Marshall-Fans dürfen sich freuen, denn es erreichen uns einige Neuheiten aus Anaheim. Zum einen ist das die neue Serie mit dem Namen Origins. Dabei handelt es sich um fünf Röhrenamps, die von der Ausstattung bewusst simpel gehalten sind. Die Combos gibt es in den Varianten mit 5, 20 und 50 Watt, bei den Heads beschränkt sich die Auswahl auf 20 und 50 Watt. Den Marshall-Sound liefern ECC83 Röhren in der Vorstufe und EL34 in der Endstufe. Zur Auswahl steht lediglich ein Kanal, jedoch mit zwei Voicings – Normal und High Treble.
Die Preise bewegen sich in einem Rahmen von € 450 für den 5-Watt-Combo und € 800 für den 50-Watt-Combo.
DV Mark ist in beiden Welten aktiv: Die Italiener bauen reine Röhren-Amps, puristisch oder aufwendig mehrkanalig, genauso wie Verstärker in Halbleitertechnik. Letztere bieten den Vorzug, auf kleinem Raum viel Leistung generieren zu können. Heute auf dem Prüfstand: „Pralinenschachtel“ mit 250 Watt.
Kompakt, leichtgewichtig und transportfreundlich, diese Prämissen prägen einen eigenen Produktzweig bei DV Mark, zu dem auch diverse geradezu „fliegengewichtige“ Lautsprecherboxen gehören. In 2×12″-Bestückung geht es ab ca. 11 Kilogramm (FG 212 V Frank Gambale Signature) los, ein 4×12″-Cab mit ca. 22,2 Kilogramm (DV Neoclassic 412) bildet im Gewicht schon das Topend, was möglich wird durch konsequente Leichtbauweise und die Verwendung von Lautsprecherchassis mit Neodym-Magneten. Eine von diesen Boxen in Kombination mit dem hier getesteten Amp, der selbst weniger wiegt als drei Liter Milch, ergibt ein Power-Stack, das völlig easy zu transportieren ist (Info: Wir hatten schon einige Produkte von DV-Mark im Test, wie die Cabinets Neoclassic 412, DV 212 GH, ferner die Verstärkermodelle Maragold und Micro 50).
Das Format des DV Little GH 250 hat DV Mark zur Grundlage für zwei unterschiedliche Ausbaustufen gemacht. Die andere Version trägt den Namen DV Little 250M, „M wie Metal und Hard Rock, oder massive Gain-Reserven“. Bei unserem Testkandidaten ist die Buchstabenkombination „GH“ signifikant. Sie stehen für den Namen Greg Howe, seines Zeichens geschmackvoll eigenwilliger Gitarrist der Band Maragold. Er arbeitet schon länger mit DV Mark zusammen. So gibt es bereits seit 2014 ein Röhrentopteil, das aus der Kooperation entstanden ist. Heißt wie die Band, Maragold.
komprimierte technik
Dem DV Little GH 250 liegt sozusagen ein klassisches Konzept zu Grunde: er bietet zwei separate Kanäle für Clean und Lead, natürlich per Fußschalter anwählbar, einen Halleffekt und einen seriellen Einschleifweg. Diese Merkmale stehen seit Langem als Maßstab für eine solide Grundausstattung. Man könnte es als Mindestanforderung für das Startup eines ambitionierten Gitarristen bezeichnen. Nicht umsonst kamen/kommen Legionen von 1×12″-Combos dementsprechend ausgestattet auf den Markt. Zuweilen wird im Clean-Kanal die Dreibandklangregelung eingespart und durch nur einen Tone-Regler ersetzt, oder die Sektion muss sich sogar den EQ mit dem Lead-Kanal teilen. Sie wie hier völlig unabhängig voneinander zu machen, ist aber sicher der deutlich elegantere Weg.
Der Reverb wird natürlich digital erzeugt, eine vernünftig klingende analoge Hallspirale gibt es in passender Größe gar nicht. Ein sinnvolles und nützliches Extra ist der Line Out, der das fertig aufbereitete Signal vor der Endstufe abgreift; gedacht für die Ansteuerung von Mischpulten oder Recording-Equipment. Der Pegel ist umschaltbar, 0 db/-6 dB, bzw. kann um 6 dB gedämpft werden, wie die Fachsprache sagt. Eine Speaker-Simulation liegt allerdings nicht an – da runzelt sich wahrscheinlich nicht nur bei mir die Stirn. Schade, dass DV Mark darauf verzichtet. Lobenswert ist andererseits, dass der Speaker-Ausgang nicht nur als Klinkenbuchse vorhanden ist, sondern auch im Speakon-Format.
In kompakten Halbleiterverstärkern werden seit einiger Zeit vermehrt Class-D-Endstufenschaltungen verbaut. Grund dafür ist, das diese Technik bei vergleichsweise geringem Aufwand, sprich wenig Platzbedarf etc. hohe Effizienz erreicht. Im Klang und der Dynamik gefallen die aber nicht jedermann. Vielleicht hat sich DV Mark genau deswegen dagegen entschieden. Gekühlt mithilfe eines kleinen leise laufenden Lüfters erzeugen in analoger Technik zwei Hochleistungs-Darlington-Transistoren die Endstufen-Power. Nebenbei bemerkt ein Massenartikel, der für wenige Euro gehandelt wird. Die elektronische Schaltung im Inneren erweist sich als ziemlich aufwendig. Nur dank SMD-Bauteilen ist es überhaupt möglich, so viel auf so eng begrenzten Raum unterzubringen.
Die Verarbeitung macht einen grundsoliden Eindruck und verspricht Langlebigkeit. Es irritiert allerdings, dass die Platine „großzügig“ mit Klebemasse zugekleistert ist. Das mag ja zur Unterdrückung von Vibrationsschäden u. ä. eine gewisse Berechtigung haben, sollte aber mal ein Defekt behoben werden müssen, macht die Arbeit an so einem Modul wenig Spaß bzw. erhöht reichlich den Arbeitsaufwand, respektive die Kosten.
Spartaner, hat nur das Nötigste im Angebot°
substitut?
Die Streitfrage ist so alt wie der Transistor selbst: Können analoge Halbleiterschaltungen in der Tonqualität mit Röhrenverstärkern gleichziehen? Oder sie gar übertrumpfen? Das Thema ist unendlich oft diskutiert und man muss wohl konstatieren, dass bis dato Gleichwertigkeit nicht erreicht wurde. Wobei wir selbstverständlich eingeschränkt ausschließlich von der E-Gitarrenverstärkung reden, die mit Verzerrungen und Nachgiebigkeit in der Dynamik in hohem Maße Nonlinearität zum Ideal hat. Es bestimmt jedenfalls nicht allein der Klangeindruck das Qualitätsurteil.
Daneben gibt es auch objektiv technische Fakten, die gegen eine Gleichstellung der beiden technischen Prinzipien sprechen. Ein Röhrenverstärker „atmet“. Während er Signale verstärkt sind Spannungen und Ströme ständig in Bewegung, reagieren aufeinander und bedingen sich gegenseitig. Das ist gewissermaßen ein Organismus, womit sich auf der theoretischen Ebene erklärt, warum (gute) Vollröhrenverstärker „lebendige“ Sounds erzeugen. Transistorschaltungen arbeiten ganz anders, quasi statisch; wie sollen sie da der Röhre Paroli bieten können?
Trotzdem muss man zugeben, dass Halbleiter-Distortion-Sektionen schon längst nicht mehr eklig kratzende No-Gos sind. Da hat sich viel getan, Transistorverzerrung in Verstärkern kann überzeugend Kultur verbreiten. Mal gleich von vorneherein die Nase rümpfen ist längst nicht mehr angesagt (und – öhem – was tut sich eigentlich auf dem Pedalboard?! Lauter Transistorzerrer am Start, gelle?!). Und davon abgesehen gibt es, wie wir es hier ja erleben, auch objektive Gründe, warum man sich darauf einlassen sollte. Gleichzeitig laut, leicht und kompakt geht eben nur mit Halbleitern.
Solchermaßen auf die Thematik eingestimmt, wenden wir uns sofort der daraus erwachsenden Kardinalfrage zu: wie gut schlägt sich denn der Lead-Kanal unseres Probanden? Nun, wie zu erwarten war, bilden sich die Transparenz und die Frische in den Höhen nicht so filigran und luftig aus wie das die Röhren-Fraktion vormacht (Billigprodukte außen vor). Abstriche muss man auch hinsichtlich der Struktur der Verzerrungen hinnehmen. Sie wirken bei Akkorden etwas grob, grummeln in den tiefen Frequenzen, sprich sie klingen nicht „optimal“ harmonisch.
Aber Moment, wovon reden wir hier? Der DV Little GH 250 kostet im Handel lediglich um die € 400! So gesehen kann man die beiden eben genannten Punkte gar nicht als negativ einordnen. Zumal ansonsten die Performance des Lead-Kanals mit Charakterstärke und Eleganz punktet. Als Beispiel gehen wir zurück zu den Akkorden. Sie plustern sich nach dem Attack auf, haben ordentlich Kraft, Dichte. Dann passiert Eigentümliches zu Beginn der Ausklingphase, Oberwellen schleichen sich in das Klangbild ein, Obertöne treten in den Vordergrund begleitet von dem angenehmen Nebeneffekt, dass die Töne lange und gleichmäßig ausklingen, als wäre ein Sustainer/Kompressor in Aktion. Nur, die Wiedergabe klingt nicht komprimiert.
In ähnlicher Ausprägung zeigt sich der Effekt auch beim Solieren, d. h. der DV Little GH 250 entwickelt im Lead-Kanal einiges von der oben beschriebenen Lebendigkeit. Die noch dadurch gewinnt, dass der Amp (generell) die Details des Instruments ziemlich feinfühlig herausstellt. Ein Maßstab hierfür sind immer die fünf Pickup-Positionen einer Vintage-Strat, da trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Die Gain-Reserven liegen nicht allzu hoch, richtig satte, fette Leadlines kann die Strat nicht liefern. Man bleibt also im Terrain des Blues und Retro-Rock.
Bei Akkorden können die Verzerrungen aber schon recht mächtig werden. Zumal die Klangregelung sehr intensiv arbeitet, daher viel Variabilität bietet, aber auch Druck von unten generieren kann, wo bei dem Instrument eventuell wenig davon vorhanden ist. Klar, eine Humbucker-Les-Paul putzt viel mehr weg, da werden die Lead-Einstellungen ungleich tragfähiger. Weil der DV Little GH 250 letztlich doch etwas steif auf den Anschlag anspricht, unterstützt er den Spieler nur verhalten und „hilft“ auch nur bedingt bei Legato-Passagen. Aber ich sag’s noch einmal, das mag unter absoluten Kriterien nennenswert sein, bezogen auf den Preis verbucht die Sound-Formung des Lead-Kanals im Grunde nur Positives.
Wenn ich oben von luftiger Tonkultur der Röhrenverstärker gesprochen habe, dann meine ich nicht im selben Atemzug, dass diese ein absolutes und zu jederzeit gültiges Ideal ist. Der beste Ton in der Musik muss nicht zwingend aus der Röhre kommen. Im Gegenteil, es gibt beispielsweise Transistorklassiker, die mit großer Charakterstärke „Signature“-Sounds liefern. Man denke z. B. an Rolands JC-120, oder die Zweikanal-Rackpreamps G1 und G2 von Pearce. Alt, vielen aus dem Gedächtnis, aber sehr speziell, weil mit Trafo im Ausgang, die Combos G210 und G212 von Gallien-Krueger u.v.a.m.
Es gibt jedenfalls ganz klar Situationen, in denen das (zumeist) kompaktere Klangbild eines Transistor-Amps die Nase vorn hat. Der DV Little GH 250 zeigt im Clean-Kanal wie’s geht. Das bei der E-Gitarre so wichtige Mittenspektrum vernetzt sich engmaschig und bringt in Akkorden alle Töne stabil und deutlich hervor. Was man besonders bei länger ausschwingenden Mehrklängen zu schätzen lernt. Sie breiten sich quasi aus wie ein Keyboard-Pad. Sehr schön auch, wenn man sie mit dem Schwellerpedal einblendet. Zum Veredeln das Ganze noch in Hall/Delay tauchen?
Genau, da kann man doch gleich den internen Reverb prüfen. Alles gut, der shatternde Raumeffekt klingt natürlich und gewinnt dadurch an Qualität, dass ihn subtile Modulationen – Schwebungen in langen Wellen – kolorieren. Bei Melodien und Solo-Lines rundet der Reverb das Klangbild schön ab, verleiht dem Ton Frische und Tragfähigkeit – möchte man gar nicht mehr wegdrehen. Während die Sound-Formung des Kanals ihren (wesentlicheren) Teil dazu beiträgt, indem sie auf Änderungen im Anschlag klanglich sensibel reagiert. Provoziert das Plektrum Biss und Obertöne, geht der DV Little GH 250 gut darauf ein.
Man bedenke aber bei alledem: Trotz Gain-Reglers ist der Clean-Kanal genau das, ein cleaner Kanal, der mit Overdrive so gut wie gar nichts im Sinn hat – auch wenn nahe des Gain-Maximums die Wiedergabe durchaus ein bisschen „haarig“ wird; cool, wie bei feinen Röhrensättigungen. Das Aufgabengebiet Clean hat der Kanal aber mit seiner wohl dosierten, nicht zu harten Ansprache wirklich gut im Griff. Hinzu kommt, dass die Klangregelung den Sound wiederum nachhaltig variieren kann. So hinterlässt die Clean-Sektion einem rundum positiven Eindruck.
Dann müssen wir jetzt nur noch kurz über den Einschleifweg reden. DV Mark spezifiziert in der auch sonst knapp gehaltenen, für die Praxis wenig hilfreichen, Bedienungsanleitung (keine Einstellvorschläge o. ä.) nicht die technischen Daten. Pegelniveau? Unbekannt. Ein- und Ausgangsimpedanzen? Unbekannt. Schade, DV Mark ist damit nicht alleine, nicht wenige andere Hersteller bekennen in diesem Punkt auch nicht Farbe, wünschenswert wäre es aber allemal, um objektive Anhaltspunkte für die Verträglichkeit mit externen Geräten zu bekommen.
Wesentlich: Die Signalstärke liegt hoch, nominal etwa bei +4 bis +6 dB. Pedale sind in diesem Einschleifweg mit Vorsicht zu genießen. Es sei denn, man benutzt zum Beispiel das Timeline von Strymon (+8 dBu) oder ähnliche HighTech-Utensilien. Zur Klärung des Sachverhalts: Hohe FX-Weg-Pegel bereiten häufig einerseits am Send-Ausgang Probleme, weil die nachfolgenden Geräte unter Umständen am Input übersteuert werden, oder – sollte man dies mit einem Input-Level-Regler vermeiden können – es kommt am Return zu wenig an, um den Amp noch voll aussteuern zu können. Sprich es kann nicht mehr die volle Leistung abgerufen werden (Abhilfe kann hier ein linearer Booster schaffen, der eingeschleift zwischen Effektgeräteausgang und Amp-Return den Pegelverlust aufholt).
Da die Level-Regler hier beim DV Little GH 250 vor dem FX Send liegen bzw. nicht hinter dem FX-Return, besteht nicht die Möglichkeit, nachzuverstärken. Nur bedingt geschickt, sage ich mal. Dass der interne Reverb-Effekt seriell vor dem FX-Weg liegt ist bis zu einem gewissen Grad Geschmackssache. Doch die Frage ist erlaubt: Wieviel Sinn macht es, dass der Hall andere Effekte passieren muss anstatt zum FX-Weg parallel zu liegen? Wenig, meine ich.
Wir schließen mit einer rundum positiven Nachricht. Betrifft die Leistung. Ich habe es im Dauerbetrieb bei Vollausstattung gemessen (1-kHz-Messton). Die Leistungsangaben treffen zu. Selbst an einer 8-Ohm-Last erreicht der DV Little GH 250 ohne Clipping noch etwa 135 Watt. Das ist schon ein ordentliches Pfund. Danach sättigt er sozusagen, kappt zunehmend die Signalspitzen bis bei 153 endgültig Schluss ist. An 4 Ohm verdoppeln sich die Werte in etwa. (Füttert man den Amp mit einem 100-Hz-Signal, verringert sich die Leistungsmessung um ca. 16%. Da ist wohl eine „Bremse“ eingebaut, die verhindert, dass tiefe Töne zu viel Energie verzehren. Im Hörerlebnis ist davon kaum etwas zu merken.)
alternativen
In dieser kompakten Bauweise hat der DV Little GH 250 keine Konkurrenz auf dem Markt. Im Umfeld, auch höherpreisig, stehen alternativ nur normale Topteile zur Wahl.
resümee
Handliches Format und gepflegte Tonkultur zum kleinen Preis, wenn das kein Kaufanreiz ist?! Das Schöne an der attraktiven Mixtur ist vor allem, dass der DV Little GH 250 mit einer kultivierten Tonformung glänzt. Kraftvolle, ausgewogene Cleansounds, charakterstarke Distortion, die farbenreich auf Spielnuancen reagiert, beide Kanäle klanglich überdurchschnittlich variabel, da bekommt man schlicht viel Sound für sein Geld. Die Konzeption des FX-Weges ist im Hinblick auf die Pegelstärke allerdings nicht der Weisheit letzter Schluss, während die reine Signalqualität positiv punktet.
Bleibt als Fazit: Bei ca. € 410 im Handel ist das Preis-Leistungs-Verhältnis unkritisch, ja, man kann es sogar als tendenziell günstig einstufen, wobei sich die Bewertung natürlich spezifisch auf die hier relevante Produktgruppe bezieht.
Hinweise zu den Soundfiles
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einem Celestion-Vintage 30 im klassischen 4×12-Cab.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt.
Die verwendeten Instrumente sind Fender-CS-Relic-Strat-1956 aufgerüstet mit einem Steg-Humbucker JB von Seymour Duncan und eine Steinberger GL4-T (Clip 5).
Clip 1 bis 4: Der DV Little GH 250, obwohl ein reiner Halbleiter-Verstärker, klingt erfreulich „röhrig“ und verbreitet kraftvolle Dynamik.
Clips 5 und 6: Wir hören den Clean-Kanal. Im Clip 6 sind die fünf Tonabnehmerpositionen der Strat zu hören.
Clip 7 präsentiert den internen Reverb-Effekt des DV Little GH 250.
Clip 8: Mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Der AMP1 von BluGuitar hat sich seit seinem Release vor drei Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Nun bekommt der vielseitige Amp im Pedal-Format ein subtiles Update, das vor allem moderne Spieler ansprechen soll. Firmenchef Thomas Blug hat seine eigene Bühnenerfahrung und das Feedback der Nutzer berücksichtigt und die Sounds des AMP1 entsprechend für die Mercury-Edition optimiert.
Der Clean-Kanal soll nun auf seiner “Tweed Side” des eigenen Volume-Reglers mehr Wärme bieten. Der Vintage-Kanal soll seinen rauchigen JTM45-Charakter beibehalten haben, nun aber beim vollen Aufdrehen tighter klingen. Der Classic-Kanal, welcher dem JCM800er nahe kommen soll, hat ebenfalls Finetunings bekommen, die ihm mehr Punch und Biss verleihen sollen. Quasi eine Hot-Rodded-Version des JCM800ers. Der Modern-Kanal soll nun noch dynamischer sein und mehr Ausdruck für Lead-Sounds sowie eine größere Tightness für Metal-Riffs bieten. Zu guter Letzt wurde der Algorithmus des Reverbs ebenfalls überarbeitet und optimiert.
Fractal Audio kündigt mit dem Axe-FX III ein Update des beliebten Preamp und Effektprozessors an. Nachdem bei Version II schon zwei Prozessoren eingebaut waren, sind es jetzt ganze vier. Das wirkt sich zum Beispiel auf das 800×480 große Farbdisplay aus, das jetzt eine 30x höhere (ja, richtig gelesen!) Auflösung hat als vorher und so in allen Situationen noch besser lesbar sein soll.
Die Parameter können über fünf Push-Encoder geregelt werden, die Menüs sollen einfach und intuitiv steuerbar sein.
Über eine LED-Anzeige auf der Vorderseite können die Pegel der einzelnen Ein- und Ausgänge gecheckt werden.
Auch die Input- und Output-Möglichkeiten wurden deutlich erweitert. So sind nun sechs zusätzliche Eingänge vorhanden – 2x XLR und 4x Klinke. Außerdem besteht jetzt die Option zwei Expression-Pedale anzuschließen. Die Reihenfolge des Signalpfads lässt sich individuell einstellen.
Neben den über 2200 Speaker-Cab-Simulationen, sind natürlich auch wieder die erstklassigen Effektsounds an Bord. Dabei wurden fast alle Effekte so überarbeitet, dass sie von der extra Portion Prozessorleistung profitieren.
Über die Software Axe-Edit können die Presets einfach erstellt und verwaltet werden.
Äußerst praktisch sind auch die beiden Bodentreter mit wahlweise 6 oder 12 Switches.
Bisher kann das Axe-FX III nur zu einem Preis von $ 2499 vorbestellt werden. Die Auslieferung für USA und Kanada startet im März, der Termin für Deutschland ist noch nicht bekannt.
Laney stellt das neue Ironheart SLS vor. Dabei handelt es sich um ein 300-Watt-Hybrid-Topteil, das sich aufgrund der Größe und des Gewichts von 3,5 kg besonders gut für tourende Gitarristen eignet. Für den Sound sorgen die drei Kanäle Clean, Rythm und Lead – jeweils mit eigenem EQ.
Praktisch sind auch die zwei Power-Modes Regular (1 bis 60 Watt) und High Power (3 bis 300 Watt) und der interne Reverb. Das Ironheart SLS eignet sich außerdem durch die eingebaute Cabinet-Simulation perfekt für den Einsatz im Studio, da kein extra Lautsprecher nötig ist und dank USB einfaches Recording in der DAW ermöglicht wird. Weitere Features sind ein FX-Loop, Kopfhörer-Ausgang, Aux-in und der im Preis mit inbegriffene FS-4 Footswitch.
Weil das Ironheart SLS noch nicht offiziell auf Laney’s Website gelistet ist, liegen derzeit noch keine Informationen zu Preis und Erscheinungsdatum vor. Einen ersten Eindruck vom Sound könnt ihr euch aber bereits durch die beiden Videos verschaffen.
Jeder kennt Rodenberg als Hersteller von Effektpedalen. Stoff der Spitzenklasse nebenbei bemerkt. Doch das weckt in gewisser Weise einen falschen Eindruck. Uli Rodenbergs Wurzeln liegen nämlich woanders, im Bau von Verstärkern. Was wir hier sehen ist also nicht ein Erstlingswerk nach Jahren der Pedalfabrikation, sondern quasi ein Kapitel der Selbstverwirklichung: Er kann es nicht lassen, Ulis Herz schlägt nach wie vor heftig für die Röhrentechnik. Und er hat jetzt sogar eine neuartige Leistungsreduktion, die er Power Wizard getauft hat, erfunden. Frohlocken…
Wer aufmerksam beobachtet, was sich in der Szene tut, weiß sicher, dass Uli Rodenberg nie ganz aufgehört hat, Verstärkermodelle vorzustellen. Aber der Boom in seinem Pedal-Geschäft hat dem halt stets enge Grenzen gesetzt. Spätestens seitdem er Lee Ritenour und Steve Lukather als User im Boot hat, genießen die Pedale höchstes Ansehen und erfreuen sich anhaltend großer Nachfrage.
vintage high tech …
… bringt die Gegebenheiten auf den Punkt. Das Konzept zielt im Kern darauf ab, klassische Sound-Bereiche aufs Äußerste optimiert bereitzustellen. Der British Legend Neo hat dafür drei Kanäle zu bieten. Channel 1 orientiert sich an Fenders Twin-Reverb, Channel 2 an der ersten JCM800-Serie von Marshall, Channel 3 soll ebenfalls auf der Basis von Marshall-Charakteristika moderne High-Gain-Sounds liefern.
Dazu gesellen sich, wie es sich für einen technisch anspruchsvollen Verstärker gehört, ein D.I-Anschluss mit Level Poti (Abgriff hinter dem Ausgangstrafo) sowie ein serieller Einschleifweg (Röhren-Buffer), den man bei Bedarf ganz aus dem Signalweg herausnehmen kann. In den drei Vorstufen sollen Sound-Schalter die Klangvielfalt erweitern, mit dem Damping-Schalter kann die Gegenkoppelung in der Endstufe verändert werden, die natürlich mit vier EL34 bestückt ist, eben britisch, legendär. Arbeitet natürlich, wie schon ehedem Marshalls Plexi-Ikone Superlead, im Class-AB-Gegentaktbetrieb. Eigenartig jedoch, dass weder der klassische Presence-Regler, noch das Pendant Resonance vorhanden sind, die man bei Amps dieser Kategorie eigentlich erwartet.
Nixie-Röhren zeigen die Leistung an °
Damit man den British Legend Neo fernbedienen kann, wird ein sehr hochwertiges dreifach Fußschaltpedal mitgeliefert, das über optische Anzeigen verfügt und mit einem professionellen XLR-Kabel (fünfpolig) Verbindung zum Verstärker findet. Über die ebenfalls an der Rückseite zugängliche Klinkenbuchse Remote, lässt sich der Status des FX-Loop kontrollieren.
So weit so gut und zumindest bis hierher noch nicht sonderlich aufregend. Aber, ich habe es ja oben angedeutet, der British Legend Neo ist mit einer einzigartigen Innovation ausgerüstet – dem sogenannten Power Wizard. Dieses Modul, das hier als Powerattenuator die Leistung der Endstufen reduziert, ist laut Uli Rodenberg eine ganz und gar neuartige Erfindung. Die Aufgabenstellung bei der Entwicklung lautete, die Kraft und das Klangverhalten der Endstufe in jedweder Betriebssituation hinsichtlich der Lautstärke optimal variabel im Griff zu haben. Ohne klangliche Einbußen! Schon das erfordert technisch einigen Aufwand. Uli Rodenberg hat es sich nicht nehmen lassen, trotzdem noch einen Luxus-Gimmick in den Power Wizard einzubauen. Drei sogenannte Nixie-Röhren zeigen den Betriebsstatus des Power Wizard, die augenblicklich gewählte Leistungsreduktion als Watt in Zahlenwerten an (0 – 100). Die Abstimmung erfolgt mit dem unscheinbaren, unauffälligen Fader-Potis unterhalb des Logos. Die Frage danach wie gut das funktioniert wird natürlich gleich im Praxisteil ein Schwerpunkt sein.
Üblicherweise komme ich an dieser Stelle auf die Substanz in der Verarbeitung der Testkandidaten zu sprechen. Was natürlich voraussetzt, dass ich die Geräte demontiere. Hier beim British Legend Neo war das eine eigentlich überflüssige Pflichtübung, denn ich weiß, wie kompetent und super akkurat Uli Rodenberg arbeitet. Andererseits trieb mich natürlich doch die Neugier, zu sehen wie er dieses Mal vorgegangen ist und welche interessanten technischen Details es vielleicht zu sehen gäbe; Stichwort wieder Power Wizard.
Das etwas besonders Edles vor einem steht, strahlt bereits die äußere Anmutung aus. Es gehört zu Rodenbergs „Corporate Identity“, dass die Metallteile an Front und Rückseite aus Edelstahl sind. Wohin man blickt, am Gehäuse zeigt sich sauberste Verarbeitung. Und als dann das Chassis rauskam … nun ja, wie immer, dieselbe Leier mit diesem Herrn Rodenberg, alles obertop bei ihm: Der fabriziert Amps wie Schweizer Uhrmacher edle Chronometer. So etwas von sauber gelötet, total cleaner Aufbau.
°
Als Basis fungiert eine Art Printplatte mit Lötpunkten. Die Bauelemente – die typischen Boutique-Produkte, nichts wirklich exotisches dabei – ruhen darauf, ähnlich kontaktet wie bei einer PTP/Point-to-Point-Verdrahtung. Die Röhrenfassungen sind am Gehäuse verschraubt und über Drähte bzw. Widerstände/Kondensatoren an der Printplatte kontaktiert. Neun Relais sind am Start, um die diversen Schaltvorgänge umzusetzen. Die Vorstufenröhren von JJ-Electronics, in der Endstufe die erprobten erstklassigen EL34-STR von Tube Amp Doctor. Machen wir es kurz, es ist nicht zu erkennen, wo die Produktqualität noch verbessert werden könnte. Dickes Lob, erstklassige Handarbeit. Noch weiter verschönern ist allerdings möglich. Gegen einen Aufpreis von € 100 kann der Kunde einen Tolex Bezug seiner Wahl ordern.
encore
British Legend ist eine kleine Serie von Amps. Das bedeutet, es gibt einen Zweikanaler namens Classic, der sich am Sound des Marshall 1959/Superlead und dem JCM800-2203 orientiert und auch ein einkanaliges Topteil, das nur den 1959-Kanal hat und Fillmore East heißt, als Hinweis auf die vielseitige Sound-Ausrichtung gen Allman Brothers/Dickey Betts.
Als Ergänzung bietet Rodenberg eine 2×12-Box eigenen Designs an. Rearmounted Lautsprecher, Reflex-Ports in der Schallwand, Celestion Vintage 30 oder andere Speaker nach Wunsch. Das Cabinet ist hochwertig(st) aus Birkenschichtholz gefertigt. Die Custom-Tolex-Option gilt auch hier.
ton sättigen
OK Uli, deine British Legends steigen hier in einen gefährlichen Ring. Harter Clinch, die von dir zitierten Vorlagen stehen schon Schlange. Ich habe aus meinem Fundus als Referenzen herausgesucht: Fender Twin Alu-Trim 1968, Superlead/1959 von 1971 (noch P-T-P), Marshall-2203 von 1981 und für britische High-Gain-Distortion einen 2203, der von dem US-Veredler Voodoo Amps das maximale Tuning-Paket bekommen hat, böse das, höchst kraftvoll bei ungeahnt heißen Verzerrungen.
Der Ansatz ist natürlich ein Stück weit akademisch. Absolute Deckungsgleichheit mit den genannten Protagonisten hatte Uli Rodenberg ja gar nicht im Sinn. Schließlich war sein Ziel ja, die betreffenden Tonwelten weiter auszureizen. Aber zur Urteilsbildung ist es doch immer wieder hilfreich, wenn man im Zweifelsfall zum Vergleich adäquates Equipment zu Rate zieht. Was sich auch hier wieder bestätigte. Langes Forschen war allerdings nicht nötig. Schon nach den ersten Tönen lässt der Britisch Legend Neo keinen Zweifel an seiner Kompetenz.
Natürlich klingt der Channel I nicht original wie ein alter Twin Reverb. Wie soll das gehen, wo doch die elektrisch andersartige EL34-Endstufe eine offensivere Note in das Klanggeschehen einbringt als die angestammte 6L6GC. Grundsätzlich ist die Attitüde aber zweifelsfrei getroffen. Strammer stabiler Ton (der Twin war immer Fenders resolutester), die eigenwillige Note in den oberen Mitten und Höhen, das Ganze mit viel Clean-Headroom … (Wir reden noch nicht davon, was der Power Wizard bewirken kann!) Die beiden Soundschalter bewirken moderate Anhebungen im Bassbereich und den Höhen (Bright) und helfen so zweckmäßig bei der Klangabstimmung, die wegen der guten Wirkung des EQ erfreulich variabel ausfällt.
°
Der Leser merkt, dass ich mich knapper fasse als sonst. Aus dem einfachen Grunde, weil ich keinen Sinn darin sehe, die allerorten vielfach beschriebenen Tugenden der alten Klassiker hier nun zum x-ten Male herunterzubeten. Deswegen fallen auch nicht allzu viele Worte zum Channel II. Das Timbre des 2203 ist mit der Faust aufs Auge getroffen. Allerdings mit einer gehörigen Portion mehr Kultur in den Verzerrungen. Und mehr klanglicher Reichweite, wegen des schaltbaren Gain-Nachschubs, der die Verzerrungen intensiviert – sehr willkommen, da der 2203 im Vorstufen-Gain eher mager denn fett vorgeht – parallel aber auch in den Hochmitten für viel mehr Biss sorgt. Davon abgesehen, Transparenz und Dynamik stehen ohnehin stets auf allerhöchstem Niveau.
Channel III bringt die Verzerrungsintensität massiv über die Klippe. Das ist weit jenseits dessen, was Marshalls früher konnten und liegt qualitativ auf dem Niveau z. B. des Brown-Eyes von Friedman. Auch wenn das Soundvoicing des British Legend Neo etwas schlanker ist. Schon das Vorstufen-Gain erzeugt kraftvoll singende Lead-Verzerrungen, die trotz ihrer Dichte und Tragfähigkeit den Charakter unterschiedlicher Instrumente mustergültig zum Vorschein bringt. Das ist alles schon ganz klar Spitzenklasse.
°
Doch die Soundformung wird noch um einiges aufregender, wenn der Power Wizard seinen Zauber verbreitet. Man muss das ganz klar sagen, Uli Rodenberg ist es tatsächlich gelungen, der Widerspenstigen Zähmung herbeizuführen: Vier EL34 in dezenter Lautstärke, bis hin zum Bedroom-Level, und man kommt trotzdem voll in den Genuss der Sättigungen. Und der Sound bleibt ausgewogen! Kein Vergleich zu dem, was mit Lastwiderständen erreichbar ist. Dieses Überfetten der Höhen und oberen Mitten, das die Sound-Formung im Spielgefühl sensibler, ja fast berührungsempfindlich macht, dass Obertonspektrum verdichtet und dem Ton diese einzigartig singende Note verleiht, stellt sich bei jedweder Lautstärke ein. Irre. Das Thema Gain bekommt dadurch auch eine ganz andere Note. Unter Nutzung des Power Wizard kann man den Charakter der Verzerrungen ganz anders dosieren. Gain in der Vorstufe zurücknehmen, dafür Volume hochdrehen, der Ton nimmt an Fülle massiv zu.
Das unterschiedliche Auspegeln der drei Parameter Power Wizard, Volume und Gain erzeugt wunderbar kontrollierbar unterschiedlichste Sound-Facetten. Perfekt!? Naja, nicht ganz vielleicht, denn der Power Wizard zieht natürlich automatisch auch die Clean Reserven nach unten. Wer also den Channel I (beider Amps) wirklich Clean hören will wird wohl schon gewisse Kompromisse eingehen müssen. Wäre vielleicht besser, wenn man den Power Wizard für die Clean-Vorstufen wahlweise deaktivieren könnte. Das spezielle 2×12-Cabinet für die British Legend Amps, macht einen hervorragenden Job. Es klingt voluminös, mit satten Bassanteilen, bleibt aber stets kontrolliert. Gehäusevolumen und Bassreflexöffnungen sind offensichtlich günstig abgestimmt. Sehr zu empfehlen. Aber natürlich klingen die Amps auch an anderen adäquaten 2×12- oder 4×12-Boxen ganz und gar überzeugend.
Zum British Legend Classic ist zu sagen, dass er auf eigentümliche Weise etwas muskulöser klingt also der dreikanalige Neo. Der Channel I/1959 packt sehr markant, kraftvoll und maximal „britisch“-kultiviert zu. Derart speziell, das mancher den BL-Classic bevorzugen wird, obwohl er damit einen Kanal „verliert“.
alternativen
Keine Alternativen. Der Power Wizard ist ein dermaßen potentes Alleinstellungsmerkmal, dass beide Amps ohne Konkurrenz dastehen. Die BL-Box bewegt sich zwischen den hochpreisigeren Cabs auf dem Markt und steht qualitativ in der ersten Reihe. Macht keinen Sinn, eine andere zu kaufen, passt quasi perfekt zum British Legend. Übrigens kann man sie auch nicht einzeln kaufen, nur zusammen mit einem der Amps.
resümee
Bringen wir es kurz und knapp auf den Punkt: Uli Rodenberg hat mit dem Power Wizard respektive den British Legend Amps eine beeindruckende Innovation hervorgebracht. Die edelst in Handarbeit gefertigten Verstärker bewegen sich tonal auf allerhöchstem Niveau. Und den Arbeitspunkt der Endstufe maximal kontrollierbar in der Hand zu haben, macht aus den Amps ein schier unschlagbares Soundtool. Keine Frage, Preis und Leistung stehen ganz klar in einem gesunden Verhältnis. (Antesten, sonst Bildungslücke!)
Hinweise zu den Soundfiles:
Die Soundfiles stellen den dreikanaligen British Legend Neo vor. Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, nahe platziert vor einem der beiden Vintage 30/Celestion der BL-2×12-Cab.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4-T. Es ist
Bedeutung der Buchstabenkürzel:
OD: Overdrive Gain, leichte Anzerrungen.
HG: High Gain, Distortion nahe am Maximum des hier (in diesem Kanal) Möglichen.
Git-Vol: Im Clip wird das Guitar-Volume-Poti benutzt, um die Verzerrungsintensitäten zu ändern.
Die Clips 1 und 2 stellen den Clean-Kanal vor. Groß, fett, transparent, eine würdige Hommage an Fenders Twin Reverb. Dem hat der British Legend Neo allerdings voraus, dass man die Sound weit in den Crunch-Bereich aussteuern kann.
In den Clips 3 bis 5 hören wir den British-Kanal. Im Gain weit variabel, schon ohne den Power Wizard.
Die Clips 6 bis 8 zeigen anhand des im Gain sehr heißen Channel III/Legend wie effizient sich der Power Wizard bemerkbar macht. Eingestellt auf acht Watt, fast schon Wohnzimmer-tauglich, hören wir im Clip 6 zunächst ein kurzes Riff, dann fettet sich der Ton an weil ich den Volume-Regler hochdrehe und dadurch Phasentreiber und Endröhren satt unter Druck gesetzt werden. Hört sich an wie ein voll aufgerissenes Fullstack.
Leicht veränderte Einstellung im Clip 7. Die Unterschiede in der Distortion-Intensität rühren allein daher, dass ich das Git-Vol benutzt habe (250kOhm log, kein Treble Bypass Kondensator!). Unglaubliche Dynamik. Und das bei sich kaum ändernder Lautstärke.
Clip 8 zeigt ein Extrem, full Gain. Man hört ab und an wie sich Feedback ins Tonbild drängt. Höreindruck und Spielgefühl gleichen erneut der Performance eines laut in der Sättigung arbeitenden Amp-Stacks.
Die Clips 9 (Clean Channel) und 10 (Legend-Channel präsentieren mein Referenz-Riff“ (Ref-Riff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Nachdem aus der Zusammenarbeit zwischen dem Gitarristen und YouTuber Ola Englund und der amerikanischen Verstärkerschmiede Randall bereits ein Signature-Amp namens Satan 120 entstand, wurde jetzt der kleine Bruder angekündigt – mit 50 Watt statt 120.
An Bord des Röhrentopteils sind drei 12AX7 in der Vorstufe und zwei 6L6 in der Endstufe. Die zwei Kanäle verfügen jeweils über eine eigene Klangregelung, das Besondere sind jedoch die drei unterschiedlichen Gain-Regler. Über Girth, Grind und Gain kann so der Charakter der Verzerrung nach persönlichen Vorstellungen geformt werden.
Auch praktisch sind der Boost-Switch mit der Bezeichnung Kill, den man im Video auch direkt im Einsatz sehen kann und der im Lieferumfang enthaltene Footswitch.
Zu Preis und Verfügbarkeit liegen derzeit noch keine Angaben vor.
Handliche Soundtools haben Hochkonjunktur? Scheint so, wie oft höre ich seit einiger Zeit von Kollegen, dass wenig rumschleppen von Gig zu Gig ein wesentliches Kriterium ist. Okay, wenn es denn so sein soll, bitteschön, hier haben wir etwas Passendes für sie: Ein zweikanaliger Verstärker nicht größer als ein Mon Cherie-Karton. Und trotzdem soll der 40 Watt abliefern.
Kammer? Wenig bekannter Name, ja, doch Dr. Hans-Jürgen Kammer ist mit seinem Einmannbetrieb durchaus schon eine Weile im Geschäft. Seit 2013, um genau zu sein. Wie so oft, ist das Zusammentreffen zweier Passionen der Ursprung des Unternehmens. Einerseits Ingenieur, andererseits leidenschaftlicher Gitarrist, wurde es ihm mit der Zeit ein Anliegen, die elektronische Seite der Tonformung selbst in die Hand zu nehmen. Das derzeitige Endergebnis seiner Forschungen und Entwicklungen sind zwei Preamps, K1 und K2, sowie eine Monoendstufe, alle drei im 19-Zoll-Format mit einer Höheneinheit. Ja, auch die Endstufe baut so flach, obwohl sie mit zwei EL34 bestückt ist.
Kammers Produkte entstehen von Hand in Einzelanfertigung. Angesichts dessen liegen die Preise nicht allzu hoch (ca. € 399 für die Preamps, ca. € 700 für die Endstufe). Allerdings wird zurzeit nur der K2 angeboten, und das auch nur auf Anfrage, denn momentan liegt der Fokus ganz auf dem hier vorgestellten Pedal-Amp Tiny K.
Asket
Der Verstärker ist im Grunde nicht anders konzipiert als z. B. 1×12″-Combos der Einsteigerklasse. Heißt, nur das Nötigste ist vorhanden. Zwei Sound-Sektionen-Clean und Overdrive-, eine (Gain-) Boost-Funktion mit ca. 14 dB, ein serieller Einschleifweg. Zwei Fußschalter kontrollieren den Status des Kanalwechsels und des Boosters. Fertig.
Die Sound-Kanäle können in der Gain-Intensität (Vorverstärkung) separat abgestimmt werden und teilen sich eine gemeinsame Klangregelung. Das Volume-Poti liegt hinter dem Einschleifweg und kann so bis zu einem gewissen Grad Signalpegeldifferenzen ausgleichen bzw. – wie Kammer angibt – dazu genutzt werden die Endstufe in die Sättigung hinein zu übersteuern. Die Aussage lässt aufhorchen, denn es handelt sich bei der Endstufe nicht um einen konventionellen analogen Schaltkreis, sondern um eine Class-D-Schaltung. Die Vorstufe dagegen bearbeitet die Gitarrensignale analog, natürlich, bei den Platzverhältnissen, in Halbleitertechnik, no Tubes.
So, damit haben wir die Spezifikationen bereits erfasst. Stellt sich als nächstes die Frage, wie das Projekt substantiell umgesetzt ist. Das Gehäuse ist schon einmal mechanisch stabil und wird damit seinem Einsatzweck gerecht. Das mit mattweißem Strukturlack beschichtete Oberteil ist aus Aluminium, die verzinkte Bodenplatte aus Stahlblech. Nach dem Öffnen des Tiny K sieht man erst einmal gar nichts, es guckt einem nämlich die Lötseite der Platine entgegen. Allerdings müssen nur die Muttern der Klinkenbuchsen gelöst werden und eine Stützschraube im Inneren, dann lässt sich das Printboard hochklappen und man sieht nun die Bauteile. Wie zu erwarten alles SMD-Elemente, also ICs, Widerstände etc. in Miniaturbauweise. Logisch, wenn es die nicht gäbe, wäre der Funktionsumfang auf so kleinem Raum gar nicht umsetzbar. Und obwohl ich so was ja fast täglich sehe, gibt es noch Momente, da ich mir quasi die Augen reibe und doch noch staune, dass mit so kleinen und wenigen Bauteilen eine so leistungsstarke Endstufe realisiert werden kann. Verarbeitung und Qualität der Elektronik sind absolut einwandfrei. D. h. diesen Teil der Testprüfung hat der Tiny K zur vollsten Zufriedenheit bestanden. Und noch eine erfreuliche Nachricht: Kammer gewährt drei Jahre Garantie auf das Gerät.
Nur das Nötigste vorhanden. Mehr passt halt nicht rein?
zweckmäßig
Der eine oder andere Leser hat oben wahrscheinlich schon gestutzt, als die Rede von der Zweibandklangregelung war. Kein Mid-/Mittenbereich? Nun, das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Nicht wenige Vintage-Amps, zum Beispiel aus der Brown- und der Blackface-Ära von Fender, waren auch so konzipiert und haben dennoch einen hohen Stellenwert. Wie auch Puristenverstärker aus aktueller Boutique-Produktion. Man bedenke in diesem Zusammenhang: Passive Klangfilter arbeiten in der Regel interaktiv, und zwar in einer Weise, die auch im Mittenband Erhöhungen/Absenkung der Frequenzkurve bewirken. Das trifft auch hier beim Tiny K zu, und es resultiert daraus eine für die Gegebenheiten respektable Variabilität. Absolut gesehen.
In der Praxis wird man den Bassregler vermutlich tendenziell in Nähe des Maximums stellen, denn das braucht das Pedal, um einen kraftvoll voluminösen Ton zu formen. Zumindest im Live-Einsatz ist man so gesehen nur beschränkt flexibel. Bei Recording sieht die Sache günstiger aus. Um beim Thema zu bleiben, wollen wir auch gleich die Frage klären, wie viel Kraft die Endstufe tatsächlich entwickelt. Messtechnisch, an einem 1 kHz-Signal und optimaler Ausgangsanpassung, Klangregler in der Mittelstellung, bestätigt sich die Leistungsangabe von 40 Watt.
Subjektiv bewertet, wirkt die maximale Leistung jedoch deutlich weniger laut als bei gleich spezifizierten Röhrenverstärkern. Mit dem Tiny K kommt man (ohne Monitorunterstützung) in einer Rockband nicht aus, bei Blues vielleicht gerade so. Der Haken bei der Sache ist in dem Zusammenhang vor allem, dass der Clean-Modus mit seinem Druck früh am Ende ist bzw. sein Gain-Regler eigentlich permanent weit aufgedreht sein muss. Es erweist sich außerdem als ungeschickt, dass der Overdrive-Kanal kein eigenes Mastervolume hat. Unpraktische Lautstärkesprünge beim Wechseln der Sound-Kanäle sind die Folge.
In der entscheidenden Disziplin, der Sound-Formung trumpft der Tiny K umso mehr auf. Die Clean-Sektion verstärkt die Gitarrensignale transparent ohne analytisch zu wirken. Raumgreifend, warm, schlank im Volumen, aber kompakt durchsetzungsstark. Dank des Boosts ist auch feiner, „haariger“ Overdrive möglich, der sich primär in den oberen Frequenzen ausbildet. Auch die Endstufe atmet – wie von Kammer versprochen – nahe der Vollausteuerung etwas mit.
Zum allgemeinen Wohlklang trägt vor allem bei, dass die oberen Mitten und die hohen Frequenzen tendenziell weich und unaufdringlich zu Ohren kommen. Ja, der Tiny K ist alles andere als ein Aggro-Amp. Das gilt auch für die Overdrive-Sounds. Die schlagen, wenn ich mich zur Verdeutlichung mal an gängige Klischees halten darf, mit ihrem singenden Charakter mehr und reichlich in Richtung Mesa Boogie MKIII als zu Marshalls JCM800-Modellen. Die Verzerrungen bilden sich bei Akkorden schön harmonisch aus. Gedämpft gespielte Figuren auf den Saiten E6 und A5 haben nicht gerade ultimativen Punch, drücken aber im Tongefüge doch ordentlich. Aus Leadlines macht die OD-Sektion kleine Highlights. Satt, schmatzend im Attack, gesund komprimierend, sodass sich der Spieler wohl fühlt, der Sound aber nicht indifferent wird, bieten die Verzerrungen das Potential für expressiven musikalischen Ausdruck.
Ein Delay im Einschleifweg, und die Sonne geht auf. Genau, das ist ein Stichwort, der Einschleifweg, unser letzter Prüfungspunkt. Eine 1:1-Verstärkung und ein nominaler Pegel von ungefähr -10dB, das macht ihn universell, sprich es werden auch viele Pedaleffektgeräte in diesem FX-Loop gut aufgehoben sein, ggf. sogar ein ganzes Pedalboard. Damit nicht genug, eignet sich das Send-Signal für die D.I.-Abnahme. Offenbar hat Kammer hier einen Low-Pass-Filter integriert. Die Signale sind jedenfalls in der Klangqualität dem Speakersound bei Verwendung eines Vintage 30 recht ähnlich. Das macht den Tiny K zu einem praktischen Recording-Amp.
resümee
Das Konzept des Tiny K ist verlockend. Ein Amp mit den Grundfunktionen so klein und leicht, dass er ins Gigbag passt – so etwas gibt es sonst (fast) gar nicht auf dem Markt. Die Rechnung geht insofern günstig auf, als der Tiny K mit gepflegten Soundqualitäten aufwartet und ein gesundes Maß an Variabilität bietet. Im Bereich Recording kann er diese Stärken voll ausspielen. Für den Live-Einsatz bildet leider der Lautstärkesprung zwischen den Kanälen eine gewisse Barriere.
Die Leistung der Endstufe ist beachtlich, der Tiny K kann durchaus laut sein, es reicht aber sicher nicht in allen Situationen bzw. stilistischen Anwendungen – als Minus kann und darf man dies einem solchen auf Kompaktheit ausgelegten Pedalgerät aber sicher nicht ankreiden. Im Großen und Ganzen ist das Testergebnis also positiv. Das insofern eigentlich lukrative Preis-/Leistungsverhältnis wird allerdings dadurch negativ beeinflusst, dass der Tiny K den Live-Einsatz mit dem oben genannten Lautstärkeproblem behindert/einschränkt.
Hinweise zu den Soundfiles:
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einem Vintage 30/Celestion in einem konventionellen 4×12-Cabinet.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4-T.
Clips 1 bis 3: Der Clean-Kanal tönt tendenziell eher schlank als voluminös und verbindet Wärme mit Transparenz. Clip 3 zeigt, dass auch respektable OD-Sounds möglich sind.
Clips 4 bis 6: In der Distortion-Sektion entwickeln sich die Verzerrungen harmonisch, u. a. wegen der deutlichen Kompression mangelt es absolut gesehen etwas an Plastizität/Tiefe im Ton. Rein klanglich bewertet ist die Wiedergabe charakter- und ausdrucksstark.
Die Clips 7 und 8 stellen den Tiny K mit meinem Referenz-Riff (RefRiff) vor, das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Zerr-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Diesen Monat beginnen wir mit einem Thema, das vor allem in Internet-Foren teils kontrovers diskutiert wird und zweifellos dazu taugt, mich mal wieder ordentlich in die Nesseln zu setzen. Aber was soll’s? Es gehört nun einmal zum Alltag im Verstärkerbau und wird sehr, sehr oft angefragt. Es geht um die Rolle von Kondensatoren in Gitarren-Amps.
Jeder Amp hat zahlreiche davon, und daher stellt sich die Frage, ob unterschiedliche Kondenstor-Typen oder -Fabrikate auch unterschiedliche Klangfarben hervorbringen. Für manche ist das selbstverständlicher Alltag und für andere wiederum glatter Humbug. Weniger heikel scheint für eine wortführende Techniker-Gemeinde die Einigkeit darüber, dass Röhren, Trafos und Lautsprecher die entscheidenden Klangbausteine eines Verstärkers sind. Der Rest verbirgt sich hinter Schaltplänen, Bauteilwerten und physikalischen Gesetzen. Letztere sind so wichtig, weil Gesetze (im Gegensatz zu Regeln, für die es immer auch Ausnahmen zu geben scheint) unumstößlich sind. Und daher ist es sehr, sehr schwer, diesem Thema messtechnisch zu Leibe zu rücken. Denn ohne jeden Zweifel sind Messergebnisse nun mal Fakten, die sich in komplexen Systemen wie Verstärkern leicht isolieren und auf sämtliche Parameter eines Bausteins ausdehnen lassen. Diese reduktionistische Sichtweise ist eine Bedingung, überhaupt zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Und da bietet der Kondensator als elektronisches Bauelement zahlreiche Größen, die es zu bestimmen gilt. Aber dazu später mehr.
Im Vordergrund soll hier der manchmal etwas seltsam anmutende Zusammenhang zwischen Datenblättern und Klangeindrücken stehen. Denn dazu gibt es teils widersprüchliche Beobachtungen. Gemeinhin gilt ein Kondensator nämlich außerhalb seiner spezifischen Funktionsdaten nicht als ein klangbestimmendes Bauelement. In der Praxis scheint das jedoch anders zu sein. Daher bieten Hersteller nicht Bausteine mit allen möglichen Eck- und Funktionsdaten, sondern auch vermeintlichen „Eigenschaften“, die besonders den Klang verbessern sollen.
Das führt mitunter zu absurden Produkten: Im HiFi-Highend-Lager sieht man schon mal Kondensatoren, die pro Stück weit über tausend Euro kosten und die aus allen möglichen geheimnisvollen Materialien gefertigt werden. Um überhaupt in den Genuss ihrer sagenhaften Fähigkeiten zu kommen, müsse man diese zunächst mehrere hundert Stunden „einspielen“, profitiere dann aber von sagenhafter Klangtiefe, Auflösung oder Natürlichkeit. Immer wieder muss die sogenannte „Klangbühne“ als Maß aller Dinge herhalten, ohne freilich vorher zu beschreiben, wann und wo ein Instrument oder eine Stimme überhaupt im physikalischen Sinn „natürlich“ sein kann. Im Vakuum freilich nicht. Bei welcher Luftdichte, bei welcher Temperatur, in welchem Raum oder welcher Lautstärke?
Vintage Marshall JMP 20 mit Mullard-Mustard-Kondensatoren°
Vor Jahren habe ich zahlreiche HiFi-Workshops abgehalten und besucht, auf denen dieses Thema mitunter so heiß diskutiert wurde, dass zumindest die Raumtemperatur spürbar anstieg. Aber hier sprechen wir von Reproduktions-Technik. Hier geht es immer nur um den Vergleich einer zum Beispiel „echten Stimme“ mit einer durch Magnetband oder via Digitaltechnik aufgezeichneten Version. Wie hoch kann man die Informationsdichte treiben? Kurzum fand sich hier schnell eine Formel, die man wie folgt beschreiben könnte: Je höher die scheinbare Informationsdichte, desto besser, sprich genussvoller das Hörergebnis.
Von solchen Wettbewerben sind wir Gitarristen – Gott sei Dank – befreit. Denn bei uns geht es ja nicht darum, Klänge einer vielleicht natürlichen Wahrheit so weit wie möglich anzugleichen, sondern diese nach persönlichen ästhetischen Mustern erst einmal zu erzeugen. Eine E-Gitarre hat per se keine natürliche Entsprechung. Das ist grundlegend anders, als eine Jazz-Sängerin vor einem Mikrofon aufzunehmen. Hier ist praktisch alles erlaubt. Man darf schön klingen, schräg, schrill, lärmig oder kaputt. Anders gesagt: Wer von uns hat schon mal darüber nachgedacht, welche Rolle die Kondenstoren in Jimi Hendrix‘ Marshalls während der Darbietung von ,Star Spangled Banner‘ spielen? Von daher verbietet es sich eigentlich, im Zusammenhang mit elektrischen Gitarrenverstärkern und deren Bauelementen von „Klangqualitäten“ zu sprechen. Alles darf, nichts muss!
Astron-Elkos und Blue-MoldedKondensatoren in einem Fender Champ von 1960°
Es gibt keinen ästhetischen Datensatz, der irgendeinen Klang oder Sound als grenzüberschreitend entlarvt. Für die Vorlieben von Klangerzeugern, die sich mit mehr oder weniger ausgeprägter Versiertheit der E-Gitarre bedienen, spielt Physik dagegen eigentlich keine Rolle. Man kauft Gitarren nach persönlichem Geschmack. Und dem ist es bekanntlich meist völlig schnuppe, welche Messdaten so ein Instrument hat. Sie muss sich gut anfühlen, inspirieren oder einfach nur die Lieblingsfarbe haben. Genauso verhält es sich mit den Verstärkern. „Laut“ und „Krach“ muss gehen, alles andere ist Geschmackssache.
Wir bilden teils komplexe Systeme, mit denen wir Klänge erzeugen, an die wir uns mit der Zeit gewöhnen. Sind diese Gewohnheiten erst einmal gesackt oder ins ästhetische Langzeitgedächtnis eingebrannt, spielen dann irgendwann doch die zahlreichen Klangbausteine eine Rolle. Wir haben dann ein Lieblings-Plektrum, Lieblings-Saiten, einen Lieblings-Overdrive und schließlich auch einen Lieblings-Amp.
Blue-Molded-Ajax-Kondensatoren für ein neues Amp-Projekt°
In Amp-Sounds kann man sich auch verlieben, wenn man das Objekt der Begierde gar nicht selbst besitzt. Man hat das Wunderwerk zunächst nur auf einer CD oder im Konzert des Lieblings-Gitarristen gehört. Oder er stand testbereit, aber unerschwinglich teuer in einem Vintage-Shop und zauberte eine Klangfarbenwelt, die einem einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen will. Und dann beginnt die Analyse… Man schaut genauer hin. Plötzlich scheint jedes noch so unwesentliche Bausteinchen eine riesige Rolle zu spielen. Welche Röhren, welche Trafos und schließlich welche Kondensatoren waren in dem Schmuckstück verbaut?
Verstärker haben eben nicht nur eine Funktionsebene, auf der alles nach streng physikalischen Gesetzen genormt einwandfrei arbeiten sollte, sondern auch diese wenig greifbare ästhetische Komponente, die ganz individuelle Eigenschaften bedienen soll. Daher gefällt den meisten Musikern von fünf gleichen Amps meist einer am besten. Lässt sich dieses Ergebnis nach Vorliebe messen? Nein! Dazu sind diese Systeme schon zu komplex. Ein einzelner Kondensator-Wert sagt praktisch nichts über das Gesamtergebnis. Daher beantwortet sich die Frage danach, welche Bauteile in einem Gitarrenverstärker für die Klangergebnisse wichtiger sind als andere, praktisch von selbst. Vermutlich ist alles wichtig: Die Schaltung, die Eigenschaften der Komponenten, die Spannung, die Netzqualität, die interne Verarbeitung, die Röhren, die Verkabelung, der Lautsprecher und das dazugehörige Verbindungskabel. Die Eigenschaften der einzelnen Komponenten haben leider isoliert betrachtet kaum eine Bedeutung.
WIMA-Kondensatoren in einem VOX AC30 von 1966 °
Auf der Suche nach dem Klang-Ideal helfen nur Kenntnisse über „Tendenzen“, die oft, aber eben nicht immer, zum gewünschten Ergebnis führen. Welcher Kondensator hat nun die besten Eigenschaften? Der, an den ich mich im Laufe der Jahre meist unbewusst gewöhnt habe, der vorher vom Boutique-Amp-Hersteller sorgfältig „selektierte“, der aus den Wundermaterialien oder doch einfach nur der teuerste? Manchmal kann es auch der sein, der aufgrund seines Alters seine ursprünglichen physikalischen Eigenschaften verloren hat und wahllos in einen eigentlich unhaltbaren Fantasie-Wert gedriftet ist – das habe ich alles schon erlebt.
Manchen Musikern gefällt ihr Verstärker mit nagelneuen „frischen“ Qualitäts-Kondensatoren einfach überhaupt nicht mehr. „Ist mir doch egal, wie lange so ein Elko hält. Mit den neuen klingt’s sch…“ Dabei steht’s überall geschrieben: „Alle 10 bis 20 Jahre sollte man dem Verstärker ein paar neue Netzteil-Elkos spendieren.“ Einfach mal so. Es kann auf jeden Fall nicht schaden.
Diverse Koppelkondensatoren zum Test bereit°
Das gleiche gilt für die Koppelkondensatoren, die letztlich das Frequenzspektrum eines Verstärkers formen. Hier gilt es gemeinhin, die Spreu vom Weizen zu trennen und Minderwertiges durch Höherwertiges zu ersetzen. Andere Techniker pfeifen auf solche vermeintlichen Klangeigenschaften und modifizieren nach strikten physikalischen Werten – denn das sind schließlich Fakten. Der Rest sei Einbildung und im Blindtest irrelevant. Das ist natürlich ein (physikalisch) gesicherter Standpunkt. Er reicht aber für die Bedürfnisse der meisten Musiker oft nicht aus. Man muss sich irgendwann zwangsläufig auf das Gebiet der ästhetischen Parameter begeben, um dem Musiker entgegenzukommen.
Aufgrund unserer Hörgewohnheiten haben sich im Laufe der Jahrzehnte sicher einige Kondensatoren einen „legendären“ Ruf erworben. Meist ohne bewusstes Zutun der damaligen Hersteller. Bei Fender hat wohl niemand solche Produkte nach Hörergebnissen selektiert und sich aufgrund dieser für ein bestimmtes Produkt entschieden. Es waren Zufälle oder finanzielle Erwägungen. In den frühen Fünfzigern wurden die Tweed-Combos mit roten Jupiter-Kondensatoren bestückt, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mit den berühmten ,Yellow Astrons‘. Ab den Sechzigern galten die Mallory ,Blue Molded‘ Ajax-Kondensatoren als das Maß aller Dinge. Gefolgt von allen möglichen Sprague-Drops, mal in blau, in braun oder später orange. Jeder davon gilt unter Liebhabern heute als prägend für die oft auch fantastisch klingenden Oldtimer.
Bei den Marshalls waren es die ,Mullard Mustard‘-Kondensatoren aus den Sechzigern und frühen Siebzigern, die für Verzückung sorgen. Bei Vox streiten sich die Fans, ob man lieber einen mit eben diesen Mustard Caps oder doch lieber den Versionen mit den WIMA-Caps den Vorzug geben soll. In der nächsten Folge werden wir untersuchen, ob diese Bausteine für die Klangergebnisse wirklich so wichtig sind. Und wenn ja, ob es heute moderne Entsprechungen dafür gibt. Wir werden auch beleuchten, ob es Sinn macht, mit ganz neuen Highend-Produkten den Klangvorstellungen auf die Sprünge zu helfen. Und schließlich werden wir untersuchen, ob auch ein Netzteil- oder Kathoden-Elko zur Klangformung beiträgt. In diesem Sinne… [2456]
Aus Gitarre & Bass 08/2017
Teil 2
Bitte nicht nachmachen! Test-Kondensatoren im Tweed Deluxe „eingeklemmt“
Nach meiner Einleitung zum Thema in der letzten Folge begeben wir uns nun direkt in die Testphase unterschiedlicher Kondensatoren.
Sie sind klangbestimmende Bauteile in Verstärkern. Wir finden vor allem drei Anwendungstypen: Lade-Elkos, Koppelkondensatoren, Bypass-Kondensatoren. Doch was tut ein Kondensator eigentlich? Im Grunde handelt es sich um einen frequenzabhängigen Widerstand. Mit Kondensatoren wird das Wiedergabespektrum eines Verstärkers gestaltet. Obwohl der Aufbau recht schlicht aussieht, gibt es zahlreiche Parameter, die seine Wirkung beeinflussen.
Ein Kondensator besteht – vereinfacht gesagt – aus zwei leitenden Flächen, die durch einen Nichtleiter (Dielektrikum) voneinander getrennt sind. Hierbei kommen verschiedene Materialien zum Einsatz. Moderne Kondensatoren bestehen meist aus einer Kunststofffolie (z. B. Polyester oder Polypropylen), die mit einem leitenden Material bedampft wird. Um die Größe des Bauteils gering zu halten, sollten die Fläche und der Abstand der Folien möglichst klein gehalten werden. Daher werden die Folien in der Regel zusammengerollt und in einem Kunstoffgehäuse untergebracht. Vintage-Kondensatoren besitzen oft ein Dielektrikum aus Öl-Papier, was Liebhabern aus klanglichen Gründen wichtig erscheint.
Ich muss dies alles auf ein paar sehr einfache Grundformeln reduzieren, da die Konstruktionsmerkmale und die damit verbundenen Funktionsunterschiede ein wahnsinnig komplexes Thema sind. Man könnte damit locker ein ganzes Heft füllen und würde bei den meisten Lesern doch nur ein riesiges Fragezeichen hinterlassen, denn die fachlichen Eckdaten werden nur vom Physiker oder Techniker verstanden. Es gibt dazu reichlich Formelwerk. Nur wenige Autoren verstehen es, diese komplizierte Thematik für den Laien einigermaßen verständlich in kurze Erklärungen zu verpacken. Wer sich dafür interessiert, wird im Internet fündig. Besonders gelungen fand ich hierzu eine Abhandlung von Christoph Caspari (www.ccinfo.de). Hier werden die wesentlichen Bausteine und Funktionsdaten von Kondensatoren vorbildlich aufgeführt. Uns soll vor allem interessieren, ob man grundsätzlich Unterschiede zwischen den verschiedenen Bauformen und Herstellern tatsächlich heraushört.
In vielen Foren liest man dazu recht überhebliche Statements, die die Klangeigenschaften von Kondensatoren meiner Meinung nach zu voreilig ins Reich der (Voodoo)-Legenden katapultieren. Was man nicht messen kann, hört man auch nicht. Immer wieder werden angebliche Blindtests beschrieben, in denen „niemand etwas Unterschiedliches hören konnte“.
Hinter vermeintlich irreführenden Angeboten sollen sich geldgierige Highend-Priester verbergen, die Verbraucher zum Kauf hochpreisiger Blender-Artikel verführen wollen. Wie schon im letzten Artikel erwähnt, kann man zu solchen Schlüssen sehr leicht kommen, da es vor allem im Bereich der Wiedergabe-Elektronik teils sagenhaft teure Bausteine gibt, deren Qualität schon allein daher einem berechtigten Zweifel unterliegen müssen. Es gibt tatsächlich Kondensatoren, die weit über € 1.000 kosten. Nun gut! Jedem das Seine! Solche Produkte sollen uns hier nicht interessieren.
Ich möchte vielmehr aus meiner Erfahrung mit unterschiedlichen Kondensatoren in Gitarrenverstärkern berichten und deren Wirkung als „Instrument“ zur Gestaltung von bestimmten Klangergebnissen beleuchten. Und so viel vorweg: Richtig schlechte Kondensatoren gibt es nicht. Solange die technischen Werte den gewünschten Vorgaben entsprechen, kann man alle erwähnten Modelle für sich nutzen. Es geht also nicht um „besser“ oder „schlechter“. Es geht um bestimmte Klangfarben und Eigenschaften, die sich der Messtechnik ganz offenbar entziehen. Und dennoch sind sie da!
Und da die meisten Leser kaum die Möglichkeit haben, alle vorhandenen Modelle in einem Verstärker klanglich zu untersuchen, müssen eben Leute her, die aus ihrer Erfahrung damit berichten können. Und nichts weiter versuche ich hier. Persönlich fände ich es umso schöner, wenn diese Unterschiede nicht existieren würden. Dann könnte man einen Verstärker strikt nach einem Schaltplan konstruieren. Die Klangergebnisse wären durchweg durch Messdaten zu quantifizieren und fertig wäre der Traum-Amp. Doch so einfach ist das nicht. Wer täglich damit beschäftigt ist, Verstärker zu reparieren, zu restaurieren oder zu bauen, muss sich mit solchen Unwägbarkeiten wohl oder übel herumschlagen. Gerade dann, wenn die Kunden bezüglich ihrer klanglichen Ansprüche sehr sensibel sind, kommt man um längere Hörtests nicht herum.
WIMA-Durolit-Kondensator
Die hier vorgestellten Kondensatoren sind natürlich alle auf ihre Sollwerte hin geprüft und weichen in jedem Fall nur weniger als 2 Prozent davon ab. In diesem Bereich sind Unterschiede bei gleichen Modellen wahrlich nicht mehr herauszuhören.
Getestet wurden die Kondensatoren in einer 5E3-Schaltung, die die meisten Leser vom Fender Tweed Deluxe her kennen dürften. Das bot sich an, weil in diesen Amps nur 5 Koppelkondensatoren zum Einsatz kommen und die Schaltung sehr simpel ist.
Man kann davon ausgehen, dass man hier Unterschiede eher heraushören kann als in komplexen Mehrkanal-Konstrukten. Um die unterschiedlichen Kondensatoren möglichst schnell austauschen zu können, habe ich an den betreffenden Stellen im Board Kroko-Klemmen befestigt.
Die meisten Testkandidaten wurden uns vom Tube Amp Doctor in Worms zur Verfügung gestellt. Nochmal ein Dankeschön dafür.
Ich bitte um Verständnis, dass die ausgewählten Fabrikate nur exemplarisch gemeint sind. Sicher wird der eine oder andere Leser seinen Lieblingskondensator im Testfeld vermissen. Untersucht habe ich vor allem die Auswirkung bestimmter Kondensatoren bezüglich ihrer spezifischen Klangfarben. Dass diese zweifellos vorhanden sind, lehrt meine lange Erfahrung mit solchen Bauteilen und natürlich die Reaktion meiner Kunden auf bestimmte Klangergebnisse. Weiterhin habe ich untersucht, ob die Kondensatoren, wie oft behauptet, eine bevorzugte Einbaurichtung haben (und hier nur bei Koppelkondensatoren) und ob die Bauteile tatsächlich jene mysteriöse Einspielphase benötigen. Es soll ja Kondensatoren geben, die erst nach einer gewissen Zeit nach dem Einbau ihre vollen Klangeigenschaften entfalten. Dazu später mehr.
Yellow Astron aus einem Fender-Tweed-Amp
Man kann einfach nicht darüber hinweg sehen, dass bestimmte Verstärker-Hersteller großen Wert auf die Auswahl der verwendeten Kondensatoren legen. Bei unzähligen Firmenbesuchen wurde dieses Thema in den Entwicklungsabteilungen neben der Auswahl der Trafos und Lautsprecher intensiv beleuchtet. Zielt man auf ganz spezifische Klangergebnisse ab, kommt man um diese Auswahlkriterien nicht herum. Hier liegt übrigens auch einer der Gründe, warum viele Musiker bei Gitarrenverstärkern eine typisch „britische“ oder „amerikanische“ Prägung zu erkennen glauben.
Daher habe ich mir zunächst vermeintlich legendäre Modelle der von Marshall ursprünglich verwendeten so genannten Philips/Mullard „Mustard“- sowie die in vielen Vox-Verstärkern verbauten WIMA-Durolit-Kondensatoren angehört. Als amerikanisches Pendant habe ich die von Fender verwendeten Yellow Astrons und Mallory „Blue Molded“ besorgt und angehört. Wie gesagt mit identischen Werten. Und tatsächlich ergaben sich recht unterschiedliche Klangfarben je nach verwendeten Fabrikaten. Natürlich ist dieser Eindruck immer im Kontext zu allen übrigen Bausteinen zu sehen. Nur durch den Austausch der Kondensatoren ergibt sich demnach noch kein reinrassiger Marshall-Sound.
Man konnte jedoch beobachten, dass der Tweed Deluxe etwa mit Mullard Mustard Caps tatsächlich etwas mehr nach Marshall klang. Die Bässe wirkten straffer, die Mitten kompakter, der Hochton etwas dicker und aggressiver als mit anderen Fabrikaten. Spielt man nur leise und clean, wird es jedoch schwer mit dem Vergleich. Entscheidend war das Verhalten in der Übersteuerung. Diese Kondensatoren führten stets zu einem schlanken, extrem gut konturierten Klangbild, das vor allem mit Overdrive-Pedalen jeweils typische Brit-Sounds zuließ. Man denkt unweigerlich an Led Zeppelin, Jeff Beck oder Clapton.
Noch extremer verhielten sich die WIMA-Durolit-Probanden. Mit diesen Kondensatoren erhält man ein recht vorlautes Mittenbrett, das einem Brian May gefallen dürfte. Das Klangbild wirkt insgesamt enger, nochmals straffer und aggressiver als mit den Mustard Mullards. Ideal für ein fettes Rockriff oder Power-Chords. Mit diesen Caps klang der Deluxe tatsächlich eher wie ein Vox oder Marshall. Erstaunlich!
Mallory-„Blue-Molded“-Kondensator
Völlig neu erlebt man den gleichen Amp mit ein paar Yellow-Astron-Kondensatoren aus den Fünfzigerjahren. Der Verstärker tönt plötzlich klar und offen. Der Fokus liegt jetzt viel mehr in den Bässen und im Hochton und weniger im Mittenspektrum. Die Aggressivität weicht einem schmatzigen Overdrive mit eher „süßen“ Höhen. Trotzdem wirkt der Ton kompakt und gut definiert. Der Verstärker bleibt insgesamt länger clean und durchsichtig. Die Power-Chord-Qualitäten der WIMAs und Mullards weichen offensichtlichen Vorzügen für Picking-Style oder Arpeggios à la The Edge oder Neil Young. Eine vermeintliche Lücke in den hohen Mitten, die die britischen Probanden deutlich hervorzuheben scheinen, sorgt dafür, dass der Verstärker in praktisch keiner Einstellung unangenehm oder vorlaut klingt.
Zuletzt habe ich Mallory-„Blue-Molded“- Kondensatoren eingesetzt. Sie nähren ihren legendären Ruf aus den Sechzigern, in denen beinahe alle Fender-Blackface-Amps damit ausgestattet waren. Diese Caps schließen die Lücke zwischen den extrem süßlichen Yellow Astrons und den kraftstrotzenden Mullard Mustards. Power-Chords erinnern jetzt eher an Ted Nugent oder ZZ-Top, während die Clean-Sounds offenbar linear und ohne jede spürbare Überbetonung ausfallen. Es scheint, man habe den idealen Kondensator gefunden, denn er scheint wie kein anderer für jede Spielart geeignet. Besonders überzeugend gelingen mit diesen Caps leicht angezerrte Blues-Sounds mit langem Sustain. Der Amp scheint plötzlich die richtige Balance zwischen dynamischem Antritt und lang ausklingenden Noten gefunden zu haben. Zweifellos ein Kondensator für alles, noch dazu auf höchstem Niveau.
In der nächsten Ausgabe werden wir diese mittlerweile schwer erhältlichen Klassiker mit Neuauflagen oder Mitbewerbern vergleichen. Denn niemand kennt schließlich die „neutrale Mitte“, in der ein Verstärker von all diesen Klangeigenschaften entschlackt scheint. Bis zum nächsten Mal! [1642]
Teil 3
Im dritten Teil unserer Kondensator-Testreihe geht es um die vergleichenden Hörtests der beschriebenen Klassiker und aktueller Ersatz-Typen. Ich habe damit buchstäblich Wochen verbracht, auch wenn mir die meisten Kondensator-Typen aus meiner Arbeit schon bekannt waren. Die Vorlieben können sich hierbei täglich ändern, da alle Kondensatoren klangliche Stärken und Schwächen aufweisen. Man weiß nie, welchen man dauerhaft bevorzugt. Ich habe auch festgestellt, dass sich manche Bauarten auf Dauer klanglich noch deutlich verändern. Ob man nun davon sprechen kann, dass Kondensatoren eingespielt werden sollten, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall spielt ein Amp, an dem längere Zeit nicht gelötet oder geklemmt wurde, irgendwann (bei mir waren es im Durchschnitt zwei Wochen) homogener und flüssiger. Er scheint Ecken und Kanten zu verlieren und einfach angenehmer zu klingen.
Frisch ausgepackt und eingelötet erzeugen manche Kondensatoren (hier vor allem die TAD Paper-in-Oil- und Red Jupiter-Modelle) noch einen etwas „verstopften“ Ton, der mitunter zu matt und dunkel gerät. Manch einer könnte davon schnell enttäuscht sein. Das ändert sich aber auf wundersame Weise, wenn man den Kondensatoren eine längere Einspielzeit gönnt. Wie sich die Kondensatoren veränderten, konnte man leicht überprüfen, indem ich eingespielte gegen frische gleichen Typs verglichen habe. Nach einiger Zeit bieten die eingespielten Probanden eine deutlich größere Klarheit und Auflösung. HiFi-Liebhaber sprechen hier von einem „freien“ Ton, was es ganz gut trifft. Immerhin haben wir für Klänge in der deutschen Sprache immer noch kein Vokabular.
Beginnen wir bei den Hörtests gleich mit einem Klassiker, der auch für technisch unerfahrene Gitarristen vielleicht schon ein Begriff ist.
Sprague „Orange Drop“ 715
Sprague „Orange Drop“ 715
Als ich 1991 meinen ersten Fender-Verstärker restaurierte, konnte ich nur zwischen zwei axialen Folien-Kondensatoren wählen. Sprague 715, der wegen seiner auffällig orangen Färbung auch als „Orange Drop“ bekannt ist und der gelbe ERO/Roederstein, beide mit 600 Volt Spannungsfestigkeit, was für alle Gitarrenverstärker mehr als genug ist.
Im Laufe der Zeit entschied ich mich immer häufiger für den Sprague-Kondensator, da der ERO/Roederstein zwar sehr sauber und dynamisch tönte, ihm aber für eine E-Gitarre der gewünschte bissige Charakter fehlte. Der Sprague sorgte für einen sehr sauberen und fetten Ton, der jedem reparierten Verstärker einen Zugewinn an Dynamik und Lautstärke bot. Das war schon mal nicht schlecht. Außerdem verbesserten diese Kondensatoren das Mittenspektrum. Klarheit mit Biss beschreibt den Charakter in Kürze recht treffend.
Diese Kondensatoren erwiesen sich als ideal für alle Black- und Silverface-Fender-Amps. Viele Dumble-Kopien sind aus diesem Grund immer noch damit bestückt, obwohl Alexander Dumble ursprünglich nicht die 715-Polypropylen-Typen verwendete, sondern die nahe verwandten 6PS-Polyester-Typen, die etwas feiner in den Höhen auflösen und daher nicht ganz so bissig rüberkommen.
Vor allem in Verstärkern mit kräftigen Bässen können sie dafür sorgen, dass die unteren Register nicht „absaufen“ oder zu mulmig daherkommen. Daher sind sie für mich immer noch erste Wahl, wenn ich etwa einen Bass-Verstärker bauen soll.
Mallory 150
Mallory 150 Polyester Film
Auf diese Kondensatoren stieß ich zunächst in den bekannten Tuning-Büchern vom amerikanischen Amp-Guru Gerald Weber. Sie waren Anfang der Neunziger in Deutschland noch nicht erhältlich. Daher bestellte ich ein paar davon in den USA zur Restaurierung meiner Tweed-Amps, da sie den Sound dieser Amps laut Weber perfekt unterstützen sollten. Das stimmte zwar nicht ganz, war aber dennoch eine wunderbare Alternative zum Orange Drop. Die Mallories tönen zunächst weicher und offener als die Spragues. Die Höhen scheinen nach oben verschoben und die Mitten weniger knackig. Die Polyester-Typen klingen rauer und etwas komprimierter als die Spragues. Genau richtig für den typischen Tweed-Charakter. Diese Amps klingen mit ihrer meist reduzierten Leistung ohnehin schon recht mittig und warm, weshalb der Charakter der Mallories hier ganz gut ins Bild passt.
Aufgrund ihrer Rauheit taugen sie auch recht gut für britische Sounds. In Fender Blackface- oder Silverface-Modellen gefallen sie mir nicht so gut, da sie das Mittenspektrum hier weiter zurücknehmen und manchmal schon zu weich klingen. Wünscht man sich besonders klare Klangergebnisse, sind sie meist fehl am Platz, da sie eher früher als später in den Crunch-Bereich gehen als andere Typen. Wenn das gewünscht ist, kann man sie natürlich guten Gewissens nehmen. Insgesamt taugen sie nach wie vor in Class-A- oder Kathoden-Bias-Konstruktionen aufgrund ihrer rauen amerikanischen Note.
TAD Paper In Oil
TAD Paper In Oil
Öl-Papier-Kondensatoren genießen unter HighEnd-Fanatikern einen legendären Ruf. Ihre Auflösungseigenschaften und räumliche Darstellung sollen unschlagbar sein. Ich bin diesen Kondensatoren zum ersten Mal bei der dänischen Firma Jensen begegnet, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Lautsprecher-Hersteller. In Internet-Foren werden sie meist mit dem Kürzel „PIO“ (Paper In Oil) versehen. Die TAD-Kondensatoren habe ich lange nicht so recht beachtet, da ich mit den Sprague Orange Drops und den Mallories recht zufrieden war.
Vor circa zehn Jahren habe ich diese Kondensatoren allerdings in einen 1965 Fender Bandmaster gelötet. Anfangs gefiel mir das gar nicht so gut, da die PIO-Kondenstoren auf Anhieb von allem etwas zu viel zutage brachten. Viel Bass, viele Höhen, große Dynamik, hohe Lautstärken und zunächst ein leicht verbogenes Mittenspektrum. Den besagten Amp bekam ich in diesem Jahr wieder zurück, ohne mich freilich zu erinnern, welche Kondensatoren ich damals bei der Restaurierung verwendet hatte. Dieser Verstärker hat heute buchstäblich so eine Art „Million-Dollar-Sound“. Ich konnte kaum glauben, wie musikalisch und konturiert er klang. Als ich den Bandmaster öffnete, entdeckte ich die TAD-PIOs wieder und wollte mich zunächst vergewissern, ob sie wirklich für diesen verführerischen Sound verantwortlich waren. Ich tauschte die Koppelkondensatoren des einen Kanals gegen Mallories und hörte sofort, dass gerade die Klarheit und Dynamik des Amps verloren ging.
Sie klingen nicht so crunchy und rau wie eingespielte Mallories oder Orange Drops, bieten dafür jedoch einen unvergleichlich sauberen Clean-Sound, der dennoch jede Menge Charakter besitzt und keineswegs steril oder langweilig tönt. Man kann sie eigentlich in jedem Amp verwenden und erhält ein wunderbar fein auflösendes Hochtonspektrum, vorausgesetzt man ist bereit, ein bis zwei Monate zu warten, bis sie ihre Klangfülle vollends entfaltet haben. Sie sind auch eine hervorragende Wahl als Tone-Kondensator in einer Gitarre. PIOs kosten zwar ein paar Euro mehr als ihre Mitbewerber, bieten aber eine erstaunlich hohe Klanggüte.
TAD Mustard
TAD Mustard Alu/PE
Wie der Name schon verrät, ist diese Eigenkreation von TAD eine Anlehnung an die britischen Mullard-Mustard-Kondensatoren und prädestiniert für den Einsatz in britischen Amps. Sie klingen auf Anhieb straffer und schlanker als andere Probanden und liefern tatsächlich diese tiefen aggressiven Mitten, für die Brit-Amps nun mal berühmt sind. Im Vergleich zu den Philips/Mullard-Originalen bieten sie Sounds, die beinahe identisch sind. Das gelingt sehr überzeugend, zumal die alten Originale kaum noch erhältlich sind und wenn, unheimlich teuer gekauft werden müssen. Ich verwende diese Kondensatoren seit jeher für Marshall-Repliken oder zur Aufwertung der Marshall Handwired-Modelle, die nach einem Austausch immer irgendwie noch authentischer klingen. Eine Einspielphase scheinen diese Kondensatoren nicht zu benötigen. Sie tönen auf Anhieb perfekt.
Natürlich liegt ihr Fokus in ihren starken Mitten, weshalb sie für mich in Fender-Amps nicht so gut funktionieren, es sei denn, man wünscht sich etwa von einem Kanal seines Fenders einen etwas britischeren Charakter.
Red Jupiter
Red Jupiter Zinn-Folie/Mylar
Die roten Jupiter-Kondensatoren fand man in Fender-Tweed-Amps bis circa 1956. Diese Zinnfolien/Mylar-Typen wurden berühmt wegen ihres warmen, runden Grundcharakters. Hat man schon mal an solchen Amps gearbeitet, weiß man genau, was gemeint ist. Es gab bisher kaum vergleichbare Kondensator-Modelle. Seit einigen Jahren werden sie jedoch wieder nach alten Vorgaben hergestellt. Ich hatte sogar die Gelegenheit, die neuen Repliken gegen ein paar Originale aus meiner „Wühlkiste“ zu vergleichen, wobei stets die neuen Kondensatoren die Nase vorne hatten. Sie haben genau dieselben Klangeigenschaften wie ihre alten Vorbilder, bieten aber mehr Dynamik, Kontur und schönere Höhen. Erst recht dann, wenn sie ein paar Wochen eingespielt wurden. Die Red Jupiters sind eine sagenhaft gute Wahl für Tweed-Amps, da sie von allen Probanden den wärmsten und flüssigsten Ton bieten. Der Sound scheint praktisch einzurasten. Man muss ihnen allerdings sehr viel Zeit geben, um sich auch im Hochton zu öffnen. Sie klingen hier anfangs etwas bedeckt und dumpf. Aber das gibt sich.
Ich habe während der Tests meinen Tweed Deluxe damit ausgestattet, in dem bisher eine Mischung aus alten Blue-Molded- und Yellow-Astron-Kondensatoren verbaut war, und die Red Jupiters sind geblieben, weil sie einfach mehr Dynamik und Frische boten.
Abschließend kann man sagen, dass alle Probanden für bestimmte Geschmäcker exzellente Klangergebnisse lieferten. Es gibt mittlerweile wieder zahlreiche Alternativen im axialen Hochvolt-Bereich, wodurch wir Gitarristen bei der Auswahl förmlich aus dem Vollen schöpfen können. Natürlich gibt es noch reichlich Mitbewerber auf dem Markt, daher ist meine Übersicht alles andere als vollständig. Sie repräsentiert aber sicher eine Orientierung seitens der bei uns gängigen Typen. Bis zum nächsten Mal…
[2052]
Teil 4
Alte RS-Elkos in einem Marshall JTM45/100
Nachdem wir uns in den letzten Folgen sehr ausführlich mit den sogenannten Koppel- oder Ton-Kondensatoren in Gitarrenverstärkern beschäftigt haben, möchte ich ergänzend noch einmal auf die Netzteil- und Kathoden-Elkos eingehen. Der Name Elko leitet sich von dem Begriff Elektrolyt-Kondensator ab. In den meisten Gitarrenverstärkern sind dies becherförmige oder axiale Aluminiumkondensatoren, die mit einem flüssigen oder gelartigen Elektrolyt gefüllt und gepolt sind. Der Pluspol dient als Anode (hier liegt also die Spannung an). Sie dienen in den Netzteilen zur Glättung und Energiespeicherung der zuvor gleichgerichteten Wechselspannung oder an den Röhren-Kathoden zur Frequenzentkopplung. Sie dürfen nur mit Gleichspannung betrieben werden. Bei zu hoher Hitzeentwicklung oder Fehlpolung droht die Zerstörung des Kondensators. Im schlimmsten Fall explodieren sie und sorgen nicht nur für giftige Ausdünstungen, sondern auch für Brände! Daher sollten Elkos immer funktionstüchtig arbeiten und regelmäßig geprüft werden.
Ihre Lebensdauer ist von den Betriebsstunden und auch von der Betriebstemperatur abhängig. Die Maximaltemperatur ist auf den Bauteilen meist angegeben und liegt in der Regel bei 105 Grad Celsius. Je nach Temperatur ergeben sich Lebensspannen von 1.000 bis 20.000 Stunden. Im Laufe der Zeit verdunstet das Elektrolyt, der Elko trocknet buchstäblich aus und verliert so seine ursprünglichen elektrischen Eigenschaften. Vor allem im Hochvoltbereich (350 bis 600V) – in den Netzteilen von Gitarrenverstärkern – gelten sie als einer der wichtigsten Bausteine.
Mallory-Elkos aus den Siebzigern
Aufgrund ihrer Aufgaben sollte man davon ausgehen, dass sie eigentlich nur frisch und funktionstüchtig sein sollten und am Klangergebnis kaum beteiligt sein dürften. In der Praxis sieht das jedoch ganz anders aus. Auch hier färben unterschiedliche Bautypen und Fabrikate den Sound des Verstärkers mitunter erheblich. Manchmal klingen Verstärker gerade wegen stark in den Werten gedrifteter Elkos irgendwie „magisch“ oder einzigartig. An den Kathoden der Vorstufenröhren liegen an den Pluspolen nur 1 bis 3 Volt an, sodass hier eigentlich nie eine wirkliche Gefahr für Leben und Umwelt besteht. Hier kann man selbst entscheiden, ob frische und neue Elkos besser „klingen“ als alte und ausgetrocknete. Denn ein alter Elko kann an dieser Stelle für Gainverlust, leichtes Brummen, erwünschte oder unerwünschte Kompression und sonstige Klangverfärbungen sorgen. Flapsig gesagt, klingt der Amp mit alten Kathoden-Elkos auch etwas „ausgelutscht“.
TAD-Gold- und Audio-Caps
Im Netzteil droht ein trockener Elko jedoch zu überhitzen und schließlich zu platzen. Meist geschieht dies, indem sich ein kleines Loch bildet, durch das sich der Überdruck – wie bei einem Ventil – ausgleichen kann. Der Elko ist dann im schlimmsten Fall „leer“, und der Verstärker fängt mangels Glättung an zu brummen und klingt zu weich und langsam. Im schlimmsten Fall entlädt sich der Überdruck in einer echten Explosion, was meist nicht nur das Innenleben des Amps zerstören kann, sondern auch die unmittelbare Umgebung mit einem gelben chemischen Qualm kontaminiert. Letzteres ist mir schon in meiner Werkstatt passiert. Der „schöne, alte“ RS-Elko in einem Marshall JTM45 ist explodiert. Allein das Geräusch erinnerte an die Detonation eines Kanonenschlags, ganz zu schweigen von dem dicken Qualm und dem ätzenden Belag, der sich kurz danach in der gesamten Werkstatt niederließ. Den Amp musste ich komplett zerlegen und jedes einzelne Bauteil von einer teerartigen Schlacke befreien, bevor ich ihn wieder neu aufbauen konnte – das möchte ich eigentlich nie wieder erleben.
Die legendären Astron-Caps im alten Tweed -Combo
Daher sollte man zum Tausch der Netzteil-Elkos nicht nur klangliche Aspekte in Erwägung ziehen, leider tönen jedoch auch hier die meisten alten Fabrikate ein wenig musikalischer als neue. Dennoch tausche ich die Netzteil-Elkos in alten Verstärkern, die zwanzig Jahre oder älter sind, grundsätzlich aus. Das verlangt einfach die Betriebssicherheit. Ein Verstärker klingt nach einem Netzteil-Cap-Job in der Regel frischer, dynamischer, aber auch heller und manchmal harscher. Vorher hat etwa der Stratocaster-Bridge-Pickup vielleicht noch optimal geklungen, nach dem Cap-Job tönt er nun vielleicht zu hart oder metallisch. So etwas kann vorkommen. In der Regel gibt sich dieser Überfluss an Klangfrische doch bald wieder, denn auch Elkos formieren sich unter Spannung immer weiter und klingen nach einer gewissen Zeit wieder geschmeidiger. Oft ist es also gar nicht der klangvolle Name, der auf dem Elko steht, sondern einfach nur das Alter, das den Ton weicher und geschmeidiger daherkommen lässt.
Alte Erie-Elkos in einem Marshall
Dennoch sollte man beim Austausch auf Qualität achten. Es gibt jede Menge Billig-Elkos aus fernöstlicher Fertigung, die nicht nur in Puncto Lebensdauer zu wünschen übrig lassen, sondern auch für schlechte und verwaschene Klänge sorgen. Ein Verstärker kann nur so gut klingen wie seine „Nahrung“ es zulässt. Und die kommt nun mal aus dem Netzteil. Geradezu verschrien sind die grauen Illinois-Elkos, die Fender seit über zwanzig Jahren in alle Amps einbaut. Bisher konnte ich jeden Fender-Amp durch einen Austausch klanglich verbessern. Mit diesen Elkos bleibt der Ton stets etwas unscharf und körnig, was manchmal sehr stören kann. Empfehlen möchte ich daher Fabrikate, denen solche Probleme offenbar fremd sind und die stets – trotz unterschiedlicher Färbungen – für exzellente Klangergebnisse sorgen.
Umgebauter Fender-Amp mit grauen Illinois-Caps
In meinen Anfängen im Verstärker-Service vor gut zwanzig Jahren habe ich ausschließlich die blauen Sprague-Atom-Elkos eingesetzt. Sie waren die einzigen, die etwa einem alten Mallory-, Hunts-, Erie- oder Astron-Kondensator das Wasser reichen konnten. Irgendwann waren sie in Deutschland nicht mehr oder nur schwer erhältlich. Daher kaufte ich immer die neuen TAD Gold Caps, die einen ähnlich warmen und runden Ton lieferten. Für Kunden, die vor allem auf äußerste Qualität im Clean-Bereich Wert legten, kaufte ich die Audio-Caps von TAD, die noch etwas „schneller“ und spritziger klingen. Ganz ähnlich verhalten sich die hochwertigen Elkos von Fischer & Tausche (F&T) aus deutscher Produktion. Diese Elkos bieten vor allem optimale Dynamik. Und bei diesen Fabrikaten ist es im Grunde auch geblieben. Damit komme ich klar.
F&T-Caps aus Deutschland
Natürlich ist die Verlockung immer wieder groß, mal auf eBay ein paar alte Mallories zu ersteigern, aus meiner Wühlkiste wieder mal alte, braune Astrons hervorzuholen oder graue RS-Elkos in einen Marshall zu klemmen. Stets helfen solche Elkos – warum auch immer – diesen Amps tonal noch etwas auf die Sprünge. Die tiefe Mittenkralle bei Marshalls kommt noch ein klein wenig überzeugender, der Hochton im Fender Tweed ist noch geschmeidiger oder die Umlaute über einen Fender Super Reverb noch überzeugender. Doch zu welchem Preis? Privat kann ich solche Risiken vielleicht immer mal eingehen, aber für einen Kunden, der mit solchen Elkos dann seinen Hobby-Keller, ein Ton-Studio oder eine Bühne bereist, ist das einfach zu gefährlich.
Ganz hartnäckige Sound-Liebhaber fordern manchmal auch das sogenannte Reformen eines Elkos. Das kann sich bei bestimmten Stücken durchaus lohnen. Wichtigste Voraussetzung ist aber, dass der Elko noch gesund aussieht, tadellose Werte aufweist und im wahrsten Sinne schwer ist. Das kann dann ein eindeutiger Hinweis darauf sein, dass sich solch eine Maßnahme überhaupt lohnt. Ein leerer Elko fühlt sich auch leer an. Das heißt, er ist federleicht und klingt im Klopftest auch hohl – hier könnte man reformen so viel man will.
Geplatzter Elko in einem 63er JTM45
Beim Reforming legt man an den Elko eine Spannung an und wartet – basierend auf Erfahrungswerten – bis der Elko sich einer wundersamen Selbstheilung unterzogen hat. Das soll tatsächlich funktionieren, ist aber zumindest in meinem Reparatur-Alltag zu unpraktisch. Außerdem kann man nie eine Garantie übernehmen, dass der Elko auch weiterhin noch Jahre zuverlässig funktioniert. Also eher ein Trick für Hobbyisten und Liebhaber. Zusammenfassend kann ich daher folgenden Ratschlag geben: Die Elkos sollten auch nach einer Schätzung der Summe aller Betriebsstunden nach spätestens zwanzig Jahren getauscht werden. Denn auch Verstärker, die nur rumstehen altern. Elkos, die so gut wie nie unter Spannung gesetzt werden, trocknen sogar noch schneller aus als ihre teils hart arbeitenden Kollegen. Elkos in „heißen“ Amps – z.B. in Kathoden-Bias betriebenen Modellen (Fender Champ, Fender Tweed Deluxe, Vox AC30) – haben eine teils wesentlich kürzere Lebensdauer. Auch das sollte man berücksichtigen. Und Sicherheit geht IMMER vor Klang. Das ist erst recht im Netzteil das oberste Gebot! Bis zum nächsten Mal… Udo Pipper [2456]
Nachdem die Marke Harmony bereits im Jahr 1892 gegründet wurde, wurden bis Mitte der 1970er Saiteninstrumente wie elektrische Gitarren, Archtops, Ukulelen, Banjos, Mandolinen oder Violinen hergestellt. 2018 meldet sich die Marke nun zurück und präsentiert ein neues Lineup, bestehend aus drei E-Gitarren und diversen Amps.
Die neuen Modelle orientieren sich an den klassischen Harmony-Formen von früher, werden aber mit modernen Fertigungstechniken hergestellt. Zur Auswahl stehen die drei Modelle Jupiter, Rebel und Silhouette in den Farben Champagne und Pearl White, sowie einer Sonderfarbe für jedes Modell.
Jupiter: Mahagoni-Korpus und -Hals, Ebenholz-Griffbrett, Knochensattel, Custom Harmony Gold Foil Humbucker (Sonderfarbe: Space Black)
Rebel: Specs wie Jupiter, aber mit Double Cutaway, längerer 25″ Mensur und 21 Bünden (Sonderfarbe: Burgunder)
Silhouette: Im Gegensatz zu den anderen beiden Erlekorpus und Ahornhals
Im Unterschied zu früher werden die ehemaligen Semi-Hollowbodys Jupiter und Rebel allerdings als Solidbodys angeboten.
Die genauen Preise sind bisher nicht bekannt, laut Angaben im Video sollen sie aber erschwinglich sein.
Amps:
Harmony Series 6 Amps:
3 Varianten – 5 Watt (H605), 20 Watt (H620) oder 50 Watt (H650, als Combo oder Head)
12″ Jensen-Speaker
Spring Reverb
Tremolo-Effekt
Series 6 Combo
Harmony Model 8418 Reissue:
6″ Jensen-Speaker mit Alnico-Magneten aus Italien
Röhren aus den 50ern sollen für warmen Vintage-Ton sorgen
limitiert und nur in den USA erhältlich
Model 8418
Vom Sound der neuen Gitarren und Amps von Harmony könnt ihr euch im Video überzeugen.
Na, da möchte wohl jemand einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde ergattern?! Mit opulenter Modeling-Ausstattung bei knappen bis minimalen Abmessungen von 29-24-16cm/BHT scheint es der winzige Combo darauf anzulegen. Die Ausstattung kann sich wahrlich sehen lassen. Mit dem Chickenhead-Knopf an der Front sind allein schon neun Amp-Modeling-Typen anwählbar.
Über die Fähigkeiten des Practice-Amps gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Amps vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, das C414 von AKG.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt.
Los geht´s. Wir hören stets Presets wie sie der Hornet vom Werk aus anbietet. In Relation zu Preis –der Combo kostet ganze EUR 99 im Handel- ist die Qualität bemerkenswert, insbesondere auch im Hinblick auf die FX-Sektion. Alle zu hörenden Effekt stammen vom Hornet selbst.
Zunächst vier Clips aus dem Clean- und Overdrive-Bereich.
Die Distortionsounds sind bestimmt nicht das Nonplusultra aber doch recht schon recht kultiviert. Schöne Bandbreite in den Klangfarben, aber nicht leicht zu spielen wegen der straffen Gegenwehr.
Clip 9 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Erst ist der Clean-Channel zu hören, dann der Overdrive-Channel.
Ich wünsche viel Vergnügen, und – wenn möglich – bitte laut anhören. Über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
In den Anfängen der Pop- und Rockmusik war England für lange Zeit nicht nur musikalisch richtungsweisend, sondern auch auf dem Sektor der Verstärkerelektronik. Die Gewichtung hat sich verschoben, aber die Insel entwickelt in der Hinsicht nach wie vor viel Energie. Eine der Marke der jungen Garde ist Victory Amplification. Ein engagierter, aufstrebender Hersteller, dem Status des Geheimtipps inzwischen entwachsen, der nicht nur im United Kingdom immer mehr Anerkennung erfährt.
Nachdem wir in G&B-Ausgabe 06/2016 „The Kraken“ vorstellten, ist dieses Mal der V130, Untertitel „The Super Countess“, am Start. Über die Fähigkeiten des kompakten gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Amps vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg), eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop, sowie (clean) eine Steinberger GL4T.
Bedeutung der Buchstabenkürzel:
CL: Clean.
CR: Crunchsound, etwas mehr Gain als bei Overdrive.
FB: Feedback-Sustain.
OD: Overdrive, geringe Anzerrungen.
LP: Les Paul / Humbucker.
Der Clean-Channel ist ziemlich variabel, wie man hört. Und sensibel im Ton: Im Clip 3 wechseln die Klangfarben bzw. die Höhenanteile nur aus der Reaktion auf den Anschlag heraus.
Der Overdrive-Kanal kann „crunchen“ aber auch sehr viel Gain servieren. Dabei nimmt man die Übersteuerungen nicht vordergründig als intensiver werdende Verzerrungen wahr, sondern das obertonreiche Singen der Noten verstärkt sich zunehmend. Klangregelung erfreulich variabel, wir hören Clips mit viel Höhen oder gedeckterem Klangcharakter.
Im Clip 9 spiele ich über den Clean-Channel zweimal eine wiederkehrende Passage während ich in den Pausen die Pickup-Schaltpositionen der Reihe nach anwähle. Beginnend beim (heißen) Steg-TA. Der V130 zeigt den jeweiligen Charakter sehr deutlich.
Clip 10 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Erst ist der Clean-Channel zu hören, dann der Overdrive-Channel.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
In einer Zeit da viele Gitarristen „kempern“ oder andere digitale Kompaktlösungen zu bevorzugen scheinen, bringt eine der renommiertesten US-Marken für Studio-Technik eine aufwendige D.I.-/Loadbox für analoge (Röhren-) Amps heraus. Beschreibt dies einen Trend? Fragt die Profi-Szene vermehrt nach solchen Produkten, weil eben der analoge Verstärker-Sound doch nicht zu schlagen ist? Schwer zu sagen, wenngleich denkbar und logisch. Ox macht jedenfalls schon auf den ersten Blick den Eindruck eines höchst potenten Signalprozessors.
Über die Fähigkeiten des Ox gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Geräts vermitteln.
Die Clips wurden pur aufgenommen, wir hören stets nur das Ox alleine. Sprich, sind Effekte zu hören stammen sie von dem D.I.-Interface selbst.
Um einen objektiven Eindruck von den Klangvarianten zu vermitteln, sind die Distortion-Clips mit ein und derselben Klangeinstellung des Amp zu hören – Diezels VH2 war am Start.
Das Ox verfügt unter anderem über die Option virtuelle Room-/Raummikrofone zuzumischen. Der (dramatische) „Effekt“ ist hier dargestellt mit einem Clean-Sound über das Factory-Preset Rig 1: Erst sind nur die Direct-Mikrofone zu hören, dann vor/für den zweiten Teil blende ich die Room-Mikrofone hinzu.
Die folgenden Clips 2 bis 7 präsentieren diverse Factory-Presets mit wiederkehrenden Spielpassagen für den besseren Vergleich, nur unterbrochen von Clip 4, der einen längeren Solo-Part mit gleichbleibender Einstellung zum Inhalt hat. Im Clip 7 dagegen ist ein Lick in vier Preset-Einstellungen zu hören.
Clip 8 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich normalerweise einspiele, damit man den Charakter unterschiedlicher Amps quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Diesmal dient das RefRiff dazu die Speaker-Cab-Typen des Ox kennenzulernen. Nur ein Auszug, es sind nicht alle.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
GLB Sound stellt mit dem GIG10 Manhattan die neueste Erweiterung ihrer GIG-Verstärker-Serie vor. Der Hybrid-Amp ist darauf ausgelegt den Ansprüchen der meisten Jazz-Gitarristen gerecht zu werden. Im handgefertigten Gehäuse aus italienischer Fichte befindet sich ein 1×10″ Jensen Tornado Neodymium Lautsprecher. Auf Grund der Größe und des Gewichts von 8kg eignet sich der Combo-Amp sowohl fürs Studio, für Zuhause und für unterwegs.
°
Zu den weiteren Features zählen:
Röhrenpreamp (2x12AU7)
Class-D Endstufe von Bang & Olufsen
internes digitales Reverb
2-Band Vintage-EQ
Leistung: 120 Watts RMS
Der Amp wird ab Mai zu einem Preis von € 1699 verfügbar sein.
GIG10 MANHATTAN. The brand new Jazz ampTry it out at the NAMM Show – Booth #5033 (Jensen Speakers)More info: www.glbsound.com/jazz/gig10The brand new GIG10 MANHATTAN is a super-lightweight, compact and portable combo amplifier that is capable of delivering a huge tone that defines the limits of its physical size. A brilliant solution for all home, studio, working and touring musicians, the GIG10 is a surprisingly-affordable boutique amplifier that is proudly designed and manufactured in Italy
Die HT-Venue Serie ist ein Longtime-Dauerbrenner bei Blackstar. Solide analoge Röhrentechnik, gepaart mit Luxus in der Ausstattung zu moderaten Preisen, klar, das lockt. Man sieht es den neuen Modellen der MKII-Generation äußerlich kaum an, aber sie sind doch in wesentlichen Punkten überarbeitet und optimiert.
Wo „HT“ dransteht, war am Anfang bei Blackstar klassischer Toncharakter und moderne Technik drin. Es gesellte sich später eine Serie mit dem Beinamen „Metal“ dazu, die demgemäß radikalere Töne anschlug. Beide Modellreihen sind nach wie vor im Programm, aus beiden haben wir die 100-Watt-Flaggschiffe im Test gehabt.
Die Venue MKII-Serie umfasst – wie der Vorläufer – eine ganze Reihe von Modellen. Allein schon drei Combos, 1×12 mit 40 Watt, 1×12 mit 60 Watt und 2×12 mit 60 Watt. Daneben stehen die beiden Topteile zur Wahl, die wir hier im Test haben, und drei Cabinets. Hinten offen 1×12 und 2×12, sowie eine klassische 4×12-Box, alle bestückt mit Speakern von Celestion. Vom 100-Watt-Topteil abwärts bis zum 40-Watt-Combo ändert sich die Ausstattung, sie reduziert sich stufenweise. Aber selbst der Club 40 MKII ist noch ein vollwertiger Zweikanaler mit separaten Klangregelungen in den Kanälen. Und er hält – wie erfreulich – an der Rückseite fast genau dieselbe Anschlussperipherie bereit wie das große Topteil, inklusive USB-Out und der Speaker-Simulation-Sektion mit zwei Ausgängen (Klinke und XLR).
modellpflege
Wir beginnen mit dem HT Stage 100 MKII. Der von vorne betrachtet tatsächlich nicht anders aussieht als sein Vorgänger. Hinten an der Rückseite werden Veränderungen und Unterschiede allerdings gleich deutlich. Da fällt der besagte USB-Audio-Anschluss auf, der auf Reamping umgestellt werden kann. Anstelle eines D-Sub-Anschlusses für das mitgelieferte Schaltpedal ist eine zweite Klinkenbuchse getreten. In der Emulated-Output-Sektion ist der XLR-Anschluss neu, der die Signale symmetriert abgibt – perfekt für die Live-Situation bzw. wenn lange Kabelstrecken maximal störungsfrei realisiert werden sollen/müssen. Dass der Klangcharakter der Simulation umschaltbar ist (1×12/4×12), wie auch der des integrierten digital erzeugten Reverb-Effekts, ist kein Update. Das Gleiche gilt für die fünf Lautsprecherausgänge (2x 4 Ohm, 2x 8 Ohm, 1x 16 Ohm).
Blackstar verspricht neben alledem funktionale Verbesserungen durch Verfeinerung der Technik. Wie verlautet, wurde der Clean-Channel überarbeitet, mit dem Ziel – fast möchte man sagen, wie soll es anders ein – im Wechsel (Voice-Schalter) klassische amerikanische und britische Klangfarben in besonders hoch stehender Kultur zu produzieren. Die beiden Overdrive-Modes, die ebenfalls einen Voice-Wechsel erlauben, sollen sensibler ansprechen und feiner, detailreicher sein. Alle Modes/Funktionen inklusive Boost sind nun fußschaltbar. Außerdem gibt es eine Leistungsumschaltung (100/10 Watt) und die Qualität des Reverbs soll auch verbessert worden sein.
°
Das Konzept des 50-Watt-Topteils ist deutlich schlanker. In der Master-Sektionen gibt es die Regler Presence und Resonance nicht, es ist lediglich eine Overdrive-Sektion vorhanden, und die Lautsprecherimpedanzen sind jeweils nur mit einem Klinken-Out verfügbar – was soll‘s, ein Topteil dieser Leistungsklasse verwendet man in aller Regel ja auch nur mit einer Box, oder?!
Zeit über die Technik zu reden. Bei den Daten sticht die Röhrenbestückung ins Auge, zwei ECC83 und 4/2 EL34. Aha, also Vollröhre? Na ja, wer ein Stück weit sachkundig ist, vermutet sofort, dass allein mit diesen zwei Vorstufendoppeltrioden, sprich vier Verstärkungsstufen, ein Verstärker dieses Funktionsumfangs nicht realisierbar ist. Und so ist es denn auch. Die beiden ECC83 stehen an zentralen Stellen der Signalbearbeitung, werden aber von einer Vielzahl von Halbleitern, ICs, unterstützt (SMD, … lauter kleine achtbeinige Tron-Spider ;-). Tatsächlich handelt es sich also um einen Hybrid-Preamp mit Vollröhrenendstufe.
Die Verarbeitung ist, wie wir es seit Jahren aus vielen Tests nicht anders kennen, solide und vertrauenerweckend. Logisch, die chinesische Industrie hat schließlich schon längst gelernt wie man Hightech-Elektronik hochwertig produziert. Die technische Entwicklung der Produkte haben aber natürlich nach wie vor die Engländer im Blackstar-Hauptquartier in Northampton in der Hand. Zur Substanz ist noch zu erwähnen, dass die Trafos in Taiwan hergestellt werden und die Röhren vom renommierten US-Zulieferer Ruby Tubes (EL34) und Tubeampdoctor (ECC83WA) stammen. Sehr lobenswert: Um Brummeinstreuungen so weit wie möglich zu minimieren, werden die beiden ECC83 mit stabilisiertem Gleichstrom geheizt (eigentlich ein Feature von Highend-Produkten, das eine gesonderte, zusätzliche Gleichrichtung im Netzteil erfordert).
Alles da, was man braucht°
flexibel
Ich unterfüttere meine Artikel ab und an mit technischen Daten und Hinweisen. Manchmal rede ich sogar über Messwerte. Das könnte einen falschen Eindruck erwecken. Technische Fakten können ergänzende Hinweise geben, vielleicht Ergebnisse untermauern usw., aber tatsächlich interessiert mich an dieser Stelle hier – wie auch bei meinen privaten Equipment-Checks – ausschließlich, wie das Material funktioniert und vor allem wie es klingt. Anders ausgedrückt, für mich spielt es im Prinzip keine Rolle, welche Technik zugrunde liegt: nur Röhren, Modeling, nur analoge Halbleiter, eine Hybrid-Mixtur … egal.
In den letzten Jahren haben Synergien zunehmend die gesamte Schaltungstechnik von Verstärkern „erobert“. War es vor einigen Jahren noch „anstößig“ im FX-Weg Halbleiter-ICs statt Röhren zu verwenden, hat die Gemeinde inzwischen gelernt, dass dort und an anderen Stellen Halbleiter ganz und gar sinnvoll Dienst tun können, ohne dem Ton zu schaden. Auch und oft als eine Art Gain-Treiberstufe vor Röhren. Blackstar macht genau dies in der Venue-Serie. Und geht sogar noch eine Schritt weiter.
Hybrid heißt hier sogar, dass partiell digitale Bearbeitung beteiligt ist. Wesentlich ist hierbei aber, dass alles, was an Verzerrung zu hören ist, ausschließlich von den Preamp- und Endstufenröhren kommt – auf diese Feststellung legt Blackstar größten Wert, verständlicherweise. Der Hintergrund dessen ist natürlich, dass nur so der hohe Leistungsumfang der Amps in dieser Preiskategorie realisiert werden kann. Wollte man einen Vollröhren-Amp in dieser Ausstattung heute neu auf den Markt bringen, müsste er vermutlich mindestens das Doppelte kosten.
°
Stellt sich die alles entscheidende Frage: Zwingen die Venue MKII-Topteile den Nutzer, sich auf faule Kompromisse einzulassen? Definitiv nein. Zwar muss man – absolut gesehen – gemessen an den Besten der Besten, gewisse Abstriche hinnehmen, klar. Transparenz und Detailzeichnungen sind nicht vom Allerfeinsten, die Tonalität wirkt zuweilen kühl, die Ansprache manchmal etwas steif. Relativ bewertet sieht die Sache jedoch positiv aus. Partiell sogar sehr positiv.
Wie im Clean-Kanal, der mit einer flacheren, defensiven Klangfarbe und dem zweiten ausgesprochen voluminösen und brillanten Voicing nicht nur eine schöne Bandbreite reicht, sondern auch musikalisch warm tönt. Hinzu kommt, dass er bei höheren Gain-Einstellungen angenehm sättigt und so eine die Expressivität des Spiels unterstützende Nachgiebigkeit bietet. Andererseits bildet er Akkordarbeit mit der nötigen Energie ab. Und am Gain-Maximum liefert er markanten Overdrive bis Crunch. Das macht der Clean-Kanal wirklich alles ziemlich gut. Die Effizienz der Klangregelung hingegen bewegt sich knapp unter „durchschnittlich“. Den Ton regelrecht formen kann man damit jedenfalls nicht. Nur zu gut also, dass es die beiden Voice-Modes gibt.
Mit insgesamt vier Sound-Ebenen zielt die Konzeption der Overdrive-Sektion natürlich darauf ab, je nach Situation und Musikstilistik genau den richtigen Ton zu treffen. Stufenweise steigt das Gain-Niveau an, parallel dazu ändern sich auch markant die Klangfarben, mit wechselndem Volumen und Druck im Bassbereich. Hintergründig ist stets eine charakteristische Frequenzspitze in den oberen Mitten anwesend, die für Durchsetzungskraft sorgt und die man als charakterbildend sehen kann/sollte.
Luxuriöse Ausstattung, sechs Soundmodes°
OD1/Voice-Off bewegt sich im gehobenen Crunch-Bereich und erzeugt klassische britische Klangfarben, in etwa – um einen plakativen Bezug herzustellen – wie die zweite Generation der Marshall-JCM800-Serie. Kernig, im positiven Sinne kratzig, offen. Mit Voice-On verdichten sich die Verzerrungen bereits erheblich. Der Klangcharakter bleibt klassisch, aber mit der Mittenbetonung und dem erhöhten Gain-Niveau ergeben sich bereits tragfähige Leadsounds.
OD2 vertritt eine modernere Sound-Ausrichtung. Sensitiv und „heiß“ in den Hochmitten, im Toncharakter komprimierter, ohne dies in der doch eher direkten Ansprache zu zeigen, singend, obertonfreundlich, harmonisch in den Verzerrungen, ziemlich „sweet“. Voice-On im OD2-Kanal bringt die Distortion über die Klippe, liefert viel Unterstützung im Sustain, beißt gerne mit Obertönen, und vemeidet Schmutz, indem die Bassanteile etwas zurückhaltend dosiert sind.
So geben die OD-Modes dem Spieler unterm Strich ein ziemlich breites, in der Summe weit überdurchschnittliches Sound-Spektrum an die Hand. Das auch insofern Trümpfe ausgespielt, als man dank der eleganten homogenen Abstimmung der Voices ja zwischen allen per Fußschalter wechseln kann. Der optionale FS-14 ist dafür im Übrigen sehr empfehlenswert. Mit ihm sind nämlich alle sechs Soundmodes unkompliziert anwählbar. Indem man erneut auf den gewünschten Channel Taster tritt, wechselt der Voice-Status. Tonal ist die Overdrive-Sektion ohne Zweifel gelungen.
Nicht jedermanns Sache dürfte allerdings die Ansprache sein. Sie fordert eine stabile Technik. Denn schon kleine Unterschiede in der Anschlagsintensität ziehen deutliches Changieren des Sounds nach sich, sprich die Distortion-Intensität verändert sich. Es gewinnt, wer entschlossen und präzise zulangt. Anfänger werden es mit Schrecken erleben. He, nicht entmutigen lassen, es dauert eben ein bisschen, bis man Kontrolle über das Griffbrett bekommt. In ihrer Wirkungsweise engagierter als im Clean-Kanal befleißigen sich Bass, Middle und Treble der OD-Klangregelung einer respektablen Effizienz. Die Blackstartypische ISF-Funktion (Infinite Shape Feature) reißt viel heraus, weil der Abgleich des Mittenspektrum nachhaltig profitiert. So ist ein Scoopen des Sounds möglich, womit man sich dann auch im Metal-Bereich bewegen kann. Aber den dafür arttypischen fundamentalen Druck im Bass bringt der Stage 100H nicht zustande.
°
Die weiteren Features erhöhen den Gebrauchswert sinnvoll. Der Halleffekt funktioniert sehr überzeugend, weil er räumlich und natürlich klingt. Von der Power/Leistungsumschaltung möchte man dem Begriff nach erwarten, dass sie hinter, bzw. in der Endstufe eine Begrenzung erzeugt, die „Sag“, das Einsacken der Ansprache, zur Folge hat. Deutlich hörbar tut sie das nicht, und technisch (ja, genau …, Messgerät raus scheint es so zu sein, dass lediglich vor der Endstufe das Signal kleiner gemacht wird – was primär bewirkt, dass man mit höheren Reglereinstellungen arbeiten kann, so man das für sinnvoll hält.
Der FX-Weg funktioniert wie aus dem Bilderbuch. Dank Pegelumschaltung ist er universell verwendbar, in der Signalqualität verhält er sich neutral. Wir schließen mit einem weiteren Highlight, der überzeugend abgestimmten Speaker-Simulation. Beide Modes 1×12 und 4×12 klingen so, wie man es von der Bezeichnung her erwartet: Ich habe beim Erstellen der Soundfiles Creambacks benutzt, und der Sound der Speaker-Simulation kam dem sehr nahe.
Die letzten Worte gelten dem 50-Watt-Topteil. Nein, es kommt mit der knappen Behandlung nicht zu kurz, denn es liefert grundsätzlich die gleichen Qualitäten wie sein großer Bruder. Letztlich ist nur die Abstimmung der Overdrive-Sektion anders. Zwei Voices statt vier, der Club 50H steigt schon etwas heißer ein und bietet ein Gemisch, das die klassische Note in den Vordergrund stellt, aber eben doch mit einem modernen Touch an einem intensiven Maximum endet. Phasenweise erschien mir das kleine Topteil in der Bass-Vehemenz sogar offensiver.
alternativen
Wegen des umfangreichen Konzepts zeigt sich ein erster Kontrahent des Stage 100H erst, wenn man bereit ist, gut 50% mehr auszugeben, also in der Region um ca. € 1500. Gemeint ist Marshalls JVM410, ähnliche Ausstattung, Vollröhre. Was sagt uns das? Tatsächlich hat der Stage 100H, und noch mehr der ca. € 250 niedriger liegende Club 50H (im Moment) keine Konkurrenz.
resümee
Blackstar gibt dem Gitarristen mit dem Stage 100H und dem Club 50H sehr leistungsfähige Alleskönner in die Hand. Einerseits bieten sie beide ein ausgesprochen breites Sound-Spektrum, andererseits bestehen sie in quasi jedweder Situation, live auf der Bühne, bei der Recording-Session und im Home-Use. Nein, und das wird wohl auch keiner erwarten, im Ton kompromisslos hochgezüchtete SoundMaschinen sind die Topteile nicht. Aber die Klangformung bietet letzten Endes doch schon viel Kultur. Und in Relation zur Preisklasse ist das Potential auf jeden Fall beachtlich. Also: Alles im grünen Bereich, der Stage 100H – und noch mehr der Club 50H – bieten absolut gesunde Preis-Leistungs-Verhältnisse. [2924]
Hinweise zu den Soundfiles:
Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Creambacks.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Den Ton lieferte eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).
Da sich beiden Topteile im Ton nicht gravierend unterscheiden, wurden die Soundfiles ausschließlich mit dem HT Stage 100H MKII erstellt.
Ein typisches Merkmal der Amps ist, dass in jedem Kanal (hier drei, Clean, OD1 und OD2; beim HT Club 50H MKII zwei) zwei so genannte Voices, also Klangfarben zur Verfügung stehen. Zum Teil präsentieren die Clips daher entsprechende Vergleiche.
Clips 1 bis 8 bitte hiernach einfügen.
Im Clip 9 hören wir zwei Passagen, die den internen Halleffekt des HT Stage 100H MKII in den Vordergrund stellen.
Clip 10 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Da das Interesse an diesem Thema anhält, werden wir in nächster Zeit einen näheren Blick auf besonders seltene Vintage-Verstärker werfen. Mich erreichen dazu eine Menge Mails mit Fragen zu Verstärkern, von denen man kaum Informationen im Netz findet. Meist sind es Erbstücke, Dachbodenfunde oder Flohmarkt-Käufe. Kaum zu glauben, welche Geschichten einem da zu den Verstärkern erzählt werden.
Nehmen wir mal 1948 als Geburtsstunde der Gitarrenverstärker an, so jährt sich dieses Datum nächstes Jahr zum siebzigsten Mal. Diese Zeit ist voller Erfolgsgeschichten, Experimente und Trends, die auch im Nachhinein reichlich Spaß machen können. Manche Marken und Modelle sind ziemlich aus der Mode gekommen. Aber umso verlockender ist für Sammler und Spieler gleichermaßen die Auseinandersetzung mit seltenen Stücken.
Den Anfang macht diesen Monat ein Verstärker, der sicherlich zu den seltensten Exemplaren zählt, die ich je in meinem Musikzimmer hatte. Es handelt sich um einen 150-Watt-Verstärker der Marke Park – ein Bolide der ganz besonderen Sorte. Park-Verstärker wurden von 1965 bis 1982 von Marshall gebaut. Park war der Mädchenname der Ehefrau von Johnny Jones, einem gut befreundeten Händler von Jim Marshall, der seit dem Vertriebs-Deal mit Rose Morris keine Marshall-Amps mehr direkt aus der Fabrik erhalten durfte. Über den Vertriebsumweg mit Rose Morris wären die Amps doppelt so teuer geworden wie vorher.
Park 150 Seriennummer
Also entschied sich Jim Marshall, für bestimmte treue Kunden eigene Amps unter anderem Namen zu fertigen, die außerhalb des neuen Vertriebs verkauft werden konnten. Neben Park verwendete Marshall noch Namen wie „Kitchen-Marshall“, „Narb“, „CMI“ oder „Big M“. Da diese Amps nicht weltweit vertrieben wurden, sondern nur über ganz wenige ausgesuchte britische Händler, sind sie natürlich wahnsinnig selten.
Park-Amps waren zunächst technisch reinrassige Kopien der Originale von Marshall, wurden aber äußerlich anders gestaltet. So etwa der Park 45 von 1965, der einfach ein Pendant zum erfolgreichen Marshall JTM45 war. Die Leistung dieses Amps wurde bald auf 50 Watt mit zwei EL34 erhöht, später sogar auf 75 Watt mit zwei KT88. Dieser Amp war vor allem für Keyboarder entwickelt worden. Er sollte in erster Linie clean und laut arbeiten, wofür die Treiberstufe ein wenig modifiziert wurde.
Park 150 Rückansicht mit KT88
Der Park150 war zunächst nur als P.A.-Verstärker mit acht Eingängen konstruiert worden. Riesige Trafos und vier KT88 bei 675 Volt Anodenspannung gaben diesem Boliden sogar satte 200 Watt Leistung. Nachdem Gitarristen wie Ritchie Blackmore oder Jimmy Page ihre Plexis ebenfalls auf 200 Watt erweitern ließen, wurden diese Amps auch als Lead-Version für Gitarristen oder Bassisten mit vier Eingängen angeboten. Vermutlich gibt es von diesen Boliden nur eine Handvoll weltweit. Umso erstaunter war ich über den außerordentlich guten Zustand dieses Verstärkers, der mir von einem Sammler aus der Schweiz zur Verfügung gestellt wurde. Wie schon erwähnt, steht ein Park-Amp einem Marshall in keiner Weise nach. Sie sind fantastisch verarbeitet und bieten meist die gleiche Schaltung wie ihre engen Verwandten.
Park 150 Trafos und Elkos
Der Park 150 stammt aus dem Jahr 1970 und gleicht in der Vorstufe einem Marshall Plexi wie ein Ei dem anderen. Die stromhungrigen KT88 verlangten jedoch größere Trafos und kleinere Modifikationen im Phasendreher. Die Anodenwiderstände wurden von 100k/82K auf 47k/47k verringert. Unser Proband ist bis auf die letzte Schraube im Originalzustand. Neben Kohleschichtwiderständen wurden vorwiegend die so begehrten Mustard-Mullard-Kondensatoren sowie Daly-Elkos verbaut. The Best of the Best!
Park 150 Innenansicht
In der Vorstufe stecken vier Brimar/Mullard ECC83 und in der Endstufe vier originale GEC KT88, von denen drei jedoch leider defekt waren. Der Amp musste gereinigt, einige Masseverbindungen neu verlötet und leider alle Röhren getauscht werden. Im Inneren musste ich etwas Flugrost entfernen und die Endstufe neu einmessen. Einige Potis kratzten, aber sonst war dieser Brit-Amp noch völlig intakt.
Park 150 Ausgangsübertrager
Nach der Restaurierung konnte der Park wieder mit seinem unfassbar klaren Ton auftrumpfen. Vor sehr vielen Jahren konnte ich mal einen Marshall Major 200 aus der selben Bauzeit testen. Das war schon ein ganz besonderes Erlebnis in Puncto Headroom und Lautstärke. Der Park 150 sollte meinen nur aus der Erinnerung vorhandenen Eindruck nochmals verstärken. Dieser Amp lässt den Boden buchstäblich beben. Man fragt sich bei jedem Akkord, ob man den Amp mehr spürt oder hört.
Die KT88 liefern einen sagenhaft klaren und fetten Ton. Das erinnert in unteren Lautstärkebereichen schon sehr an die KT66, gerät aber bei aufgedrehtem Volume nicht so basslastig aus den Fugen, sondern bleibt stets stabil und liefert den begehrten klaren Mitten-Honk. Da ich nur eine 4×12- Box mit 100 Watt besitze, muss ich beim Test natürlich etwas aufpassen. Schon bei Lautstärke 4 bis 5 hat man den Eindruck, dass die Box jeden Moment platzten könnte. Hier ist Fullstack-Ausstattung mit zwei 4×12-Cabinets Pflicht!
Insgesamt klingt dieser Amp wesentlich fetter und stabiler als ein herkömmlicher 100-Watt-Plexi aus dieser Zeit. Man denkt an die Live-Aufnahmen von Led Zeppelin, Deep Purple oder den Rolling Stones aus dieser Ära. Aufgrund der ungemein schweren Trafos wurde der Tragegriff asymmetrisch auf der Oberseite befestigt. Nur so kann man dieses 40-Kilo-Monster noch einigermaßen in der Balance halten. Für Gitarristen ist diese Macht-Ansage heute eigentlich schon viel zu viel des Guten. Kaum ein Spieler wird die Möglichkeiten dieses Amps auf irgendeiner noch so großen Bühne voll und ganz auskosten können.
Park 45 von 1965
Dafür ist der Amp jedoch eine fantastische Option für den Rockbassisten, der sich nach diesen schweren Jack-Bruce- oder Roger-Waters-Tönen sehnt. Das beherrscht der Park scheinbar spielend, ganz im Stil des ja noch stärkeren Ampeg SVT. Es gibt aber von Park hin und wieder verlockende Alternativen wie den Park 45 oder den Bluesbreaker 50 mit KT66 oder EL34. Diese Amps sind auf dem Gebrauchtmarkt trotz ihrer Seltenheit wesentlich preisgünstiger als ihre Vorbilder von Marshall. Das Marshall-Schild allein scheint hier den Preisunterschied zu machen. Dabei handelt es sich um die exakt gleiche Schaltung und Bauteilauswahl.
Heute wenden wir uns einem Gitarristen zu, dessen Ton immer wieder als Meilenstein gefeiert wird: Mark Knopfler! Sein markanter Sound liefert seit Jahren hier bei mir zu Hause oder auf meinen Workshops Stoff für Diskussionen. Dabei ist Knopfler kein Fingerkünstler im eigentlichen Sinn. Er spielt meist nur kurze Soli und das auffallend langsam und melodiös. Dabei schafft er es jedoch, seinen Gitarren Töne zu entlocken, die viele Gitarristen in Verzückung versetzen.
61 Fender Vibrolux
Trotz der Einfachheit seiner melodiösen Strukturen, ist sein Spiel nur sehr schwer zu durchschauen oder zu kopieren. Knopflers Sound ist und bleibt für zahlreiche Nachahmer ein Geheimnis. Egal, ob man dem Klassiker ,Sultans Of Swing‘ zuhört, dem treibenden ,Calling Elvis‘ oder dem lyrischen ,Brothers In Arms‘, Knopfler bleibt seinem Credo stets treu. Er ist einmalig und wiedererkennbar. Oft genügen nur zwei, drei Töne, um seinen einzigartigen Charakter auszumachen. Und dies ist schließlich selten und gelingt nur den wenigsten Gitarristen.
Dabei scheint es kaum eine Rolle zu spielen, zu welchen Instrumenten und Verstärkern er greift. Im Laufe seiner nun bald vierzigjährigen Karriere hat sich sein Equipment oft drastisch verändert. Begonnen hat alles mit einer Fender Stratocaster und einem Fender Vibrolux Amp. Eine Kombination, die auf ,Sultans Of Swing‘ zu hören ist. Dieser Sound war für die meisten Knopfler-Fans prägend. Danach kamen Schecter-Strats und Fender Twin Reverbs, ein Jim Kelley Combo, Music Mans, Soldanos, ein Marshall JTM 45, CrateCombos, ein Vox AC30, Pensa-Suhr-Gitarren, eine 58er Les Paul Standard, Komet- und schließlich Reinhardt-Tops.
Man sieht ihn bei Club-Gigs bisweilen aber auch mit einem Fender Blues Deluxe. Und immer klingt der Mann vom ersten Ton an nach Knopfler. Macht es da überhaupt Sinn, einen Knopfler-Amp zu bauen, ähnlich wie wir das mit dem Neil-Amp getan haben? Sicher muss man sich hier entscheiden, welcher Knopfler-Ära man nacheifern möchte. Zwischen dem ersten Album und etwa dem Sound von ,Money For Nothing‘ gibt es deutliche Unterschiede. Doch trotz dieses scheinbaren Wandels gibt es einige Klangerzeugungs-Prinzipien, die wir in der Folge genauer untersuchen wollen.
Mark Knopfler zupft seit jeher mit den Fingern. Er zog seine Basics aus der britischen Skiffle-Schule und verehrte in seiner Jugend, wie fast alle britischen Gitarristen, die Shadows-Legende Hank Marvin. Daher wünschte er sich eine rote Stratocaster. Sein Spiel und sein Ton sind daher nur zu verstehen, wenn man diese Fingerpicking-Technik durchschaut hat. Mit dem Daumen, dem Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand kontrolliert und formt Knopfler sein Spiel wie kaum ein anderer. So befremdlich es Ende der Siebziger auch erscheinen mochte, so sehr ist diese Anschlagtechnik heute in Mode gekommen. Derek Trucks, Jeff Beck oder Bonamassa tun es ihm gleich und erzeugen auf diese Weise ähnlich betörende Klangfarben.
„In meinen Fingern habe ich einfach mehr Kontrolle“, so der Protagonist. Zudem bevorzugt er vor allem mit seiner roten Stratocaster einen glasklaren und sauberen Ton. Als die Single ,Sultans Of Swing‘ 1978 zum Mega-Hit wurde, erschien sein Ton so altmodisch und konservativ, dass er schnell die Gitarren-Fans polarisierte. Die einen feierten ihn als Messias, die anderen allenfalls als einen neuen Ricky King.
Mitten ins Zeitalter von Punk und Heavy Metal kam dieser ruhige Fingerpicker und spielte dann noch klar und melodiös! Man mochte kaum glauben, dass dieser introvertiert scheinende Saitenzupfer sich bis heute halten und seine Fangemeinde kontinuierlich vergrößern konnte. Vor allem gelang es ihm im Laufe der Jahre, mit seinem Stil auch ursprüngliche Kritiker auf seine Seite zu ziehen.
Untersuchen wir also zunächst die Ursprünge des Knopfler-Sounds. Kurz vor den Aufnahmen des ersten Dire-Straits-Albums (etwa 1976 oder 1977) erwarb Mark Knopfler endlich seine ersehnte rote Stratocaster, die angeblich aus den frühen Sechzigern stammte und einen Ahornhals mit aufgeleimten Griffbrett, ebenfalls aus Ahorn, hatte. Dazu erwarb er eine Stratocaster mit Rosewood-Hals von 1961. Seinen Signature-Sound erreichte er zunächst, in dem er fast ausschließlich seinen Toggle-Switch auf Stellung „4“ stellte.
Hier hört man eine Kombination aus dem mittleren und dem Bridge-Pickup. Damals kamen die ersten Stratocaster Fünffach-Schalter auf den Markt, die diese Stellung überhaupt erst ermöglichten. Vorher mussten Gitarristen wie etwa Eric Clapton den Pickup-Wahlschalter mühsam in diese Position bringen und festkleben oder festklemmen. Zur Verstärkung diente ihm ein ursprünglich ausgeliehener Fender Vibrolux Verstärker mit braunem Front-Panel aus dem Jahr 1961 oder 1962. Diese frühen Vibrolux-Amps hatten noch keinen Hall an Board und einen einzelnen 12er-Lautsprecher, welcher von Oxford stammte.
Der Amp hatte eine Leistung von etwa 30 Watt und war somit laut genug, um sich gegen ein Schlagzeug durchzusetzen. Zwischen Gitarre und Amp verwendete Knopfler ein Morley-Volume-Pedal und vermutlich einen Kompressor. Seine Strats bespannte er mit .009er-, manchmal sogar mir noch dünneren .008er-Saiten. Diese kamen von Fender. Außerdem bevorzugt Knopfler recht flache Saitenlagen. Man hört auf den Aufnahmen von ,Sultans Of Swing‘ die Saiten auf seiner Stratocaster auch deutlich schnarren.
John Suhr, der später für Mark Knopfler Gitarren baute, untersuchte seine Stratocasters und vermutete, dass eine davon (die MapleNeck-Strat) eigentlich eine billige japanische Kopie war. Bestätigt wurde das jedoch nie. Knopfler mochte beide Stratocasters, die er nachträglich in seiner Lieblingsfarbe rot hatte lackieren lassen. Aus bestimmten Gründen scheint es mir wichtig, zu erwähnen, dass beide Stratocasters noch keinen Middle-Pickup mit reversed wound und reversed polarity (RW/RP) zum Unterdrücken von Brumm-Geräuschen hatten. Solche Middle-Pickups sorgen zwar für einen ruhigen und brummfreien Sound, lassen den Klang aber auch etwas „scooped“, das heißt mit einem Hauch weniger MidResponse, erscheinen. Ein authentischer Knopfler-Sound lässt sich tatsächlich etwas besser mit drei gleich gewickelten Strat-Pickups erreichen.
Um vor allem Mark Knopflers frühen Sound genauer zu analysieren, kaufte ich mir vor einigen Jahren einen 1961 Fender Vibrolux und eine rote Fender Custom Shop Stratocaster. Den Amp erwarb ich übrigens von von einer anderen Gitarren-Legende namens Albert Lee. Er war bis auf den Lautsprecher (der wurde ersetzt durch einen JBL D- 120) und den Frontbespannstoff noch vollkommen original. Ein wunderbarer Amp mit einem sehr warmen Sound.
Zwischen Gitarre und Amp verwendete ich ein modifiziertes Ernie-Ball-Volume-Pedal, dass ich noch heute einsetze und einen Kompressor, den Hardy Kurandt von Musician Sound Design in Köln für mich baute. Das Besondere an diesem Kompressor ist, dass er niemals „in die Knie geht“ und eine einmalig direkte Dynamik liefert. Außerdem hat er einen Buffer-Amp an Board, der das Signal auffrischt, auch, wenn er gar nicht eingeschaltet ist. Dieses Equipment bescherte mir zwar noch nicht den exakten Knopfler-Ton, wies aber schon in eine gute Richtung. Ich musste zunächst den Verstärker aufwendig restaurieren. Ich wechselte den Lautsprecher gegen einen Jensen C12K, baute alte RCA Blackplate 6L6- und ECC83-Röhren ein und erneuerte die Netzteil-Elkos.
Mark Knopfler mit roter Stratocaster°
Danach übte ich, genau wie Knopfler zu zupfen. Das war wahrlich der schwerste Teil meiner Klangsuche, denn Fingerpicking zählt nun mal nicht zu meinen Stärken. Der alte Vibrolux besitzt ein paar Besonderheiten, die ich hier noch näher beschreiben möchte. Im Gegensatz zu seinen Blackface-Nachfolgern hatte dieser Amp noch eine ECC83 im Phasendreher. Dazu einen 6,8 k Tail-Resistor. Dies ergibt einen wärmeren Klang mit etwas mehr Gain, was einer Stratocaster recht gut tut. Insgesamt ist der Ton aber noch etwas zu dunkel, um Knopfler nachzueifern. Der Kompressor frischt jedoch die Höhen wieder etwas auf. Er wirkt praktisch wie ein etwas aufgedrehter Presence-Regler, sodass der Gesamt-Sound wieder recht stimmig gelingt.
Die Stratocaster bespannte ich mit .009er Saiten von D’Addario. Den Ton-Kondensator (damals serienmäßig ein 0.022 uF) ersetzte ich durch einen 0.1 uF Folien-Kondensator aus einem Silverface-Fender-Amp, bis heute mein Favorit bei Stratocaster-Tone-Stacks. Der Ton wird durch diesen Kondensator etwas voller, offener und wärmer. In der Folge experimentierte ich noch mit unterschiedlichen Pickups und fand zwei Sets (beide ohne RW/RP!), die ich für Knopfler- beziehungswiese ,Sultans Of Swing‘- Sounds favorisierte.
Das eine war ein 60s Kloppmann-Set, das einen wunderbar ausgeglichenen und warmen Ton lieferte, das andere war eines von Lindy Fralin. Dieses Set klang runder und dunkler als das Kloppmann-Set, hatte aber auch einen etwas höheren Output. Das Kloppmann-Set blieb schließlich in der Gitarre. In der nächsten Folge analysieren wir den Fender Vibrolux etwas genauer und betrachten gute Alternativen zu diesem Amp. Außerdem beschäftigen wir uns mit Mark Knopflers Les-Paul-Sound.
Für mich hatte ein Magnet schon immer etwas Magisches: Da schwebt so ein schwerer Metallklotz in der Luft, durch nichts gehalten. Nur sein Gegenstück am Boden lässt die unsichtbaren und faszinierenden Kräfte erahnen, die ihn in der Luft halten.
Magnete in Gitarrentonabnehmern bestehen meist aus AlNiCo-Legierungen oder Keramiken. Den Begriff AlNiCo hat vermutlich jeder Gitarrist schon gehört und weiß, dass es verschiedene AlNiCo-Legierungen gibt und dass der Name eine Abkürzung ist, die aus den jeweils ersten beiden Buchstaben seiner Bestandteile zusammengesetzt ist: Aluminium-Nickel-Cobalt (dass der Magnet auch zu gut 50% aus Eisen besteht, bleibt im Namen allerdings unberücksichtigt). Die im Gitarrenbau wichtigsten AlNiCo-Legierungen sind AlNiCo II, AlNiCo III und AlNiCo V. Die sogenannten Keramik-Magnete (Ferrite) bestehen aus einem Eisenoxid plus anderen Metalloxiden.
Vintage-korrekte Materialien°
Keramik-Magnete sind stärker als AlNiCo-Magnete und innerhalb der AlNiCo-Legierungen sind die Abstufungen wie folgt: AlNiCo V ist stärker als AlNiCo II und dieses wiederum minimal kräftiger als AlNiCo III (in dem sogenannten AlNiCo III ist übrigens kein Cobalt enthalten, das Material wird deshalb auch als AlNi-Magnet bezeichnet).
Zwei Punkte sollte man bedenken, bevor man ins Schwärmen für einen Magnet-Typen kommt, der den Sound der Gitarre nachhaltig verbessern soll: Erstens liegen die Herstellungstoleranzen für AlNiCo-Magnete heute im zweistelligen Prozentbereich (und das war vor 60 Jahren ganz sicher nicht besser) und zweitens ist nicht AlNiCo V gleich AlNiCo V, denn es hat schon immer verschiedene Rezepturen für jede AlNiCo-Gruppe gegeben!
Das Magnetmaterial beeinflusst den Klang tatsächlich auf vielfältige Weise. Wegen der Geometrie des Tonabnehmers ist das bei einem Singlecoil mit Stabmagneten ausgeprägter als beim klassischen Humbucker. Relativ leicht wahrnehmbar ist die Veränderung der Lautstärke, wenn ein schwacher AlNiCo II gegen einen starken AlNiCo V oder Keramik-Magnet getauscht wird; und das fühlt sich subjektiv ja auch besser an, wenn der neue Austausch-Pickup lauter ist als sein Vorgänger.
Die etwas anderen Humbucker: Lace Alumitone Pickups°
Aber Vorsicht: das kann auch böse Folgen haben! Denn wenn die Strat oder die Tele unsauber intonieren, die Gitarre nicht richtig zu stimmen und das Saitenschnarren nicht in den Griff zu bekommen ist, dann diagnostiziert der Gitarrendoktor oft „Stratitis“ – und die wird von zu starker Magnetkraft, die auf die schwingenden Saiten wirkt, ausgelöst.
Für einen starken Magneten spricht, dass er die Vorstufe des Verstärkers kräftiger ansteuert; gleichzeitig bremst er aber die Saitenschwingung und verhindert die Möglichkeit, den Verstärker dynamisch mehr zu fordern und die Regler weiter Richtung rechts zu drehen. Ich ziehe es vor, mit einem moderaten Eingangssignal zu arbeiten und dafür den Amp lauter zu drehen.
Die Stärke der jeweiligen Magnet-Legierung übt noch auf eine weitere Art Einfluss auf den Klang aus: Das sogenannte Magnetfeldfenster (die Apertur), also der effektive Bereich, mit dem das Magnetfeld des Pickups die Schwingungen der Saite abtastet, ist bei schwächeren Magneten größer und führt zu einer Bedämpfung der hohen Frequenzen.
Starke Railhammer Pickups°
Neben den Lautstärke- gibt es auch Charakter-Unterschiede zwischen den einzelnen Magnet-Typen, die rein materialspezifisch sind. Sie sind zwar klein, aber durchaus wahrnehmbar. Keramik-Magnete sind nicht nur lauter als AlNiCo-Magnete, sondern sie bringen auch mehr Höhen, die den Ton härter, gläserner oder schneidender machen. Dass die Höhenwiedergabe des Keramik-Magneten im Vergleich zu seinen AlNiCo-Pendants stärker ist, liegt daran, dass der Keramik-Magnet aus nicht leitendem Material besteht und somit in seinem Inneren keine sogenannten Wirbelströme auftreten, die hohe Frequenzen bedämpfen.
Anders bei AlNiCo-Magneten: Sie sind Stromleiter, in denen Wirbelstromverluste auftreten, wodurch hohe Frequenzen bedämpft werden. Deshalb wird der Klang von AlNiCo-bestückten Tonabnehmern auch als „weich“ bezeichnet oder das Obertonverhalten als „glockig“ charakterisiert – hier wird dem Klang etwas von seiner Schärfe genommen. Das fällt bei AlNiCo V übrigens deutlicher aus als bei AlNiCo II, denn die AlNiCo-V-Legierung hat eine ca. 40% größere elektrische Leitfähigkeit als AlNiCo II.
Der Magnet hat auch Einfluss auf die Resonanzfrequenz und damit auf den Klangcharakter. Ein Wechsel von einem Keramik- zu einem AlNiCo-Magneten erhöht die Permeabilität des Magneten (das ist die magnetische Leitfähigkeit). Eine Veränderung der Permeabilität hat Einfluss auf die Spuleninduktivität und erhöht sie in diesem Fall, was eine Absenkung der Resonanzfrequenz zur Folge hat und somit einen weniger brillanten Klang für den AlNiCo-Magneten ergibt.
Aufbau eines klassischen Humbuckers, mit einem zentralen Magneten unter zwei Spulen Polysol
Bezüglich Höhenwiedergabe hat also eindeutig der Keramik-Magnet die Nase vorn und das hört man im A/B-Vergleich auch heraus. Aber die Unterschiede zwischen den verschiedenen AlNiCo-Typen muss man eher an den Lautstärke-Unterschieden fest machen, denn der aufmerksame Leser hat vielleicht schon gemerkt, dass der Vorteil des AlNiCo II gegen- über dem AlNiCo V in Bezug auf weniger Höhenverlust (weil weniger Wirbelströme) schnell dahin ist, wenn man den Einfluss auf die Resonanzfrequenz gegenrechnet, weil hier der AlNiCo V besser abschneidet.
Die Klangunterschiede treten also in der praktischen Anwendung nicht so deutlich zu Tage, wie das erscheint, wenn man die Phänomene mit Worten beschreibt. Bleibt zu resümieren, dass die theoretisch vorhandenen Klangunterschiede zwischen den einzelnen Magnet-Legierungen sehr klein, und tatsächlich nicht in jeder Vergleichssituation wahrnehmbar sind.
Historisch korrekt stehen die Magnete für die A-Saite weit heraus.°
Ehre wem Ehre gebührt: So heiß im Gain, so gnadenlos im Ton und Druck, den 5150 muss man als einen der Urväter aller Muscle-Amps sehen. Schon 27 Jahre her, dass er zur Welt kam, 1991, eine Neo-Legende mit nach wie vor hohem Stellenwert. Mehrfach überarbeitet ist er seinem ursprünglichen Charakter immer treu geblieben. Die abgespeckten Versionen des 100-Watt-Topteils sind Brüder vom gleichen Schlag. Jetzt gerade kommt eine modifizierte 50-Watt-Version in den Handel.
Über die Fähigkeiten des Soundfiles Webtext EVH 5150III 50W EL34 Head + 212 Cab gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Amps vermitteln.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Kürzlich hatte ich Kumpel Manne am Fon. Der fällt mit der Tür ins Haus: „Ich brauch´ einen neuen Amp…“ Ich: „Anforderungen?“ Er: „Rocker mit Ton, zwei Kanäle Vollröhre reicht, variabel, ´n bisschen Luxus…“ Und ich hatte gerade dem Revv-Amp hier auf den Zahn gefühlt. „Komm vorbei, ich denke ich hab´ hier was für dich!“
Hat ihm gut gefallen, der Generator 7-40, aber nein, ich weiß (noch) nicht ob Manne sich tatsächlich für das Topteil entschieden hat. „Revv Amplification, wer ist denn das, kenn´ ich gar nicht…?.“ Seine Frage ist vermutlich die vieler anderer Kollegen. Was Wunder, die Marke ist jung und noch nicht sooo lange auf dem hiesigen Markt. Bei näherer Betrachtung wirkt sie sogar ein bisschen exotisch. Wir haben es hier nämlich mit High-Tech-Röhrentechnik aus Kanada zu tun. Das ist ja mal selten, kann mich nicht erinnern jemals so was aus dem Ahornland auf dem Tisch gehabt zu haben.
Über die Fähigkeiten des REVV-Amplification The Generator 7-40 gibt mein ausführlicher Testbericht in der aktuellen Ausgabe unseres Gitarre&Bass-Magazins detailliert Auskunft. Ich habe außerdem –wie immer bei solchen Tests- einige Soundclips eingespielt, die einen Eindruck von den tonalen Eigenheiten des Amps vermitteln.
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen das gute alte SM57 von Shure und das C414 von AKG zum Einsatz, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg), eine Steinberger GL4T und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop.
Clips 1 bis 4: Der Channel 1 des The Generator 7-40 bietet zwei Betriebsmodi Clean und Crunch, die über Fußschalter abrufbar sind. Die Gain-Reserven liegen hoch. Der Ton ist groß, voluminös.
Die Clips Nummer 5 bis 9 geben zumindest ansatzweise einen Eindruck davon, wie facettenreich der Channel 2 mit seinen diversen Sound-Switches ans Werk geht.
Clip 10 verdeutlicht wie (vorteilhaft) der The Generator 7-40 auf das Benutzen des Guitar-Volume reagiert.
Im Clip 7 hören wir mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Zuerst ist das Riff über den Channel 1 zu hören, dann über den –fetten, heißen- Channel 2.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.