Das Herzstück eines Lautsprechers ist seine Schwingspule, welche die Konus-Membran antreibt. Und in ihrem Namen steckt viel Wahrheit – das Teil ist eine Spule mit ohmschem Verlust-Widerstand.
Es ist offensichtlich, dass der Amp mindestens das mal sieht, wenn er in den Lautsprecher „elektrisch“ reinschaut. Dies RL Verhalten beschreibt dann auch gut das elektrische Geschehen in den Höhen des Lautsprechers. Doch der Amp sieht im Bass aber auch Dinge, welche nicht sofort erkennbar sind. Es sind die akustisch/mechanischen Kenndaten der Box, die sich durch eine mechanisch => elektrische Transformation in die Impedanzkurve des gesamten Cab einbringen. Dabei ist die geschlossene Box inkl. der Lautsprecher als Einheit zu verstehen.
Und eingebracht wird jetzt das Resonanzverhalten des Cabs. Jenes Resonanzverhalten, im Bass angesiedelt, wird als LRC Parallelschwingkreis ausreichend dargestellt. Das alles zusammen ergibt die typische Impedanzkurve des Cab – siehe Grafik.
reactive load
Die beiden Blindkomponenten dieses Parallelschwingkreises L & C sind als zueinander duale Energiespeicher zu verstehen, die durch den fließenden Wechselstrom abwechselnd geladen und entladen werden. Das C speichert seine Energie in Form einer elektrischen Ladung, das L speichert die Energie, welche beim Feldaufbau in diese reingesteckt wird und später beim Feldabbau wieder dem System zur Verfügung steht. Dieses LC Arrangement kann also Energie aufnehmen und auch wieder abgeben (!).
Elektrisch bedeutet das ein Hin- & Herpendeln der Blindleistung zwischen Quelle und Last. Insbesondere das Wiederabgeben der Energie – also das Rückspeisen in die Quelle, die Endstufe – unterscheidet dieses System grundsätzlich von einer einfachen ohmschen Last, welche nur Energie aufnehmen kann. Daher wird solch ein rückspeisendes komplexes System als „reaktiv“ betitelt. Das komplett beschriebene Arrangement wird, insbesondere wenn für hohe Belastung ausgelegt, als „reactive load“ bezeichnet.
Und genau diese Impedanzkurve (siehe Abb.1), welche elektrisch das Cab recht genau beschreibt, sieht die Endstufe. Nur mit reaktiver Last, welche das Cab elektrisch simuliert, generiert die Endstufe ihren Originalsound.
die endstufe
Wird eine Endröhre mit einer rein ohmschen Last beaufschlagt, so wie allgemein gerne dargestellt (Abb.2), ergibt sich im Ausgangs-Kennlinienfeld der Röhre eine Arbeitsgerade. Bei einer komplexen Lastimpedanz (=Realbedingung) hingegen mutiert diese Gerade dann formal zu einer Ellipse – Abb.3; diese Ellipse wird umso runder, je größer der Blindanteil der Last wird. Die Lage dieser Ellipse ist zudem aussteuerungsabhängig.
Abb. 2 °
Es erscheint schon alleine bei Sichtung von Abb.3 logisch, dass dies einen leicht anderen Klang liefern wird als bei Aussteuerung über einer Arbeitsgeraden, also reeller (=ohmscher) Last (Abb.2).
Abb. 3 °
Abb.4 zeigt jetzt das reale Szenario bei Aussteuerung der 6L6GC Endröhren bei einem Fender Super-Reverb an einem Lautsprecher sowie der Ansteuerung mittels Strat und Gitarrentönen. Ein solcher realistisches „Ellipsenwirrwarr“ liefert dann auch eine gut designte Reactive Load Box.
In Zusammenarbeit mit Lenny Kravitz entwickelte Supro den Black Magick Reverb. Der Verstärker basiert auf dem Signature-Sound des Original-Modells, allerdings sind nützliche neue Features an Bord, wie ein 2-Band EQ, ein Master-Volume-Knob, sowie – der Name lässt es vermuten – ein Röhrenhall. Verfügbar ist der Verstärker entweder als Topteil oder im 1×12 Combo-Format.
Zu den Features des Vollröhrenverstärkers zählen unter anderem:
zwei Kanäle mit gemeinsamen 2-Band EQ
Tremolo
25 Watt Class A
Preamp Tubes: 4x 12AX7, 1x 12AT7
Power Tubes: 2x 6973
Speaker: 1 x 12″ Supro BD12
Gewicht: 18 kg
Tolex: Black Rhino Hide
Der Amp ist ab sofort lieferbar und kostet £ 1.299 als Topteil und £ 1.529 in der Combo-Variante.